Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IB 505



99 Ib 505

71. Auszug. aus dem Urteil vom 21. Dezember 1973 i.S. Antognazza gegen
Beauftragten für die Stabilisierung des Baumarktes. Regeste

    Massnahmen zur Stabilisierung des Baumarktes; Ausführungssperre (BB
vom 20. Dezember 1972 und Verordnung des Bundesrates vom 10. Januar 1973).

    Voraussetzungen der Ausführungssperre für Terrassenhäuser. Art. 7
Abs. 2 der Verordnung ist entgegen dem klar scheinenden Wortlaut
auszulegen.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- Am 20. März 1973 erteilte die Baukommission der Gemeinde
Küsnacht/ZH dem Gesuchsteller Dr. Giampiero Antognazza die Baubewilligung
für ein "4-Familienhaus (Eigentumswohnungen) mit 3 Doppelgaragen"
und unterstellte gleichzeitig das Bauvorhaben der Ausführungssperre
gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. 1 des Bundesbeschlusses über Massnahmen
zur Stabilisierung des Baumarktes vom 20. Dezember 1972 (BauB)
in Verbindung mit Art. 4 lit. b, c und f der Verordnung des Eidg.
Volkswirtschaftsdepartements über die Merkmale des preisgünstigen
Wohnungsbaus sowie der Luxusbauten vom 23. August 1972.

    B.- Mit Beschwerde an den Beauftragten des Bundesrates für die
Stabilisierung des Baumarktes beantragte Dr. Antognazza die Erteilung
der Ausführungsbewilligung. Er machte geltend, es handle sich um ein
Terrassenhaus mit Wohnungseinheiten, die nur einen sehr geringen Anteil
gemeinschaftlicher Anlagen umfassten und daher nach Art. 7 Abs. 2
der Verordnung des Bundesrates über Massnahmen zur Stabilisierung
des Baumarktes vom 10. Januar 1973 (BauV) als Einfamilienhäuser zu
behandeln seien. Da die für Einfamilienhäuser geltende Kostengrenze nicht
überschritten sei, unterliege das Vorhaben nicht der Ausführungssperre.

    Der Beauftragte wies die Beschwerde am 31. Juli 1973 ab. Er
führte aus, der Anteil der gemeinschaftlichen Anlagen sei zwar nicht
überdurchschnittlich hoch; da das Bauvorhaben jedoch Luxusmerkmale
gemäss Art. 4 der Verordnung vom 23. August 1972 aufweise, habe man es
nicht mit Einfamilienhäusern im Sinne des Art. 7 Abs. 2 BauV zu tun,
sondern mit einem Mehrfamilienhaus, das nach Art. 5 Abs. 1 lit. 1 BauB
der Ausführungssperre unterstehe.

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Dr.  Antognazza, den
Entscheid des Beauftragten aufzuheben und das Bauvorhaben zur sofortigen
Ausführung freizugeben.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- (Prozessuales.)

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer hat den beabsichtigten Bau auf sämtlichen
Plänen als Mehrfamilienhaus bezeichnet, und dementsprechend hat
die Gemeindebehörde die Baubewilligung für ein "4-Familienhaus
(Eigentumswohnungen)" erteilt. Demgegenüber stellt der Beschwerdeführer
sich in seiner Beschwerde an den Beauftragten auf den Standpunkt, es handle
sich um Terrassenhäuser, die in der Baueingabe nur "mangels fachtechnischem
Ausdruck" als Eigentumswohnungen bezeichnet worden seien. Indes zeigen die
Pläne einen geschlossenen Baukubus, bei dem die oberen Geschosse nur auf
der Südwestseite terrassenartig zurückspringen, so dass als zweifelhaft
erscheint, ob von Terrasenhäusern gesprochen werden kann. Der Beauftragte
hat diese Bezeichnung übernommen; ob zu Recht, kann offengelassen werden,
da die Beschwerde auch dann abzuweisen ist, wenn angenommen wird, dass
das Projekt Terrassenhäuser im Sinne der BauV zum Gegenstand hat.

Erwägung 3

    3.- Gemäss Art. 7 Abs. 2 BauV werden Terrassenhäuser und ähnliche
geschlossene Überbauungen als Einfamilienhäuser behandelt, "wenn der
Anteil der gemeinschaftlichen Anlagen nicht überdurchschnittlich hoch
ist oder wenn keine Luxusmerkmale vorhanden sind". Im vorliegenden
Fall ist der Beauftragte zum Schluss gekommen, zwar sei der Anteil der
Gemeinschaftsanlagen nicht überdurchschnittlich hoch, doch weise das
Projekt Luxusmerkmale auf, weshalb nicht von Einfamilienhäusern im Sinne
von Art. 7 Abs. 2 BauV die Rede sein könne.

    Der Beschwerdeführer macht geltend, der Beauftragte habe die im
Nebensatz dieser Bestimmung genannten Kriterien zu Unrecht kumulativ
angewendet. Art. 7 Abs. 2 BauV stelle den Anteil der Gemeinschaftsanlagen
alternativ den Luxusmerkmalen gegenüber, was zur Folge habe, dass
Terrassenhäuser auch dann als Einfamilienhäuser zu behandeln seien, wenn
zwar Luxusmerkmale beständen, der Anteil der Gemeinschaftsanlagen jedoch
nicht überdurchschnittlich gross sei.

    Für die Auffassung des Beschwerdeführers spricht der Wortlaut der
Bestimmung ("oder"). Der Beauftragte bemerkt, das Wort "oder" werde "im
deutschen Sprachgebrauch nicht nur alternativ verwendet, sondern auch
als Verbindungswort einer Aufzählung von zusammenhängenden Merkmalen,
Voraussetzungen usw.". Dieser Meinung kann nicht gefolgt werden. Das Wort
"oder" findet richtigerweise allein dort Verwendung, wo eine alternative
Gegenüberstellung zweier Begriffe gemeint ist, während für eine kumulative
Aufzählung das Wort "und" am Platz ist.

    Indes ist daraus, dass der Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung
an sich klar ist, nicht ohne weiteres zu schliessen, dass für eine
sinngemässe Auslegung kein Raum bleibe. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichts darf von ihm abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür
vorliegen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche
Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem
Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Gesetzesbestimmungen
ergeben (BGE 80 II 316; 87 I 16; 90 I 214 f.; 95 I 326, 509; 96 I 627;
98 I/a 192, 200).

Erwägung 4

    4.- Zweck des Bundesbeschlusses über Massnahmen zur Stabilisierung
des Baumarktes und der Ausführungsbestimmungen ist es, die übergrosse
Baunachfrage einzudämmen, wobei im Interesse der ertragsschwächeren
Anlagen, insbesondere des preisgünstigen Wohnungsbaus, die sozial- und
wirtschaftspolitisch erwünschten Prioritäten gesetzt werden sollen. Daher
werden in Art. 5 BauB sämtliche nicht als dringlich erachteten Bauvorhaben
der Ausführungssperre unterstellt.

    Gesperrt sind gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. i BauB in Verbindung mit
Art. 17 Abs. 1 lit. c BauV insbesondere Einfamilienhäuser mit mehr als
1200 m2 umbauten Raumes oder über Fr. 400 000 Erstellungskosten. Ferner
sind nach Art. 5 Abs. 1 lit. 1 BauB kostspielige und luxuriöse
Mehrfamilienhäuser der Ausführungssperre unterworfen. Somit sind sowohl
Einfamilienhäuser als auch Mehrfamilienhäuser mit hohen Baukosten der
Sperre unterstellt. Bei den Einfamilienhäusern gelten die Kriterien
des umbauten Raumes und der Erstellungskosten alternativ, d.h. auch
ein kleines Einfamilienhaus von weniger als 1200 m2 unterliegt der
Sperre, wenn die Erstellungskosten mehr als Fr. 400 000 betragen. Für
die Mehrfamilienhäuser sind die für die Unterstellung unter die Sperre
entscheidenden Luxusmerkmale in Art. 4 der Verordnung vom 23. August
1972 enthalten, die gemäss Art. 39 der BauV vom 10. Januar 1973 auch
unter der Herrschaft des neuen BauB vom 20. Dezember 1972 bis zu ihrer
Ablösung weiterhin in Kraft bleibt. Gemäss Art. 4 der Verordnung vom
23. August 1972 genügt eines der in lit. a-f aufgezählten Luxusmerkmale,
um ein Mehrfamilienhaus als luxuriös zu qualifizieren und damit der Sperre
zu unterstellen.

    Art. 7 Abs. 1 BauV definiert ein Einfamilienhaus als "ein freistehendes
oder an andere Bauten angebautes Wohngebäude, welches eine Wohneinheit
für eine Familie und allenfalls eine Kleinwohnung für Angehörige
enthält". Da in den letzten Jahren häufig neue Siedlungen in Form an-
und übereinandergebauter sogenannter Terrassenhäuser erstellt wurden, war
es notwendig, auch deren Behandlung in der BauV zu regeln. Dort wurden
Terrassenhäuser und andere geschlossene Überbauungen unter gewissen
Voraussetzungen den Einfamilienhäusern gleichgestellt, während sie
andernfalls den Mehrfamilienhäusern zugeordnet sind.

    Würde nun Art. 7 Abs. 2 BauV nach dem Wortlaut ausgelegt, wie es der
Beschwerdeführer will, so hätte dies zur Folge, dass Terrassenhäuser
und ähnliche geschlossene Überbauungen, bei denen der Anteil der
gemeinschaftlichen Anlagen nicht überdurchschnittlich hoch ist,
gegenüber den herkömmlichen Einfamilienhäusern in dem Sinne privilegiert
wären, dass sie zwar wegen der geschlossenen Bauweise weniger kosten
würden, aber gleichwohl nur unter die für Einfamilienhäuser geltende
Erstellungskostengrenze von maximal Fr. 400 000 fallen würden und daher
entsprechend luxuriöser gebaut werden könnten. Andererseits hätte diese
Auslegung zur Folge, dass Terrassenhäuser und ähnliche Überbauungen
auch gegenüber den der Ausführungssperre unterstellten kostspieligen
und luxuriösen Mehrfamilienhäusern insofern privilegiert wären, als
bei einem das durchschnittliche Mass nicht übersteigenden Anteil der
Gemeinschaftsanlagen ein allfälliger sonstiger Luxus in der Bauweise oder
im Ausbau nicht zu berücksichtigen wäre, soweit er den Spielraum, den die
für Einfamilienhäuser aufgestellten Raum- und Kostengrenzen lassen würden,
nicht überschritte.

    Eine solche Privilegierung der Terrassenhäuser sowohl gegenüber
den Einfamilienhäusern als auch gegenüber den Mehrfamilienhäusern wäre
sachlich nicht zu begründen und würde eine unerträgliche Verletzung der
Rechtsgleichheit bedeuten. Eine alternative Anwendung der Kriterien
von Art. 7 Abs. 2 BauV würde dem Sinn und Zweck des Baubeschlusses,
des Art. 17 BauV und des Art. 4 der Verordnung vom 23. August 1972
zuwiderlaufen. Diese Bestimmungen zeigen die Absicht, sämtliche Bauten
mit Luxusmerkmalen der Ausführungssperre zu unterstellen, eine Absicht,
die auch in der Botschaft des Bundesrates vom 4. Dezember 1972 klar
zum Ausdruck kommt (BBl 1972 II S. 1569). Bei den Einfamilienhäusern
bietet die ungeachtet des Volumens des umbauten Raumes geltende
Erstellungskostengrenze von Fr. 400 000 angesichts der heutigen Baukosten
Gewähr dafür, dass kein als luxuriös zu bezeichnendes Projekt realisiert
werden kann. Würde es für die Behandlung von Terrassenhäusern als
Einfamilienhäuser genügen, dass der Anteil der Gemeinschaftsanlagen das
durchschnittliche Mass nicht übersteigt, so würde Art. 7 Abs. 2 BauV aus
dem Rahmen der übrigen Bestimmungen zur Stabilisierung des Baumarktes
fallen, in deren Zusammenhang er richtigerweise gesehen werden muss. So
ausgelegt würde Art. 7 Abs. 2 dem eindeutigen Zweck der Massnahmen zur
Stabilisierung des Baumarktes widersprechen. Der Wortlaut von Art. 7
Abs. 2 gibt somit offensichtlich nicht den wahren Sinn wieder, der dieser
Bestimmung zukommen muss. Sie kann nur so verstanden werden, dass auch
Terrassenhäuser bloss dann der Ausführungssperre nicht unterstellt sein
sollen, wenn sie keinerlei Luxusmerkmale aufweisen.

Erwägung 5

    5.- Die alternative Formulierung von Art. 7 Abs. 2 BauV beruht
möglicherweise darauf, dass auch Art. 5 Abs. 1 lit. i BauB eine solche
enthält. Der wesentliche Unterschied liegt jedoch darin, dass Art. 5
Abs. 1 lit. i BauB positiv die Voraussetzungen umschreibt, unter
denen Einfamilienhäuser der Ausführungssperre unterliegen. Es werden
dabei alternativ zwei Kriterien genannt, bei deren Vorhandensein das
Projekt unter die Sperre fällt. Dies bedeutet negativ ausgedrückt,
dass keines der beiden Kriterien erfüllt sein darf, wenn das Vorhaben
nicht der Sperre unterstellt sein soll. In Art. 7 Abs. 2 BauV wurde
eine negative Formulierung gewählt; es werden die Kriterien genannt, bei
deren Vorhandensein ein Terrassenhaus nicht der für Mehrfamilienhäuser
geltenden Regelung unterliegen soll. Dementsprechend hätten jedoch
diese Voraussetzungen kumulativ aufgezählt werden müssen, sollte die
Bestimmung, wörtlich verstanden, nicht aus dem Zusammenhang mit den
übrigen Bestimmungen herausfallen und der ratio legis widersprechen.

Erwägung 6

    6.- Mit Grund wird für Terrassenhäuser nicht einfach die für
Einfamilienhäuser massgebliche Erstellungskostengrenze übernommen, sondern
auf das Vorhandensein von Luxusmerkmalen abgestellt. Diese Sonderregelung
erklärt sich daraus, dass Terrassenhäuser infolge der geschlossenen
Überbauung billiger gebaut werden können als Einfamilienhäuser im
herkömmlichen Sinn, sodass mit Erstellungskosten von Fr. 400 000 eine
entsprechend luxuriösere Bauweise möglich wäre. Eine solche Privilegierung
der Terrassenhäuser sollte durch das Abstellen auf Luxusmerkmale vermieden
werden.

    Der Beschwerdeführer wendet ein, bei einer kumulativen Anwendung
der Kriterien von Art. 7 Abs. 2 BauV habe die Bestimmung keinen
Sinn, weil kostspielige oder luxuriöse Mehrfamilienhäuser ohnehin
der Ausführungssperre unterstellt seien. Er verkennt, dass bei
vielen Terrassensiedlungen der Einfamilienhauscharakter der einzelnen
Wohneinheiten so ausgeprägt ist, dass schwerlich von einem Mehrfamilienhaus
gesprochen werden könnte. Da unter der Herrschaft des Baubeschlusses vom
25. Juni 1971 in Ermangelung einer diesbezüglichen Regelung Schwierigkeiten
bei der Behandlung von Terrassenhäusern entstanden sind, stellt nun
Art. 7 Abs. 2 BauV Terrassenhäuser unter den genannten Voraussetzungen
den Einfamilienhäusern gleich. Unterscheidet sich ein Terrassenhaus
von einem gewöhnlichen Mehrfamilienhaus nur dadurch, dass die einzelnen
übereinandergelagerten Wohnungen rückwärts gegen den Hang leicht verschoben
sind, wie dies für das Bauvorhaben des Beschwerdeführers zutrifft, so wäre
an sich eine Sonderregelung nicht notwendig. Die in Art. 7 Abs. 2 BauV
aufgestellten, richtigerweise kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen
für die Behandlung von Terrassenhäusern als Einfamilienhäuser sind in
diesem Falle erst recht gerechtfertigt, da sich hier eine Andersbehandlung
gegenüber den Mehrfamilienhäusern nicht begründen liesse.

Erwägung 7

    7.- Die vorstehenden Erwägungen führen zum Schluss, dass der
Beauftragte die in Art. 7 Abs. 2 BauV genannten Kriterien zu Recht
kumulativ angewendet hat. Seine Auslegung entspricht dem Sinn der
Bestimmung, wie er sich aus dem Baubeschluss selbst in Verbindung mit
den dazugehörigen Ausführungsverordnungen ergibt.

Erwägung 8

    8.- (Das Bauvorhaben des Beschwerdeführers weist Luxusmerkmale auf
und unterliegt daher der Ausführungssperre.)