Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IV 266



99 IV 266

62. Urteil des Kassationshofes vom 21. Dezember 1973 i.S. X. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich Regeste

    1.  Art. 220 StGB. Voraussetzungen, unter denen eine unmündige Person
dem Inhaber der elterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt "entzogen"
wird (Erw. I 1-7).

    2.  Art. 305 StGB.

    a)  Diese Bestimmung bezieht sich nicht nur auf die Strafverfolgung,
sondern auch auf den Strafvollzug (Erw. II 2).

    b)  Begriff des Entziehens (Erw. II 3).

Sachverhalt

    A.- 1. - Am Abend des 26. September 1971 begab sich eine grössere
Gruppe junger Leute - fast ausschliesslich Mitglieder der "Heimkampagne"
oder Sympathisanten dieser Vereinigung - im Rahmen einer "Besuchsaktion"
nach Uitikon. Sie betraten das Gelände der dortigen Erziehungsanstalt
und begannen Diskussionen mit einzelnen Zöglingen. Im weiteren Verlauf
der Aktion kam es zu Auseinandersetzungen mit dem Anstaltspersonal und
der Polizei. Einige Stunden später stellte die Anstaltsleitung fest,
dass 17 Zöglinge entwichen waren.

    Es konnte nicht widerspruchsfrei abgeklärt werden, wie es zu
dieser Entweichung gekommen war. Jedenfalls trafen die entwichenen
Zöglinge am späten Abend, ca. um 22.00 Uhr, grüppchenweise an einem
verabredeten Treffpunkt an der Wiesenstrasse in Zürich mit Leuten der
"Heimkampagne" zusammen. Von dort aus wurden sie für die Nacht vom
26./27. September 1971 von diesen an verschiedenen Orten in Zürich und
Umgebung untergebracht. Am Abend des 27. September 1971 wurden sie
an ihren Aufenthaltsorten abgeholt und nach Ebnat-Kappel/SG in eine
Kommune transportiert. Dort besprachen die Leute der "Heimkampagne"
mit den Zöglingen das weitere Vorgehen. Es wurde gemeinsam beschlossen,
die Entweichung zu benützen, die Öffentlichkeit über die Massenmedien auf
angeblich unhaltbare Zustände in der Anstalt Uitikon aufmerksam zu machen
und entsprechende Forderungen aufzustellen. Bis dies in geeigneter Form
gelungen sei, sollten die Zöglinge versteckt gehalten werden und nicht
in die Anstalt zurückkehren. Die Leute der "Heimkampagne" bemühten sich
um Unterbringung, Verpflegung und Weitertransport der Zöglinge sowie um
die Weiterleitung ihrer Anliegen an die Öffentlichkeit. Am 29. September
1971 wurden die Zöglinge nach Brione-TI gebracht, am 3. Oktober fuhren sie
mit der Bahn nach Arth-Goldau. Von hier wurden vier Zöglinge nach Zürich
gefahren, wo die Polizei sie festnahm. Die übrigen 13 Zöglinge wurden nach
Brunnadern und von dort am 4. Oktober 1971 nach Basel verbracht. Nach
einer Übernachtung im Jura wurden sie am 6. Oktober 1971 nach Tenniken
transportiert, wo sie am 7. Oktober vom Fernsehen interviewt wurden. Am
9. Oktober 1971 kehrten sie in die Nähe der Anstalt zurück; sie wurden
in einer Kiesgrube in der Nähe von Birmensdorf von der Polizei angehalten.

Erwägung 2

    2.- X. erhielt an einem nicht sicher feststehenden Tag, wahrscheinlich
am 5. Oktober 1971, von einem unbekannten "Betreuer" der Zöglinge einen
telefonischen Anruf mit der Anfrage, ob er einen Ort in der Nähe von
Basel wisse, wo die Zöglinge mit der Presse zusammengebracht werden
könnten. In der Folge begab er sich zu G. nach Tenniken/BL; er hatte
zuvor in Erfahrung gebracht, dass das Haus des G. als Treffpunkt in Frage
komme. X. setzte G. über das Vorhaben ins Bild. Darauf erklärte sich
G. bereit, sein Haus zur Verfügung zu stellen. Die Zöglinge verbrachten
sodann die Nächte vom 6./7. und 7./8. Oktober 1971 in diesem Haus. X. war
dort zugegen, als die Fernsehsendung über die Zöglinge am 8. Oktober
1971 ausgestrahlt wurde. Anschliessend verbrachte er die Zöglinge mit
einem gemieteten Kastenwagen zu einem unbekannten Bauernhaus in der Nähe
von Tenniken, wo sie die Nacht vom 8./9. Oktober 1971 verbrachten. Am 9.
Oktober 1971 fuhr X. die Zöglinge in die Nähe von Birmensdorf/ZH zurück.

    B.- Das Bezirksgericht Zürich sprach X. am 19. Oktober 1972 der
Begünstigung gemäss Art. 305 StGB und des Entziehens und Vorenthaltens
von Unmündigen gemäss Art. 220 StGB schuldig, bestrafte ihn mit 14 Tagen
Gefängnis und gewährte ihm den bedingten Strafvollzug; die Probezeit
wurde auf drei Jahre angesetzt.

    Auf Berufung hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am
29. Mai 1973 den erstinstanzlichen Schuldspruch, ermässigte aber die
Gefängnisstrafe auf 7 Tage und die Probezeit auf zwei Jahre.

    C.- X. führt eidg. Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt Freisprechung
von Schuld und Strafe.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    I. Entziehen und Vorenthalten von Unmündigen

    I.1.- Erste Voraussetzung einer Verurteilung nach Art. 220 StGB ist,
dass der Unmündige dem Inhaber der elterlichen oder vormundschaftlichen
Gewalt entzogen wird.

    Zur Zeit der Flucht waren deren zehn der entwichenen Zöglinge unmündig.
Davon scheiden jene aus, die schon vor dem Eingreifen des Beschwerdeführers
verhaftet worden waren (M., Sch., S.) und deren gesetzliche Vertreter
keinen Strafantrag gestellt haben (M., Sch.). Von den fünf andern waren
zwei gemäss Art. 91 Abs. 1 StGB (B., L.) und zwei "administrativ" (H.,
K.) eingewiesen. M. befand sich damals in Untersuchungshaft.

    a) H. und K. sind bevormundet und gemäss Urteil des Obergerichtes
"administrativ" eingewiesen.

    Die Vorinstanz setzt die administrative Einweisung in Gegensatz
zur strafrechtlichen Einweisung gemäss Art. 43 und 91 Abs. 1 StGB. Sie
zählt darunter auch die vormundschaftliche Einweisung gemäss Art. 405 und
421 Ziff. 13 ZGB, indem sie ausführt: "Noch klarer ist die Verletzung
der vormundschaftlichen Gewalt bei den durch die Vormundschaftsbehörde
eingewiesenen Zöglingen, da diese Einweisung regelmässig mit dem Willen,
wenn nicht auf Antrag des Vormundes erfolgt und somit einer vom Inhaber
der Gewalt ausgehenden Plazierung entspricht." Aus den Akten im Verfahren
gegen T. ergibt sich, dass sowohl H. als auch K. durch Beschluss der
Vormundschaftsbehörde eingewiesen worden sind. Die Anstalt Uitikon übte
demnach die Gewalt über die beiden Zöglinge für die Vormundschaftsbehörde
aus. Wer die Zöglinge der Anstalt entzieht, entzieht sie daher auch
der vormundschaftlichen Gewalt (HAFTER, BT II S. 445 oben; LOGOZ,
Art. 220 N. 4 a). Im vorliegenden Fall kann aber der Beschwerdeführer
nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass die Zöglinge schon
am 26. September 1971 die Anstalt verlassen hatten. Denn daran war er
nicht beteiligt. Hingegen ist er strafbar, wenn er die Zöglinge später,
d.h. in der Zeit zwischen dem 6. und 9. Oktober der Anstalt entzogen
oder vorenthalten haben sollte.

    b) Die Vorinstanz hat ein Entziehen oder Vorenthalten aus elterlicher
bzw. vormundschaftlicher Gewalt auch in jenen Fällen angenommen, in denen
die Zöglinge sich gemäss Art. 91 Abs. 1 StGB, also gestützt auf eine
jugendstrafrechtliche Verurteilung zu einer Erziehungsmassnahme, in der
Anstalt befanden. Denn durch diese Verurteilung sei die elterliche bzw.
vormundschaftliche Gewalt nicht allgemein, sondern nur in bezug auf die
Bestimmung des Aufenthaltsortes eingeschränkt worden.

    Diese Begründung übersieht, dass Art. 220 StGB nicht jede Behinderung
in der Ausübung der elterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt unter
Strafe stellt. So verstanden erhielte diese Vorschrift einen nur schwer
begrenzbaren Anwendungsbereich. Darunter fällt nicht jedes Tun oder
Unterlassen, das den Inhaber der Gewalt hindert, frei über die Erziehung
und die Lebensgestaltung zu bestimmen. Art. 220 StGB greift nur Platz,
wenn die unmündige Person dem Gewaltinhaber entzogen oder vorenthalten
wird. Gemeint ist damit, dass die unmündige Person von dem Aufenthalts-
oder Pflegeort, den der Inhaber der Gewalt bestimmt hat, entfernt oder
ferngehalten wird oder dem Inhaber der Gewalt der ungehinderte Zutritt und
Verkehr unterbunden wird. Die Tat besteht in der örtlichen Trennung, wobei
es keinen Unterschied macht, ob der Unmündige (mit oder ohne seinen Willen)
vom Gewaltinhaber oder der Gewaltinhaber vom Unmündigen ferngehalten
wird. Nur soweit die Ausübung der elterlichen oder vormundschaftlichen
Gewalt gerade durch Entfernung von der bestimmten Aufenthalts- und
Pflegestelle oder durch die Unterbindung des freien Zuganges behindert
wird, fällt die Tat unter Art. 220 StGB. Das ergibt sich aus dem Gesetz,
das voraussetzt, dass die unmündige Person dem Inhaber der Gewalt entzogen
werde. Das kann auch dann geschehen, wenn der Gewaltinhaber zur Zeit der
Tat keine besonderen erzieherischen oder fürsorglichen Anordnungen treffen
wollte. Umgekehrt kann der Täter einen Akt der Erziehung verhindern, ohne
unter diese Strafdrohung zu fallen. Art. 220 StGB ist trotzdem sinnvoll.
Die Bestimmung des Aufenthalts- und Pflegeortes und der freie Zugang
zum Unmündigen sind besonders wichtige Voraussetzungen für die Ausübung
der Gewalt. Anderseits setzt diese Beschränkung dem Tatbestand die
rechtsstaatlich erwünschte Begrenzung. Dass BGE 80 IV 70 nicht anders
zu verstehen ist, ergibt sich aus dem diesem Urteil zugrunde liegenden
Sachverhalt.

    Soweit sich unmündige Zöglinge gemäss Art. 91 Abs. 1 StGB in der
Anstalt befanden, leiteten die Anstaltsorgane ihre Gewalt von der
Strafjustiz, nicht von der elterlichen bzw. vormundschaftlichen Gewalt
ab. Während des Vollzugs der jugendstrafrechtlichen Massnahmen in der
Anstalt ruht die elterliche und vormundschaftliche Gewalt weitgehend. Das
gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Zögling vorübergehend aus der
Anstalt entflohen ist. Solange die Vollzugs- und Anstaltsorgane ihre
Gewalt weiterhin zur Geltung bringen und z.B. versuchen, den Zögling
wieder in die Anstalt zurück zu versetzen, sind sie allein berechtigt,
über den Aufenthaltsort des Jugendlichen zu befinden. Eltern und Vormund
können sich nur unterstützend, gemäss Anweisung der Vollzugsbehörden
einschalten. Das ist aber keine elterliche oder vormundschaftliche
Gewalt, wie sie Art. 220 StGB voraussetzt. Nur wenn die Gewalt der
Vollzugsbehörden rechtlich oder rein tatsächlich so abgeschwächt ist,
dass diese nicht mehr über den Jugendlichen verfügen können oder
wollen, lebt die Gewalt der Eltern und des Vormundes wieder ganz auf.
Doch können sie nicht nebeneinander selbständig über den Aufenthaltsort
des Jugendlichen verfügen, weil sonst widersprechende Anordnungen nicht
ausgeschlossen wären.

    c) Was für die gemäss Art. 91 Abs. 1 StGB eingewiesenen Zöglinge
gilt, trifft sinngemäss auch für M. zu, der sich in Untersuchungshaft
befand. Über seinen Aufenthaltsort verfügten die Strafverfolgungsbehörden
und der Strafrichter gemäss Strafprozessordnung.

    d) Da immerhin noch zwei unmündige Zöglinge der vormundschaftlichen
Gewalt unterstanden, ist eine Voraussetzung für die Anwendung des Art. 220
StGB erstellt.

Erwägung 2

    I.2.- Die Vorinstanz hält den objektiven Tatbestand des Art. 220
StGB auch im übrigen als verwirklicht. Sie stellt verbindlich fest,
der Beschwerdeführer habe im Rahmen der Aktion "Heimkampagne" den
aus der Arbeitserziehungsanstalt Uitikon entwichenen Zöglingen den
Aufenthaltsort im Hause von G. vermittelt, wo diese in der Folge die
Nacht vom 6./7. und 7./8. Oktober 1971 verbracht haben und wo die
Aufnahmen für die Fernsehsendung gemacht worden seien. Für die Nacht
vom 8./9. Oktober 1971 habe er den Zöglingen sodann eine Unterkunft in
einem Bauernhaus in der Nähe von Tenniken vermittelt. Damit habe er sie
auf ihrer Flucht verborgen gehalten oder jedenfalls dazu beigetragen,
dass sie nicht gefunden werden konnten.

    a) Der Beschwerdeführer bestreitet, die Zöglinge den Inhabern der
elterlichen und vormundschaftlichen Gewalt entzogen zu haben. Denn die
Zöglinge seien schon am 26. September 1971 der Anstalt entronnen, also
bevor er am 6. Oktober 1971 eingegriffen habe.

    Diese Begründung übersieht, dass auch eine unmündige Person, welche
sich nicht oder nicht mehr in der Gewalt der Eltern oder des Vormundes
befindet, dem Inhaber der Gewalt entzogen werden kann. Dies geschieht dann,
wenn der Täter verhindert, dass der Unmündige (wieder) in die Gewalt des
Berechtigten gelangt. Das aber hat der Beschwerdeführer gewollt, indem
er den Zöglingen einen Unterschlupf im Hause von G. und im Bauernhaus in
Tenniken vermittelte. Dadurch hat er sie vor den eingeleiteten Suchaktionen
abgeschirmt und dazu beigetragen, dass sie nicht gefunden werden konnten.
Damit hat er sie den Gewaltinhabern entzogen.

    b) Zu Unrecht macht der Beschwerdeführer geltend, blosses Beherbergen
und Ernähren könne nicht strafbar sein. Wie die Vorinstanz mit Recht
feststellt, beschränkte er sich nicht darauf, dringende Hilfe an einen
notleidenden Flüchtigen zu leisten. Was er anstrebte, war vielmehr, den
Berechtigten die Zöglinge solange zu entziehen, bis diese ihre Anliegen
durch Presse oder Fernsehen der Öffentlichkeit vorgetragen hätten.

    c) Zum Tatbestand des Art. 220 StGB gehört im übrigen nicht, dass der
Täter den Unmündigen dauernd der Gewalt entziehe. Es genügt, dass er es
vorübergehend tue. Die Zeit vom 6.-9. Oktober 1971, während welcher die
Zöglinge von Rechts wegen in der Anstalt hätten sein sollen und behördlich
aktiv gesucht wurden, würde den Anforderungen des Art. 220 StGB auch
dann genügen, wenn man mit dem deutschen (Leipziger Kommentar, 9. Aufl.,
12. Lieferung, § 235 N. 3) und dem französischen Recht (Encyclopédie
Dalloz, Droit pénal, Enlèvement de mineurs, Art. 356 CP, N. 46) im
Entziehen ein Vergehen sehen würde, das eine gewisse Zeit dauern muss.

    d) Wie bereits dargetan, genügt es nicht, dass der Täter die Zöglinge
irgendeiner Gewalt, z.B. den Behörden der Strafverfolgung oder des
Strafvollzugs entzogen hat; er muss sie vielmehr der elterlichen oder
vormundschaftlichen Gewalt entzogen haben. Besteht die Tat darin, dass
ein Unmündiger, der sich zur Zeit der Tat nicht mehr in der Gewalt der
Eltern oder des Vormundes befindet, entzogen oder vorenthalten wird,
muss daher zusätzlich verlangt werden, dass der Inhaber dieser Gewalt
sich um die Wiedererlangung der Gewalt bemüht oder es erwartungsgemäss in
naher Zeit tun wird. Soweit im vorliegenden Falle die Zöglinge durch die
Vormundschaftsbehörde eingewiesen wurden, die Anstalt ihre Befugnisse
also von der vormundschaftlichen Gewalt ableitete, waren die von den
Anstaltsorganen veranlassten Bemühungen um Rückschaffung der entwichenen
Unmündigen durch die vormundschaftliche Gewalt mitgetragen. Insoweit ist
also der Tatbestand des Art. 220 StGB erfüllt.

    e) Unter Hinweis auf den sog. Muntbruch gemäss § 235 Abs.  1 des
deutschen Strafgesetzbuches wendet der Beschwerdeführer ferner ein,
der Unmündige selber, der sich der Gewalt der Eltern usw. entziehe, sei
nicht strafbar. Wegen Straflosigkeit der Haupttat könne, mangels einer
besonderen Strafdrohung für den Teilnehmer, auch der Dritte nicht bestraft
werden, der dem Unmündigen helfe, sich der Gewalt zu entziehen. Dass
aber der Dritte, dessen Mitwirkung die Form der Täterschaft annimmt,
auch nach deutschem Rechte strafbar ist, anerkennt die Beschwerde mit
Recht (vgl. auch Leipziger Kommentar, § 235, N. 12 mit Verweis auf RGSt
18, S. 273, 281). Das Verhalten des Beschwerdeführers war nicht blosse
Gehilfenschaft zu "Selbstentziehung" der Zöglinge, welche noch nicht
in die Anstalt zurückkehren wollten. Der Beschwerdeführer nahm an der
Planung und der Durchführung des Aufenthaltes der Zöglinge in Tenniken in
leitender Weise teil. Er bekundete an der Durchführung der Fernsehsendung
und der Öffentlichkeitsarbeit der Aktion "Heimkampagne" ein eigenes
und persönliches Interesse. In diesem Sinne sorgte er dafür, dass die
Zöglinge nicht vor der Fernsehsendung zurückverbracht würden. Damit hat
er aber als Mittäter gehandelt. Die Frage, ob blosse Gehilfenschaft zur
sog. Selbstentziehung straflos sei, kann daher offen bleiben.

Erwägung 3

    I.3.- Zum gleichen Ergebnis gelangt man übrigens, wenn man mit § 235 d.
StGB das Entziehen als Dauerdelikt ansieht (Leipziger Kommentar, § 235
N. 14, SCHÖNKE/SCHRÖDER, § 235 N. 19 und 21, mit Verweis auf RG DR 1942,
438), das mit der räumlichen Trennung wohl vollendet, aber erst mit der
Wiederherstellung der elterlichen Einflussmöglichkeit beendet ist. Das
Entziehen durch die Mitglieder der "Aktion Heimkampagne" dauerte noch an,
als sich der Beschwerdeführer am 6.-9. Oktober 1971 als weiterer Mittäter
einschaltete.

Erwägung 4

    I.4.- Der vom Beschwerdeführer erhobene Einwand, er habe die
Rückkehr der Zöglinge in die Anstalt nicht verzögert, sondern gegenteils
beschleunigt, ist nicht zu hören, da er sich in unzulässiger Weise gegen
tatsächliche Feststellungen der Vorinstanz richtet (Art. 273 Abs. 1 lit. b
BStP). Das Obergericht stellt für den Kassationshof verbindlich fest
(Art. 277bis Abs. 1 BStP), der Beschwerdeführer habe den Zöglingen den
Unterschlupf im Hause von G. und danach in einem Bauernhaus vermittelt und
sie dadurch während dieser Zeit verborgen gehalten; damit habe er dazu
beigetragen, dass sie nicht bereits früher gefunden und in die Anstalt
zurückgeführt werden konnten.

Erwägung 5

    I.5.- Der Beschwerdeführer rügt endlich, die Vorinstanz habe den
Vorsatz nur ungenügend festgestellt. Dieser müsse sich nicht bloss
auf die Unmündigkeit, sondern auf den ganzen objektiven Tatbestand,
also auch auf die Handlung beziehen. Bei Erörterung des Vorsatzes
unterliess es die Vorinstanz zwar, ausdrücklich festzustellen, dass
der Beschwerdeführer die Zöglinge mit Wissen und Willen den Inhabern
der elterlichen bzw. vormundschaftlichen Gewalt entzogen hat. Das war
indessen nicht nötig, da sich das aus den übrigen Feststellungen schon
ergab. So führt die Vorinstanz aus, der Beschwerdeführer habe es übernommen
und eingewilligt, die Aktion der "Heimkampagne", die darauf abzielte, die
Zöglinge wenn auch nicht dauernd, so doch mindestens bis zur Orientierung
der Öffentlichkeit den Inhabern der elterlichen oder vormundschaftlichen
Gewalt zu entziehen. Anlässlich der Prüfung des Vorsatzes konnte
sich deshalb das Obergericht auf die Feststellung beschränken, der
Beschwerdeführer habe es in Kauf genommen, dass ein Teil der Zöglinge
unmündig war; folglich habe er auch damit gerechnet, sie könnten der
elterlichen oder vormundschaftlichen Gewalt entzogen werden. Welches aber
die Beweggründe der Tat waren, ist ohne Einfluss auf den Vorsatz. Die
Vorinstanz hat diese im Rahmen der Strafzumessung gewürdigt.

Erwägung 6

    I.6.- Auf Rechtsirrtum im Sinne von Art. 20 StGB könnte sich
der Beschwerdeführer nur berufen, wenn er aus zureichenden Gründen
angenommen hätte, er sei zur Tat berechtigt. Solche Gründe hatte er aber
nicht. Das berufliche Interesse, die Öffentlichkeit über die Gründe
des Entweichens der Zöglinge und über die Verhältnisse in der Anstalt
Uitikon zu orientieren, rechtfertigte es nicht, die Zöglinge, wenn auch
nur vorübergehend, der rechtmässigen Gewalt zu entziehen.

Erwägung 7

    I.7.- Hat der Beschwerdeführer somit den objektiven und subjektiven
Tatbestand des Art. 220 StGB erfüllt, verletzt der gefällte Schuldspruch
Bundesrecht nicht. Die Beschwerde erweist sich insoweit als unbegründet.

Erwägung 1

    II. Begüngstigung

    II.1.- Begünstigung im Sinne von Art. 305 StGB setzt voraus, dass der
Täter jemanden der Strafverfolgung, dem Strafvollzug oder dem Vollzug einer
der in den Artikeln 42-44 und 100bis StGB vorgesehenen Massnahmen entzieht.

    a) Drei Zöglinge befanden sich zur Zeit der Flucht in Untersuchungshaft
(K., M. und Sch.). Da aber der Beschwerdeführer nicht damit rechnete,
dass einzelne sich in Strafuntersuchung befanden, wurde er insoweit wegen
fehlenden Vorsatzes freigesprochen.

    b) Andere Zöglinge waren "administrativ" oder durch die
Vormundschaftsbehörde eingewiesen. Da es sich hier nicht um eine
strafrechtliche Einweisung handelt, scheidet Art. 305 StGB aus (BGE 96
IV 76). Der Beschwerdeführer wurde deswegen auch nicht verurteilt.

    c) Die Massnahmen des Jugendstrafrechts werden in Art.  305 StGB
absichtlich nicht erwähnt. Der Entwurf 1918 (Art. 269) erwähnte die
"strafrechtlichen Massnahmen" schlechthin. Die Bundesversammlung hat
Art. 305 StGB demgegenüber auf die in Art. 42-45 StGB (alte Fassung)
vorgesehenen Massnahmen eingeschränkt. Der Einbezug anderer als der in
Art. 305 StGB erwähnten Massnahmen würde daher gegen den Grundsatz "keine
Strafe ohne Gesetz" verstossen, welches auch immer die Gründe für diese
Einschränkung gewesen sein mochten. Das hat die Vorinstanz nicht verkannt.

    d) Drei Zöglinge (K., S. und W.) waren gemäss der alten Fassung
von Art. 43 StGB in die Arbeitserziehungsanstalt eingewiesen worden.
Mit Recht hat der Beschwerdeführer die Verurteilung wegen Begünstigung
insoweit nicht angefochten. Da Art. 305 StGB in der Fassung des BG vom 18.
März 1971 neben den Art. 42-44 den Art. 100bis StGB, der die neue Form
der Arbeitserziehung enthält, ausdrücklich erwähnt, ist klar, dass die
Begünstigung sich nach wie vor auch auf die Massnahme der Arbeitserziehung
bezieht, mag diese nun gestützt auf den alten Art. 43 StGB oder den neuen
Art. 100bis StGB angeordnet worden sein. Nach verbindlicher Feststellung
der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer auch damit gerechnet, dass
unter den entwichenen Zöglingen sich solche befanden, die aus diesem
Grunde eingewiesen waren. Nur hinsichtlich dieser Zöglinge kann sich der
Beschwerdeführer also der Begünstigung schuldig gemacht haben.

Erwägung 2

    II.2.- Die Begünstigung ist ein Vergehen gegen die Strafrechtspflege.
Geschütztes Rechtsgut ist gemäss BGE 69 IV 120 nicht nur das Interesse des
Staates, dass der Täter verurteilt und bestraft werde, sondern auch, dass
das Strafverfahren gegen den Verdächtigten ungehindert vor sich gehe und
dass gegebenenfalls seine Unschuld abgeklärt werde (ebenso HAFTER, AllgT
S. 237 mit Verweis auf das franz. Marginale "entrave à l'action pénale";
LOGOZ, Art. 305 StGB, N. 3a aa; SCHWANDER, Das schweiz. Strafrecht, 2
Aufl., Nr. 771 oben; THORMANN/VON OVERBECK, Art. 305 StGB, N. 1). Was für
die Strafverfolgung gilt, muss grundsätzlich auch für den Strafvollzug
gelten. Geschützt wird, wie die Vorinstanz ausführt, das Interesse an
einem ungestörten Vollzug der Strafen und der in Art. 305 StGB erwähnten
sichernden Massnahmen.

Erwägung 3

    II.3.- Indessen ist nicht jede Beeinträchtigung, Behinderung oder
Störung der Strafverfolgung oder des Strafvollzuges strafbar. Das Gesetz
erfasst nur denjenigen, der jemanden der Strafverfolgung oder dem Vollzug
entzieht. Dadurch wird der Tatbestand eingeschränkt. Wer den Vollzug nur
hindert oder stört, z.B. die Festnahme mühsamer gestalten will ohne sie zu
verhindern oder die erzieherischen Bemühungen des Anstaltspersonals durch
Aufwiegelung erschwert, ist nicht strafbar. Dadurch wird ein Verurteilter
noch nicht dem Vollzug entzogen. Der Vorinstanz kann daher nicht gefolgt
werden, wenn sie annimmt, dass "stets schon eine nur vorübergehende oder
geringfügige Behinderung der Strafrechtspflege als vollendete Begünstigung
anzusehen" sei, dass die blosse Hinderung, Störung oder vorübergehende
Beeinträchtigung des Verfahrens oder des Vollzuges genüge. Aus BGE 69 IV
119/20 kann dieser Schluss nicht gezogen werden; unter "Entziehen" versteht
er richtigerweise nicht ein blosses Hindern, sondern ein Verhindern.

    Die Strafverfolgung wie der Strafvollzug, insbesondere der Vollzug von
Freiheitsstrafen und sichernden Massnahmen, besteht indessen regelmässig
in einer Vielzahl von Amtshandlungen der Strafverfolgungs- bzw. der
Vollzugsbehörden. Eine sinngemässe Auslegung des Gesetzes muss klären, ob
unter Strafverfolgung (poursuite pénale; atti di procedimento penale) und
dem Strafvollzug bzw. dem Vollzug von Massnahmen (Exécution d'une peine ou
d'une des mesures...; esecuzione di una pena o di una delle misure...) die
Gesamtheit der Strafverfolgungshandlungen von der Eröffnung des Verfahrens
bis zur rechtskräftigen Einstellung oder bis zum rechtskräftigen Urteil
bzw. alle Vollstreckungshandlungen von der Aufforderung zur Zahlung der
Busse oder vom Strafantritt bis zur letzten Vollzugshandlung zu verstehen
ist, oder ob darunter schon der einzelne Akt der Strafverfolgung oder
des Strafvollzugs fällt. Diese Frage ist nicht nur für die Vollendung,
sondern auch für die Begriffe des Entziehens und des Entziehungsvorsatzes
von Bedeutung. Folgt man der ersten Hypothese, so hat zu begünstigen nicht
einmal versucht, wer einen Verfolgten lediglich der Untersuchungshaft oder
einen Verurteilten nur zeitweise dem Strafvollzug entzieht, wenn er damit
die Aburteilung oder den Vollzug nicht gänzlich verhindern will. Folgt man
hingegen der zweiten Ansicht, kann die Begünstigung schon darin bestehen,
dass ein einzelner Akt ganz oder teilweise vereitelt wird.

    Hinsichtlich der Strafverfolgung wurde in BGE 69 IV 119/20 ausgeführt,
der Tatbestand der Begünstigung sei bereits gegeben, wenn der Verfolgte
irgend einer Amtshandlung der Strafverfolgungsbehörden, z.B. schon der
Eröffnung eines Strafverfahrens, nicht erst, wenn er dem Ausspruch
der Strafe entzogen werde. Diese Auslegung findet im italienischen
Text eine klare Stütze ("sottrae una persona ad atti di procedimento
penali"), aber auch im französischen Marginale zu Art. 305 StGB "entrave
à l'action pénale", welches keine völlige Vereitelung des Strafverfahrens
schlechthin voraussetzt. Diese gesetzlichen Äusserungen beziehen sich
allerdings nur auf die Strafverfolgung. Es ist aber nicht anzunehmen, der
Gesetzgeber habe den Begriff des Entziehens im Falle der Begünstigung
im Vollzug enger fassen wollen. Dazu besteht kein Grund. Mochte in
der ersten Expertenkommission vielleicht die Ansicht vorgeherrscht
haben, die Begünstigung sei erst vollendet, wenn der Begünstigte der
Verfolgung oder dem Vollzug gänzlich entzogen sei (Verhandlungen der
I. ExpK, Bd. 2, S. 272), so blieben in der zweiten Expertenkommission
die Äusserungen von ZÜRCHER unwidersprochen; nach diesen vermag der
Umstand, dass es der Polizei nachträglich gelingt, den Begünstigten zu
fassen, die vollendete Begünstigung nicht in das Stadium des Versuchs
zurückzuversetzen (Erläuterungen zum Vorentwurf 1908 S. 388 f); denn auch
eine vorübergehende Entziehung vollendet das Delikt (Prot. V. S. 246;
vgl. ZBJV 82, S. 84 f; SJZ 43, S. 311, 58 S. 28). Andernfalls wäre die
Vollzugsbegünstigung praktisch erst vollendet, wenn aus besonderen Gründen
wie Vollstreckungsverjährung oder Tod des Begünstigten der Vollzug nicht
mehr möglich ist. Auch das vom Beschwerdeführer angezogene deutsche Recht
betrachtet die Tat als vollendet, wenn der Begünstigte bloss vorübergehend
der Strafverfolgung oder dem Vollzug entzogen wurde. Die Begünstigung
im Sinne des § 257 d. StGB erfordert als Unternehmensdelikt überhaupt
keinen Erfolg; es genügt, dass der Täter "nach Begehung eines Verbrechens
oder Vergehens dem Täter oder Teilnehmer wissentlich Beistand leistet, um
denselben der Bestrafung zu entziehen...". Das Verbergen des Verurteilten
genügt beispielsweise (RGStr 73 S. 331; Leipziger Kommentar, aaO N. 9, 12
und 18). Ähnlich erfasst Art. 61 § 2 des franz. CP (Fassung vom 25. Juni
1945) als "recel de malfaiteurs" u.a. diejenigen "... qui auront soustrait
ou tenté de soustraire le criminel à l'arrestation ou aux recherches, ou
auront aidé à se cacher ou à prendre la fuite..." (vgl. auch GARCON, Code
pénal annoté Bd. l'Art. 61, N. 46 f, und Encyclopédie Dalloz, Droit pénal,
"Recel de malfaiteurs" N. 23, 26 und 27). Auch § 257a d. StGB, der sich auf
die Vollstreckung rechtskräftig angeordneter Massregeln der Sicherung oder
Besserung bezieht, und auf den sich der Beschwerdeführer vor allem beruft,
führt zu keinem andern Ergebnis. Zwar enthält er, im Gegensatz zu § 257 d.
StGB, ein Erfolgsdelikt. Er setzt voraus, dass der Täter die Vollstreckung
der Massregel "ganz oder zum Teil vereitelt". Es "muss - mindestens zum
Teil - eine Verkürzung des Vollstreckungserfolges eingetreten sein, die
Betätigung des Vereitelungswillens allein genügt nicht. Die Verkürzung
kann, der Art und Weise nach, sie kann auch zeitlich, etwa in Gestalt
einer Verzögerung des Vollzugs, bewirkt werden..." (Leipziger Kommentar, §
257 a N. 3). Zum Teil vereitelt ist die Vollstreckung der Massregel nach
SCHÖNKE/SCHRÖDER (15. Aufl., § 257 a, N. 4 und 7) auch, "wenn infolge
des Eingreifens des Täters die Massnahme nur stückweise oder später,
als es dem Gesetz entspricht, durchgeführt wird"; auch die zeitliche
Verzögerung gilt als teilweise Vereitelung.

Erwägung 4

    II.4.- Die Begünstigung gemäss Art. 305 StGB ist ein Vorsatzdelikt.
Eventualvorsatz genügt. Ein besonderer Beweggrund oder eine besondere
Absicht ist nicht gefordert. Der Vorsatz muss sich auf den objektiven
Tatbestand beziehen, welcher den spezifischen Unrechtsgehalt der
Begünstigung umschreibt. Der Wille des Täters muss also, wenigstens im
Sinne des Eventualvorsatzes, darauf gerichtet gewesen sein, jemanden ganz,
teilweise oder vorübergehend der Strafverfolgung zu entziehen. Erreicht
sein Tun oder pflichtwidriges Unterlassen diesen Erfolg nicht, ist die
Tat versucht.

Erwägung 5

    II.5.- In Anwendung der dargelegten Grundsätze qualifiziert sich
das Verhalten des Beschwerdeführers auch als Begünstigung. In der
Zeit vom 6.-9. Oktober 1971 hat er den Vollzug der Arbeitserziehung
vorübergehend verhindert; denn er hat den Zöglingen, die dieser Massnahme
unterstanden, eine Unterkunft verschafft, wo sie der Fahndung der Polizei
entgingen. Er hat sie später mit einem Fahrzeug in ein weiteres Versteck
verbracht. Damit hat er durch sein aktives Eingreifen dazu beigetragen,
dass sie während dieser Zeit dem Vollzug entgingen. Sein Beitrag ging
weit über eine dringende Hilfe an notleidende Flüchtige hinaus und
verlängerte den schon unterbrochenen Vollzug erheblich. Dass es den
Zöglingen möglicherweise auch sonst gelungen wäre, während dieser Zeit
oder noch länger sich der Fahndung der Polizei zu entziehen, entlastet
den Beschwerdeführer nicht, da es weder ihm noch andern gestattet war,
sie während dieser Zeit dem Vollzug zu entziehen. Der Beschwerdeführer
wusste auch, dass die Zöglinge von den Behörden gesucht wurden. Er hatte
keine zureichenden Gründe anzunehmen, er sei zur Tat berechtigt. Die
Beschwerde ist daher auch in diesem Punkte abzuweisen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.