Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 V 125



99 V 125

41. Urteil vom 13. Juni 1973 i.S. Eidgenössische Militärversicherung
gegen Casutt und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt Regeste

    Parteientschädigung (Art. 56 Abs. 1 lit. e M VG und Art. 159 Abs. 6
OG).

    Ein kantonaler Entscheid, welcher der obsiegenden Partei eine
Prozessentschädigung zuspricht, ohne sie zu beziffern, deren nachträgliche
Festsetzung jedoch gewährleistet, ist nicht bundesrechtswidrig.

Sachverhalt

    A.- Durch Entscheid vom 19. Juli 1972 trat das Versicherungsgericht
des Kantons Basel-Stadt aufein von Georg Casutt beschwerdeweise gestelltes
Rentengesuch nicht ein, hiess indessen ein Eventualbegehren gut, indem
es die angefochtene Verfügung der Militärversicherung vom 30. Juli 1971
aufhob und feststellte, dass der Kläger nicht verpflichtet werden könne,
sich einer operativen Neurolyse zu unterziehen, und dass ihm aus dieser
Weigerung keine Rechtsnachteile erwachsen dürfen. Dem Versicherten, der
in der grundsätzlichen, für den Prozess entscheidenden Frage obsiege,
seien aufGrund von Art. 56 Abs. 1 lit. e MVG von der Militärversicherung
die Parteikosten zu ersetzen. Der dritte Satz des Dispositivs lautet: "Das
Verfahren ist kostenlos; die Beklagte trägt die Parteikosten des Klägers."

    B.- Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt die
Militärversicherung die Anträge,

    a) es sei das Dispositiv des Urteils im Kostenpunkt aufzuheben
und das kantonale Versicherungsgericht zu verpflichten, die von der
Militärversicherung zu tragenden Parteikosten betragsgemäss festzusetzen;

    b) evtl.: der Kostenbetrag sei durch das Eidg. Versicherungsgericht
selber zu bestimmen.

    Die Versicherung verweist zur Begründung auf das Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts vom 26. Juni 1967 i.S. Pfister, wonach ein kantonaler
Entscheid (damals ebenfalls ergangen vom Versicherungsgericht des Kantons
Basel-Stadt) bundesrechtswidrig ist, der dem obsiegenden Beschwerdeführer
eine nicht zahlenmässig bezifferte Prozessentschädigung zuspricht.

    Das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt enthält sich eines
Antrages. Es räumt ein, das fragliche Urteil übersehen zu haben, wirft
aber die Frage auf, ob dieser Entscheid schlüssig sei.

    Georg Casutt lässt beantragen, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei
ohne Prüfung der Begründetheit zurückzuweisen, eventuell sei die Beschwerde
abzuweisen und subeventuell sei die Sache zur Bestimmung der von der
Militärversicherung zu tragenden Parteikosten an das Versicherungsgericht
des Kantons Basel-Stadt zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

      Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gegenstand der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist allein die Frage,
ob der vorinstanzliche Kostenschluss, wodurch die Militärversicherung
verpflichtet wurde, dem obsiegenden Georg Casutt dessen Parteikosten
ohne jede zahlenmässige Bestimmung zu ersetzen, zulässig sei. Zu prüfen
ist vorerst, ob dieser Kostenentscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
selbständig angefochten werden kann.

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidg.  Versicherungsgericht
letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen
im Sinne von Art. 97 und 98 lit. b bis h OG auf dem Gebiete der
Sozialversicherung. Für den Begriff der mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
anfechtbaren Verfügungen verweist Art. 97 OG auf Art. 5 des Bundesgesetzes
über das Verwaltungsverfahren. Nach Art. 5 Abs. 1 VwG gelten als
Verfügungen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf
öffentliches Recht des Bundes stützen (und im übrigen noch weitere,
hinsichtlich ihres Gegenstandes näher umschriebene Voraussetzungen
erfüllen).

    Aus Art. 101 lit. b OG ergibt sich, dass die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen über Verfahrenskosten
und Parteientschädigungen zulässig ist, wenn in der Hauptsache die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig ist.

    Der Entscheid in der Hauptsache entspricht dem Verfügungsbegriff
des Art. 5 VwG. Er fällt unter Art. 98 lit. g OG und ist der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde durch keine Ausschlussbestimmung
entzogen. Das Eidg. Versicherungsgericht hat deshalb auf
eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung über die
Parteientschädigung einzutreten, wenn diese sich auf öffentliches Recht
des Bundes stützt.

Erwägung 3

    3.- Die Kantone regeln gemäss Art. 56 Abs. 1 MVG das
Rekursverfahren. Lit. e dieser Bestimmung lautet (in der Fassung gemäss
BBl 1949 II 529):

    "Der im Prozess obsiegende Kläger hat gegenüber der Militärversicherung
Anspruch auf Ersatz der Auslagen und Kosten seiner Prozessführung und
Vertretung (auch bei unentgeltlicher Verbeiständung) nach gerichtlicher
Festsetzung."

    Daraus folgt, dass in Militärversicherungsstreitigkeiten ein
bundesrechtlicher Anspruch auf Parteientschädigung nach gerichtlicher
Festsetzung besteht. Ein entsprechender kantonaler Kostenentscheid
kann daher mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde selbständig angefochten
werden; er stützt sich auf öffentliches Recht des Bundes und erfüllt den
Verfügungsbegriff des Art. 5 VwG. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

Erwägung 4

    4.- a) Das Eidg. Versicherungsgericht hat im Urteil vom 26. Juni
1967 i.S. Pfister erklärt, die bloss grundsätzliche Auferlegung einer
Prozessentschädigung ohne ziffernmässige Festsetzung des Betrages
verstosse gegen Art. 56 Abs. 1 lit. e MVG, "nach dessen klarem Wortlaut
das kantonale Versicherungsgericht die Prozessentschädigung, welche
die Militärversicherung einem obsiegenden Kläger schuldet, festsetzen
muss". Es fragt sich, ob im Hinblick auf Art. 135 in Verbindung mit
Art. 159 Abs. 6 OG an dieser Rechtsprechung vollumfänglich festgehalten
werden kann. Laut Art. 159 Abs. 6 OG wird die Verfügung der kantonalen
Instanz, durch die eine Parteientschädigung zugesprochen worden
ist, vom Eidg. Versicherungsgericht je nach dem Entscheid über die
Hauptsache bestätigt, aufgehoben oder abgeändert. Dabei kann das Eidg.
Versicherungsgericht die Entschädigung nach Massgabe des kantonalen
Tarifes selbst festsetzen oder die Festsetzung der zuständigen kantonalen
Behörde übertragen.

    In BGE 98 V 126 Erw. d führte das Gericht dazu aus, dass den Kantonen
auch im Sozialversicherungsprozess nicht vorgeschrieben werden könne,
wie sie die Parteientschädigung zu verteilen und zu bemessen haben;
sie seien dafür allein zuständig.

    b) Art. 56 Abs. 1 lit. e MVG schreibt vor, dass die Parteientschädigung
gerichtlich festzusetzen sei; wie das geschieht, richtet sich indessen nach
kantonalem Recht. Nach der Praxis des Versicherungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt werden mit dem materiellen Entscheid die ausserordentlichen
Kosten vorerst ohne ziffernmässige Festlegung zugesprochen. Die
kostenpflichtige Partei hat allenfalls später die Möglichkeit, beim Gericht
entweder ein Moderations- oder ein Tarifierungsbegehren einzureichen. Diese
Praxis, die eine - wenn auch nachträgliche - gerichtliche Festsetzung
erlaubt, verstösst somit nicht gegen Bundesrecht.

    c) Demnach ist das bereits zitierte Urteil Pfister in
dem Sinne zu präzisieren, dass ein kantonaler Entscheid in
Militärversicherungsstreitigkeiten, welcher der obsiegenden Partei
eine Prozessentschädigung zuspricht, ohne sie zu beziffern, eine -
nachträgliche - gerichtliche Festsetzung jedoch gewährleistet, nicht
bundesrechtswidrig ist.

Erwägung 5

    5.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich daher als
unbegründet und ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens kann
offen bleiben, ob die im Urteil Pfister gestützt auf EVGE 1961 S. 127
festgelegten bundesrechtlichen Bemessungsgrundsätze im Hinblick auf BGE
98 V 126 Erw. d zu bestätigen sind.

Entscheid:

                 Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.