Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IA 42



99 Ia 42

7. Urteil vom 6. April 1973 i.S. Hildebrand AG gegen Verkehrsverein Aadorf
und Regierungsrat des Kantons Thurgau. Regeste

    Verbot einer Reklametafel; rechtliches Gehör, Eigentumsgarantie,
Verfahren.

    1.  Die in Art. 87 OG vorgesehene Beschränkung gilt nicht für
Beschwerden, mit denen neben der Rüge der Verletzung von Art. 4 BV noch
selbständige andere Verfassungsrügen erhoben werden, auf die eingetreten
werden muss (Erw. 1).

    2.  Umfang des rechtlichen Gehörs im Verwaltungsverfahren (Erw. 3).

    3.  Gegenüber baupolizeilichen Beschränkungen des Grundeigentums kann
nicht Art. 31 BV angerufen werden (Erw. 4).

    4.  Verbot einer das Orts- und Landschaftsbild verunstaltenden
Reklametafel. Eigentumsgarantie; gesetzliche Grundlage, Interessenabwägung
(Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- Die Firma Hildebrand AG, welche Grossküchenanlagen herstellt
und vertreibt, brachte mit Einwilligung der zuständigen Ortsbehörde auf
ihrem in der Industriezone von Aadorf liegenden Fabrikgebäude eine auf
fünf Stangen stehende, 25 m x 4 m messende Reklametafel an. Der Abstand
zwischen dem unteren Tafelrand und dem Flachdach des viergeschossigen
Fabrikgebäudes beträgt rund 12 m, womit die Tafel das Dach etwa um
eine Gebäudehöhe überragt. Die Tafel ist von dunkler Farbe und enthält
beidseitig in weissen Lettern die Aufschrift "hildebrand"; sie wird nachts
aus einer Richtung mit Neonröhren angestrahlt.

    B.- Gegen die Bewilligung der Reklametafel durch die Ortsbehörde
führte der Verkehrsverein Aadorf beim Regierungsrat des Kantons Thurgau
Beschwerde, da diese Tafel mit den kommunalen Vorschriften über den
Schutz des Ortsbildes nicht vereinbar sei. Der Regierungsrat hiess die
Beschwerde am 20. Dezember 1972 gut, hob die erteilte Bewilligung auf
und wies die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die
Ortsbehörde Aadorf zurück. In den Erwägungen wurde u.a. ausgeführt, dass,
entsprechend den Empfehlungen des beigezogenen Experten, die Anbringung
der Tafel unmittelbar über dem Fabrikdach zulässig wäre.

    C.- Die Firma Hildebrand AG führt gegen den Entscheid des
Regierungsrates staatsrechtliche Beschwerde. Sie rügt eine Verletzung
der Rechtsgleichheit, der Eigentumsgarantie und der Handels- und
Gewerbefreiheit und verlangt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides.

    D.- Der Regierungsrat beantragt Abweisung der Beschwerde; im gleichen
Sinne äussert sich der Verkehrsverein Aadorf. Der Antrag der Ortsbehörde
Aadorf lautet demgegenüber auf Gutheissung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der angefochtene Entscheid des Regierungsrates, mit dem die
erteilte Bewilligung aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an
die Vorinstanz zurückgewiesen wurde, ist zwar letztinstanzlich, doch
handelt es sich nur um einen Zwischenentscheid, da er das Verfahren nicht
abschliesst. Ein Zwischenentscheid ist gemäss Art. 87 OG wegen Verletzung
von Art. 4 BV nur anfechtbar, wenn er für den Betroffenen einen nicht
wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat, welche Voraussetzung hier
nicht zutreffen dürfte. Doch ist dies ohne Belang. Nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtes gilt die in Art. 87 OG vorgesehene Einschränkung dann
nicht, wenn, wie hier, neben der Rüge der Verletzung von Art. 4 BV noch
selbständige andere Verfassungsrügen erhoben werden, auf die eingetreten
werden muss. In diesem Rahmen kann ein Verstoss gegen Art. 4 BV auch
gegenüber letztinstanzlichen Zwischenentscheiden geltend gemacht werden,
ohne dass die Gefahr eines nicht wiedergutzumachenden Nachteils dargetan
sein müsste (BGE 95 I 443 E. 1). Da die Beschwerdeführerin neben Art. 4
BV auch Art. 22 ter und 31 BV anruft, für welche die Einschränkung des
Art. 87 OG nicht gilt, und jedenfalls auf die Rüge der Verletzung von
Art. 22 ter BV materiell eingegangen werden muss, sind auch die auf Art. 4
BV gestützten Rügen zu prüfen.

Erwägung 2

    2.- Der Regierungsrat stützte seinen Entscheid auf die nachfolgenden
beiden Bestimmungen des Baureglementes der Ortsgemeinde Aadorf:

    "Art. 1 Geltungsbereich Die Bauordnung gilt für das ganze Gebiet
der Ortsgemeinde Aadorf. Sie betrifft den Neubau, Umbau und Unterhalt
aller Hoch- und Tiefbauten und bezweckt, die Anlage der Ortschaft den
Erfordernissen einer zweckmässigen und ansprechenden Ortsgestaltung,
der ökonomischen Verwendung öffentlicher Mittel und den Grundsätzen des
Heimatschutzes anzupassen."

    "Art. 2 Grundsätzliche Baupflichten

    Jede Baute ist nach den Regeln der Baukunde zu erstellen und zu
unterhalten. Sie hat der Sicherheit von Menschen, Haustieren und Sachen in
jeder Hinsicht zu genügen. Auch ist sie zu so gestalten und der Umgebung
anzupassen, dass sie weder durch ihre äussere Erscheinung noch durch die
Lage und Stellung das Strassen-, Orts- und Landschaftsbild verunstaltet."

Erwägung 3

    3.- Im kantonalen Beschwerdeverfahren wurde über die Frage, ob die
beanstandete Tafel mit den Grundsätzen des Heimatschutzes und dem Gebot
einer ansprechenden Gestaltung des Strassen-, Orts- und Landschaftsbildes
vereinbar sei, bei Architekt Th. Rimli, Aarau, ein Bericht eingeholt. Die
Beschwerdeführerin erhebt in diesem Zusammenhang verschiedene Einwände:

    a) Sie weist darauf hin, dass Architekt Rimli Obmann ad interim
der Heimatschutz-Sektion des Kantons Aargau sei, und macht geltend, es
verstosse gegen Art. 4 BV, eine dem Heimatschutz nahestehende Person mit
der Erstattung des Gutachtens zu beauftragen, da eine solche in Fragen des
Heimatschutzes befangen sei und in jedem Falle übersetzte Anforderungen
stelle. Dieser Einwand geht fehl. Über Fragen des Heimatschutzes
sind naturgemäss in erster Linie solche Personen anzuhören, die sich
damit schon befasst haben und aus praktischer Erfahrung wissen, welche
Eingriffe ein Ortsbild ohne erhebliche Beeinträchtigung erträgt und welche
Anforderungen im allgemeinen gestellt werden dürfen. Die Behauptung, dass
Mitglieder von Heimatschutzorganisationen zum vorneherein weit übertriebene
Ansprüche stellen, ist unhaltbar. Auch das Bundesgesetz über den Natur- und
Heimatschutz vom 1. Juli 1966 sieht in ähnlichen Fällen eine Begutachtung
durch die eidgenössische oder kantonale Heimatschutzkommission ausdrücklich
vor (Art. 7-9). Dadurch, dass das mit der Beschwerdeinstruktion betraute
Baudepartement einen in Fragen des Heimatschutzes erfahrenen Architekten
einen Bericht erstellen liess, wurden keine verfassungsmässigen Rechte
der Beschwerdeführerin verletzt.

    b) Der Bericht Architekt Rimlis wurde den Parteien vor Erlass
des angefochtenen Entscheides zur Stellungnahme zugestellt. Die
Beschwerdeführerin beanstandet, dass sie keine Gelegenheit gehabt habe,
sich vor der Bestellung des Gutachtens zur Person des Experten und zu den
gestellten Fragen zu äussern und am Augenschein des Experten, den dieser
am 6. April 1972 allein vorgenommen hatte, teilzunehmen.

    Der Umfang des Anspruches auf rechtliches Gehör bestimmt sich in erster
Linie nach den kantonalen Verfahrensvorschriften. Wo sich jedoch dieser
kantonale Rechtsschutz als ungenügend erweist, greifen die unmittelbar
aus Art. 4 BV folgenden, also bundesrechtlichen Verfahrensregeln zur
Sicherung des rechtlichen Gehörs Platz (BGE 98 Ia 6 E. 2a, 131 E. 2). Die
Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass das Vorgehen des Regierungsrates
irgendwelche kantonalen Verfahrensvorschriften verletze; es ist daher
einzig zu prüfen, ob unmittelbar aus Art. 4 BV folgende Regeln missachtet
wurden. Dabei ist zu beachten, dass dieser bundesrechtliche Gehörsanspruch
im Verwaltungsverfahren im allgemeinen nicht den gleichen Umfang hat
wie im Zivil- und Strafprozess (BGE 87 I 339; 96 I 187; 98 Ia 132 E. 3,
8 E. 2c; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 179 ff.). Das ergibt
sich schon aus der ungleichen Stellung der entscheidenden Behörde. Diese
hat im Verwaltungsverfahren regelmässig nicht bloss auf Grundlage von
Parteibehauptungen und im Rahmen gestellter Begehren über das zwischen
den Parteien streitige Recht zu befinden, sondern von Amtes wegen für die
richtige Anwendung des Gesetzes zu sorgen. Der Gehörsanspruch der Parteien
kann dementsprechend auf das Wesentliche beschränkt werden. Er umfasst im
Verwaltungsstreitverfahren u.a. das Recht, an förmlichen Beweiserhebungen
teilzunehmen und zum Beweisergebnis sowie zu allfällig eingeholten
Gutachten Stellung zu beziehen. Einen Anspruch auf Mitwirkung bei der
Instruktion eines Experten besitzen die Parteien hingegen nur dann, wenn
dies für die Festlegung des zu begutachtenden Sachverhaltes unerlässlich
ist (z.B. in Steuerstreitigkeiten, vgl. ASA Bd. 36 S. 491 ff.). Hievon
konnte im vorliegenden Fall nicht die Rede sein, da die beanstandete
Reklametafel bereits stand und es für die Beurteilung der Frage, wieweit
sie das Landschafts- und Ortsbild stört, keiner weiterer Erläuterungen der
Parteien mehr bedurfte. Die Behörde wusste selber, worauf es bei ihrem
Entscheid ankam, und war bei der Formulierung der Expertenfragen nicht
auf die Mitwirkung der Parteien angewiesen. Ebensowenig haben diese einen
unbedingten, unmittelbar aus der Verfassung fliessenden Anspruch darauf,
allfällige Ablehnungsgründe gegen den Experten schon vor dessen Ernennung
geltend machen zu können. Zwar ist eine rechtzeitige Anhörung der Parteien
unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie in der Regel wünschbar und
zweckmässig, doch ist dem bundesrechtlichen Gehörsanspruch Genüge getan,
wenn die Parteien vor Ergehen des Entscheides zum erstatteten Gutachten
Stellung nehmen können und dabei Gelegenheit haben, ihre Einwände gegen die
Person des Experten vorzubringen oder Ergänzungsfragen zu beantragen. Dass
die Beschwerdeführerin zum Augenschein des Experten nicht beigezogen wurde,
lässt sich ebenfalls nicht beanstanden. Dieser Augenschein bezweckte nicht
die Vornahme verbindlicher tatsächlicher Feststellungen und war kein
Akt der Beweiserhebung, der nur unter Teilnahme der Parteien erfolgen
dürfte. Da die Reklametafel bereits stand, konnten über den Sachverhalt
als solchen keine Zweifel mehr bestehen. Die Ortsbesichtigung durch den
Experten diente vielmehr der Abklärung der streitigen ästhetischen Fragen
und gehörte damit bereits zu seiner gutachterlichen Tätigkeit, die sich
ohne Mitwirkung der Parteien abzuwickeln hatte. Dass der Experte in der
Lage war, selber die richtigen Standorte auszusuchen, um den Einfluss der
Tafel auf das Bild der Umgebung beurteilen zu können, versteht sich von
selbst. Von einem Verstoss gegen Art. 4 BV könnte nur dann die Rede sein,
wenn der Experte bei seinem Augenschein von Vertretern der gegnerischen
Partei begleitet gewesen wäre. Ein derartiger Verstoss gegen das Gebot
der prozessualen Gleichbehandlung wurde jedoch nicht behauptet.

    c) Eine andere Frage ist, ob der Regierungsrat entscheiden durfte,
ohne selber an Ort und Stelle eine Augenscheinsverhandlung durchgeführt
zu haben. Die Beschwerdeführerin rügt, der Regierungsrat habe sich über
die Auswirkungen der beanstandeten Tafel kein eigenes Urteil gebildet,
sondern den Bericht des - nach Meinung der Beschwerdeführerin befangenen
- Experten zum Urteil erhoben. Dies sei umso weniger zulässig gewesen,
als das Gutachten nicht eine technische, sondern eine Ermessensfrage zum
Gegenstand gehabt habe, deren Beantwortung keine besonderen Fachkenntnisse
erfordere.

    Auch dieser Einwand dringt nicht durch. Wie in der Vernehmlassung
des Regierungsrates ausgeführt wird, hatten sämtliche Mitglieder
dieser Behörde im Laufe des Beschwerdeverfahrens Gelegenheit, die
Auswirkungen der Reklametafel aus eigener Sicht zu beurteilen. Unter
diesen Umständen konnte der Regierungsrat auf die Durchführung eines
offiziellen Augenscheins ohne Verletzung von Art. 4 BV verzichten. Der
Beschwerdeführerin hätte nur dann Gelegenheit gegeben werden müssen, ihren
Standpunkt der entscheidenden Behörde an Ort und Stelle zu erläutern,
wenn es um die Zulässigkeit einer erst geplanten Anlage gegangen wäre
und die Parteien durch genaue Angaben über Lage, Ausmass und Gestaltung
der Baute zur Abklärung des Sachverhaltes Wesentliches hätten beitragen
können. Im vorliegenden Fall waren jedoch die tatsächlichen Verhältnisse
bekannt. Streitig war einzig, wie die bereits bestehende Anlage im Hinblick
auf das Ortsbild zu würdigen war. Zur Beurteilung dieser Frage bedurfte
es keiner besonderen Augenscheinsverhandlung; ob die Reklametafel das
Ortsbild verunstaltet, konnten die einzelnen Mitglieder des Regierungsrates
auch auf Grund eigener privater Feststellungen entscheiden. Dass einem
blossen Gelegenheitsbetrachter wichtige Besonderheiten entgehen, wird in
der Beschwerde nicht behauptet.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführerin rügt, das Verbot, die Reklametafel
in der von ihr gewünschten Höhe aufzustellen, verletze die Handels-
und Gewerbefreiheit. Die Reklametafel habe nur einen Sinn, wenn sie
von der Staatsstrasse, der Einfahrt zur Autobahn und von der Bahnlinie
her gesehen werden könne. Durch die verlangte Herabsetzung der Tafel
werde die Beschwerdeführerin in ihrer Handels- und Gewerbefreiheit
unverhältnismässig beeinträchtigt.

    Diese Rüge ist unbehelflich. Art. 31 BV befreit den Grundeigentümer
nicht von der Beachtung der Bauvorschriften und räumt dem
Gewerbetreibenden in dieser Hinsicht keine Privilegien ein. Die
angefochtene Beschränkung verfolgt keinen wirtschaftspolitischen
Zweck und trifft die Beschwerdeführerin nur in ihrer Eigenschaft als
Grundeigentümerin. Ihre sachliche Zulässigkeit beurteilt sich daher einzig
nach den Grundsätzen der Eigentumsgarantie, was die Berücksichtigung
der besonderen Bedürfnisse gewerbetreibender Grundeigentümer immerhin
nicht ausschliesst, da auch baupolizeiliche Eingriffe dem Gebot der
Verhältnismässigkeit unterstehen. Was die Beschwerdeführerin in diesem
Zusammenhang vorbringt, ist einzig unter dem Gesichtswinkel des Art. 22
ter BV zu würdigen.

Erwägung 5

    5.- Der angefochtene Entscheid des Regierungsrates berührt die
Beschwerdeführerin unzweifelhaft in ihrer Eigentumsfreiheit. Sie macht
zunächst geltend, es fehle dem streitigen Eingriff an der gesetzlichen
Grundlage, und verweist auf Art. 18 Ziff. 6 des Aadorfer Baureglementes,
welcher die Erstellung von Firmenschildern nur insoweit einschränke,
als sie an Strassen stünden und den Verkehr gefährden könnten; für eine
Einschränkung auch ausserhalb des Strassenraumes bestünde keine gesetzliche
Handhabe. Dieser Einwand schlägt nicht durch. Da hier kein besonders
schwerer Eingriff in das Eigentum in Frage steht, prüft das Bundesgericht
die gesetzliche Grundlage nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür (BGE 98
Ia 392, 38 E. 2; 97 I 795 E. 3a), und davon, dass der Regierungsrat Art. 4
BV verletzte, wenn er die erwähnten allgemeinen Vorschriften in Art. 1
und 2 des Baureglementes auch auf Firmentafeln anwandte, kann nicht die
Rede sein. Seine Auslegung würde selbst einer freien Prüfung standhalten,
da der von der Beschwerdeführerin angerufene Art. 18 Ziff. 6 die Erstellung
von Firmentafeln nur unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit regelt
und die allgemeine Bestimmung des Art. 2 über die ästhetische Gestaltung
baulicher Anlagen selbstverständlich vorbehalten bleibt.

    Es kann sich einzig fragen, ob die Voraussetzungen für ein auf Art. 2
des Baureglementes gestütztes Verbot wirklich erfüllt sind und ob ein
solcher Eingriff mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit vereinbar
ist. Die Beschwerdeführerin macht geltend, von einem schützenswerten
Ortsbild könne in der Industriezone von Aadorf nicht gesprochen
werden. Diese Zone sei für Bauten bestimmt, die industriellen Zwecken
dienten und nicht nach ästhetischen Gesichtspunkten errichtet würden. Auch
Hochkamine, Silos und andere turmartige Bauten seien nicht "schön". Wenn
eine Gemeinde sich vor solchen Bauten schützen wolle, müsse sie eben auf
eine Industrialisierung ihres Gebietes verzichten. In einer Industriezone
könnten die Vorschriften über den Schutz des Ortsbildes nicht gelten. Auch
durch öffentliche Bauten werde das Ortsbild oft verunstaltet. Die
Beschwerdeführerin verweist dabei auf die Zuckerfabrik Frauenfeld,
die Tankanlagen in Hauptwil und das neue Kantonsspital Frauenfeld,
ferner auf Hochspannungsleitungen und Radio- und Fernsehsendetürme. Die
Annahme des Regierungsrates, dass eine Baute im Industriegebiet aus
keiner Richtung her auffallen dürfe, sei unhaltbar. Dasselbe gelte für
die Feststellung, dass die graphisch sehr ausgewogene Firmentafel der
Beschwerdeführerin verunstaltend wirke. In Wirklichkeit werde nicht
die Tafel, sondern die darauf angebrachte Inschrift beanstandet. Für
ein gleich hohes, irgendwelchen technischen Zwecken dienendes Gestell
würde die Bewilligung nicht verweigert. Dass Industriebauten möglichst
weithin sichtbare Beschriftungen mit Firmennamen oder Produktbezeichnung
enthielten, sei allgemein üblich, und es sei nicht einzusehen, weshalb
der Beschwerdeführerin die Erstellung einer solchen Reklametafel unter
Hinweis auf den Schutz des Ortsbildes verwehrt werden könnte.

    Dieser Argumentation ist nicht beizupflichten. Die Beschwerdeführerin
könnte sich auf die Tatsache, dass für bestimmte Bauten, insbesondere
Industriebauten, eine Beeinträchtigung des Ortsbildes oft gezwungenermassen
in Kauf genommen werden muss, nur dann berufen, wenn sie für die hier
in Frage stehende Anlage gleiche imperative Gründe geltend zu machen
vermöchte. Hochspannungsleitungen, Sendetürme, Silos, Tanks usw. sind
unvermeidbare Bestandteile der Landschaft eines Industrielandes. Es
wird dabei stets versucht, sie so anzulegen, dass der Eingriff in das
Landschafts- oder Ortsbild noch tragbar ist, und es ergeben sich daraus für
das Unternehmen, selbst wenn es öffentlich ist oder öffentliche Aufgaben
zu erfüllen hat, oft erhebliche Lasten. Von einem solchen Sachzwang kann
bei der Firmentafel der Beschwerdeführerin nicht die Rede sein. Es handelt
sich nur um eine von vielen möglichen Reklamevorkehren. Die beanstandete
Tafel mag der Beschwerdeführerin vielleicht einen geschäftlichen Vorteil
verschaffen, doch ist sie für eine erfolgreiche Führung des Betriebes
keineswegs unumgänglich. Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihren
Produkten nicht an das breite Publikum, und diesem gegenüber wäre die
Reklametafel auch ohne Aussagegehalt, da aus dem Firmennamen allein
keine Schlüsse auf die hergestellten Produkte gezogen werden können. Die
Tafel vermag also lediglich diejenigen, die zur Firma Hildebrand schon in
Geschäftsbeziehungen getreten sind oder von dieser Firma auf andere Weise
Kenntnis erhalten haben, an die Existenz der Firma zu erinnern bzw. auf
den Standort des Fabrikgebäudes aufmerksam zu machen. Das Interesse
der Beschwerdeführerin, dass diese Reklametafel von der Eisenbahn,
der Staatsstrasse und der Autobahneinfahrt her gesehen werden kann,
ist für sie zumindest nicht lebenswichtig; möglicherweise bringt ihr die
Tafel überhaupt keinen messbaren Vorteil. Andererseits führt die Anlage
in ihrer jetzigen Form zu einem Eingriff in die Landschaft, der selbst
nach dem für Industriebauten geltenden Massstab als aussergewöhnlich
erscheint. Das Baureglement von Aadorf beschränkt die Höhe der in der
Industriezone zugelassenen Bauten auf 16 m (Art. 9 Ziff. 3). Offenbar
sollten mit dieser Begrenzung allzustarke Eingriffe in das noch ländliche
Orts- und Landschaftsbild verhindert werden. Dieses Ziel würde vereitelt,
wenn es zulässig wäre, die maximale Bauhöhe durch Anbringung riesiger
Firmentafeln nach Belieben zu überschreiten. Es läge nahe, dass auch
andere Firmen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen und sich durch
Errichtung immer grösserer Tafeln gegenseitig zu überbieten versuchen
würden, was auch in einer Industrielandschaft untragbar wäre. Ob das
geltend gemachte öffentliche Interesse den streitigen Eingriff in das
Privateigentum zu rechtfertigen vermag, prüft das Bundesgericht auf
Anrufung der Eigentumsgarantie hin grundsätzlich frei; es übt aber
Zurückhaltung, soweit die Antwort von der Würdigung der örtlichen
Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen
und überblicken als das Bundesgericht (BGE 94 I 59, 135 f., 340 f.,
349 f.). Im vorliegenden Fall kann von einer unverhältnismässigen
Eigentumsbeschränkung nicht die Rede sein. Zwar ist die Reklametafel
der Beschwerdeführerin im Dorfkern von Aadorf nicht sichtbar; sie tritt
aber - wie dies ihrem Zweck entspricht und u.a. auch aus dem Bericht des
Experten und den bei den Akten befindlichen Photos hervorgeht - in der
weiteren Umgebung in aufdringlicher Weise in Erscheinung, so dass es ohne
weiteres einleuchtet, wenn der Regierungsrat hierin einen verunstaltenden
Eingriff in die Landschaft erblickt. Auch wenn es sich bei Aadorf um
eine Industriegemeinde handelt und das Orts- und Landschaftsbild nicht
besonders schützenswert sein mag, so braucht dieses derartigen Eingriffen
doch nicht schutzlos ausgeliefert zu werden. Da die Beschwerdeführerin
auf eine Reklametafel in der jetzigen Form nicht dringend angewiesen ist
und die verfügte Beschränkung sie in ihren Eigentumsrechten nur am Rande
trifft, geht das Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung des Orts-
und Landschaftsbildes eindeutig vor.