Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IV 36



99 IV 36

8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. März 1973
i.S. Kumschick gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern. Regeste

    Art. 20 Tierseuchengesetz, Art. 17.7 Tierseuchenverordnung.

    Die Viehhandelskontrolle ist auf amtlichem Formular gemäss
Musterbeispiel des Eidg. Veterinäramtes zu führen; bei Kauf oder Verkauf
von ganzen Tierherden genügen Angaben über den gesamthaften Tierzuwachs
bzw. -abgang.

Sachverhalt

    A.- Anton Kumschick handelt mit Schweinen. Nach Art.  17.7 der
Verordnung zum BG über die Bekämpfung der Tierseuchen (TSV) vom 15.
Dezember 1967 ist er als Viehhändler zur gewissenhaften Führung einer
lückenlosen Viehhandelskontrolle verpflichtet, in welcher laufend
jeder Tierzuwachs und -abgang einzutragen ist. Das Verzeichnis ist auf
einem vom Eidg. Veterinäramt aufgestellten Formular zu führen und den
seuchenpolizeilichen Organen jederzeit zur Einsicht offen zu halten. Im
Jahre 1970 wurde Kumschick vom kantonalen Veterinäramt Luzern wiederholt
vergeblich aufgefordert, die Viehhandelskontrolle einzusenden; er hatte
für 1969 und 1970 keine solche Kontrolle geführt.

    B.- Am 15. September 1971 verurteilte das Amtsgericht Willisau
Kumschick wegen Nichtführens und Nichtablieferns der genannten Kontrolle
zu einer Busse von Fr. 50.-. Eine vom Gebüssten gegen diesen Entscheid
eingereichte kantonale Kassationsbeschwerde wies das Obergericht des
Kantons Luzern am 25. Februar 1972 ab. Es stellte dabei fest, dass
Gegenstand der Anklage das Nichtführen der Viehhandelskontrolle bilde
und dass das von der ersten Instanz zusätzlich einbezogene Nichtabliefern
derselben im Nichtführen der Kontrolle aufgehe, nachdem eine solche nicht
habe abgeliefert werden können, weil sie nicht geführt worden sei.

    Auf staatsrechtliche Beschwerde Kumschicks hob das Bundesgericht
am 19. September 1972 den obergerichtlichen Entscheid auf, weil
dem Beschwerdeführer nicht Gelegenheit gegeben worden war, zu einer
im kantonalen Kassationsverfahren eingeholten Vernehmlassung des
Eidg. Veterinäramtes Stellung zu beziehen.

    Mit Urteil vom 8. Januar 1973 wies das Obergericht die kantonale
Kassationsbeschwerde erneut ab, nachdem es Kumschick im Sinne des
bundesgerichtlichen Entscheides rechtliches Gehör gewährt und dieser neue
Beweisbegehren gestellt hatte.

    C.- Kumschick führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil
des Obergerichtes vom 8. Januar 1973 und der Entscheid des Amtsgerichtes
Willisau vom 15. September 1971 seien aufzuheben und er sei von Schuld
und Strafe freizusprechen, eventuell seien die Akten zu neuer Beurteilung
an die zuständige kantonale Instanz zurückzuweisen.

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern hat sich mit dem Antrag
auf Abweisung der Beschwerde vernehmen lassen.

    Der Kassationshof weist die Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit darauf
eingetreten werden kann.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer macht geltend, seine Verurteilung beruhe auf
keiner gesetzlichen Grundlage. Es gebe keine Gesetzesvorschrift und keine
Verordnungsbestimmung, welche die Führung einer Viehhandelskontrolle in der
Form gebiete, wie sie dem Beschwerdeführer vorgeschrieben worden sei. Auch
das vom Eidgenössischen Veterinäramt (EVA) aufgestellte Musterformular
enthalte keine Vorschrift über die Eintragung eines einzelnen Tieres. Wohl
sehe die TSV die Führung einer Kontrolle nach vorgeschriebenem Formular
vor. Wenn aber das kantonale Veterinäramt das Formular so ausgestalte,
dass man es nicht ausfüllen könne, so gelte der Satz "ultra posse nemo
tenetur". Das kantonale Veterinäramt habe sich nicht an das Formular
des EVA gehalten, indem es zusätzlich zu diesem Weisungen erlassen habe,
die keinen Strafschutz verdienten und das Formular untauglich machten. -
Art. 48 TSG gewähre nur einen strafrechtlichen Schutz in bezug auf
das, was im Gesetz oder in der Verordnung stehe oder in Ausführung der
Bestimmungen von den Behörden als Vorschriften allgemeiner Art erlassen
worden sei. Die beanstandete Viehhandelskontrolle sei nicht von einer
Behörde angeordnet worden, sondern vom kantonalen Veterinäramt, das keine
Behörde sei. Es fehle somit die rechtliche Grundlage zur Bestrafung des
Beschwerdeführers. Des weiteren sei die Viehhandelskontrolle durch das
Viehhandelskonkordat und nicht durch das eidgenössische Gesetz eingeführt
worden, so dass die Strafvorschriften über die Viehhandelskontrolle nicht
auf das TSG abgestützt werden könnten. Auch sei die Viehhandelskontrolle
seuchenpolizeilich bedeutungslos. Das Formular für die Viehhandelskontrolle
sei "eine rein fiskalische Grundlage für die Gebührenberechnung durch das
kantonale Veterinäramt", so dass ein strafrechtlicher Schutz auch unter dem
Gesichtspunkt der Tierseuchenpolizei unhaltbar sei. Schliesslich stelle
sich die Frage, ob die allgemeine Blankettnorm des Art. 48 TSG nicht den
Bogen überspanne. An der Systematik des Strafschutzes im Tierseuchenwesen
habe sich seit Inkrafttreten des neuen TSG nichts geändert. Der generelle
Straftatbestand des Art. 232 StGB sei geblieben. Man könne sich deshalb
fragen, ob nicht die Überlegungen weiterhin Gültigkeit hätten, die
seinerzeit in BGE 88 IV 139 angestellt worden seien.

    a) Art. 20 TSG ermächtigt den Bundesrat, gegen die Verschleppung
von Seuchen bei der Berufsausübung, insbesondere beim gewerbsmässigen
Viehhandel seuchenpolizeiliche Vorschriften zu erlassen. In Ausführung
dieser Delegationsvorschrift hat der Bundesrat die Bestimmungen des Art. 17
TSV erlassen (FRITSCHI/NABHOLZ/RIEDI, Kommentar zum TSG und zur TSV S. 22
N. 3 zu Art. 20). Danach sind die Viehhändler zur gewissenhaften Führung
einer lückenlosen Viehhandelskontrolle verpflichtet, in welcher laufend
jeder Tierzuwachs und -abgang einzutragen ist. Die Kontrolle ist auf
einheitlichem, vom Veterinäramt aufgestelltem Formular zu führen (s. auch
Art. 57 TSG). Daraus erhellt, dass die genannte Viehhandelskontrolle nicht
- wie der Beschwerdeführer behauptet - durch das Viehhandelskonkordat,
sondern durch den Bundesrat mit dem Erlass der TSV eingeführt worden
ist. Entsprechend wurde ihm denn auch von den kantonalen Instanzen nicht
ein Verstoss gegen dieses Konkordat, sondern gegen Art. 17.7 TSV zur
Last gelegt. Dass aber eine solche Übertretung unter die Strafdrohung des
Art. 48 TSG fällt, steht nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, auf welche
Art. 61.2 TSV ausdrücklich verweist, ausser Zweifel. Danach wird nämlich
mit Busse bis zu Fr. 2000.-- bestraft, wer vorsätzlich den Bestimmungen von
Art. 14 Abs. 1, Art. 17, Art. 18 Abs. 1 und 2, Art. 21, 23, 26 oder den in
Ausführung dieser oder anderer Bestimmungen des Gesetzes von den Behörden
des Bundes oder eines Kantons erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt.

    b) Mit der Rüge sodann, die Viehhandelskontrolle sei seuchenpolizeilich
bedeutungslos und das Formular diene nur fiskalischen Zwecken, bestreitet
Kumschick die Gesetzmässigkeit des Art. 17.7 TSV. Wie bereits ausgeführt,
kann nach Art. 20 TSG der Bundesrat gegen die Verschleppung von Seuchen
bei der Berufsausübung, insbesondere beim gewerbsmässigen Viehhandel
seuchenpolizeiliche Vorschriften erlassen. Zu prüfen ist deshalb, ob
Art. 17.7 TSV sich im Rahmen dieser Delegationsnorm halte. Hiebei steht
dem Richter nicht das Recht zu, sein eigenes Ermessen an die Stelle jenes
des Bundesrates zu setzen. Vielmehr hat er sich auf die Beantwortung
der Frage zu beschränken, ob sich der Bundesrat mit dem Erlass des
Art. 17.7 TSV eines Mittels bedient habe, das objektiv dem von Art. 20 TSG
verfolgten Zweck dient, d.h. ob die Führung einer Viehhandelskontrolle
auf amtlichem Formular, in welchem neben den Daten des Ankaufs und
des Verkaufs gehandelter Tiere die Tiergattung und Stückzahl sowie die
Namen der Verkäufer und Käufer einzutragen sind, der Verschleppung von
Tierseuchen überhaupt entgegenzuwirken vermag (s. BGE 98 IV 135). Diese
Frage ist entgegen der Meinung des Beschwerdeführers zu bejahen. Nach
Art. 17.7 TSV hat der Viehhändler laufend "jeden Tierzuwachs und -abgang"
einzutragen. Wie sich aus dem Musterformular ergibt, muss bei Käufen
von Tierherden nicht jedes Tier einzeln, sondern bloss der Zuwachs
in seiner Gesamtheit verzeichnet werden. Entsprechend ist auch nicht
unbedingt erforderlich, dass Abgänge jeweils auf der gleichen Linie wie
der Zuwachs einzutragen sind. Damit ist zwar eine Vermischung der Tiere
nicht auszuschliessen und ein unmittelbares Erfassen des Einzeltieres
aufgrund der Kontrolle nicht durchwegs möglich. Trotzdem erlaubt auch eine
derartige Kontrolle, im Falle einer Seuche, den Kreis der möglicherweise
verseuchten Ställe einzugrenzen, um so Kontrollen auf diese zu beschränken
und schliesslich die rasche Anordnung gezielter Massnahmen zu fördern. Die
objektive Eignung der Viehhandelskontrolle als Mittel im Kampf gegen die
Verschleppung von Tierseuchen beim gewerbsmässigen Viehhandel ist also
gegeben und infolgedessen auch die Gesetzmässigkeit des Art. 17.7 TSV.

    c) Der Einwand, das kantonale Veterinäramt habe das vom EVA
aufgestellte Formular so ausgestaltet, dass es nicht ausgefüllt
werden könne, geht fehl. Das Formular selber entspricht durchaus dem
Musterbeispiel des EVA (s. FRITSCHI/NABHOLZ/RIEDI, op.cit. Anhang
S. 367). Dagegen trifft es zu, dass am Fusse dieses Formulars vom
kantonalen Veterinäramt die Weisung aufgenommen wurde, es seien bei
Veräusserung eines zugekauften Tieres "die erforderlichen Eintragungen
des betreffenden Tieres auf der rechten Seite (Verkauf) zu vermerken,
und zwar auf jener Linie, auf welcher sich das in Frage kommende Tier
im Eingang (Ankauf) befindet". Diese Weisung stimmt in der Tat mit dem
Musterbeispiel nicht überein, indem nach den dortigen Eintragungen beim
Kauf einer ganzen Anzahl von Schweinen nur der Zuwachs in seiner Gesamtheit
unter "Ankauf" eingetragen werden muss, während bei der Veräusserung
dieses Zuwachses an verschiedene Käufer die Abgänge selbstverständlich
nicht auf der gleichen Linie und nach Einzeltieren zu verzeichnen sind,
wenn sie wieder in Herden verkauft wurden. Insoweit geht also die Weisung
über das Musterformular des EVA hinaus. Im vorliegenden Fall hat aber das
Obergericht in seinem letzten Entscheid dem Beschwerdeführer nicht zur
Last gelegt, dass es sich nicht an die Weisung gehalten habe. Es hat ihm
vorgeworfen, überhaupt nichts in das Formularbuch eingetragen zu haben,
obschon ihm dies in dem durch das Musterbeispiel selber umschriebenen
Rahmen möglich gewesen wäre. Geht man aber hievon aus, dann ist es
mutwillig zu behaupten, die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen
Nichtführens der Viehhandelskontrolle entbehre der gesetzlichen Grundlage.

    d) Der Umstand schliesslich, dass der im vorliegenden Fall angewendete
Art. 48 TSG einzig die Strafdrohung regelt, für den Tatbestand aber auf
Verwaltungsvorschriften im gleichen Gesetz oder in Ausführungserlassen
verweist, ist im Verwaltungsstrafrecht eine häufige Erscheinung und
rechtlich nicht zu beanstanden (SCHWANDER, Das Schweiz. StGB, 2. Auflage,
S. 14 betr. die Blankettstrafgesetze). Was aber den von Kumschick
angezogenen BGE 88 IV 139 anbelangt, so ging es dabei nicht um die Frage,
ob neben Art. 232 StGB für die Anwendung von Art. 48 TSG Raum sei, sondern
umgekehrt, ob neben den Spezialvorschriften der Tierseuchenpolizei das
StGB zur Anwendung komme auf Handlungen, die keine seuchenpolizeilichen
Tatbestände betreffen, jedoch im Zusammenhang mit Massnahmen zur Bekämpfung
von Tierseuchen begangen wurden (z.B. ungetreue Geschäftsführung). Ausser
jedem Zweifel stand damals, dass jedenfalls Handlungen, durch welche die
Bekämpfung von Tierseuchen in ihrem Erfolg gefährdet oder beeinträchtigt
werden, unter die Sondergesetzgebung der Tierseuchenpolizei fallen. Gegen
die Anwendung von Art. 17.7 TSV in Verbindung mit Art. 48 TSG ist deshalb
aus BGE 88 IV 139 nichts abzuleiten.