Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IA 188



99 Ia 188

22. Urteil vom 20. Juni 1973 i.S. Hans Zwicky gegen Grossen Rat des
Kantons Thurgau Regeste

    Art. 85 lit. a OG; kantonales Finanzreferendum.

    1.  Begriff der "einmaligen Gesamtausgabe" im Gegensatz zur "jährlich
wiederkehrenden Verwendung" (E. 2 a).

    2.  Anfechtungsobjekt und Fristbeginn bei Beschwerden wegen Verletzung
derReferendumspflicht, wenn eine einmalige Gesamtausgabe in mehrere
Teilausgaben zerlegt wird. Rechtliche Bedeutung von Budgetbeschlüssen
(E. 2 b).

    3.  Begriff der "neuen" Ausgabe. Die Aufwendungen für eine nach
wissenschaftlichen Prinzipien durchzuführende Arbeitsplatzbewertung für
das gesamte Staatspersonal stellen nach thurgauischem Verfassungsrecht eine
"neue" Ausgabe dar (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Nach § 4 Abs. 1 lit. d der thurgauischen Kantonsverfassung
(KV) unterliegen alle Grossratsbeschlüsse, welche eine neue einmalige
Gesamtausgabe von mehr als 400 000 Franken oder eine neue jährlich
wiederkehrende Verwendung von mehr als 40 000 Franken zur Folge haben,
dem fakultativen Referendum.

    Der Regierungsrat des Kantons Thurgau liess dem Grossen Rat
am 22. August 1972 eine "Botschaft über die Durchführung einer
Arbeitsplatzbewertung als Grundlage für die Besoldungsfestsetzung"
zugehen. Er führte darin aus, die thurgauische Besoldungsordnung
weise noch Züge aus der Zeit auf, da im Staatswesen kleinbetriebliche
Verhältnisse geherrscht hätten. Eine Lohnordnung, die den heutigen
Anforderungen (Klarheit, Begründbarkeit der Einreihungen, Flexibilität,
Marktkonformität) entspreche, lasse sich bei einer gewissen Grösse
des Unternehmens nur noch anhand einer systematischen Beurteilung der
Grundlagen erarbeiten. Zu diesem Zweck habe die Arbeitswissenschaft
analytische Verfahren entwickelt, die eine objektive Bewertung der
Arbeitsplätze garantierten. Im Hinblick auf die notwendige Revision des
Besoldungswesens dränge sich eine Arbeitsplatzbewertung (APB) auf. Vom
betriebswissenschaftlichen Institut der ETH (BWI) habe man deshalb einen
Vorbericht eingeholt. Der Regierungsrat legte sodann in seiner Botschaft
ausführlich dar, wie die Arbeitsplatzbewertung nach dem System des BWI
durchgeführt wird. Die Bewertung wird einen Zeitraum von etwa drei Jahren
in Anspruch nehmen. Sie wird von einem Stab durchgeführt, dem geschulte
Beamte der Staatsverwaltung, Experten des BWI und die Einreihungskommission
angehören. Projektleiter ist der Vorsteher des Personalamtes. Ihm sollen
für die Arbeitsplatzbewertung vier vollamtliche Sachbearbeiter beigegeben
werden. Das BWI wirkt als beratendes Fachorgan. Den finanziellen Aufwand
schätzte der Regierungsrat wie folgt ein:

    "Für die Mitarbeit des BWI ist (ohne Berücksichtigung der Teuerung)
mit einem Kostenaufwand - die Offerte datiert vom Oktober 1971 - von zu
rechnen 100-150 000 Fr.

    Die vier vollamtlichen Sachbearbeiter für die Dauer von drei Jahren
(für das AB-Projekt tätig) erfordern einen Aufwand an Besoldungen von
durchschnittlich 4 x 30 000 Fr. x 3 Jahre ca. 360 000 Fr.

    Miete der notwendigen Büroräumlichkeiten, Anschaffung von
Büroeinrichtungen ca. 30 000 Fr.

    Einsatz der Einreihungskommission, ca. 15-20 bezahlte Sitzungen für
17 Personen plus Präsident ca. 40 000 Fr.

    Schulungs- und Instruktionsaufwand ca. 20 000 Fr.

    Totalkosten ca. 550-600 000 Fr.">

    Am Schlusse seines Berichtes ersuchte der Regierungsrat den Grossen
Rat, der Durchführung der Arbeitsplatzbewertung zuzustimmen und hiefür
pro 1972 einen Nachtragskredit in Beratung zu ziehen.

    B.- Bereits im Voranschlag für das Jahr 1972 war unter der neu
geschaffenen Position "Arbeitsplatzbewertung" ein Betrag von Fr. 20 000.--
eingesetzt worden. In den Voranschlag für 1973 wurde ein Posten von Fr.
200 000.-- aufgenommen, wobei der Regierungsrat in seiner Budgetbotschaft
diese Ausgabe mit den laufenden und weiterhin entstehenden Kosten für
die Arbeitsplatzbewertung begründete. Diese Position wurde vom Grossen
Rat in der Budgetberatung am 14. Dezember 1972 genehmigt.

    In seiner Sitzung vom 15. Februar 1973 beschäftigte sich der Grosse
Rat mit der erwähnten Botschaft des Regierungsrates über die Durchführung
der APB. Ein Ratsmitglied warf in der Eintretensdebatte die Frage auf,
welche Bedeutung der beantragte Beschluss des Grossen Rates eigentlich
habe, ob damit der Kredit für die Durchführung der APB bewilligt werden
solle. Der Sprecher der Regierung stellte sich auf den Standpunkt,
die Ausgaben gehörten zur Besoldung des Staatspersonals und seien daher
gebunden. Nachdem Eintreten beschlossen worden war, vertrat das gleiche
Mitglied in einem weiteren Votum die Ansicht, es handle sich nicht um
gebundene Ausgaben. Ein anderes Ratsmitglied beantragte, die Sache an die
Kommission zurückzuweisen, damit sie prüfe, ob der Ausgabenbeschluss dem
fakultativen Referendum unterstehe. Der Sprecher der Regierung opponierte
dem Antrag und führte aus, mit dem Beschluss des Grossen Rates werde nur
der Regierung die Befugnis eingeräumt, die geplante Arbeitsplatzbewertung
in den nächsten drei Jahren durchzuführen. Die einzelnen Kredite hiefür
müssten dann jeweils bewilligt werden. Der Rückweisungsantrag wurde mit
grossem Mehr abgewiesen. Ein Ratsmitglied stellte hierauf den Antrag,
der Grosse Rat solle von der Durchführung einer Arbeitsplatzbewertung in
der kantonalen Verwaltung bloss Kenntnis nehmen. Diesem Vorschlag wurde
jedoch mit grosser Mehrheit der Kommissionsantrag vorgezogen, der dahin
lautete, es sei der Durchführung der APB zuzustimmen. Der erste Votant
stellte hierauf den Antrag, es sei beizufügen: "Dieser Beschluss untersteht
dem fakultativen Referendum gemäss § 4 lit. d der Kantonsverfassung." Ein
Ratsmitglied machte darauf aufmerksam, dass vom Betrag von Fr. 600 000.--
eine Tranche von Fr. 200 000.-- schon bewilligt sei, und fügte bei:
"Damit ist der Finanzierungsbeschluss bereits erfolgt, und man ist der
Meinung der Regierung gefolgt, dass das eine gebundene Ausgabe sei." Der
Beschwerdeführer, der dem Rat ebenfalls angehört, erklärte, seiner Meinung
nach hätte "heute" über den Gesamtkredit abgestimmt werden müssen, alles
andere sei falsch. Der Antrag, den Beschluss dem fakultativen Referendum
zu unterstellen, wurde mit 45 gegen 30 Stimmen abgelehnt, worauf der
Grosse Rat in der Schlussabstimmung dem bereinigten Beschlussesentwurf
der Kommission zustimmte.

    C.- Gegen diesen Beschluss des Grossen Rates vom 15.  Februar 1973
führt das Ratsmitglied Hans Zwicky staatsrechtliche Beschwerde. Er rügt
eine Verletzung von § 4 KV und stellt den Antrag, der angefochtene
Beschluss sei aufzuheben. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich,
soweit nötig, aus den folgenden Erwägungen.

    D.- Der Grosse Rat des Kantons Thurgau beantragt Abweisung der
Beschwerde. Da sich die Begründung des angefochtenen Beschlusses erst aus
der Beschwerdeantwort ergab, wurde dem Beschwerdeführer gemäss Art. 93
Abs. 2 OG Gelegenheit gegeben, die Beschwerde zu ergänzen, von welcher
Möglichkeit er Gebrauch machte.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die thurgauische Kantonsverfassung kennt das obligatorische und
das fakultative Finanzreferendum. Grossratsbeschlüsse, die eine neue
einmalige Gesamtausgabe von mehr als 800 000 Franken oder eine neue
jährlich wiederkehrende Verwendung von mehr als 80 000 Franken zur Folge
haben, unterliegen obligatorisch der Volksabstimmung (§ 4 Abs. 1 lit. c
KV). Werden diese Beträge nicht erreicht, aber die Summen von 400 000
bzw. 40 000 Franken überschritten, so unterliegt der Grossratsbeschluss der
Volksabstimmung, wenn 2000 Stimmberechtigte innert sechs Wochen seit der
Veröffentlichung des Beschlusses im Amtsblatt es verlangen (fakultatives
Referendum; § 4 Abs. 1 lit. d KV).

    Der Beschwerdeführer macht geltend, der Grosse Rat habe eine Ausgabe
beschlossen, welche dessen endgültige Finanzkompetenz übersteige; es sei
deshalb verfassungswidrig, dass der Beschluss nicht dem fakultativen
Referendum unterstellt worden sei. Der Beschwerdeführer rügt damit
sinngemäss eine Verletzung des politischen Stimmrechtes (Art. 85 lit. a
OG), wozu er als thurgauischer Stimmbürger unbekümmert um seine Stellung
als Mitglied des Grossen Rates ohne weiteres legitimiert ist (BGE 97
I 823).

Erwägung 2

    2.- Wie sich aus dem Protokoll der Verhandlungen des Grossen Rates
vom 15. Februar 1973 ergibt, bestand bei der Beratung der Vorlage
betreffend die APB über die Bedeutung des zu fassenden Beschlusses
Unklarheit. Der genehmigte Beschlussesentwurf hat folgenden Wortlaut:
"Der Durchführung einer Arbeitsplatzbewertung in der kantonalen
Verwaltung wird zugestimmt." Damit beschloss der Grosse Rat, dass die
Arbeitsplatzbewertung durchzuführen sei, und zwar in der Weise, wie
es der Regierungsrat in seiner Botschaft vorgeschlagen hatte. Dieser
Beschluss des Grossen Rates hat eine bestimmte Ausgabe zur Folge. Nach
der Botschaft des Regierungsrates wird die Durchführung der APB, die sich
über etwa drei Jahre hinziehen wird, 550 000 bis 600 000 Franken kosten.

    a) Auch wenn diese Summe nicht auf einmal, sondern während der
dreijährigen Ausführung des Unternehmens nach Massgabe der geleisteten
Arbeiten ausgegeben wird, so steht doch fest, dass es sich nicht um
eine "jährlich wiederkehrende Verwendung", sondern um eine "einmalige
Gesamtausgabe" handelt. Der zu gewährende Kredit dient einem Zweck, der in
einem bestimmten, absehbaren Zeitraum definitiv erreicht sein wird, und die
Höhe der ungefähren Gesamtkosten ist zum vornherein bekannt. Eine solche
Ausgabe bleibt ihrer Natur nach einmalig, auch wenn die nötigen Kredite
aufgeteilt werden oder wenn die Ausgabe nicht auf einmal erfolgt (LAUR, Das
Finanzreferendum im Kanton Zürich, Diss. Zürich 1966, S. 105107). In den
Beratungen des Grossen Rates war denn auch regelmässig von den genannten
Gesamtkosten der APB die Rede.

    b) Es bleibt zu prüfen, ob der angefochtene Grossratsbeschluss vom
15. Februar 1973 eine Ausgabe zur Folge hat, die den Betrag von 400 000
Franken übersteigt. Dass die vom Regierungsrat vorgeschlagene und vom
Grossen Rat beschlossene APB 550 000 bis 600 000 Franken kosten wird,
ist unbestritten. In den Voranschlag 1972 wurden dafür 20 000 Franken
und in den Voranschlag 1973 200 000 Franken aufgenommen. Werden diese
beiden Beträge von der Summe von 600 000 Franken abgezogen, so verbleibt
eine Ausgabe von 380 000 Franken, die der Grosse Rat an sich in eigener
Kompetenz endgültig beschliessen kann. Er stellt sich denn auch in
seiner Beschwerdeantwort auf den Standpunkt, am 15. Februar 1973 hätten
kreditmässig nur 380 000 Franken zur Entscheidung gestanden, weshalb kein
Anlass und keme Möglichkeit bestanden habe, den Beschluss dem fakultativen
Referendum zu unterstellen; wenn der Beschwerdeführer eine Verletzung des
Stimmrechtes hätte geltend machen wollen, hätte er gegen den Beschluss
vom 14. Dezember 1972, mit dem der Grosse Rat einen Betrag von 200 000
Franken in den Voranschlag 1973 einsetzte, staatsrechtliche Beschwerde
erheben müssen, da damit grundsätzlich die Finanzierung der geplanten und
in ihrer finanziellen Auswirkung damals bereits bekannten APB beschlossen
worden sei. Die erst gegen den Beschluss vom 15. Februar 1973 eingereichte
Beschwerde sei verspätet.

    Dieser Argumentation ist nicht beizupflichten. Der im Voranschlag
von 1972 enthaltene Posten von 20 000 Franken kann unberücksichtigt
bleiben. Zu prüfen ist, welche Bedeutung der Grossratsbeschluss vom
14. Dezember 1972 hatte, mit dem für die APB ein Ausgabeposten von 200 000
Franken in den Voranschlag 1973 aufgenommen wurde. Das Budget enthält in
erster Linie eine blosse übersichtliche Darstellung der Einnahmen und
Ausgaben, die für die massgebende Periode zu erwarten sind. So zählt
es denn auch diejenigen Ausgaben auf, die schon auf Grund von Gesetzen
oder andern vorausgegangenen Beschlüssen zu tätigen sein werden. Daneben
kann das Budget aber auch andere Elemente enthalten. Zwar wird in der
schweizerischen Finanzpraxis über eine Ausgabe von grösserer Bedeutung in
der Regel durch einen besonderen Beschluss entschieden. Doch wird mitunter
eine Ausgabe gleichzeitig mit dem Budget, d.h. ohne besondere Vorlage
beschlossen (BGE 95 I 535/36 mit Hinweis auf frühere Urteile und auf die
Rechtslehre). - Der Beschluss des Grossen Rates vom 14. Dezember 1972 war
indessen kein solcher Ausgabenbeschluss; es wurde vielmehr nur vorsorglich,
nämlich für den Fall der Annahme der APB-Vorlage, der Betrag von 200
000 Franken in das Budget eingesetzt. Als der Grosse Rat am 15. Februar
1973 das APB-Geschäft behandelte, war er frei, die Durchführung der
Arbeitsplatzbewertung zu beschliessen oder nicht. Hätte er die Vorlage
verworfen, so wäre die vorsorglich in das Budget 1973 aufgenommene
Ausgabe von 200 000 Franken dahingefallen. Erst mit dem am 15. Februar
1973 getroffenen Entscheid, die vom Regierungsrat vorgeschlagene APB
durchzuführen, wurde die Ausgabe für dieses Unternehmen beschlossen, und
zwar eine Ausgabe, die den Betrag von 400 000 Franken überstieg. Bevor sich
der Grosse Rat für die Durchführung der APB entschieden hatte, konnte die
hiefür erforderliche Ausgabe nicht schon beschlossen sein, und wenn der
Grosse Rat mit dem Budgetbeschluss vom 14. Dezember 1972 implizite auch
die Durchführung der APB beschlossen hätte, hätte er am 15. Februar 1973
nicht mehr über die Durchführung diskutieren und beschliessen müssen. Mit
Recht führt der Beschwerdeführer aus, die ganze am 15. Februar 1973 im
Grossen Rat geführte Debatte hätte gar keinen Sinn mehr gehabt, wenn man
mit dem Beschwerdegegner davon ausgehen wollte, der Entscheid über die
Durchführung der APB sei schon am 14. Dezember 1972 gefallen.

    Die staatsrechtliche Beschwerde wäre übrigens selbst dann nicht
verspätet, wenn der Grosse Rat bereits am 14. Dezember 1972 eine Ausgabe
für die APB beschlossen hätte. Es wäre gegebenenfalls nur ein Betrag von
200 000 Franken bewilligt worden, und ein solcher Beschluss ist nicht
wegen Verletzung der Referendumspflicht anfechtbar, da ihn der Grosse Rat
in eigener Kompetenz fassen kann. Erst als feststand, dass es nicht bei
dieser Ausgabe blieb, sondern mehr als 400 000 Franken ausgegeben wurden,
also im Anschluss an den Beschluss vom 15. Februar 1973, konnte der Bürger
wegen Verletzung des Stimmrechtes staatsrechtliche Beschwerde führen. Das
Beschwerderecht wäre nur dann verwirkt, wenn durch den unangefochten
gebliebenen Grossratsbeschluss vom 14. Dezember 1972 eine wiederkehrende
Verwendung bewilligt worden wäre, was hier - anders als in dem in BGE 95
I 534 ff. beurteilten, ebenfalls den Kanton Thurgau betreffenden Fall -
nicht zutrifft. Die Argumentation des Grossen Rates liefe darauf hinaus,
dass eine Gesamtausgabe von über 400 000 Franken in mehrere, diesen
Grenzbetrag nicht erreichende Teilkredite aufgeteilt und so dem Referendum
entzogen werden könnte, was mit dem Sinn von § 4 KV nicht vereinbar wäre.

Erwägung 3

    3.- a) Der Grosse Rat hat demnach am 15. Februar 1973 für die
Durchführung der APB eine einmalige Gesamtausgabe von über 400 000
Franken beschlossen. Nach § 4 Abs. 1 lit. d KV unterliegt der Beschluss
dem fakultativen Referendum, wenn die Ausgabe eine "neue" ist.>

    Ein bundesrechtlicher Begriff der "neuen Ausgabe" besteht
nicht. Was darunter zu verstehen ist, muss vielmehr durch Auslegung
des kantonalen Verfassungsrechts ermittelt werden. Dabei steht dem
Bundesgericht grundsätzlich freie Prüfung zu; in ausgesprochenen
Zweifelsfällen schliesst es sich jedoch der von der obersten kantonalen
Behörde vertretenen Auslegung an. Der verfassungspolitische Zweck
des Finanzreferendums besteht darin, dem Bürger bei Beschlüssen über
erhebliche Ausgaben, die ihn als Steuerzahler mittelbar treffen, ein
Mitspracherecht zu sichern. Dies gilt zunächst für Vorlagen, mit welchen
die Verwaltung zur Erfüllung von zusätzlichen, ausserhalb ihres bisherigen
Tätigkeitsbereichs liegenden Aufgaben einen Kredit begehrt. Das erwähnte
Mitspracherecht soll sodann auch in jenen Fällen gewährleistet bleiben, in
denen die verlangten Mittel dazu dienen sollen, die bisherige gesetzliche
Verwaltungstätigkeit zu ermöglichen, sofern sich in Bezug auf das Mass
und den Einsatzbereich der benötigten Mittel nach der Rechtslage und den
Umständen Wahlmöglichkeiten ergeben. Im Lichte dieser Zweckbestimmung
ist im konkreten Fall zu entscheiden, ob die fragliche Kreditvorlage eine
"neue" oder eine "gebundene" Ausgabe betrifft. "Gebunden" und "neu" sind in
diesem Zusammenhang korrespondierende und sich gegenseitig ausschliessende
Begriffe, die alle Ausgaben eines Gemeinwesens erfassen. Im Sinne des
Finanzreferendums ist daher jede Ausgabe, die nicht "gebunden" ist,
"neu" und umgekehrt. Nach den vom Bundesgericht aufgestellten allgemeinen
Grundsätzen gelten insbesondere jene Ausgaben als "gebunden", die durch
einen Rechtssatz prinzipiell und dem Umfang nach vorgeschrieben sind oder
die zur Erfüllung der gesetzlich geordneten Verwaltungsaufgaben unbedingt
erforderlich sind. Von einer gebundenen Ausgabe kann ferner dann gesprochen
werden, wenn anzunehmen ist, das Stimmvolk habe mit einem vorausgehenden
Grunderlass auch die aus ihm folgenden Aufwendungen gebilligt, falls
ein entsprechendes Bedürfnis voraussehbar war oder gleichgültig ist,
welche Sachmittel zur Erfüllung der vom Gemeinwesen mit dem Grunderlass
übernommenen Aufgabe gewählt werden. Dabei ist indessen vorausgesetzt,
dass es sich um gleiche oder gleichartige Mittel handelt; dies trifft
namentlich dann nicht zu, wenn hinsichtlich der Kosten und der sachlichen
Auswirkungen wesentliche Unterschiede bestehen (BGE 97 I 824/25).

    Der Grosse Rat macht in seiner Vernehmlassung geltend, es
sei ihm nach § 36 lit. b KV unter anderem die Pflicht übertragen,
öffentliche Beamtungen aufzustellen sowie die Besoldung der Beamten
festzusetzen. Für die Festsetzung der Besoldungen sei naturgemäss eine
Besoldungsordnung notwendig, welche ihrerseits auf einem System beruhen
müsse, das dem Postulat der Lohngerechtigkeit und der zutreffenden
Einstufung der einzelnen Beamtungen entspreche. Im Grundauftrag, die
Besoldungen festzusetzen, sei somit auch der Auftrag enthalten, das
ganze Besoldungssystem auf eine Grundlage zu stellen, die den erwähnten
Kriterien gerecht werde. Daraus folge, dass die Ausgabe für die APB nicht
neu, sondern gebunden sei.

    Dem ist nicht beizupflichten. Zwar trifft es zu, dass dem
Grossen Rat nach der Kantonsverfassung die Aufgabe übertragen ist,
die Besoldungen des Staatspersonals festzusetzen. Drängt es sich auf,
eine neue Besoldungsordnung zu schaffen, so sind gewisse Vorarbeiten
nötig und müssen dafür gewisse Mittel eingesetzt werden. Handelt es sich
um Mittel, die voraussehbar waren, als dem Grossen Rat die Befugnis zur
Festsetzung der Besoldungen übertragen wurde, oder ist es offensichtlich
gleichgültig, welche Mittel eingesetzt werden, so unterliegt der Beschluss
über die entsprechenden Ausgaben nicht dem fakultativen Referendum
(BGE 97 I 825, 93 I 627). Es ist in diesem Fall anzunehmen, mit dem dem
Grossen Rat erteilten "Grundauftrag", die Besoldungen festzusetzen,
habe der Stimmbürger auch die Ausgaben für die Mittel bewilligt, die
zur Schaffung einer Besoldungsordnung erforderlich sind. Für die hier
in Frage stehende Ausgabe treffen die genannten Voraussetzungen indessen
nicht zu. Als der thurgauische Stimmbürger vor mehr als 100 Jahren in §
36 lit. b KV dem Grossen Rat die Befugnis zur Festsetzung der Besoldungen
des Staatspersonals übertrug, rechnete er nicht damit, dass für die
Besoldungsordnung eines Tages eine immerhin recht kostspielige, auf
wissenschaftlicher Grundlage beruhende Arbeitsplatzbewertung notwendig
sein werde. Freilich ist davon auszugehen, das Volk habe damals die
Ausgaben für die Mittel gebilligt, die jeweils während der Geltungsdauer
der Verfassungsvorschrift für die Vorbereitung einer Besoldungsordnung
unerlässlich sind. Eine nach wissenschaftlichen Prinzipien durchgeführte
Arbeitsplatzbewertung mag als Grundlage für eine gerechte Neufestsetzung
der Besoldungen erwünscht und nach heutiger Anschauung durchaus angezeigt
sein. Man kann aber die Gehälter auch heute mit einfachern Methoden
und mehr empirisch festsetzen, etwa indem eine mit dem Personalwesen
vertraute Kommission mit geringem Kostenaufwand die einzelnen Stellen
in Gehaltsklassen einstuft. Die vom Regierungsrat vorgeschlagene und vom
Grossen Rat beschlossene, nach einem analytischen Verfahren durchzuführende
Arbeitsplatzbewertung mit einem Kostenaufwand von rund 600 000 Franken
ist demnach nicht unerlässlich, um die vorgesehene neue Besoldungsordnung
zu schaffen.

    b) Es ist, wie sich schon nach dem Gesagten ergibt, auch nicht
offensichtlich gleichgültig, welche Mittel für die Vorbereitung der
Besoldungsordnung eingesetzt werden. Das wäre der Fall, wenn für
die Vorbereitung der Gehaltsordnung nur gleiche oder gleichartige
Mittel in Frage kämen; es trifft hingegen nicht zu, wenn zwischen den
verschiedenen Mitteln, z.B. hinsichtlich der Kosten oder Auswirkungen,
wesentliche Unterschiede bestehen (BGE 97 I 825, 95 I 218/19, 93 I
627). Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass der Regierungsrat die
von ihm vorgeschlagene APB in seiner Botschaft selber als "möglichen Weg"
bezeichnet habe. Ob der Regierungsrat mit dieser Wendung zum Ausdruck
bringen wollte, die APB nach dem System des BWI sei eine von verschiedenen
Möglichkeiten der Vorbereitung einer Besoldungsordnung, oder ob er sagen
wollte, das Verfahren des BWI sei in der thurgauischen Staatsverwaltung
praktisch durchführbar, kann dahingestellt bleiben. Es steht jedenfalls
ausser Zweifel, dass man die Besoldungen auch neu festsetzen kann ohne eine
auf wissenschaftlicher Grundlage erarbeitete Arbeitsplatzbewertung. In
der Parlamentsdebatte wurden zwar dem Rat keine ausgearbeiteten andern
Lösungsvorschläge unterbreitet, doch wurde immerhin ausgeführt, das
Personalamt könnte ein modernes Besoldungsregulativ entwerfen und eine
aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammengesetzte Kommission den Entwurf
beraten, was "rascher, billiger und zweckmässiger" zum Ziele führen würde.

    Bei dieser Sachlage ist die vom Grossen Rat für die APB beschlossene
Ausgabe von 550 000 bis 600 000 Franken nicht als gebundene, sondern als
neue Gesamtausgabe zu betrachten, die gemäss § 4 Abs. 1 lit. d KV dem
fakultativen Referendum untersteht. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss des Grossen Rates
des Kantons Thurgau vom 15. Februar 1973 insoweit aufgehoben, als er
nicht dem fakultativen Referendum unterstellt wurde.