Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 III 18



99 III 18

5. Entscheid vom 10. August 1973 i.S. Diskont- und Handelsbank AG. Regeste

    Arrestierung von Dividendencoupons.

    1.  Die Forderung auf Auszahlung von Dividenden aus Namenaktien
kann nur mit den entsprechenden Coupons, in denen sie verbrieft ist,
arrestiert werden (Erw. 3).

    2.  Dividendencoupons können nur am Orte ihrer Lage arrestiert werden.
Befinden sie sich nicht an dem im Arrestbefehl angegebenen Ort, so fällt
der Arrest ins Leere (Erw. 4).

    3.  Art. 4 BV schreibt den kantonalen Aufsichtsbehörden nicht vor, dem
Beschwerdeführer die Vernehmlassung des Betreibungsamtes zur Einsichtnahme
zuzustellen, wenn die angefochtene Verfügung bestätigt wird (Erw. 6).

Sachverhalt

    A.- Mit Arrestbefehl Nr. 98/73 vom 2. Mai 1973 bewilligte
der Zivilgerichtspräsident Basel-Stadt auf Gesuch der Diskont- und
Handelsbank AG, Lugano-Castagnola, einen Arrest gegen die "Crisanus"
Familienstiftung, Vaduz, für einen Betrag von Fr. 80'000,000.-- nebst 5%
Zins seit 12. November 1962 auf folgende Gegenstände:

    "a) Die von der Generalversammlung der Aktionäre der CibaGeigy AG,
Basel, Klybeckstrasse 141, vom 19. Mai 1972 beschlossenen Dividenden
pro 1971, die Ansprüche auf diese Dividenden und die zur Geltendmachung
dieser Ansprüche der Ciba-Geigy einzureichenden Coupons Nr. 3 aus allen
im Aktienbuch der CibaGeigy AG, Basel, auf den Namen der "Crisanus"
Familienstiftung, Vaduz, eingetragenen Namenaktien der Ciba-Geigy AG,
d.h. Namenaktien der CIBA-GEIGY AG Nrn. ...

    b) Sämtliche von der Generalversammlung der Aktionäre der Ciba-Geigy
AG, Basel, Klybeckstrasse 141, vom 3. Mai 1973 beschlossenen Dividenden
pro 1972, die Ansprüche auf diese Dividenden und die zur Geltendmachung
dieser Ansprüche der CibaGeigy einzureichenden Coupons Nr. 4 aus allen
im Aktienbuch der Ciba-Geigy AG, Basel, auf den Namen der "Crisanus"
Familienstiftung, Vaduz, eingetragenen Namenaktien der Ciba-Geigy AG,
d.h. Namenaktien der CIBA-GEIGY AG Nrn. ..."

    Am 12. Juni 1973 teilte die Ciba-Geigy AG dem Betreibungsamt
Basel-Stadt mit, dass keiner der in der Arrestanzeige aufgeführten
Dividendencoupons in uneingelöstem Zustande in ihrem Besitz sei. Mit
Verfügung vom 19. Juni 1973 erklärte darauf das Betreibungsamt den Arrest
als erfolglos.

    B.- Gegen diese Verfügung beschwerte sich die Diskont- und
Handelsbank AG bei der Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und
Konkursamt Basel-Stadt. Die Beschwerde wurde mit Entscheid vom 17. Juli
1973 abgewiesen.

    C.- Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts beantragt die Diskont- und Handelsbank AG,
der Entscheid der Aufsichtsbehörde und die Erklärung des Betreibungsamtes
Basel-Stadt, wonach der Arrest Nr. 98/73 erfolglos sei, seien aufzuheben,
soweit sie die Arrestobjekte sub lit. b beträfen, und das Betreibungsamt
Basel-Stadt sei anzuweisen, den Arrest bei der Drittschuldnerin Ciba-Geigy
AG ordnungsgemäss zu vollziehen.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Die Rekurrentin beanstandet die Verfügung des Betreibungsamtes,
in welcher der Arrest als erfolglos erklärt wurde, und verlangt den
ordnungsgemässen Vollzug des Arrestes. Die Beschwerde richtet sich somit
nicht gegen die Erteilung bzw. die Verweigerung des Arrestbefehls durch die
Arrestbehörde, sondern sie bezieht sich auf den Arrestvollzug. Eine solche
Beschwerde ist nach ständiger Rechtsprechung zulässig (BGE 96 III 109,
88 III 141/142, 82 III 69, 75 III 26, 64 III 129; JAEGER, N. 1 zu Art. 275
SchKG; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, II, 2. Aufl. S. 220).

Erwägung 3

    3.- Die als Nebenpapiere zu einer Aktie gehörenden Dividencoupons sind
Inhaberpapiere, und zwar auch dann, wenn die Aktie auf den Namen lautet
(JÄGGI, N. 25 zu Art. 978 OR; v. STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft
in der Schweiz, 4. Aufl. S. 163; E. MÜLLER, Couponbogen zur Aktie,
SJZ 1962 S. 278; OFTINGER, N. 25 zu Art. 901 ZGB). Die Forderung auf
Auszahlung der von der Generalversammlung beschlossenen Dividende kann
daher ohne den entsprechenden Coupon weder geltend gemacht noch übertragen
werden (Art. 965 OR; v. STEIGER, aaO; JÄGGI, N. 9 und 11 zu Art. 980, N. 39
ff. zu Art. 978, N. 51/52, 64 und 122 zu Art. 967 OR). Ohne Vorweisung
des Coupons darf die Aktiengesellschaft keine Dividende auszahlen (JÄGGI,
N. 279 zu Art. 965 OR). Ein vom Coupon losgelöster Dividendenanspruch, der
ohne den Titel selber arrestiert, gepfändet und verwertet werden könnte,
besteht demzufolge nicht. Deshalb kann die Forderung der "Crisanus"
Familienstiftung auf Auszahlung der Dividenden aus den ihr gehörenden
Namenaktien der Ciba-Geigy AG nur mit den entsprechenden Coupons, in denen
sie verbrieft ist, arrestiert werden (BGE 98 III 77, 92 III 24 ff. Erw. 3,
88 III 142/143, 67 III 12).

Erwägung 4

    4.- Wertpapiere, also auch Dividendencoupons, können nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts nur am Ort ihrer Lage arrestiert werden
(BGE 92 III 26, 67 III 11; FRITZSCHE, aaO, II, S. 214; BRAND, SJK 1173 S.
1; kritisch zu dieser Rechtsprechung JÄGGI, N. 325/326 zu Art. 965 OR).
Befinden sich die arrestierten Gegenstände nicht an dem im Arrestbefehl
angegebenen Ort, so fällt der Arrest ins Leere (BGE 88 II 145). Nach
den tatsächlichen Feststellungen der Aufsichtsbehörde, die für das
Bundesgericht verbindlich sind (Art. 63 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 81
OG) und die von der Rekurrentin auch nicht beanstandet wurden, lagen im
Zeitpunkt der Arrestanzeige keine der als Arrestgegenstände aufgeführten
Dividendencoupons in uneingelöstem Zustand bei der Ciba-Geigy AG. Zu
Recht hat deshalb das Betreibungsamt den Arrest als erfolglos erklärt.

Erwägung 5

    5.- Die Rekurrentin ist der Ansicht, die Ciba-Geiby AG sei auf Grund
des Arrestbefehls gemäss Art. 99 SchKG verpflichtet gewesen, die der
"Crisanus" Familienstiftung zustehenden Dividenden für das Geschäftsjahr
1972 an das Betreibungsamt auszuzahlen. Dazu sei sie auch in der Lage
gewesen, da der Arrest unter Aufführung der Nummern der fraglichen
Aktien bzw. Coupons rechtzeitig (noch vor der Generalversammlung)
notifiziert worden sei. Art. 99 SchKG bezieht sich indessen nach dem
klaren Wortlaut nur auf solche Forderungen, für welche nicht eine an den
Inhaber oder an Ordre lautende Urkunde besteht. Nach dem Gesagten ist
aber der Dividendenanspruch der "Crisanus" Familienstiftung in einem
Inhaberpapier verbrieft. Solche Papiere werden beim Arrestvollzug vom
Betreibungsamt in Verwahrung genommen (Art. 98 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 275 SchKG). Art. 99 SchKG hätte somit selbst dann nicht angewendet
werden können, wenn der Arrest erfolgreich gewesen wäre. Die Ausführungen
der Rekurrentin gehen daher am Kern der Sache vorbei.

Erwägung 6

    6.- Die Rekurrentin macht geltend, die Aufsichtsbehörde habe ihr
das rechtliche Gehör verweigert, indem sie ihr keine Einsicht in die
Vernehmlassung des Betreibungsamtes gewährt habe.

    Das Beschwerdeverfahren vor den kantonalen Aufsichtsbehörden über
Schuldbetreibung und Konkurs wird unter Vorbehalt gewisser bundesrechtlich
geregelter Punkte (Art. 75 ff. OG) vom kantonalen Recht geordnet (BGE 86
III 2). Die Rekurrentin behauptet nicht, dass das baslerische Recht der
Aufsichtsbehörde vorschreibe, die Vernehmlassung des Betreibungsamtes müsse
dem Beschwerdeführer zur Einsichtnahme zugestellt werden. Unmittelbar aus
Art. 4 BV lässt sich eine solche Pflicht nicht ableiten. Wohl ist auf Grund
dieser Bestimmung grundsätzlich jeder an einem Verfahren Beteiligte befugt,
zu den Äusserungen einer Gegenpartei Gegenbemerkungen anzubringen (BGE
89 I 157; IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 3. Aufl.,
II, Nr. 612 S. 618). Ein Recht, im kantonalen Beschwerdeverfahren
auf die Vernehmlassung des Betreibungsamtes zu replizieren, bevor die
Aufsichtsbehörde die Beschwerde beurteilt hat, besteht indessen nicht,
sofern die angefochtene Verfügung nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers
abgeändert, sondern durch Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde
bestätigt wird (BGE 88 I 63; vgl. auch 89 I 16). Im übrigen behauptet
die Rekurrentin nicht, die Aufsichtsbehörde habe in ihrem Entscheid auf
neue Vorbringen des Betreibungsamtes abgestellt, zu denen sie sich nicht
habe äussern können. Eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs liegt
daher nicht vor.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.