Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 99 IA 177



99 Ia 177

21. Auszug aus dem Urteil vom 26. April 1973 i.S. Müller gegen
Regierungsrat des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 85 lit. a OG; Kreditreferendum; Einheit der Materie.

    -  Beginn und Dauer der Beschwerdefrist, wenn die Formulierung einer
Abstimmungsfrage angefochten werden will (E.1).

    - Bundesrechtliche Anforderungen an die Einheit der Materie beim
Kreditreferendum; Bestätigung der Rechtsprechung (E.3).

    - Zulässigkeit der Verkoppelung der Kredite für U- und S-Bahn in der
zürcherischen Abstimmungsvorlage vom 20. Mai 1973 (E.4).

Sachverhalt

    A.- Die Stimmberechtigten des Kantons Zürich stimmten am 4.  Juni 1972
einer Änderung von Art. 26 der Staatsver fassung (KV) zu und nahmen
gleichzeitig ein Gesetz über den regionalen öffentlichen Verkehr an. Der
neue Art. 26 KV lautet: "Der Staat fördert den regionalen öffentlichen
Verkehr, insbesondere durch Gewährung von Beiträgen und Darlehen.

    Er kann bei der Bildung oder Umgestaltung von Verkehrsunternehmungen
und bei deren regionalem Zusammenschluss mitwirken und sich an ihnen
beteiligen.

    Er ermöglicht auf dem Wege der Gesetzgebung die Gründung regionaler
Verkehrsbetriebe als öffentlichrechtliche Unternehmungen mit eigener
Rechtspersönlichkeit. Der Kantonsrat ist ermächtigt, Gemeinden zur
Beteiligung an regionalen Verkehrsbetrieben zu verhalten."

    Gestützt auf diese neuen Rechtsgrundlagen beschloss der Kantonsrat
am 26. Februar 1973:

    I. Für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs in der Region Zürich wird
ein Gesamtkredit von 600 Millionen Franken,

    -  an die zu gründenden Verkehrsbetriebe der Region Zürich (VBRZ) als
Staatsbeitrag an den Bau der U-Bahnlinie Flughafen/Kloten-Zürich-Dietikon
und der Abzweigung nach Schwamendingen,

    - an die Schweizerischen Bundesbahnen als Staatsbeitrag an den Bau
der Schnellbahnlinie Zürich-Dübendorf/Dietikon (Zürichberglinie) mit
Ausbau der Zufahrtsstrecken,

    - als Beteiligung am Grundkapital der zu gründenden Verkehrsbetriebe
der Region Zürich bewilligt.

    II.  Die Bewilligung des Kredites erfolgt unter dem Vorbehalt,
dass der Bund und die Stadt Zürich die auf sie entfallenden Leistungen
ebenfalls erbringen.

    Der Kantonsrat wird ermächtigt, für die Weiterführung der
Vorbereitungsarbeiten Beträge von insgesamt höchstens Fr. 8'000,000 vor
der Zusicherung der Bundesleistungen freizugeben.

    III. Die Kreditsumme für die Baubeiträge erhöht oder ermässigt sich
entsprechend der Bauverteuerung oder -verbilligung zwischen der Aufstellung
des Kostenvoranschlages (Preisstand Oktober 1971) und der Bauausführung.

    IV. Dieser Beschluss ist der Volksabstimmung zu unterbreiten.

    V. Mitteilung an den Regierungsrat zum Vollzug."

    Der Regierungsrat setzte die Abstimmung auf den 20. Mai 1973 an. Der
Beschluss des Kantonsrates, über den die Tagespresse bereits berichtet
hatte, wurde zusammen mit dem Beleuchtenden Bericht des Regierungsrates
am 27. und 30. März 1973 im Amtsblatt des Kantons Zürich publiziert. Laut
Auskunft der Staatskanzlei wurde die Abstimmungsvorlage in jenem Stadtkreis
von Zürich, in dem der Beschwerdeführer wohnt, zwischen dem 4. und 6. April
1973 zugestellt.

    B.- Am 5. April 1973 reichte der in Zürich stimmberechtigte
Werner Müller staatsrechtliche Beschwerde ein mit dem sinngemässen
Antrag, der Beschluss des Kantonsrates sei insoweit aufzuheben,
als er die Staatsbeiträge an den Bau der U-Bahn einerseits und an
die S-Bahn anderseits in einer Vorlage vereinige. Der Beschluss des
Kantonsrates verletze den Grundsatz der Einheit der Materie, der ein
allgemeines Prinzip jeglicher demokratischen Rechtsetzung sei. Nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 90 I 69 ff) sei die Verkoppelung
zweier verschiedener Materien beim Finanzreferendum nur zulässig, wenn
entweder die zwei Vorlagen derart zusammenhingen, dass die eine ohne die
andere gar nicht möglich sei, oder wenn beide Vorlagen einen gemeinsamen
Zweck hätten, der sie objektiv betrachtet als eng zusammengehörend
erscheinen lasse. Keine der beiden Alternativen sei im vorliegenden Falle
gegeben. U-Bahn und S-Bahn seien zwei grundsätzlich verschiedene, in der
fachlichen und politischen Debatte geradezu kontroverse Bahnsysteme. Die
U-Bahn sei grundsätzlich Gemeindesache, die S-Bahn hingegen Teil des
SBB-Netzes. Die zu einer einzigen Vorlage vereinigten Kredite stünden
deshalb "föderalistisch gesehen" auf verschiedenen Rechtsetzungsstufen,
und auch die Träger und die Finanzierung der beiden Bahnsysteme seien
dementsprechend verschieden. Bei der U-Bahn und S-Bahn bestünden sodann
unterschiedliche Zielsetzungen und Interessenlagen. Innerhalb des gesamten
Verkehrsnetzes unterscheide man Feinverteiler (Tram/Bus), Mittelverteiler
(Dienst am Verkehr in der "engeren Region Zürich") und Grobverteiler
(Dienst am Verkehr zwischen der die Grosstadt umgebenden Region und der
Grosstadt selbst und am Verkehr innerhalb dieser weiteren Region). Die
U-Bahn sei ein Mittelverteiler, die S-Bahn ein Grobverteiler. Sie dienten
demnach verschiedenen Interessen, und die beiden Kredite seien nur deshalb
zusammengefasst worden, weil der Kantonsrat befürchte, bei Trennung der
Kredite könnte die unterschiedliche Interessenlage zur Verwerfung der
einen oder andern Vorlage führen. Während der Gemeinderat der Stadt Zürich
noch einzeln über die beiden Projekte debattiert habe, werde dies dem Volk
verwehrt. Gegebenenfalls müsste auch die - ausgeklammerte - Reorganisation
des Feinverteilers (Tram/Bus) in die Vorlage einbezogen werden, um von
einer Einheit der Materie sprechen zu können. In Wirklichkeit handle
es sich bei der beanstandeten Koppelung um einen abstimmungstaktischen
Schachzug, indem der U-Bahn-Kredit mit einem kleinen S-Bahn-Kredit
"garniert" worden sei. Es werde dadurch dem Stimmbürger verunmöglicht,
sich für oder gegen eines der beiden "konträren" Bahnsysteme auszusprechen.

    C.- Der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragt, es sei auf die
Beschwerde wegen Fristversäumnis nicht einzutreten, eventuell sei sie
abzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer rügt, dass in der Abstimmungsvorlage vom
20. Mai 1973 mehrere Kredite, die der Bürgerschaft getrennt vorgelegt
werden müssten, zu einem Gesamtkredit zusammengefasst worden seien. Er
erhebt damit eine Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG, wozu er als
stimmberechtigter Einwohner des Kantons Zürich legitimiert ist. Streitig
ist in formeller Hinsicht einzig, ob die Beschwerde rechtzeitig eingereicht
wurde. Der Regierungsrat macht unter Hinweis auf BGE 81 I 208 geltend,
dass die Frist zur Anfechtung des Kantonsratbeschlusses vom 26. Februar
1973, welcher die Zusammenfassung der verschiedenen Kredite vorsieht,
schon mit dessen Bekanntmachung in der Tagespresse, d.h. am 27. Februar
1973 zu laufen begonnen habe. Staatsrechtliche Beschwerden gegen die
Formulierung von Abstimmungsfragen müssten sofort und nicht erst nach der
amtlichen Publikation der Vorlage eingereicht werden, damit die Behörde
einen allfälligen Mangel noch vor der Abstimmung beheben könne und diese
nicht wiederholt zu werden brauche. Die vorliegende Beschwerde vom 6. April
1973 sei deshalb verspätet.

    Dem ist nicht beizupflichten. Gemäss Art. 89 Abs. 1 OG sind
staatsrechtliche Beschwerden binnen dreissig Tagen "von der nach dem
kantonalen Recht massgebenden Eröffnung oder Mitteilung des Erlasses oder
der Verfügung an gerechnet" dem Bundesgericht einzureichen. Massgebliche
Eröffnung war nach zürcherischem Recht die Publikation im Amtsblatt (vgl. §
59 Abs. 2 des Gesetzes über die Wahlen und Abstimmungen vom 4. Dezember
1955 sowie § 4 lit. a der Verordnung über das Amtsblatt des Kantons Zürich
vom 25. Juni 1959). Die dreissigtägige Beschwerdefrist des Art. 89 OG
begann dem nach erst mit der Publikation des Kantonsratsbeschlusses
im Amtsblatt (27. und 30. März 1973) zu laufen, womit sich die am
6. April 1973 der Post übergebene Beschwerde als rechtzeitig erweist.
Aus dem vom Regierungsrat erwähnten BGE 81 I 208 ergibt sich nichts
Gegenteiliges. In jenem Urteil wurde erklärt, dass mit einer Beschwerde
gegen die Formulierung der Abstimmungsfrage nicht bis zur Volksabstimmung
zugewartet werden dürfe, sondern dass "sofort" schon die vorangehende
amtliche Festsetzung der Abstimmungsfrage angefochten werden müsse, damit
der Mangel "womöglich" noch vor der Abstimmung behoben werden könne und
diese nicht wiederholt zu werden brauche. Ähnliche Ausführungen finden
sich in BGE 89 I 400. Wenn eine "sofortige" Einreichung der Beschwerde
verlangt wurde, so wollte damit bloss gesagt sein, dass nicht erst die
Volksabstimmung, sondern schon die vorher erfolgte amtliche Formulierung
der Abstimmungsfrage angefochten werden muss, wobei aber für Beginn und
Dauer des Fristenlaufes Art. 89 OG massgebend ist. Das kam bereits in
BGE 81 I 209 klar zum Ausdruck, indem dort ausgeführt wurde, dass eine
staatsrechtliche Beschwerde binnen dreissig Tagen seit der Publikation
der Vorlage im Amtsblatt einzureichen gewesen wäre. In BGE 90 I 72 wurde
sodann ausdrücklich erklärt, dass die Ansetzung eines kurzfristigen
Abstimmungstermins an der gesetzlichen Beschwerdefrist des Art. 89 OG
nichts zu ändern vermöge; eine staatsrechtliche Beschwerde sei selbst nach
Durchführung der Abstimmung noch rechtzeitig, wenn sie innert dreissig
Tagen seit der amtlichen Publikation der Vorlage eingereicht werde. An
dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Die vorliegende, nur wenige Tage
nach der Publikation im Amtsblatt eingereichte Beschwerde ist demnach
rechtzeitig, und sie kann auch noch vor der Abstimmung beurteilt werden.

Erwägung 3

    3.- a) Bei Beschwerden gemäss Art. 85 lit. a OG prüft das Bundesgericht
die Auslegung kantonaler Vorschriften, die den Umfang und Inhalt des Stimm-
und Wahlrechtes normieren oder mit diesem in einem engen Zusammenhang
stehen, grundsätzlich frei; soweit kantonales Verfassungsrecht in Frage
steht, schliesst es sich in ausgesprochenen Zweifelsfällen der von der
obersten kantonalen Behörde vertretenen Auslegung an. Das Bundesgericht
prüft sodann auch frei, welche Mindestanforderungen an die Wahl- und
Abstimmungsfreiheit sich aus dem Bundesrecht ergeben (BGE 98 Ia 205;
97 I 824, 663, 32 f; 96 I 61; 94 I 33, 531).

    b) Das Prinzip der Einheit der Materie ist im zürcherischen Recht
nur hinsichtlich der Volksinitiative ausdrücklich verankert. Nach §
4 Abs. 1 Ziff. 4 des Gesetzes über das Vorschlagsrecht des Volkes vom
1. Juni 1969 sind Initiativen ungültig, "die Begehren verschiedener
Art enthalten, die keinen inneren Zusammenhang aufweisen, es sei denn,
dass es sich um eine Initiative auf Gesamtrevision der Staatsverfassung
handelt". Was für die Volksinitiative gilt, braucht jedoch nicht ohne
weiteres auch beim Referendum zu gelten. Zwar ist richtig, dass sich die
Frage nach der Einheit der Materie bei allen Vorlagen stellt, die der
Volksabstimmung unterbreitet werden (BGE 97 I 673). Doch erfüllt das
Erfordernis der Einheit der Materie bei der Volksinitiative noch einen
besonderen Zweck. Wäre es nämlich zulässig, die verschiedensten Postulate
zum Gegenstand einer einzigen Initiative zu machen, so wäre die Sammlung
der vorgeschriebenen Zahl von Unterschriften übermässig erleichtert.
Die Vorschrift über die Einheit der Materie dient hier nicht nur dazu,
dem Stimmbürger die ihm zukommende Abstimmungsfreiheit zu gewährleisten
und eine unverfälschte Kundgebung des Volkswillens zu ermöglichen, sondern
sie soll darüber hinaus auch verhindern, dass das Volksinitiativrecht
missbräuchlich gehandhabt wird (GIACOMETTI, Staatsrecht der Kantone,
S. 424; FLEINER/GIACOMETTI, Bundesstaatsrecht, S. 731). Dementsprechend
deutete auch das Bundesgericht in seinem neuesten Entscheid 97 I 673
an, dass gegebenenfalls ein Unterschied zu machen ist, je nachdem,
ob die Abstimmungsfrage von der obersten Behörde des Kantons oder von
Initianten formuliert worden ist. Da das zürcherische Recht für den ersten
Fall keine positivrechtliche Regelung enthält und sich die Vorschrift
über die Formulierung von Volksinitiativen nach dem Gesagten nicht ohne
weiteres auch auf behördliche Vorlagen anwenden lässt, ist die Frage, ob
die hier angefochtene Zusammenfassung verschiedener Kredite zulässig war,
nach den allgemeinen Grundsätzen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
zu beurteilen.

    c) Die ältere Rechtsprechung war in den Anforderungen an die
Einheit der Materie zurückhaltend. In BGE 57 I 188 ff., welcher ein
Finanzreferendum in der Gemeinde Winterthur betraf, behandelte das
Bundesgericht das Problem als eine Frage der kantonalen Gesetzgebung und
erklärte, mangels positiver Vorschriften könne gegen die Vereinigung
mehrerer Gegenstände in einer Vorlage nur auf Grund des allgemeinen
Willkürverbotes eingeschritten werden; die Zusammenfassung mehrerer
Teilkredite zu einem Gesamtkredit sei erst dann zu beanstanden, wenn dies
"aller Vernunft widerspreche, sich ein haltbarer, vernünftiger Grund
nicht mehr geltend machen lasse". In BGE 90 I 72 ff. hingegen ging das
Bundesgericht einen wesentlichen Schritt weiter und erkannte, dass sich
der Grundsatz der Einheit der Materie schon aus dem Bundesrecht herleiten
lasse. Das bundesrechtlich gewährleistete politische Stimmrecht umfasse
auch die Stimmfreiheit, d.h. das Recht des Bürgers, seine Stimme geheim,
von aussen unbeeinflusst und gemäss seinem wirklichen Willen abzugeben. Der
Bürger habe demgemäss, wie schon in früheren Entscheiden festgestellt
(BGE 89 I 443, 75 I 245 mit weiteren Hinweisen), Anspruch darauf, dass
kein Wahl- oder Abstimmungsergebnis anerkannt werde, das den Willen der
Wählerschaft nicht zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringe. Auf
dem Gebiet des Finanzreferendums habe dies zur Folge, dass sich die
dem Bürger vorgelegte Frage nur auf einen Gegenstand beziehen dürfe,
es sei denn, dass mehrere Ausgaben sich gegenseitig bedingen oder aber
einem gemeinsamen Zweck dienen, der zwischen ihnen eine enge sachliche
Verbindung schafft. Zwar sei es grundsätzlich wünschbar, dass sich die
Bürger über jeden einzelnen Kredit gesondert äussern könnten, um ihnen
das Dilemma zu ersparen, sich mit einem einzigen Ja oder Nein über zwei
Objekte aussprechen zu müssen, von denen sie das eine befürworten und das
andere ablehnen. Die starre Handhabung dieses Grundsatzes widerspräche
aber häufig dem Allgemeininteresse. Unter gewissen Voraussetzungen
müssten deshalb die kantonalen Behörden die Möglichkeit haben, in einer
einzigen Abstimmungsfrage mehrere Kreditbegehren zusammenzufassen. Dies
sei nicht nur der Fall, wenn zwei Ausgaben derart voneinander abhingen,
dass die eine ohne die andere gar nicht erfolgen könne, sondern schon
dann, wenn sie einen gemeinsamen Zweck verfolgten, der sie objektiv
eng miteinander verbinde ("qui les réunit étroitement par un lien réel
et objectif"). Es könnten deshalb - so führte das Bundesgericht aus -
mehrere Kreditbegehren für Schulhausbauten oder für Strassenbauten oder
für Spitalbauten je zusammengefasst werden. Zwar führe auch dies zu
einer Beschränkung der Wahlfreiheit des Stimmbürgers, doch sei dies in
Kauf zu nehmen, da andernfalls Parlament und Regierung gehindert würden,
alle Teile des Kantons und alle Glieder der Bevölkerung in gleicher Weise
an der allgemeinen Wohlfahrt teilnehmen zu lassen. Dagegen sei es, wie
das Bundesgericht erkannte, unzulässig, Kredite für Schulhausbauten
und Spitalbauten nur aus abstimmungspolitischen Überlegungen in
einer einzigen Abstimmungsfrage zusammenzufassen; denn hier fehle der
gemeinsame Zweck. Das Bundesgericht hat in einem neuesten Entscheid
diese Rechtsprechung bestätigt (BGE 97 I 673; vgl. auch BGE 96 I 653),
und es besteht kein Anlass, davon abzuweichen. Auch der Beschwerdeführer
beantragt keine Praxisänderung. Er behauptet jedoch, dass bei der
streitigen Abstimmungsvorlage die erwähnten Erfordernisse für eine
Zusammenfassung der verschiedenen Kredite nicht gegeben seien. Diese
Frage ist im folgenden zu prüfen.

Erwägung 4

    4.- a) Der den Stimmbürgern des Kantons Zürich zur Abstimmung vom
20. Mai 1973 vorgelegte Gesamtkredit von 600 Mio Franken umfasst drei
Teilkredite:

    1.  Beitrag an den Bau der U-Bahn: 495 Mio Franken,

    2.  Beitrag an den Bau der Zürichberglinie der SBB (S-Bahn): 75
Mio Franken,

    3.  Beteiligung am Grundkapital der zu gründenden öffentlichrechtlichen
Unternehmung Verkehrsbetriebe der Region Zürich, die die U-Bahn bauen
und betreiben soll: 30 Mio Franken.

    Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass zwischen dem ersten und
dem dritten Kredit der erforderliche Zusammenhang gegeben ist. Er macht
hingegen geltend, dass der Kredit für den Beitrag an die Zürichberglinie
der SBB den Stimmberechtigten gesondert vorgelegt werden müsse. Es
gebe zahlreiche Stimmbürger, die bereit wären, einem Kredit für die
Zürichberglinie zuzustimmen, die aber das Kreditbegehren für die U-Bahn
verwerfen möchten. Durch die Verkoppelung werde ihnen die Möglichkeit
genommen, ihrem Willen richtig Ausdruck zu geben. In gleichem Sinne
äusserten sich zwei Kantonsräte (Protokoll des Kantonsrates vom 26. Februar
1973, S. 4136, 4145, 4163). Der Vertreter der Regierung, Regierungsrat
Künzi, bekämpfte jedoch den Antrag (Prot. S. 4161 und 4163), und der
Kommissionspräsident teilte mit, dass ein Trennungsantrag in der Kommission
mit 11: 2 Stimmen unterlegen sei (Prot. S. 4166). Der Kantonsrat beschloss
mit 129:5 Stimmen, auf die Vorlage einzutreten, und nahm sie in der Folge
als Ganzes unverändert mit 120: 5 Stimmen an.

    b) Der Beschwerdeführer versucht darzutun, dass U-Bahn und S-Bahn nicht
denselben Zweck verfolgen und dass deshalb zwischen den beiden Teilkrediten
der erforderliche objektive Zusammenhang nicht gegeben sei. Seine
Argumentation vermag jedoch nicht zu überzeugen. Wohl hat die U-Bahn nur
die engere Region Zürich (Durchmesser 20-30 km) zu bedienen, während
die S-Bahn eine Region von 60-80 km erschliessen soll; es trifft auch
zu, dass die beiden Bahnen verschiedene Träger haben und dementsprechend
verschieden finanziert werden. Die engere Region der Agglomeration Zürich
bildet jedoch einen Teil, ja das Zentrum der weiteren Region, und es lässt
sich nicht im Ernst bestreiten, dass die beiden Bahnprojekte planerisch
zusammengehören und sich in ihrer Funktion gegenseitig ergänzen. Sie
bilden Bestandteil eines umfassenden Transportplanes für die weitere
Region Zürich, welcher von einer sogenannten Behördendelegation, die
sich aus Vertretern der SBB, des Kantons und der beteiligten Gemeinden
zusammensetzte, in den Jahren 1967-1971 ausgearbeitet wurde. Dieser
Transportplan sieht die Erstellung noch weiterer U- und S-Bahnlinien
vor. Der jetzt zur Abstimmung gebrachte Kredit für die U-Bahnlinie
Kloten-Hauptbahnhof-Dietikon und die Zürichberglinie der SBB betrifft
jedoch die vordringlichsten Projekte des Gesamtplanes. Wieweit es
planerisch und verkehrstechnisch sinnvoll wäre, allenfalls auch nur
eine der beiden Bahnen zu bauen und auf die andere zu verzichten, kann
dahingestellt bleiben. Jedenfalls sind die beiden Bahnprojekte durch
ihren Zweck hinreichend miteinander verbunden, um ohne Verletzung des
bundesrechtlichen Grundsatzes der Einheit der Materie zum Gegenstand
einer einzigen Vorlage gemacht werden zu können. Wenn es zulässig ist,
verschiedene, voneinander unabhängige Schulhausprojekte miteinander zu
koppeln (so BGE 90 I 76), so muss es auch zulässig sein, die Kredite für
zwei sich funktionell ergänzende und aufeinander abgestimmte Bahnsysteme
derselben Region in einer einzigen Vorlage zu vereinigen.

    c) Die beiden Projekte sind nicht nur durch ihren Zweck, sondern auch
durch die Art ihrer Finanzierung miteinander verbunden. Diese beruht auf
dem Gedanken, dass die auf die öffentliche Hand entfallenden Gesamtkosten
vom Bund, vom Kanton und von den beteiligten Gemeinden zu je einem
Drittel übernommen werden sollen. Wie aus dem Beleuchtenden Bericht
des Regierungsrates hervorgeht, ist jedoch eine Mitfinanzierung der
U-Bahn durch den Bund nach der heutigen Gesetzgebung nicht möglich. Da
die Vorarbeiten für ein Bundesgesetz über die Subventionierung des
Agglomerationsverkehrs noch längere Zeit beanspruchen werden, und um
die Ausführung des baureifen U- und S-Bahnprojektes nicht übermässig
zu verzögern, wurde zur Finanzierung der beiden Bahnen der folgende Weg
gewählt: Von den totalen Kosten der Zürichberglinie mit Zulaufstrecken
von 819 Mio Franken übernimmt die SBB vorweg einen Interessenbeitrag
von 164 Mio Franken; an die verbleibenden Kosten der S-Bahn von 655 Mio
Franken gewährt der Bund sodann einen Beitrag von 570 Mio Franken, was
nach der heutigen Gesetzgebung zulässig ist und einem Drittel der von
der öffentlichen Hand zu tragenden Gesamtkosten beider Bahnen (1710 Mio
Franken) entspricht. Anderseits leisten Bund und SBB keinerlei Beiträge
an die U-Bahn. Dies führt zur Kostenverteilung, wie sie im Beleuchtenden
Bericht des Regierungsrates wiedergegeben ist:

    "a) in Mio Fr.
                        Bund         Kanton    Gemeinden    Total
      U-Bahn             --            495         560       1055
      Zürichberglinie   570             75          10        655
                        570            570         570       1710

    b) in Prozent
      U-Bahn             --            47.0        53.0      100
      Zürichberglinie    87            11.5         1.5      100"

    Der bei der Bürgerschaft des Kantons Zürich angeforderte Gesamtkredit
von 600 Mio Franken (570 Mio + 30 Mio Beitrag an das Grundkapital
der Verkehrsbetriebe der Region Zürich) setzt somit voraus, dass das
Gesamtprojekt mit der vorgesehenen Kostenverteilung verwirklicht werden
kann. Würden den Bürgern, wie dies der Beschwerdeführer verlangt, die
Kredite für U-Bahn und S-Bahn getrennt vorgelegt und z.B. der Kredit
für die U-Bahn verworfen, derjenige für die S-Bahn hingegen angenommen,
so bestünde keinerlei Gewähr, dass SBB und Bund die Zürichberglinie
gleichwohl im vorgesehenen Mass finanzieren würden; ihre Zusage beruhte ja
gerade auf der Voraussetzung, dass Kanton und Gemeinden allein auf eigene
Kosten die U-Bahn bauen, so dass mit der Verwerfung des U-Bahnprojektes
auch die Finanzierung der Zürichberglinie in Frage gestellt wäre. Die
vom Beschwerdeführer verlangte Wahlmöglichkeit des Stimmbürgers liesse
sich somit durch eine blosse Trennung der beiden Teilkredite gar nicht
erreichen. Es müssten vielmehr die gesamte Finanzierungsgrundlage geändert
und die Kreditbeträge neu festgelegt werden; eine gesonderte Abstimmung
über das S-Bahn-Projekt würde voraussetzen, dass die von Kanton und
Gemeinden hiefür zu erbringenden Beiträge, die nach der jetzigen Vorlage
nur 11,5 und 1,5% (bzw. 75 Mio und 10 Mio Franken) der Gesamtkosten der
S-Bahn umfassen, entweder auf den vollen Kostenbetrag erhöht werden oder
dass mit den Bundesbehörden über die Kostenverteilung eine neue Einigung
erzielt wird. Es müsste jedenfalls von Regierung und Parlament eine von
der jetzigen wesentlich verschiedene neue Vorlage ausgearbeitet werden,
wobei sich das Problem nicht nur finanziell, sondern auch planerisch
anders darbieten würde.

    d) Die vom Beschwerdeführer beanstandete Verbindung der Kredite für U-
und S-Bahn beruht demnach keineswegs auf blossen abstimmungspolitischen
Überlegungen, sondern sie drängte sich im Rahmen der vorgeschlagenen
Gesamtlösung zwingend auf. Ob die Lösung des Verkehrsproblems der Region
Zürich technisch oder finanziell auch anders erfolgen könnte, als es die
Vorlage vom 20. Mai 1973 vorsieht, und ob der Stimmbürger im Rahmen anderer
Lösungen eine grössere Entscheidungsfreiheit hätte, steht hier nicht in
Frage. Das Prinzip der Einheit der Materie gibt dem Bürger keinen Anspruch
darauf, dass ihm die Behörde jede mögliche Variante zur Entscheidung
vorlegt. Das wäre praktisch auch gar nicht durchführbar. Dem Bürger
wird beim Kreditreferendum nicht die Sachfrage als solche unterbreitet,
sondern er hat sich über ein von der Behörde bereits ausgearbeitetes
konkretes Projekt auszusprechen, und hiebei hat er Anspruch darauf,
dass eine einzige Kreditvorlage nicht sachlich völlig getrennte Dinge
umfasst. Was der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall anstrebt, ist
die Vorlage eines zusätzlichen Projektes, d.h. einer Alternativlösung,
die nur den Ausbau des S-Bahnsystems vorsieht. Ob ein solches Projekt
ebenfalls ausgearbeitet und zur Abstimmung gebracht werden soll, steht
im Ermessen der politischen Behörden. Aus dem Grundsatz der Einheit der
Materie lässt sich eine dahingehende Verpflichtung nicht ableiten; es
genügt, dass die jetzt zur Abstimmung gebrachte Kreditvorlage sachlich
eine Einheit bildet. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.