Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 III 1



99 III 1

1. Auszug aus dem Entscheid vom 11. Oktober 1973 i.S. Erich Schaad und
Erich Schaad & Co. Regeste

    Verbot der Zwangsvollstreckung unter Ehegatten; Art. 173 ZGB.

    Die Betreibung einer Ehefrau gegen eine Kommanditgesellschaft, der ihr
Ehemann angehört, fällt nicht unter das Verbot der Zwangsvollstreckung
unter Ehegatten, auch wenn der Ehemann der einzige Komplementär und die
betreibende Ehefrau die einzige Kommanditärin dieser Gesellschaft ist.

Sachverhalt

    A.- Die Firma Erich Schaad & Co. ist eine Kommanditgesellschaft, die
aus Erich Schaad als Komplementär und aus dessen Ehefrau Gertrud Schaad als
Kommanditärin besteht. Mit Zahlungsbefehl Nr. 60568 des Betreibungsamtes
Zürich 11 vom 31. Januar 1973 betrieb Gertrud Schaad die Erich Schaad &
Co. gestützt auf einen Darlehensvertrag vom 1. Januar 1971 für einen
Betrag von Fr. 45'000.-- nebst Zins. Die Betrlebene schlug Recht vor.

    B.- Am 24. Mai 1973 erhoben Erich Schaad und die Erich Schaad &
Co. betreibungsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, die Betreibung
Nr. 60568 und der Zahlungsbefehl vom 31. Januar 1973 seien nichtig zu
erklären, da die Betreibung gegen das Verbot der Zwangsvollstreckung unter
Ehegatten gemäss Art. 173 ZGB verstosse. Das Bezirksgericht Zürich als
untere kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde mit Beschluss vom
20. Juni 1973 von der Hand. Dieser Beschluss wurde vom Obergericht des
Kantons Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde am 25. Juli 1973
bestätigt, mit dem Unterschied, dass die Beschwerde nicht von der Hand
gewiesen, sondern abgewiesen wurde.

    C.- Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts beantragen Erich Schaad und die Erich
Schaad & Co., der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und die
Betreibung sei nichtig zu erklären.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Kommanditgesellschaft hat keine eigene Rechtspersönlichkeit
(BGE 95 II 549; 78 I 12, 120; 72 II 181/182). Träger der Rechte und
Pflichten der Gesellschaft sind einzig die Gesellschafter (BGE 78 I
12, 120; HARTMANN, N. 3 zu Art. 602 OR). Diese sind zu gesamter Hand am
Gesellschaftsvermögen berechtigt (HARTMANN, N. 4 zu Art. 602 OR; SIEGWART,
N. 1 zu Art. 602, N. 2 und 3 zu Art. 562 OR) und haften persönlich für die
Schulden der Gesellschaft, der Komplementär mit seinem ganzen Vermögen,
der Kommanditär bis zur Höhe der Kommanditsumme (Art. 594 Abs. 1 und 608
Abs. 1 OR). Die Kommanditgesellschaft kann indessen nach Art. 602 OR unter
ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht
klagen und verklagt werden. Sie kann daher auf diese Weise selbständig im
Rechtsverkehr auftreten. Insofern ist sie rechts- und parteifähig wie eine
juristische Person (GUHL/MERZ/KUMMER, Das Schweizerische Obligationenrecht,
6. Aufl., S. 535; HARTMANN, N..2 zu Art. 602 OR; SIEGWART, N. 1 zu
Art. 602, N. 1-14 zu Art. 562 OR). Insbesondere kann sie als Gläubigerin
oder Schuldnerin Partei einer Betreibung sein (vgl. Art. 39 Abs. 1
Ziff. 6 und Art. 46 Abs. 2 SchKG; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs,
2. Aufl., Bd. I, S. 53); dabei kann sie ihre Rechte im Betreibungsverfahren
selbst wahrnehmen (vgl. dazu FRITZSCHE, aaO S. 54 ff.).

    Sodann hat die Kommanditgesellschaft ein eigenes Vermögen, das vom
Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter zu unterscheiden ist. Die
Privatgläubiger eines Gesellschafters können nicht auf dieses Vermögen
greifen, sondern lediglich auf das, was dem Schuldner an Zinsen, Honorar,
Gewinn und Liquidationsanteil aus dem Gesellschaftsverhältnis zukommt
(Art. 613 OR). Im Konkurs der Gesellschaft wird das Gesellschaftsvermögen
ausschliesslich zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger verwendet
(Art. 616 Abs. 1 OR). Auf der andern Seite kann der unbeschränkt
haftende Gesellschafter für eine Gesellschaftsschuld erst dann persönlich
belangt werden, wenn die Gesellschaft aufgelöst oder erfolglos betrieben
worden ist (Art. 604 OR), oder wenn er selbst in Konkurs gefallen ist
(vgl. Art. 568 Abs. 3 OR; HARTMANN, N. 6, und SIEGWART, N. 1 zu Art. 604
OR). Seine Haftung ist somit bloss subsidiär (HARTMANN, N. 3 zu Art. 604
OR). Der Kommanditär kann während der Dauer der Gesellschaft überhaupt
nicht belangt werden; im Falle der Auflösung der Gesellschaft können
die Gesellschaftsgläubiger nur verlangen, dass die Kommanditsumme in
die Liquidations- bzw. Konkursmasse eingeworfen wird (Art. 610 OR). Dass
die beiden Vermögensmassen auseinanderzuhalten sind, ergibt sich ferner
auch aus der Regelung des Verrechnungsrechts (Art. 614 in Verbindung
mit Art. 573 OR) sowie daraus, dass sich Gesellschaftskonkurs und
Gesellschafterkonkurs gegenseitig nicht bedingen (Art. 615 OR).

    Unter diesen Umständen lässt sich nicht sagen, eine Betreibung
gegen eine Kommanditgesellschaft für eine Gesellschaftsschuld sei gegen
den unbeschränkt haftenden Gesellschafter gerichtet, obwohl dieser
mit seinem ganzen Vermögen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft
haftet. Gegenstand der Zwangsvollstreckung ist nach dem Gesagten lediglich
das Gesellschaftsvermögen, das nicht nur dem Betriebenen, sondern allen
Gesellschaftern, auch den Kommanditären (BGE 78 I 12; HARTMANN, N. 3 und
4, und SIEGWART, N. 1 zu Art. 602 OR), zur gesamten Hand zusteht. Daher
fällt die Betreibung einer Ehefrau gegen eine Kommanditgesellschaft,
der ihr Ehemann angehört, nicht unter das Verbot der Zwangsvollstreckung
unter Ehegatten, und zwar auch dann nicht, wenn der Ehemann der einzige
Komplementär und die betreibende Ehefrau die einzige Kommanditärin dieser
Gesellschaft ist.