Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 II 359



99 II 359

50. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. November 1973
i.S. Frei gegen Frei Regeste

    Vereinbarung über die Nebenfolgen der Scheidung; Art. 158 Ziff. 5 ZGB.

    1.  Eine Scheidungskonvention, in welcher Grundeigentum übertragen
wird, bedarf nicht der öffentlichen Beurkundung (Erw. 3a).

    2.  Eine Scheidungskonvention kann auch vor der richterlichen
Genehmigung nicht einseitig widerrufen werden (Erw. 3b).

    3.  Voraussetzungen, unter denen einer Vereinbarung über die rein
vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung die Genehmigung zu versagen ist
(Erw. 3c).

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    Am 27. Juni 1970 reichte Margrith Frei beim Amtsgericht Sursee
Scheidungsklage ein. Der Beklagte Ernst Frei verlangte widerklageweise
ebenfalls die Scheidung. Am 25. November 1970 schlossen die Parteien eine
Vereinbarung, die sie als "Teilvergleich betreffend die güterrechtliche
Auseinandersetzung" bezeichneten. In dieser Vereinbarung verpflichtete sich
der Beklagte insbesondere, der Klägerin die Liegenschaft Schlottermilch
in Sursee - ein Einfamilienhaus mit Fabrikationshalle - zu Eigentum
zu übertragen.

    Am 1. Dezember 1971 liess der Beklagte dem Amtsgericht Sursee
mitteilen, er widerrufe seine Zustimmung zum güterrechtlichen
Teilvergleich, weil sich die tatsächlichen Verhältnisse grundlegend
geändert hätten. Die Firma Stöckli AG, von welcher er bisher seine Produkte
bezogen habe, habe ihm die Weiterlieferung gekündigt, so dass er eine
neue Fabrikationsstätte benötige. Er sehe sich bei dieser Situation
gezwungen, die Fabrikationsräume in seiner Liegenschaft Schlottermilch
wieder zu beanspruchen. Die Klägerin widersetzte sich diesem Ansinnen
und hielt an der Vereinbarung fest.

    Mit Urteil vom 16. Dezember 1971 schied das Amtsgericht Sursee die Ehe
der Parteien und genehmigte den Teilvergleich vom 25. November 1970. Dieses
Urteil wurde vom Obergericht des Kantons Luzern am 17. Mai 1973 bestätigt.

    Mit der vorliegenden Berufung ans Bundesgericht beantragt der Beklagte
unter anderem, der Teilvergleich sei nicht zu genehmigen.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Der Beklagte ist der Meinung, er habe den Teilvergleich über
die güterrechtliche Auseinandersetzung deswegen frei widerrufen können,
weil die Vereinbarung weder öffentlich beurkundet noch gerichtlich
genehmigt gewesen sei. Er will damit offenbar geltend machen, eine
Scheidungskonvention, die die Übertragung von Grundeigentum zum Gegenstand
habe, sei vor der gerichtlichen Genehmigung ohne öffentliche Beurkundung
für die Parteien unverbindlich.

    a) Nach Art. 657 Abs. 1 ZGB bedarf der Vertrag auf Übertragung
des Eigentums an einem Grundstück der öffentlichen Beurkundung.
Diese Vorschrift bezweckt den Schutz der Parteien vor unbedachten
Vertragsabschlüssen, die zuverlässige Feststellung und richtige
Formulierung des Parteiwillens und die Schaffung einer klaren und
eindeutigen Grundlage für die Grundbucheintragung (MEIER-HAYOZ, N. 2-4 zu
Art. 657 ZGB). Die gleichen Ziele lassen sich bei der Scheidungskonvention
mit der richterlichen Genehmigung erreichen, zumal da die Prüfungspflicht
des Scheidungsrichters weitergeht als diejenige des Urkundsbeamten. Es
besteht daher kein Grund, bei einer Scheidungskonvention, in welcher
Grundeigentum übertragen wird, die öffentliche Beurkundung zu verlangen
(FRIEDRICH, Grundbuch und eheliches Güterrecht, ZBGR 1954 S. 271; HARTMANN,
Die Scheidungskonvention nach schweizerischem Privatrecht, Diss. Bern 1943,
S. 43). Dem gerichtlichen Vergleich, mit dem die Scheidungskonvention in
verschiedener Hinsicht verwandt ist, der aber vom Richter inhaltlich nicht
überprüft wird, spricht die herrschende Lehre sogenannt formersetzende
Wirkung zu (ZR 1945 Nr. 111; MEIER-HAYOZ, N. 53 zu Art. 657 ZGB und SJK
463 S. 5; LEUCH, N. 1 zu Art. 152 und N. 5 zu Art. 397 der bernischen
ZPO). Umso mehr ist auch bei der Scheidungskonvention davon auszugehen, die
richterliche Genehmigung vermöge die Form der öffentlichen Beurkundung zu
ersetzen. Die Bedenken von SCHULTZ (Der gerichtliche Vergleich, Diss. Bern
1939, S. 111) und HOMBERGER (N. 33 zu Art. 963 ZGB), die Bestimmungen
über die öffentliche Beurkundung könnten durch gerichtliche Vergleiche
in Scheinprozessen umgangen werden, fallen für Ehescheidungskonventionen
zum vorneherein ausser Betracht.

    b) Aus dem Umstand, dass Vereinbarungen über die Nebenfolgen der
Scheidung zu ihrer Rechtsgültigkeit der richterlichen Genehmigung bedürfen
(Art. 158 Ziff. 5 ZGB), darf nicht etwa abgeleitet werden, die Parteien
seien durch den Abschluss der Konvention nicht gebunden und könnten diese
bis zum Entscheid des Gerichtes einseitig widerrufen. Das Gesetz lässt
im Gegenteil die Möglichkeit einer vertraglichen Bindung der Parteien
zu, indem es den Abschluss von Vereinbarungen über die Nebenfolgen der
Scheidung ausdrücklich vorsieht und nur deren gerichtliche Genehmigung
vorbehält. Der einseitige Widerruf ist daher bei einer solchen Vereinbarung
ebensowenig zulässig wie bei einem andern Vertrag (BGE 60 II 170/171;
nicht veröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 6. Mai 1971 i.S.
Bernhardsgrütter c. Lautenschlager, Erw. 2, und vom 9. Dezember
1971 i.S. Jäckle c. Jäckle, Erw. 3a; HINDERLING, Das schweizerische
Ehescheidungsrecht, 3. Aufl., S. 186). Vor der Genehmigung kommt höchstens
eine Anfechtung wegen Willensmängeln in Frage (so das Zürcher Obergericht
in ZR 1944 Nr. 104a; HINDERLING, aaO S. 186/187). Diese Möglichkeit wurde
zwar in BGE 60 II 82 verneint; in jenem Entscheid ging es aber um die
hier nicht zu beurteilende Frage, ob eine bereits gerichtlich genehmigte
Vereinbarung wegen Willensmängeln angefochten werden könne. Wie es sich
damit verhält, kann indessen offen bleiben. Der Beklagte hat sich zwar
im kantonalen Verfahren beiläufig auf Grundlagenirrtum berufen mit der
Begründung, die Parteien hätten sich bei Vertragsabschluss vorgestellt,
dass der Teilvergleich vor dem 1. Juli 1971 richterlich genehmigt und
der Eigentumsübergang im Grundbuch eingetragen werde; statt dessen habe
sich der Streit bis Ende November 1971 auf weitere Gebiete ausgedehnt
und die Belastung des Grundstücks habe sich geändert, so dass der von
den Parteien der Vereinbarung zugrundegelegte Sachverhalt weggefallen
sei. Das Obergericht hat jedoch das Vorliegen eines Willensmangels mit
guten Gründen verneint, und der Beklagte legt nicht dar, inwiefern es
dadurch Bundesrecht verletzt habe (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).

    c) Die Verbindlichkeit der abgeschlossenen Vereinbarung hindert
indessen eine Partei nicht, dem Richter die Nichtgenehmigung zu beantragen
und ihm die Gründe darzulegen, aus denen sich nach ihrer Auffassung eine
Genehmigung nicht rechtfertigen würde (BGE 60 II 171; HINDERLING, aaO
S. 187). Dabei ist aber zu beachten, dass der Richter bei Vereinbarungen
über die rein vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung für die beiden
Ehegatten grundsätzlich den Parteiwillen zu respektieren hat. Er soll
nicht ohne Not in die Freiheit der Parteien bei der Gestaltung ihrer
vermögensrechtlichen Beziehungen eingreifen und darf deshalb einer
solchen Vereinbarung die Genehmigung, selbst wenn eine Partei einen
dahingehenden Antrag stellt, nur aus wichtigen Gründen versagen (BGE
93 II 158, 81 II 592, 60 II 171; HINDERLING, aaO S. 185 f.). Als solche
kommen vor allem in Betracht die Unklarheit oder Unvollständigkeit der
von den Parteien getroffenen Abmachung, die Beeinflussung einer Partei
unter Ausnützung der durch den Prozess entstandenen Lage, der Umstand,
dass die vereinbarte Lösung in einer durch Billigkeitserwägungen nicht
zu rechtfertigenden Weise von der gesetzlichen Regelung abweicht, und die
wesentliche Veränderung der Verhältnisse seit Abschluss der Vereinbarung
(BGE 93 II 158, 81 II 592, 67 II 8, 60 II 171; HINDERLING, aaO S. 185 ff.).

    Der Beklagte hat den Widerruf der Vereinbarung damit begründet, dass er
entgegen seinen bei Vertragsabschluss gehegten Erwartungen die Liegenschaft
Schlottermilch nun doch für seine berufliche Betätigung benötige,
da die Firma Stöckli AG die von ihm vertriebenen Fahrzeuge nicht mehr
herstellen wolle. Nach den Ausführungen in der Berufungsschrift war aber
der Vertrag mit der Firma Stöckli AG auf ein Jahr kündbar. Der Beklagte
musste daher jederzeit mit einer Kündigung rechnen, und es war für ihn
ohne weiteres voraussehbar, dass er für seine Fabrikationstätigkeit unter
Umständen wieder auf die Räumlichkeiten in der Liegenschaft Schlottermilch
angewiesen sein würde. Wenn er trotz dieses Risikos auf die Liegenschaft
verzichtete, so kann er heute nicht geltend machen, die Vereinbarung dürfe
wegen wesentlicher Veränderung der Verhältnisse nicht genehmigt werden.

    Andere Gründe, die zu einer Nichtgenehmigung der Konvention Anlass
geben könnten, ruft der Beklagte nicht an. Er macht insbesondere nicht
geltend, die im Teilvergleich getroffene Lösung weiche in einer durch
Billigkeitserwägungen nicht zu rechtfertigenden Weise von der gesetzlichen
Regelung ab.

    Die Berufung ist daher auch in diesem Punkt abzuweisen.