Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 III 12



99 III 12

4. Entscheid vom 27. April 1973 i.S. Ingenieurbüro R. Lampert-Brändli.
Regeste

    Beschlagnahmerecht des Konkursamtes

    1.  Mit der Aufhebung der Betreibungen infolge der Eröffnung des
Konkurses über den Schuldner (Art. 206 SchKG) werden die hängigen
Widerspruchsprozesse gegenstandslos (Erw. 1).

    2.  Ein Grundstück, das nicht auf den Namen des Gemeinschuldners
im Grundbuch eingetragen ist, kann von der Konkursverwaltung nur durch
Klage zur Masse gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn es vor der
Konkurseröffnung dem Pfändungsbeschlag unterlag. Tragweite von Art. 199
Abs. 1 SchKG (Erw. 2).

    3.  Gegenstände, die sich im Besitze eines Dritten befinden, der daran
das Eigentum beansprucht, kann das Konkursamt nicht beschlagnahmen, solange
der Richter nicht entschieden hat, dass sie zur Masse gehören (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- In mehreren gegen Otto Strobel angehobenen Betreibungen wurde
unter anderem die Liegenschaft Im Roggenacker 11 in Binningen gepfändet,
die der Schuldner am 1. März 1968 ehevertraglich auf seine Ehefrau
Lilly Strobel übertragen hatte und die auf deren Namen im Grundbuch
eingetragen war. Gegen die Eigentumsansprache von Lilly Strobel erhoben
verschiedene Gläubiger Widerspruchsklage. Am 8. Februar 1971, kurz vor
Abschluss der Widerspruchsprozesse, erklärte sich Otto Strobel im Sinne von
Art. 191 SchKG als insolvent, und es wurde über ihn der Konkurs eröffnet.
Die Konkursverwaltung, das Konkursamt Binningen, trat am 4. August 1972
die Ansprüche der Masse an der Liegenschaft gemäss Art. 260 SchKG an vier
Gläubiger ab, unter anderem auch an das Ingenieurbüro R. Lampert-Brändli.

    Am 30. November 1972 verkaufte Lilly Strobel die Liegenschaft an Peter
Loeffler. Zur Deckung allfälliger Grundstückgewinnsteuern hinterlegte
sie vom Erlös einen Betrag von Fr. 10'000.-- bei der Bezirksschreiberei
Binningen.

    Auf Begehren der Abtretungsgläubiger ordnete das Konkursamt Binningen
am 1. März 1973 die "vorsorgliche konkursamtliche Beschlagnahme" dieses
Depots an.

    B.- Die gegen diese Anordnung des Konkursamtes von Lilly Strobel
erhobene Beschwerde wurde von der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung
und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft mit Entscheid vom 2. April
1973 gutgeheissen.

    C.- Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Bundesgerichts beantragt das Ingenieurbüro
R. Lampert-Brändli, der Entscheid der Aufsichtsbehörde sei aufzuheben
und das Konkursamt Binningen sei anzuweisen, den von ihm beschlagnahmten
Betrag von Fr. 10'000.-- zur Konkursmasse des Otto Strobel zu ziehen.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Mit der Eröffnung des Konkurses über Otto Strobel wurden die
gegen diesen angehobenen Betreibungen aufgehoben (Art. 206 SchKG). Da im
Widerspruchsverfahren zwischen den betreibenden Gläubigern und dem Dritten,
der das Eigentum an einem gepfändeten Gegenstand beansprucht, lediglich
darüber entschieden wird, ob der betreffende Gegenstand in der laufenden
Betreibung zugunsten der Gläubiger verwertet werden dürfe oder ob er aus
der Pfändung zu entlassen sei (BGE 84 III 159, 84 I 224, 64 III 16, 59
I 261, 58 III 89, 44 III 208), wurden die hängigen Widerspruchsprozesse
mit der Aufhebung der Betreibungen gegenstandslos (nicht publiziertes
Urteil des Bundesgerichts vom 13. Mai 1966 i.S. Notz c. Hirschler, S. 5;
JAEGER, N. 5 A zu Art. 107, N. 5 zu Art. 199 und N. 2 zu Art. 207 SchKG;
BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, S. 632;
FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, II, 2. Aufl. S. 49; FAVRE,
Droit des poursuites, 2. Aufl. S. 205; STOCKER, SJK 986 S. 10). Wären
diese Prozesse übrigens im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits
abgeschlossen gewesen, so hätte sich die Rechtskraft der Urteile nicht
auf das nachfolgende Konkursverfahren erstreckt (BGE 92 III 18, 86 III
142 mit Hinweisen).

Erwägung 2

    2.- Im Konkurs verfügt nach Art. 242 SchKG die Konkursverwaltung
über die Herausgabe von Sachen, welche von einem Dritten als Eigentum
angesprochen werden. Hält sie den Anspruch für unbegründet, so setzt sie
dem Dritten eine Frist zur Anhebung der Aussonderungsklage an. Dieses
Vorgehen ist aber nur dann zulässig, wenn sich die Sache im Gewahrsam
der Masse befindet. Ist dies nicht der Fall, so haben die Masse oder
gegebenenfalls die Abtretungsgläubiger gemäss Art. 260 SchKG gegen den
Dritten zu klagen, ohne an eine Frist gebunden zu sein. Beim Streit
um Grundstücke darf die Konkursverwaltung nur dann nach Art. 242 SchKG
vorgehen, wenn der Gemeinschuldner als Eigentümer im Grundbuch eingetragen
ist. Lautet der Grundbucheintrag dagegen auf den Namen des Dritten, so kann
das Grundstück nur durch Klage zur Masse gezogen werden (nicht publiziertes
Urteil des Bundesgerichts vom 13. Mai 1966 i.S. Notz c. Hirschler, S. 5/6;
BGE 93 III 102/3; 85 III 50, 143; 76 III 12; JAEGER, N. 3 B zu Art. 242
SchKG; BLUMENSTEIN, aaO S. 763; FAVRE, aaO S. 324/325; FRITZSCHE, aaO,
II, S. 135/136, 138).

    Dies gilt auch dann, wenn die umstrittene Sache vor der
Konkurseröffnung dem Pfändungsbeschlag unterlag. Zwar fallen nach
Art. 199 Abs. 1 SchKG gepfändete Vermögensstücke, deren Verwertung
im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch nicht stattgefunden hat, in
die Konkursmasse. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, dass die Masse
schlechthin in die Rechte der Pfändungsgläubiger eintrete (BGE 58 III
60, 51 III 140; BRAND, SJK 999 S. 9; JAEGER-DAENIKER, N. 2 zu Art. 206
SchKG). Die Bestimmung will vielmehr lediglich zum Ausdruck bringen, dass
mit der Konkurseröffnung das Vorzugsrecht der Pfändungsgläubiger, sich
unter Ausschluss der übrigen Gläubiger aus dem gepfändeten Gegenstand
bezahlt zu machen, dahinfällt. Sie hat dabei den Normalfall im Auge,
dass sich der Gegenstand im Gewahrsam des Gemeinschuldners befindet
und unbestrittenermassen zu dessen Vermögen gehört (JAEGER, N. 1 zu
Art. 199 SchKG). Eine Ausnahme vom erwähnten Grundsatz, dass Sachen,
die nicht im Gewahrsam des Gemeinschuldners stehen, bzw. Grundstücke,
die nicht auf dessen Namen im Grundbuch eingetragen sind, durch Klage
zur Masse gezogen werden müssen, soll damit nicht gemacht werden.

    Nicht anders verhält es sich sodann, wenn behauptet wird, der
Dritte habe die Sache durch ein anfechtbares Rechtsgeschäft erworben. Zur
Konkursmasse gehört zwar nach Art. 200 SchKG alles, was gemäss den Art. 214
und 285-292 SchKG Gegenstand der Anfechtungsklage ist. Konkurssubstrat
ist aber dabei nicht etwa derjenige Vermögensbestandteil, der durch
das anfechtbare Rechtsgeschäft dem Vermögen des Gemeinschuldners
entzogen wurde, sondern lediglich der obligatorische Anspruch auf
Rückübertragung. Dieser Anspruch ist durch Klage geltend zu machen
(BGE 52 III lo; JAEGER, N. 2 zu Art. 200 und N. 3 B zu Art. 242 SchKG;
BLUMENSTEIN, aaO S. 628; BRAND, SJK 999 S. 10).

    Die Gewahrsamsverhältnisse bzw. der Grundbucheintrag sind
schliesslich für die Parteirollenverteilung auch dann massgebend, wenn
sich die Masse auf Art. 188 Abs. 1 ZGB beruft, wonach ein Vermögen, das
bisher den Gläubigern des einen Ehegatten haftete, dieser Haftung durch
güterrechtliche Auseinandersetzung oder durch Wechsel des Güterstandes
nicht entzogen werden kann. Befindet sich daher der entsprechende
Vermögensbestandteil im Gewahrsam der Ehefrau, bzw. ist das bis anhin
haftende Grundstück auf deren Namen im Grundbuch eingetragen, so haben
im Konkurs des Ehemannes die Konkursverwaltung oder gegebenenfalls die
Abtretungsgläubiger die Weiterhaftung durch Klage geltend zu machen
(LEMP, N. 46 zu Art. 188 ZGB; GYGI, Zum Gläubigerschutz bei Wechsel des
Güterstandes im Konkursverfahren, ZBJV 1949 S. 166).

Erwägung 3

    3.- Nach Art. 221 SchKG hat das Konkursamt die zur Sicherung
des zur Konkursmasse gehörenden Vermögens erforderlichen Massnahmen
zu treffen. Diese Sicherungsmassnahmen sind in Art. 223 SchKG näher
umschrieben. Gegen stände, die sich im Besitze eines Dritten befinden,
der daran das Eigentum beansprucht, unterliegen jedoch der Beschlagnahme
durch das Konkursamt nicht, solange der Richter nicht entschieden hat,
dass sie zur Masse gehören (BGE 90 III 20, 86 III 29, 73 III 80, 52 III
10, 50 III 3; FRITZSCHE, aaO, II, S. 107, 110). Das Konkursamt kann den
Dritten auch nicht durch ein von ihm erlassenes Verbot an der Verfügung
über solche Gegenstände hindern (BGE 90 III 20, 85 III 143). Besteht
die Gefahr, dass der Dritte die Gegenstände veräussert, bevor darüber
entschieden ist, ob sie in die Masse fallen, so haben die Konkursverwaltung
bzw. die Abtretungsgläubiger die erforderlichen vorsorglichen Massnahmen
beim Richter zu erwirken.

Erwägung 4

    4.- Im vorliegenden Fall war bei der Eröffnung des Konkurses über Otto
Strobel dessen Ehefrau Lilly Strobel als Eigentümerin des Grundstückes
Im Roggenacker 11 im Grundbuch eingetragen. Die Konkursverwaltung konnte
daher dieses Grundstück nur durch Klage zur Masse ziehen. Sie konnte
der Eigentümerin nicht verbieten, darüber zu verfügen. Nachdem sie die
Ansprüche der Masse gegen Lilly Strobel mit Verfügung vom 4. August 1972
im Sinne von Art. 260 SchKG an verschiedene Gläubiger abgetreten hatte,
war es deren Sache, beim Richter die zur Sicherung ihrer Rechte aus den
Art. 285 ff. SchKG bzw. 188 ZGB geeigneten Massnahmen, insbesondere die
Vormerkung einer Verfügungsbeschränkung im Sinne von Art. 960 Ziff. 1 ZGB,
zu erwirken (BGE 81 III 103/104; GYGI, aaO S. 167). Die Abtretungsgläubiger
unterliessen dies aber, so dass dem Verkauf des Grundstückes an Peter
Loeffier, der fast vier Monate nach der Abtretung erfolgte, nichts im Wege
stand. Da das Konkursamt das Grundstück nicht beschlagnahmen und dessen
Verkauf nicht verhindern konnte, war es noch viel weniger berechtigt, die
"konkursamtliche Beschlagnahme" des Erlöses anzuordnen. Der Umstand, dass
das Geld bei der Bezirksschreiberei hinterlegt war, die offenbar neben
dem Grundbuchamt auch das Konkursamt führt, verschaffte der Konkursmasse
entgegen der Ansicht des Rekurrenten selbstverständlich keinen Gewahrsam
daran. Zu Recht hat deshalb die Aufsichtsbehörde die Beschwerde von Lilly
Strobel gutgeheissen.