Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 V 152



99 V 152

47. Urteil vom 21. Februar 1973 i.S. Augsburger gegen AHV-Ausgleichskasse
des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich Regeste

    Mehrkosten medizinischer Massnahmen (Art. 14 Abs. 2 IVG) gehen nicht zu
Lasten der Versicherung, wenn sie dadurch entstehen, dass die Heilanstalt
den Versicherten aus betrieblichen Gründen und ohne sein Begehren in die
private Abteilung verlegt (Erw. 1, 2). Verhältnis der Heilanstalt zur
Invalidenversicherung (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Im Zusammenhang mit einer im Jahre 1967 durchgeführten
Beckenosteotomie wurde bei Yolanda Augsburger im Frühjahr 1970 das
Osteosynthesematerial entfernt. Wegen der im Operationsgebiet des
Unterschenkels aufgetretenen Infektion mussten im Dezember 1970 und
Februar 1971 ausgedehnte Spüldrainagen angelegt werden. Im April 1971
war eine erneute Revision des Operationsgebietes notwendig. Der Orthopäde
Dr. H. berichtete am 16. April 1971 der Invalidenversicherungs-Kommission,
infolge der Infektionsgefahr für andere Frischoperierte lasse sich die
erwähnte Infektion nicht in einem Krankenzimmer mit mehreren Betten
durchführen. Yolanda Augsburger habe deshalb im Januar 1971 in ein
Einerzimmer verlegt werden müssen. Die Invalidenversicherung übernahm die
Kosten der Hospitalisierung und Behandlung für die Zeit vom 27. Oktober
1970 bis vorläufig 31. Oktober 1971 (Verfügung der Ausgleichskasse des
Kantons Zürich vom 19. Mai 1971) mit der Bemerkung:

    "Dagegen können die Kosten für eine private Hospitalisation und
entsprechende Behandlung wegen eingetretener Infektion von der Versicherung
nicht übernommen werden. Die IV-Kommission ist der Auffassung, dass eine
Infektionsabschirmung in der Klinik S. nicht durchführbar sei, weshalb
die Kosten nur im allg. Tarif gemäss BSV übernommen werden können."

    B.- Hans Augsburger beschwerte sich für seine Tochter gegen die
Weigerung der Invalidenversicherung, für die durch den Aufenthalt in der
Privatabteilung entstandenen Mehrkosten aufzukommen.

    Die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich stellte fest, dass die
wegen der Sekundärinfektion notwendig gewordene Isolierung und besondere
Behandlung nicht eine Massnahme darstelle, die objektiv in einer andern als
der allgemeinen Abteilung habe durchgeführt werden müssen. Die Verlegung
in die Privatabteilung sei allein aus Gründen, die im organisatorischen
Aufbau und in der Ausstattung der Klinik liegen, erfolgt. Deshalb habe die
Invalidenversicherung die durch diese Verlegung entstandenen Mehrkosten
nicht zu übernehmen. Sie komme ihren Verpflichtungen vollumfänglich
nach, indem sie die für die allgemeine Abteilung vereinbarte Pauschaltaxe
bezahle. Demgemäss hat die Rekurskommission die Beschwerde am 27. Oktober
1972 abgewiesen.

    C.- Yolanda Augsburger reicht Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein
mit dem Begehren, die Invalidenversicherung sei zu verpflichten,
"die in Frage stehenden Kosten restlos" zu übernehmen. Zur Begründung
verweist sie auf ein Schreiben des behandelnden Orthopäden Dr. H., der
darlegt, dass die Versicherte aus dringenden medizinischen Überlegungen
zur Isolierung vorübergehend in einem Einzelzimmer habe untergebracht
werden müssen. Der dadurch bedingte pflegerische Mehraufwand sei in der
Tagespauschale nicht inbegriffen.

    Die Ausgleichskasse verzichtet auf eine Stellungnahme zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, deren Abweisung vom Bundesamt für
Sozialversicherung beantragt wird.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die medizinischen Eingliederungsmassnahmen umfassen ausser den
ärztlich verordneten Medikamenten die vom Arzt selbst oder auf seine
Anordnung durch medizinische Hilfspersonen in Anstalts- oder Hauspflege
vorgenommene Behandlung (Art. 14 Abs. 1 IVG). Bei Anstaltsbehandlung hat
der Versicherte überdies Anspruch auf Unterkunft und Verpflegung in der
allgemeinen Abteilung. Begibt er sich in eine andere Abteilung, obschon
die Massnahme in der allgemeinen Abteilung durchgeführt werden könnte,
so hat er Anspruch auf Ersatz der Kosten, welche der Versicherung bei der
Behandlung in der allgemeinen Abteilung entstanden wären (Art. 14 Abs. 2
IVG). Die durch die Behandlung in einer Privatabteilung entstehenden
Mehrkosten gehen nur dann zu Lasten der Invalidenversicherung, wenn die
Massnahme in der allgemeinen Abteilung nicht durchgeführt werden kann.

    Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin Anspruch
auf Spitalbehandlung in der allgemeinen Abteilung der Klinik
S. hatte. Unbestritten ist ferner, dass die Verlegung der Versicherten von
dieser Abteilung in ein Privatzimmer nicht auf ihr Begehren erfolgte und
dass sich die Behandlung grundsätzlich auch in der allgemeinen Abteilung
hätte durchführen lassen. Yolanda Augsburger wurde ausschliesslich darum
in ein Zimmer der Privatabteilung verlegt, weil die allgemeine Abteilung
der Klinik S. über kein Isolierzimmer verfügte. Die Voraussetzungen
für die Übernahme der durch den Aufenthalt und die Behandlung der
Beschwerdeführerin in der Privatabteilung entstandenen Mehrkosten durch die
Invalidenversicherung sind nicht erfüllt, weshalb die Invalidenversicherung
diese Kosten nicht zu tragen hat.

Erwägung 2

    2.- Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin folgt daraus
aber nicht, dass sie selber für jenen Mehraufwand aufzukommen hat. Die
medizinischen Massnahmen sind nämlich Sachleistungen, die als solche
gesamthaft von der Invalidenversicherung angeordnet und bezahlt
werden. Deren Leistung beschränkt sich nicht auf die Gewährung eines
Beitrages. Dementsprechend hatte sich das Bundesamt in Anwendung von
Art. 27 IVG um den Abschluss einer Tarifvereinbarung mit der Klinik
S. bemüht. In dieser Vereinbarung wird ausdrücklich festgehalten, falls
der Versicherte oder sein gesetzlicher Vertreter ausdrücklich verlange,
in einer andern als der allgemeinen Abteilung hospitalisiert und behandelt
zu werden, komme die Invalidenversicherung lediglich für die Kosten der
Behandlung in der allgemeinen Abteilung auf. Obschon sich diese Regelung
ausdrücklich nur auf jenen Fall bezieht, da der Patient die Unterbringung
in einer andern als der allgemeinen Abteilung verlangt, so gilt sie
noch vielmehr auch dann, wenn die Klinik entgegen der stillschweigenden
Vertragsvoraussetzung sich aus betrieblichen Gründen ausserstande sieht,
die Behandlung in der allgemeinen Abteilung vorzunehmen. Die dadurch
entstehenden Mehrkosten kann die Klinik nicht auf den Patienten oder auf
die Invalidenversicherung abwälzen.

Erwägung 3

    3.- Es ist Sache der Invalidenversicherung, die Klinik mit der
Durchführung der bewilligten medizinischen Massnahme zu betrauen. Dadurch
entsteht ein Auftragsverhältnis zwischen der Versicherung und der Stelle,
welche die Eingliederungsmassnahme durchführt. Die Entschädigung erfolgt
alsdann auf Grund des gemäss Art. 27 IVG abgeschlossenen Tarifvertrages.
Zwischen dem Versicherten und der durchführenden Stelle fehlt es in
der Regel an direkten Rechtsbeziehungen. Ausgenommen sind die Fälle,
in denen der Versicherte auf eigenes Begehren in einer andern als in
der allgemeinen Abteilung behandelt wird, obschon die Behandlung in der
allgemeinen Abteilung möglich wäre (vgl. EVGE 1965 S. 172). Ein solcher
Fall liegt - wie bereits gesagt - nicht vor, denn die Behandlung der
Beschwerdeführerin in der Privatabteilung der Klinik S. erfolgte nicht
auf Begehren der Versicherten oder deren Eltern, sondern aus Gründen,
welche diese Personen nicht zu vertreten haben. Richtigerweise hat
daher die Ausgleichskasse in ihrer Verfügung vom 19. Mai 1971 die
Beschwerdeführerin nicht verpflichtet, die zur Diskussion stehenden
Mehrkosten zu bezahlen. Anderseits hatte sich die Klinik durch die
Annahme des Behandlungsauftrages stillschweigend mit der Entschädigung
gemäss Tarifvereinbarung einverstanden erklärt. Somit bestand für Yolanda
Augsburger kein rechtliches Interesse an der Einreichung der Beschwerde bei
der kantonalen Rekurskommission. Diese hätte demnach auf das Rechtsmittel
gar nicht eintreten dürfen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.