Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 V 31



99 V 31

8. Auszug aus dem Urteil vom 9. März 1973 i.S. X gegen Eidgenössische
Ausgleichskasse und Versicherungsgericht des Kantons Bern Regeste

    Dauer der Rentenkürzung bei grobfahrlässig verursachter Invalidität
(Art. 7 IVG). Die Kürzung soll grundsätzlich so lange währen, als die
Kausalität des Verschuldens nachwirkt (Bestätigung der Rechtsprechung).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

    Nach Art. 7 Abs. 1 IVG können die Geldleistungen der
Invalidenversicherung dauernd oder vorübergehend verweigert, gekürzt oder
entzogen werden, wenn der Versicherte seine Invalidität vorsätzlich oder
grobfahrlässig oder bei der Verübung eines Verbrechens oder Vergehens
herbeigeführt oder verschlimmert hat. Damit soll verhütet werden,
dass die Invalidenversicherung über Gebühr mit Schäden belastet wird,
welche die Leistungsansprecher hätten vermeiden können, wenn sie die
ihnen zumutbare Sorgfalt angewandt hätten. Dieses Ziel wird dadurch
erreicht, dass die Versicherten die gesetzliche Leistung entsprechend
ihrem Verschulden ganz oder teilweise einbüssen. In EVGE 1962 S. 307
hat das Gericht erklärt, die dauernde Kürzung werde "wenigstens die
Regel darstellen", soweit Renten in Frage stehen. Diese Auffassung hat
es in EVGE 1967 S. 98 bestätigt mit der Begründung, dass wegen des
aleatorischen Charakters von Höhe und Dauer der einzelnen Rente nur
die prozentuale Kürzung während der ganzen Rentendauer den gesetzlichen
Zweck gewährleiste. Würde man eine Invalidenrente von unbekannter Dauer
zum vornherein nur für eine bestimmte Zeitspanne kürzen, so verzichtete
man darauf, die Sanktion der Höhe des Schadens anzupassen, welchen die
Versicherung wegen des schuldhaften Verhaltens des Anspruchsberechtigten
zu tragen habe. Ein solcher Verzicht liefe daraufhinaus, die Kürzung vor
allem nach strafrechtlichen Kriterien zu gestalten. Dies widerspräche
dem Sinn der Kürzung, der keine Straffunktion zukomme (EVGE 1966 S. 98).

    Immerhin anerkannte das Gericht schon in EVGE 1962 S. 307, dass
Abweichungen von der Regel der dauernden Rentenkürzung möglich seien. In
EVGE 1967 S. 98 beschränkte es diese möglichen Abweichungen ausdrücklich
auf Ausnahmefälle.

    An dieser Rechtsprechung, welche die Kürzungsdauer grundsätzlich
von der Dauer der zeitlichen Einwirkung des schuldhaften Verhaltens
auf die Invalidität abhängig macht, ist festzuhalten. Die abweichende
Auffassung des Bundesamtes, die insbesondere in Rz. 258 der Wegleitung über
Invalidität und Hilflosigkeit ihren Niederschlag gefunden hat, entspricht
nicht dem Zweckgedanken der Kürzungsnorm des Art. 7 Abs. 1 IVG. Deshalb
vermag ihr das Eidg. Versicherungsgericht nicht beizupflichten. Es wird
zunächst Aufgabe des Bundesamtes sein, unter Berücksichtigung der geltenden
Rechtsprechung Richtlinien betreffend die Ausnahmen vom Grundsatz der
dauernden Rentenkürzung aufzustellen.