Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 II 172



99 II 172

25. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 2. Oktober 1973
i.S. Waro AG gegen Stahel. Regeste

    Konkurrenzverbot: Verletzung durch den Dienstpflichtigen,
Feststellungsklage.

    1.  Ein schützenswertes Interesse an der sofortigen Feststellung
der Verletzung ist zu bejahen, wenn der Geschädigte die Leistungsklage
vorläufig auf einen Teil des Schadens beschränken müsste (Erw. 2).

    2.  Eine mögliche, aber dem Geschädigten nicht zumutbare
Unterlassungsklage hebt dieses Interesse nicht auf (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Waro AG wurde am 23. Januar 1969 mit Sitz in Volketswil
gegründet. Sie bezweckt nach ihren Statuten die Errichtung und den Betrieb
von Warenhäusern, Detailhandelsgeschäften und Einkaufszentren für Waren
aller Art. Sie eröffnete innert kurzer Zeit drei Warenhäuser, unter
anderem am 4. September 1969 ein grosses Einkaufszentrum in Volkets wil.

    Hans Rudolf Stahel, der zu den Gründern der Gesellschaft gehörte,
war Delegierter ihres Verwaltungsrates und ihr Geschäftsführer. In
Ziff. 10 des Dienstvertrages verpflichtete er sich, nach Beendigung des
Vertragsverhältnisses während zwei Jahren in der Schweiz weder ein mit
Betrieben der Waro konkurrierendes Geschäft im eigenen Namen zu betreiben,
noch sich in einem solchen mit 20% oder mehr zu beteiligen. Für die gleiche
Dauer versprach Stahel ferner, sich nicht in einer Verbrauchermarktfirma
bzw. in einer Firma, welche nach gleichen Vertriebsmethoden wie die Waro
arbeitete, zu betätigen. Falls er das Konkurrenzverbot verletzen sollte,
durfte die Waro Fr. 5000.-- Konventionalstrafe, Ersatz allfälligen weiteren
Schadens sowie die Aufhebung des vertragswidrigen Zustandes verlangen.

    Am 20. November 1971 trat Stahel mit Zustimmung der Waro aus der Firma
aus. Im Februar 1972 gründete er die Nouhau AG und die CHD Handels AG,
die beide unter anderem die Errichtung und den Betrieb von Warenhäusern,
Detailgeschäften und Einkaufszentren für Waren aller Art bezwecken. Im März
1972 gründete er ferner die Mammut-Jumbo AG in Dietlikon, die ähnliche
Zwecke verfolgt und dort am 24. August 1972 einen Verbrauchermarkt mit
über 50'000 Artikeln eröffnete.

    B.- Im Mai 1972 klagte die Waro AG beim Handelsgericht des Kantons
Zürich auf Feststellung, dass Stahel das Konkurrenzverbot verletzt habe.

    Das Handelsgericht verneinte ein rechtliches Interesse der Klägerin
an einer sofortigen Feststellung der Verletzung und wies die Klage am 22.
Februar 1973 "angebrachtermassen" ab.

    C.- Die Klägerin hat gegen dieses Urteil die Berufung erklärt. Sie
beantragt, es aufzuheben und die Feststellungsklage zu schützen oder die
Sache zur neuen Entscheidung an das Handelsgericht zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung gut und weist die Sache zur
Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

    (1. - Ausführungen über die Zulässigkeit der Berufung.)

Erwägung 2

    2.- In der Sache selber ist nicht streitig, dass die Klägerin bei
einer Verletzung des Konkurrenzverbotes durch den Beklagten schon heute
nicht nur die vereinbarte Konventionalstrafe, sondern auch den Ersatz
des Schadens und die Aufhebung des vertragswidrigen Zustandes verlangen
dürfte. Streitig ist nur, ob der Klägerin ein schützenswertes Interesse
an der blossen Feststellung der Verletzung deswegen nicht zustehe, weil
sie schon heute eine Leistungsklage über Fr. 5000.-- gegen den Beklagten
einreichen könnte und weil auch in diesem Prozess vorerst entschieden
werden müsste, ob eine Verletzung des Verbotes vorliege. Es trifft zu,
dass nach ständiger Rechtsprechung ein schützenswertes Interesse an
einer Feststellung zu verneinen ist, wenn der Kläger über die blosse
Feststellung hinaus sogleich eine vollstreckbare Leistung verlangen kann
(BGE 96 II 131 Erw. 2 und 97 II 375 Erw. 2 mit Hinweisen).

    Dieser Grundsatz lässt sich indessen nicht ohne weiteres auf den
Fall anwenden, wo die Verletzung andauert und der Schaden noch wächst,
der Geschädigte vielmehr die Leistungsklage vorläufig auf einen Teil des
Schadens beschränken muss, weil er weitere Forderungen weder beziffern
noch abschätzen kann. Freilich ist schon im Entscheid über die Teilklage
zu befinden, ob der geltend gemachte Klagegrund, auf den sich auch alle
weiteren Schadenersatzbegehren stützen müssten, überhaupt bestehe. Der
Richter, der darüber zu entscheiden hat, wird in einem zweiten Prozess
kaum anders urteilen als im ersten, auch wenn seine Entscheidungsgründe
an der Rechtskraft des Urteils nicht teilnehmen. Die Gefahr, dass
sich widersprechende Urteile gefällt werden, besteht dagegen, wenn der
Streitwert der Teilklage die Berufung an das Bundesgericht ausschliesst,
spätere Schadenersatzbegehren die Streitwertgrenze für die Zuständigkeit
des Bundesgerichtes aber erreichen, oder wenn die Klagen wegen sachlicher
oder örtlicher Zuständigkeit von verschiedenen Gerichten beurteilt
werden müssen.

    Angesichts dieser Gefahr, der übrigens beide Parteien ausgesetzt
sind, geht es nicht an, der Klägerin ein schützenswertes Interesse
an einem Feststellungsbegehren mit der Begründung abzusprechen, sie
könne zumindest auf Leistung der Konventionalstrafe klagen. In Fällen
wie dem vorliegenden hat sie ein berechtigtes Interesse zu erfahren,
ob ihre Rechtsauffassung ein für allemal zutrifft oder nicht, braucht
sich folglich nicht entgegenhalten zu lassen, dass in einem ersten
Prozess über eine Teilforderung dem Sinne nach auch über die Verletzung
des Konkurrenzverbotes entschieden würde. Das Handelsgericht verkennt,
dass die Rechtskraft eines Urteils sich grundsätzlich weder auf die
Feststellung von Tatsachen noch auf die Beurteilung von Rechtsfragen
bezieht, welche dem Entscheide zugrunde liegen; insbesondere ist die
Einrede der abgeurteilten Sache nicht schon deshalb gegeben, weil die
grundlegende Rechtsfrage, von der die Entscheidung abhängt, dieselbe ist
wie im Vorprozess (BGE 56 II 206, 71 II 284, 81 I 8, 84 II 140).

Erwägung 3

    3.- Der Beklagte wendet ein, die Klägerin hätte "ohne weiteres auch
eine Unterlassungsklage" anstrengen und dieser einen Streitwert von
mindestens Fr. 8000.-- (Art. 46 OG) beimessen können.

    Nach Art. 359 Abs. 3 aoR konnte der Dienstherr ausnahmsweise
bei besonderer schriftlicher Abrede neben der Bezahlung der
Konventionalstrafe und dem Ersatz allfälligen weiteren Schadens die
Aufhebung des vertragswidrigen Zustandes verlangen, wenn die Bedeutung der
durch die Übertretung des Konkurrenzverbotes verletzten oder bedrohten
Interessen des Dienstherrn und das Verhalten des Dienstpflichtigen dies
rechtfertigten. Die neue Bestimmung des Art. 340b Abs. 3 OR lautet dem
Sinne nach gleich. Der Arbeitgeber, dem Ansprüche gegen einen Arbeitnehmer
wegen Verletzung eines Konkurrenzverbotes zustehen, kann somit wählen, ob
er bloss die vereinbarte Konventionalstrafe und allfälligen Schadenersatz
fordern oder ob er überdies, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür
gegeben sind, noch die Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes verlangen
will. Ähnlich verhält es sich z.B. nach Art. 98 OR, Art. 2 UWG und Art. 6
Abs. 1 KG.

    Ob in einer Beschränkung der Klage auf die Geldforderungen ein Verzicht
auf eine Beseitigungs- oder Unterlassungsklage zu erblicken ist, kann im
vorliegenden Fall offen bleiben. Eine Beseitigungsklage, die sich gegen
die Ursache des vertragswidrigen Zustandes richten müsste (BGE 88 II 267;
MEIER-HAYOZ, N. 70 zu Art. 641 ZGB), war hier gar nicht möglich, da der
Beklagte kein Konkurrenzgeschäft betreibt. Er ist vielmehr Angestellter
oder Organ von juristischen Personen; auf ein Begehren der Klägerin,
deren Betriebe zu schliessen, könnte der Richter somit nicht eintreten.

    Eine Unterlassungsklage sodann bezweckt die Verhinderung eines
künftigen Zustandes, wirkt also bloss für die Zukunft (GULDENER, Schweiz.
Zivilprozessrecht 2. Aufl. S. 65 und 252; K. NAEF, Unterlassungsanspruch
und Unterlassungsklage im schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1919 S. 93;
PH. PIDOUX, La prohibition de concurrence dans le contrat de travail,
Diss. Lausanne 1969 S. 75 ff.; THOMAS MERZ, Die Unterlassungsklage nach
Art. 28 ZGB, Diss. Zürich 1973 S. 14). Bei einer solchen Klage musste
die Klägerin ernsthaft damit rechnen, dass bis zum Entscheid darüber die
zweijährige Frist des vertraglich vereinbarten Konkurrenzverbotes ablief
und die Klage gegenstandslos wurde. Sie war ihr nicht zuzumuten, gleichviel
wie es sich mit den übrigen gesetzlichen Voraussetzungen verhielt.

    Das angefochtene Urteil lässt sich somit auch mit der Behauptung,
die Klägerin hätte ebenso auf Unterlassung klagen können, nicht
aufrechterhalten. Es verletzt ihren bundesrechtlichen Anspruch, zu
einer selbständigen Feststellungsklage zugelassen zu werden, und ist
daher aufzuheben.