Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 II 228



99 II 228

32. Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. September 1973 i.S. Verband des
Schweizerischen Spirituosengewerbes gegen Angehrn & Co. Regeste

    Unzulässige Wettbewerbsbehinderung.

    1.  Art. 4 KG. Auslegung dieser Bestimmung nach dem Sinn und Zweck
des Gesetzes. Anwendung auf eine Sperre von führenden Markenspirituosen;
Erheblichkeit der Behinderung (Erw. 1 und 2).

    2.   Art. 5 Abs. 1 und 2 KG. Rechtfertigungsgründe und ihre
Voraussetzungen. Umstände, die solche Gründe ausschliessen (Erw. 3 und 4).

    3.  Art. 43 OR. Bemessung des Schadens: Eine Umsatzsteigerung, die
nicht auf die Sperre zurückzuführen ist, braucht der Betroffene sich
nicht als Vorteil anrechnen zu lassen (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- 1) Der Verband des Schweizerischen Spirituosengewerbes
ist eine Genossenschaft mit Sitz in Bern, die 1892 gegründet worden
ist. Er will insbesondere die Interessen der Verbandsmitglieder und der
Spirituosenbranche wahren und fördern, sie gegenüber Behörden vertreten und
alle Praktiken unlauteren Wettbewerbes bekämpfen. Mitglieder des Verbandes
können im Handelsregister eingetragene Firmen werden, die entweder
Dest-illate zum Trinkverbrauch, Liköre, Aperitifs usw. fabrikmässig
herstellen oder solche Getränke auf Lager nehmen und damit Gross- oder
Detailhandel treiben (§ 5 der Statuten). Diese Bestimmung erlaubt dem
Verband, von den inländischen Fabrikanten über die Importeure und die
Generalagenten ausländischer Erzeugnisse bis zum Detailhandel praktisch
die ganze Spirituosenbranche zu vertreten.

    Durch ein Preisschutzabkommen von 1957 verpflichteten sich
zahlreiche Fabrikanten, Importeure und Generalagenten dem Verband
gegenüber, angemessene Mindestverkaufspreise für alle Markenspirituosen
festzusetzen, die sie dem Abkommen unterstellten und an Wiederverkäufer,
das Gastgewerbe oder an den Detailhandel abgaben. Gegenüber den beiden
ersten Abnehmergruppen war der Verkaufspreis brutto, bei der letzten Gruppe
brutto und netto festzusetzen. Die für den Verkauf an das Gastgewerbe
und den Detailhandel geltenden Preise mussten dem Verband gemeldet werden,
der sie in einer Liste veröffentlichte. Sie waren von den Unterzeichnern
des Abkommens strikte einzuhalten, die ihrerseits auch die Wiederverkäufer
auf diese Verpflichtung aufmerksam machen mussten. Im Jahre 1964 fielen
insgesamt 174 Markenspirituosen unter das Abkommen.

    Als die "Cash & Carry" (CaC)-Einkaufszentren aufkamen, wurde diesen
gestattet, den Kunden auf die vorgeschriebenen Mindestverkaufspreise 3%
Rabatt zu gewähren; er wurde am 1. September 1966 auf 5% erhöht und war zu
2% als Skonto, zu 3% als Abholrabatt zu verstehen. Wer die Vorschriften
des Preisschutzabkommens als Wiederverkäufer verletzte, musste zunächst
mit einer Verwarnung des Verbandes und dann mit einer Liefersperre rechnen,
die für alle Unterzeichner des Abkommens verbindlich war.

    2) Die Firma Angehrn & Co. in Gossau handelt mit Lebensmitteln
und Gebrauchsgegenständen, insbesondere mit Kolonialwaren aller
Art, Fleischwaren, Milchprodukten, Tabakwaren, Toilettenartikeln,
Wasch- und Putzmitteln, Boden- und Schuhpflegemitteln sowie mit
alkoholischen und alkoholfreien Getränken. Im Jahre 1964 eröffnete sie
eine CaC-Einkaufszentrale, in der ihre Kunden die Ware selbst auswählen,
herrichten, abholen und bar bezahlen. Durch Kontrollkarten sorgt die Firma
dafür, dass in der Zentrale nur Detaillisten und Inhaber von Betrieben
des Gastgewerbes, also Wiederverkäufer, nicht aber Konsumenten einkaufen
können. Die Einsparungen, die sie auf diese Weise erzielt, erlauben ihr,
die Ware in der Zentrale zu tieferen Preisen anzubieten.

    Die Firma Angehrn führte 17 Markenprodukte, die unter das
Preisschutzabkommen des Verbandes fielen. Sie bot diese Getränke in
ihrer CaC-Einkaufszentrale nicht nur den Detaillisten, sondern auch den
Inhabern von Gastgewerbebetrieben zu den Grossistenpreisen mit 5,4% WUST
an, weil das CaC-Vertriebssystem angeblich keine unterschiedlichen Preise
für Wiederverkäufer zuliess. Das Preisabkommen des Verbandes sah dagegen
für die Abgabe an das Gastgewerbe Mindestverkaufpreise (Wirtepreise) vor,
die um 8 bis 20% höher lagen als jene für Ladengeschäfte (Detailpreise). Es
gestattete CaC-Betrieben 1964 zudem nur 3% Rabatt.

    Mit Schreiben vom 12. November 1964 warf der Verband der Firma Angehrn
vor, sie verkaufe in ihrer CaC-Einkaufszentrale Markenspirituosen an
Wirte und Hotelbetriebe, ohne die für diese Abnehmergruppe vorgesehenen
Mindestpreise einzuhalten. Da die Firma nicht antwortete, verwarnte
der Verband sie am 11. Dezember mit dem Hinweis, dass sie mit einer
Liefersperre bis zu zwei Jahren rechnen müsse, wenn sie die Mindestpreise
des Abkommens weiterhin unterbiete. Am 22. April 1965 setzte die
Schiedskommission des Verbandes der Firma Angehrn acht Tage Frist zur
Erklärung, ab 1. Mai die Mindestpreise für alle vom Abkommen erfassten
Markenspirituosen einhalten zu wollen; andernfalls werde gegen sie eine
einjährige Liefersperre verhängt. Da die Firma der Aufforderung nicht
nachkam, ordnete der Verband die Sperre am 1. Mai 1965 an und verlängerte
sie ein Jahr später auf unbestimmte Zeit.

    B.- Nach einem erfolglosen Versuch, die angeordnete Massnahme durch
den Richter vorsorglich aufheben zu lassen, klagte die Firma Angehrn
im Juni 1966 beim Handelsgericht des Kantons Bern gegen den Verband auf
Feststellung, dass die gegen sie verhängte Liefersperre widerrechtlich
sei; der Verband sei daher unter Strafandrohung zu verpflichten, die
Massnahme aufzuheben und dies den Mitgliedern und den Unterzeichnern
des Preisschutzabkommens mitzuteilen. Die Klägerin verlangte ferner,
dass der Beklagte zu Schadenersatz nebst Zins verurteilt und dass der
Urteilsspruch in der Wirtezeitung dreimal veröffentlicht werde.

    Der Beklagte widersetzte sich diesen Begehren, teilte den
Verbandsmitgliedern aber durch Rundschreiben vom 26. Oktober 1968 mit,
dass er das Preisschutzabkommen von 1957 mit sofortiger Wirkung ausser
Kraft gesetzt und die verhängten Liefersperren aufgehoben habe.

    Das Handelsgericht hiess am 9. März 1973 die Klage, soweit sie noch
zu beurteilen war, dahin gut, dass es die Widerrechtlichkeit der gegen
die Klägerin verhängten Liefersperre feststellte und ihr Fr. 120 123.28
Schadenersatz nebst 5% Zins seit 1. Februar 1967 zusprach.

    C.- Der Beklagte hat gegen dieses Urteil die Berufung erklärt. Er
beantragt, es insbesondere wegen Verletzung von Art. 4 und 5 des
Kartellgesetzes (KG) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene
Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 4 KG sind Vorkehren eines Kartells, mit denen Dritte
in der Ausübung des Wettbewerbes erheblich behindert werden sollen, wie
Bezugs- und Liefersperren, in der Regel unzulässig (Abs. 1). Das gilt auch
für Wettbewerbsbehinderungen durch kartellähnliche Organisationen (Abs. 2).

    Im Entscheid 90 II 512 Erw. 8 nahm das Bundesgericht an, mit dem
Erfordernis der Erheblichkeit mache Art. 4 Abs. 1 KG die Unzulässigkeit
einer Wettbewerbsbehinderung, wie das schon vor dem Inkrafttreten
des Gesetzes der Fall gewesen sei, von einem quantitativen Element
abhängig. Das Recht auf freie wirtschaftliche Betätigung könne daher nur
verletzt sein, wenn die Behinderung eine gewisse Intensität aufweise,
was man von bloss vorübergehenden oder geringfügigen Eingriffen nicht
sagen könne. Diese Auffassung liegt auch BGE 91 II 319 Erw. 4 zugrunde,
wo das Bundesgericht die auf einen einzelnen Geschäftszweig beschränkte
Massnahme nicht als erheblich erachtete, weil sie den gesamten
Bruttogewinn der betroffenen Gesellschaft bloss um drei Promille zu
schmälern vermochte. Im Entscheid 94 II 336 hielt das Bundesgericht am
quantitativen Unterscheidungsmerkmal fest, fügte aber bei, dass Art. 4 nach
dem Grundgedanken des Gesetzes, das das Persönlichkeitsrecht auf freien
Wettbewerb schützen wolle, auszulegen sei. Es müsse daher grundsätzlich
jede Behinderung dieser Freiheit als erheblich bewertet werden, wenn sie
sich nicht in geringfügigen Auswirkungen, welche die Entscheidungsfreiheit
des Betroffenen praktisch nicht beeinflussten, erschöpfe.

    Diese Rechtsprechung wurde in BGE 98 II 373/74 unter Hinweis auf die
Verfassungsgrundlage und die Entstehungsgeschichte des Gesetzes sowie
auf die herrschende Lehre teils verdeutlicht, teils richtiggestellt. Der
Sinn und Zweck des Gesetzes ist demnach darin zu erblicken, dass es
Kartelle und ähnliche Organisationen zulassen und bloss Missbräuche
in der Ausübung kollektiver Wirtschaftsmacht bekämpfen will, folglich
nicht nur das Recht des Aussenseiters auf ungestörte Ausübung des
Wettbewerbes und das Recht der Kartellmitglieder an der Durchsetzung
einer Wettbewerbsordnung, sondern auch deren Interessen grundsätzlich
als gleichwertig anerkennen muss. Das schliesst ein absolut geschütztes
Recht des Aussenseiters auf ungehinderte Teilnahme am Wettbewerb aus und
macht eine gegen ihn verhängte Massnahme (z.B. eine Liefersperre durch ein
Kartell) nach Art. 4 KG erst dann widerrechtlich, wenn sie ihn in seiner
wirtschaftlichen Handlungsfreiheit erheblich behindert und das Kartell sich
nicht auf einen Rechtfertigungsgrund im Sinne von Art. 5 KG berufen kann.

    Das gesetzliche Erfordernis der Erheblichkeit ist so zu verstehen, dass
die Behinderung wettbewerbspolitisch relevante Tatsachen des geschäftlichen
Handelns, wie Preise, Konditionen, Nebenleistungen usw. berühren und sich
fühlbar auf die wirtschaftliche Lage des Betroffenen auswirken muss. Wie es
sich damit verhält, hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere
von der Art der Vorkehr und deren Auswirkungen auf die Handlungsfreiheit
des Aussenseiters, auf die Struktur und die Entwicklung seines Betriebes
ab. Dass der Betroffene sein Geschäft trotz der Benachteiligung nicht
schliessen muss, sondern weiter betreiben und sogar ausbauen kann,
schliesst die Erheblichkeit der Behinderung nicht notwendig aus (BGE
98 II 374 und dort angeführtes Schrifttum; MERZ, Das Schweizerische
Kartellgesetz, S. 44/45).

Erwägung 2

    2.- Im vorliegenden Fall hält das Handelsgericht die gegen die Klägerin
verhängte Liefersperre für erheblich, während der beklagte Verband dies
bestreitet.

    a) Nach dem angefochtenen Urteil entfielen im ersten Quartal 1965,
also unmittelbar vor Beginn der Sperre, 20,8% des gesamtes Umsatzes,
den die Klägerin in ihrem CaC-Betriebe erzielte, auf Getränke.
Unter diesen machten die Sprirituosen 61,5%, die der Klägerin vom
1. Mai an gesperrten 17 Markenspirituosen 34,2% aus. Die letzteren
gehörten zusammen mit den übrigen 157 Produkten, welche damals dem
Preisschutzabkommen unterstanden, nicht bloss zu den bekannten und
führenden, sondern auch zu den meistgefragten Markenspirituosen. Die
Vorinstanz führt dazu unter Hinweis auf den Bericht der Kartellkommission
vom 1. Juli 1969 über die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Spirituosenmarkt
(vgl. Veröffentlichungen der Schweizerischen Kartellkommission 1970
S. 53/54) insbesondere aus, dass Wiederverkäufer und Detaillisten ohne
die dem Abkommen unterstellten Spirituosen, welche als "Zugartikel" der
Branche galten, kein befriedigendes Sortiment aufbauen konnten; um sich
auf dem Markt durchzusetzen, seien sie vielmehr darauf angewiesen gewesen,
mit führenden Produkten beliefert zu werden.

    Unter diesen Umständen waren von der Sperre betroffene Wiederverkäufer
wie die Klägerin, die den Handel mit Spirituosen auf bekannte und führende
Marken ausrichten wollte, in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit
von vorneherein erheblich behindert. Der Klägerin sollte nicht bloss
der bisherige Bezug an Markenspirituosen gesperrt, sondern auch die
Möglichkeit genommen werden, weitere vom Abkommen erfasste Produkte
zu beziehen. Ein Ausweichen auf konkurrenzfähige Substitutionsgüter,
die ihr gestattet hätten, sich auf dem Spirituosenmarkt unbekümmert um
die Sperre zu behaupten und durchzusetzen, war nach der Feststellung der
Vorinstanz nicht möglich. Die Feststellung stützt sich auf das Gutachten
der Kartellkommission vom 31. Oktober 1969 und betrifft tatsächliche
Verhältnisse. Was der Beklagte in der Berufung dagegen vorbringt, ist
als unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung nicht zu hören.

    Wie sehr die Klägerin an den gesperrten Markenprodukten interessiert
war, ergibt sich denn auch daraus, dass sie diese vom Mai 1965 an auf
Umwegen oder "auf dem schwarzen Markte", wie sie sich selber ausdrückte,
zu beziehen suchte und dafür während der Sperre, die 42 Monate dauerte,
Mehrpreise von über Fr. 120 000.-- in Kauf nahm. Die Folge davon war,
dass sie nach dem Ergänzungsbericht des gerichtlichen Gutachters
die Bruttomarge von 12% um die Hälfte kürzen musste. Die Klägerin
versuchte damit offensichtlich auch Auswirkungen der Sperre auf andere
Warengattungen zu begegnen. Diese Gefahr bestand vor allem deshalb,
weil die Getränke unter den etwa 5000 Artikeln, welche die Klägerin in
der CaC-Einkaufszentrale anbot, etwa einen Fünftel, die 17 gesperrten
Spirituosen allein 4,4% des Gesamtumsatzes ausmachten; der gerichtliche
Gutachter hielt ihre Getränkeabteilung übrigens für die beste der
Einkaufszentrale. Die Klägerin weist zudem mit Recht darauf hin,
dass Kunden von CaC-Betrieben ihren ganzen Bedarf im gleichen Geschäft
einzukaufen wünschen, weshalb solche Betriebe ein möglichst vollständiges
Sortiment der meistbegehrten Artikeln führen müssten, wenn sie Kunden
nicht bloss gewinnen, sondern behalten wollten.

    b) Ist die Erheblichkeit der Wettbewerbsbehinderung schon aus diesen
Gründen zu bejahen, so kann dahingestellt bleiben, wie die Sperre, die
nur einen Geschäftszweig der Einkaufszentrale betraf, sich auf den ganzen
Betrieb der Klägerin ausgewirkt habe. Dass diese die Behinderung teils
umgehen und den Umsatz an Markenspirituosen durch die Preisunterbietungen
angeblich ständig steigern konnte, steht einer erheblichen Behinderung
nicht entgegen. Nach dem klaren Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 KG
genügt, dass Dritte mit kartellistischen Vorkehren in der Ausübung der
Wettbewerbsfreiheit erheblich behindert werden sollen. Das setzt voraus,
dass die Vorkehren zu einer solchen Behinderung taugen, heisst aber nicht,
dass bei der Beurteilung der Erheblichkeit stets auch den finanziellen
Auswirkungen auf die Entwicklung eines Geschäftes nachzuforschen sei,
weil das Mass der zulässigen oder unzulässigen Freiheitsbeschränkung
jedenfalls vom Umfange der wirtschaftlichen Einbusse abhange, wie der
Beklagte einwendet (vgl. MERZ, aaO S. 43).

    Ebensowenig hilft dem Beklagten, dass die Klägerin einzig wegen ihrer
Weigerung, sich gleich zu verhalten wie andere Wiederkäufer, in ihrer
Handlungsfreiheit behindert worden ist. Die Klägerin brauchte sich die
Behinderung, die erheblich und daher an sich unzulässig war, nicht gefallen
zu lassen, gleichviel ob andere Wiederverkäufer sich der Massnahme beugten.
An der Erheblichkeit der Behinderung ändert schliesslich auch nichts,
dass der Gerichtspräsident III Bern und auf Beschwerde hin auch der
Appellationshof des Kantons Bern das Gesuch der Klägerin, die Liefersperre
vorsorglich aufzuheben, ablehnten. Dies mag den Beklagten in der Meinung,
die gegen die Klägerin verhängte Sperre sei zulässig, bestärkt haben,
enthob ihn aber nicht der Pflicht, sich über das Mass seines Eingriffes
in die Handlungsfreiheit der Klägerin von Anfang an Rechenschaft zu geben.

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 5 Abs. 1 KG ist die Wettbewerbsbehinderung ausnahmsweise
zulässig, wenn sie durch überwiegende schutzwürdige Interessen
gerechtfertigt ist und wenn sie die Freiheit des Wettbewerbes weder im
Verhältnis zum angestrebten Ziel noch nach der Art und Durchführung der
Vorkehr übermässig beeinträchtigt.

    Ob ein Kartell sich zur Rechtfertigung einer Wettbewerbsbehinderung
auf überwiegende schutzwürdige Interessen berufen kann, hängt vor allem
von der Ordnung ab, welche es mit Hilfe seiner Vorkehren zugunsten eines
gesamten Berufs- oder Wirtschaftszweiges anstrebt. Das erhellt aus den
vom Gesetz angeführten Beispielen (Art. 5 Abs. 2). Es billigt einem
Kartell überwiegende schutzwürdige Interessen insbesondere zu, wenn
es (innerhalb eines bestimmten Wirtschaftszweiges) einen lauteren und
unverfälschten Wettbewerb gewährleistet (lit. a), angemessene berufliche
und betriebliche Voraussetzungen verwirklicht (lit. b) oder eine im
Gesamtinteresse erwünschte Struktur eines Wirtschaftszweiges oder Berufes
fördert (lit. c). Das Interesse eines Kartells an einer Marktordnung reicht
allein jedoch nicht aus, um eine Wettbewerbsbehinderung zu rechtfertigen;
es muss vielmehr, wie die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zeigt, ein
allgemeines Interesse volkswirtschaftlicher Art hinzukommen (SCHÜRMANN,
Textausgabe des Kartellgesetzes mit Erläuterungen, S. 84 und dort
angeführte Gesetzesmaterialien). Dagegen verlangt das Gesetz nicht,
dass die vom Kartell verfolgten Interessen offensichtlich überwiegen,
wie dies nach der Rechtsprechung vor Erlass des Gesetzes der Fall war
(BGE 86 II 378), oder dass sie sich mit Interessen der Allgemeinheit decken
müssen. Auch bloss leicht überwiegende schutzwürdige Interessen und solche,
die dem Gesamtinteresse nicht zuwiderlaufen, mit ihm also noch vereinbar
sind, können je nach den Umständen eine Behinderung rechtfertigen (BGE
98 II 376/77).

    Die beiden weiteren Voraussetzungen, von denen Art. 5 Abs. 1 KG
die Zulässigkeit einer Wettbewerbsbehinderung abhängig macht, beruhen
auf dem Grundsatz der Angemessenheit oder Verhältnismässigkeit. Dieser
vor allem im Verwaltungsrecht entwickelte Satz (statt vieler: BGE 93
I 219 Erw. 6, 95 I 428 Erw. 7, 97 I 508 Erw. c) besagt, dass Eingriffe
in fremde Rechtsgüter weder nach dem Mittel noch nach dessen Anwendung
über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung des Zweckes, der sie
rechtfertigt, erforderlich ist. Das muss auch für die Beeinträchtigung der
Wettbewerbsfreiheit durch Kartelle gelten. Welche Anforderungen dabei an
die Verhältnismässigkeit des Eingriffes und damit an die Rechtfertigung zu
stellen sind, entscheidet sich ebenfalls nicht allgemein, sondern nach den
Umständen des Einzelfalles, namentlich nach dem Grund der Massnahme und
den damit verfolgten Interessen. Je schwerwiegender die Behinderung ist,
desto schwieriger die Rechtfertigung und umgekehrt. Nur leicht überwiegende
Interessen rechtfertigen einen bloss geringfügigen Eingriff, triftige
dagegen einen verhältnismässig schweren (vgl. SCHÜRMANN, aaO S. 85/86).

Erwägung 4

    4.- Der Beklagte macht geltend, das Preisschutzabkommen habe
eine im Gesamtinteresse erwünschte Struktur eines Wirtschaftszweiges
fördern, zahlreiche Kleinbetriebe schützen und einen unverfälschten
Wettbewerb fördern wollen. Er beruft sich auf Art. 5 Abs. 2 KG, der die
schützenswerten Interessen aber nicht abschliessend aufzähle.

    Dem ist vorweg entgegenzuhalten, dass der Beklagte das
Preisschutzabkommen bis zu dessen Abänderung im Jahre 1966 selber nicht
eingehalten hat. Das Handelsgericht stellt fest, dass vorher etwa 300 auf
einer geheimen Liste aufgeführte Gastwirtschaftsbetriebe mit Zustimmung des
Beklagten als Grossisten behandelt, d.h. zu niedrigeren Preisen beliefert
worden seien als alle anderen Inhaber solcher Betriebe. Der Beklagte
versucht diese Feststellung, die für das Bundesgericht verbindlich ist,
mit Recht nicht zu widerlegen. Er wendet bloss ein, solche Vorbehalte
in Abkommen seien üblich; er habe sie hier übrigens nur zugunsten von
Grossbetrieben des Gastgewerbes aufnehmen lassen, die von jeher zu
Grossistenkonditionen beliefert worden seien. Das hilft jedoch nicht
darüber hinweg, dass die rechtsungleiche Behandlung von Angehörigen des
gleichen Gewerbes den vom Beklagten angerufenen Zwecken des Abkommens
nicht entsprach. Der Beklagte versucht denn auch weder diese Ungleichheit
noch die vom Abkommen vorgeschriebenen Unterschiede zwischen Wirtepreisen
einerseits und Detailpreisen anderseits, die bis zu 20% ausmachten,
aber ebenfalls nicht einleuchten, zu rechtfertigen.

    Ebensowenig überzeugt die Behauptung des Beklagten, mit dem Abkommen
habe man die Bestrebungen des Bundes, die Volksgesundheit zu fördern,
unterstützen wollen, mag die Eidg. Alkoholverwaltung auch der Meinung
gewesen sein, Einfuhr, Herstellung und Verbrauch von Spirituosen liessen
sich vermindern, wenn deren Preise geordnet und verbindlich festgesetzt
würden (vgl. Veröffentlichungen der Kartellkommission 1970 S. 64/65). Von
einer einheitlichen Preisordnung konnte nach bereits Gesagtem jedenfalls
bis September 1966 nicht die Rede sein. Auch lässt sich nicht sagen,
die Sperre sei im Verhältnis zum angeblichen Zweck, zur Verminderung
des Konsums beizutragen, ein angemessenes oder gar lauteres Mittel
gewesen, lief sie doch darauf hinaus, Inhaber von Discountgeschäften und
CaC-Betrieben zu Gewinnmargen zu verhalten, die sie selber für übersetzt
hielten. Die Kartellkommission liess in ihrem Bericht denn auch offen,
ob der Preisschutz den Konsum von Markenspirituosen vermindere oder ob
er nicht eher das Ausweichen auf minderwertige Produkte begünstige. Sie
hielt das Abkommen zudem in entscheidenden Punkten, insbesondere in der
Margengestaltung, für mangelhaft, was schliesslich bei grossen Betrieben zu
einer künstlichen Preisüberhöhung und damit zu seinem Zusammenbruch geführt
habe (Veröffentlichungen der Kommission, aaO S. 66 ff.). Auch das spricht
gegen überwiegende schutzwürdige Interessen im Sinne von Art. 5 KG und
schliesst Rechtfertigungsgründe, wie sie der Beklagte geltend macht, aus.

Erwägung 5

    5.- Dass die Klägerin infolge der Liefersperre Fr. 120 123.28 mehr
aufwenden musste, um den von der Massnahme betroffenen Geschäftszweig
nach Möglichkeit weiter betreiben zu können, ist nicht bestritten. Der
Beklagte wendet bloss ein, sein Verschulden sei jedenfalls leicht, und
nach Art. 41 ff. OR sei auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die
Klägerin ihren Umsatz trotz der Sperre erheblich habe steigern können.

    Von einem leichten Verschulden kann schon deshalb nicht die Rede
sein, weil die Liefersperre gegen die Klägerin bewusst und gewollt
verhängt wurde, also auf eine absichtliche Schädigung hinauslief. Das
aber ist die schwerste Form des Verschuldens. Dass der Richter eine
vorsorgliche Aufhebung der Sperre ablehnte, entlastet den Beklagten
auch in diesem Zusammenhang nicht; der Verband nahm die Gefahr, sich vor
Gericht verantworten zu müssen und allenfalls zu unterliegen, weiterhin
in Kauf. Ein Herabsetzungsgrund im Sinne von Art. 43 OR liegt auch nicht
darin, dass Kunden wegen der Unterbietung der Preise durch die Klägerin
zu dieser überliefen und die Firma Angehrn den Umsatz trotz der Sperre
steigern konnte. Dieser Vorteil der Firma war nicht eine Wirkung der
Sperre, sondern die Folge davon, dass andere Wiederverkäufer das Abkommen
einhielten, ihre Gewinnmargen im Gegensatz zur Klägerin also nicht
herabsetzten. Die Voraussetzungen für eine Vorteilsanrechnung im Sinne
der Rechtsprechung (BGE 71 II 89, 85 IV 107) sind daher nicht erfüllt.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichtes des
Kantons Bern vom 9. März 1973 bestätigt.