Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IB 392



99 Ib 392

51. Urteil vom 21. Dezember 1973 i.S. Andenmatten und Mitbeteiligte gegen
Staatsrat des Kantons Wallis. Regeste

    Verfahren: Art. 97 ff. OG.

    Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen auf
kantonales Verfahrensrecht sich stützenden Nichteintretensentscheid
(Erw. 1).

    Entfernung widerrechtlich angepflanzter Reben: Art. 1 und 7 BB über
vorübergehende Massnahmen zugunsten des Rebbaues:

    Auslegung der Ausnahmebestimmung des Art. 1 Abs. 1 zweiter Satz BB
(Erw. 2a).

    Die Pflicht, widerrechtlich angepflanzte Reben auszureuten (Art. 7 BB),
trifft den Eigentümer der Parzelle schlechthin und kann nicht auf dem Wege
der Veräusserung oder der Verpachtung des Grundstückes beseitigt werden
(Erw. 2b).

Sachverhalt

    Theophil Mathier pflanzte auf seiner im Gebiet der Gemeinde
Salgesch liegenden Parzelle Reben an, obwohl dies nach der einschlägigen
Rebbaugesetzgebung verboten war. Er wurde daraufhin mehrmals behördlich
aufgefordert, die Reben auszureissen. Er kam den Aufforderungen nicht nach
und versuchte, sich auf dem Wege der Verpachtung von je 100 Rebstöcken
an 11 Pächter dem Ausreutungsgebot zu entziehen. Da er damit keinen
Erfolg hatte, teilte er seine Pflanzung in sechs Parzellen von weniger
als 400 m2 Fläche auf und verkaufte diese einzelnen an die heutigen
Beschwerdeführer. In der Folge setzte das Departement des Innern und
der Landwirtschaft des Kantons Wallis den sechs Käufern Frist, um die
ausserhalb der Rebzone angepflanzten Reben auszureissen. Gegen diesen
Verfügung wehrten sich die Betroffenen beim Staatsrat, der auf vier
Beschwerden wegen Verspätung nicht eintrat und die übrigen Beschwerden
abwies. Gegen den Entscheid des Staatsrates richten sich die vorliegenden
Verwaltungsgerichtsbeschwerden.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab, soweit darauf einzutreten
ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Staatsrat ist auf die am 8. September 1972 eingereichten
Beschwerden des Herbert Bregy, Erich Bregy, Meinrad Hischier und Emil
Bayard wegen Verspätung nicht eingetreten. Dieser Entscheid stützt sich
ausschliesslich auf kantonales Verfahrensrecht.

    Wie das Bundesgericht in früheren Entscheiden (vgl. BGE 98 Ib
336) erkannt hat, kann bei einem auf kantonales Verfahrensrecht sich
stützenden Nichteintretensentscheid mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gerügt werden, der angefochtene Entscheid schliesse die Anwendung
von Bundesrecht aus. Dies ist hier insofern der Fall, als materiell
Fragen des Bundesrechts (Rebbaugesetzgebung) zur Diskussion stehen. Die
Anwendung dieses Bundesrechts schliesst der angefochtene Entscheid aus;
er ist mithin eine Verfügung im Sinne von Art. 5 lit. c VwG, die mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden kann. Das Bundesgericht
prüft allerdings die Anwendung des kantonalen Verfahrensrechtes nicht frei,
sondern nach Art. 104 lit. a OG nur auf die Verletzung von Bundesrecht,
d.h. in der Regel ausschliesslich auf die Verletzung von Art. 4 BV (BGE
98 Ib 336).

    Der im angefochtenen Entscheid angewandte Art. 23 des kantonalen
Verwaltungsverfahrensbeschlusses räumt den Betroffenen eine zwanzigtägige
Rechtsmittelfrist ein. Diese Frist wurde den Beschwerdeführern im Entscheid
des Departements des Innern und der Landwirtschaft des Kantons Wallis
vom 4. August 1972 angegeben. Der Entscheid wurde gemäss der bei den
Akten liegenden Auskunft des Postbüros Sitten 1 vom 30. März 1973 Herbert
Bregy, Erich Bregy und Meinrad Hischier am 4. August 1972 und Emil Bayard
am 10. August, 1972 zugestellt. Es verletzt daher Bundesrecht in keiner
Weise wenn der Staatsrat die erst am 8. September 1972 eingereichten
Beschwerden als verspätet betrachtet hat, zumal keine Gerichtsferien den
Fristenlauf hemmten. Die Beschwerdeführer vermögen nichts vorzubringen,
was dagegen spräche. Sie behaupten ohne jegliche Begründung, sie hätten
fristgerecht beim Staatsrat Beschwerde erhoben, was offensichtlich
unrichtig und geradezu mutwillig ist.

    Ist demnach der Staatsrat zu Recht auf die vier Beschwerden nicht
eingetreten, sind die Verwaltungsgerichtsbeschwerden des Herbert Bregy,
Erich Bregy, Meinrad Hischier und Emil Bayard abzuweisen, ohne dass auf
die Sache selbst eingetreten wird. Materiell zu prüfen sind hingegen die
Beschwerden der Marie Andenmatten und des Konrad Venetz.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 1 Bundesbeschluss über vorübergehende Massnahmen
zugunsten des Rebbaues vom 10. Oktober 1969 (BB), in Kraft seit dem
1. Januar 1970, ist die Neuanpflanzung von Reben ausserhalb der Rebbauzone
verboten. Dieses Verbot gilt nicht für Grundeigentümer und Pächter,
die noch keine Reben besitzen und die nicht mehr als 400 m2 anpflanzen,
um sie für den Eigenbedarf zu bearbeiten. Die in Missachtung dieser
Bestimmung gepflanzten Reben müssen vom Eigentümer des Grundstückes,
gegebenenfalls vom Pächter, entfernt werden (Art. 7 Abs. 1 BB).

    Die von Theophil Mathier angepflanzten Reben liegen
unbestrittenermassen ausserhalb der Rebbauzone. Die Anpflanzung erfolgte
unerlaubterweise. Die heutigen Eigentümer berufen sich auf Art. 1 Abs. 1
zweiter Satz BB. Es fragt sich, ob sie dies können, nachdem die Anpflanzung
entgegen dem gesetzlichen Verbot erfolgte.

    a) Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein allgemeines Anbauverbot
von Reben ausserhalb der Rebbauzone besteht (Art. 1 Abs. 1 erster Satz
BB). Dieses Verbot dient unmittelbar dem Schutz und der Förderung
des inländischen Rebbaus. Das Verbot erfährt eine Ausnahme, indem
Grundeigentümern und Pächtern, die noch keine Reben besitzen, gestattet
wird, ausserhalb der Rebbauzone, auf einer Fläche von höchstens 400 m2,
Reben anzupflanzen und für den Eigenbedarf zu bearbeiten.

    Stellt man diese Ausnahmebestimmung, die weder extensiv noch
restriktiv, sondern nach ihrem Sinn und Zweck im Rahmen des allgemeinen
Verbots auszulegen ist, in ihren gesetzlichen Zusammenhang, wird
ersichtlich, dass die Ausnahme nie dazu dienen darf, einen widerrechtlichen
Anbau von der Rodungspflicht (Art. 7 BB) auszunehmen bzw. die Umgehung
des Verbots zu ermöglichen. Eine widerrechtlich angepflanzte Rebfläche
wird daher, selbst wenn sie nachträglich aufgrund zivilrechtlicher
Vorkehren nur noch 400 m2 beträgt, von der Rodungspflicht nicht verschont
(Art. 7 BB). Auf dem Umweg der Parzellierung und der Veräusserung kann
eine ausserhalb der Rebbauzone widerrechtlich angepflanzte Rebfläche
der gesetzlichen Sanktion, der Rodung, nicht entzogen werden. Der Sinn
der Ausnahme liegt nämlich einzig darin, in der Landwirtschaft tätigen
Familien, Grundeigentümern oder Pächtern, die Möglichkeit einzuräumen,
eigenes, ausserhalb der Rebbauzone liegendes Land zum Zwecke der
Selbstversorgung im Rahmen des Eigenbedarfs mit Reben zu bepflanzen. Jedes
aussergewöhnliche Vorgehen, das diesen Rahmen sprengt, widerspricht
dem Zweck der Ausnahmebestimmung und verdient keinen Rechtsschutz; denn
einzig so verstanden ist die Ausnahmebestimmung durch die Behörden auch
praktisch anwendbar. Wird bei der Erteilung von Ausnahmebewilligungen
darüber hinausgegangen, sind klare Grenzen zum Anbauverbot nicht mehr zu
ziehen und seiner Umgehung Tür und Tor geöffnet.

    b) Die Akten erhellen, dass der Verkauf des hier in Frage stehenden
Rebareals, nach vorheriger Parzellierung in Grundstücke von je 400 m2, der
Umgehung des allgemeinen Anbauverbots bzw. der Rodungspflicht diente. Der
frühere Eigentümer, Theophil Mathier, hat mit allen Mitteln versucht,
sich der Rodungspflicht zu entziehen. Dies gelang ihm selbst dann nicht,
als er es mit der Verpachtung seiner Parzelle in Teilen von je 150
m2 bzw. 100 Rebstöcken versuchte. Schliesslich glaubte er offenbar,
einen Weg zu finden, indem er sein Grundstück in Parzellen zu je 400
m2 aufteilen liess und diese einzeln an Käufer veräusserte, die noch
keine Reben besassen. Damit ist jedoch die Pflicht, die widerrechtlich
angepflanzten Reben auszureuten, nicht entfallen. Nach Art. 7 BB trifft
diese Pflicht den Eigentümer schlechthin und kann nicht auf dem Umweg
über die Veräusserung oder Verpachtung des Grundstückes beseitigt werden.

    Die heutigen Eigentümer, Andenmatten und Venetz, können sich auch nicht
etwa auf ihren guten Glauben berufen. Dass sie von der widerrechtlichen
Anpflanzung der Reben durch Theophil Mathier nichts wussten, behaupten sie
nicht; es wäre auch völlig unglaubwürdig. Als nämlich Theophil Mathier
am 2. März 1966 aufgefordert wurde, die, nach früherem Recht schon,
rechtswidrig angepflanzten Reben auszureissen, unterbreitete er dem
kantonalen Departement des Innern elf Pachtverträge über die Verpachtung
von je 100 Rebstöcken an Personen, die keine Reben besitzen. Als Pächter
traten damals unter anderen die heutigen Eigentümer und Beschwerdeführer
Andenmatten und Venetz auf. Diese Pachtverträge wurden in der Folge von
der kantonalen Behörde als ungültig erklärt, weil sie der Umgehung des
Gesetzes dienten. Die Beschwerdeführer haben sich damals dagegen nicht
gewehrt. Sollte ihnen anderseits der Veräusserer, Theophil Mathier,
beim Verkauf der Grundstücke in Aussicht gestellt haben, dass durch die
Parzellierung und die Handänderung des Grundstückes die Rodungspflicht
(Art. 7 BB) dahinfallen und für die Käufer die Ausnahmesituation des Art. 1
Abs. 1 zweiter Satz BB vorliegen würde, betrifft dies die zivilrechtlichen
Beziehungen der Kaufvertragsparteien, nicht aber das vorliegende, vom
öffentlichen Recht beherrschte Verfahren.

    Hinzu kommt schliesslich, dass die Beschwerdeführer Andenmatten und
Venetz - abgesehen davon, dass sie Eigentümer eines Grundstückes sind,
das widerrechtlich mit Reben bepflanzt wurde, - die Voraussetzungen der
Ausnahmebestimmung des Art. 1 Abs. 1 zweiter Satz BB nicht erfüllen. Dies
nicht nur deshalb, weil sie die Reben nicht selber angepflanzt haben,
sondern weil sie bis anhin in keiner Weise nachgewiesen haben, dass sie
die Reben selbst und für den Eigenbedarf bearbeiten.

    c) Der angefochtene Entscheid verletzt mithin Bundesrecht nicht. Die
Beschwerden der Marie Andenmatten und des Konrad Venetz sind unbegründet
und daher abzuweisen.