Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 V 213



97 V 213

52. Urteil vom 15. November 1971 i.S. Chramoy gegen Schweizerische
Ausgleichskasse und Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden Personen Regeste

    Art. 2 Abs. 2 AHVG, Art. 10 Abs. 1 und Art. 11 VFV: Beitritt zur
freiwilligen Versicherung. Keine Fristerstreckung für den sich verspätet
anmeldenden Auslandschweizer, wenn die schweizerische Auslandvertretung
es unterliess, ihn auf diese Institution aufmerksam zu machen.

Sachverhalt

    A.- Der in Bern heimatberechtigte Henri Chramoy verliess im Februar
1969 die Schweiz, um sich im März 1969 in Israel niederzulassen. Am 11.
Oktober 1970 reichte er das Gesuch um Aufnahme in die freiwillige AHV
für Auslandschweizer ein. Mit Verfügung vom 10. Dezember 1970 wies die
Schweizerische Ausgleichskasse sein Begehren ab, weil er sich nicht
innerhalb der Jahresfrist seit Wegfall der Voraussetzungen für die
obligatorische Versicherung für die freiwillige Versicherung angemeldet
habe.

    B.- Beschwerdeweise machte er geltend, es sei ihm bei seiner Anmeldung
von der Schweizerischen Botschaft in Tel Aviv im Juni 1969 nicht mitgeteilt
worden, dass er sich innerhalb eines Jahres um die Zugehörigkeit zur
freiwilligen Versicherung bewerben müsse.

    Die Rekurskommission für Personen im Ausland hat die Beschwerde mit
Entscheid vom 20. April 1971 abgewiesen.

    C.- Henri Chramoy lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben mit
dem Begehren, die Beitrittserklärung sei auf Grund von Art. 10 Abs. 3 und
Art. 11 der Verordnung über die freiwillige AHV und IV für Auslandschweizer
(VFV) als gültig zu erklären und der Beschwerdeführer sei rückwirkend
auf den Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der obligatorischen AHV in die
freiwillige Versicherung aufzunehmen. Die Begründung lässt sich wie folgt
zusammenfassen: Der angefochtene Entscheid sei bundesrechtswidrig und
unangemessen. Die VFV sehe in Art. 11 bei ausserordentlichen Verhältnissen
eine Fristverlängerung um ein Jahr vor. Derartige Verhältnisse seien hier
gegeben, weil dem Beschwerdeführer anlässlich seiner Anmeldung bei der
Schweizerischen Botschaft nicht wie üblich das Merkblatt über den Beitritt
zur freiwilligen Versicherung abgegeben worden sei. Aus diesem Grund
habe sich der Beschwerdeführer erst im Herbst 1970 für die freiwillige
AHV angemeldet. Der angefochtene Entscheid schaffe rechtsungleiche
Verhältnisse zu jenen Auslandschweizern, die jeweils das Merkblatt
erhalten. Die Abweisung der Anmeldung wäre für den Beschwerdeführer mit
grossen finanziellen Einbussen verbunden. Endlich sei zu berücksichtigen,
dass Henri Chramoy tadellos beleumdet und seinen Pflichten gegenüber der
Schweiz stets nachgekommen sei.

    Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung beantragen
die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 2 Abs. 1 AHVG können im Ausland niedergelassene
Schweizerbürger, die nicht gemäss Art. 1 AHVG obligatorisch versichert
sind, sich nach Massgabe des Gesetzes freiwillig versichern, sofern
sie das 40. Altersjahr noch nicht zurückgelegt haben. Schweizerbürger,
die aus der obligatorischen Versicherung ausscheiden, sind berechtigt,
die Versicherung ohne Rücksicht auf ihr Alter freiwillig weiterzuführen
(Art. 2 Abs. 2 AHVG). In den Art. 7-13 VFV hat der Bundesrat gestützt auf
Art. 2 Abs. 3 AHVG die Voraussetzungen für den Beitritt zur freiwilligen
Versicherung einlässlich normiert. Gemäss Art. 10 Abs. 1 VFV können
Auslandschweizer ohne Rücksicht auf ihr Alter nur innert Jahresfrist
seit Wegfall der Voraussetzungen für die obligatorische Versicherung
den Beitritt zur freiwilligen Versicherung erklären. Art. 11 VFV sieht
vor, dass die Ausgleichskassen bei ausserordentlichen Verhältnissen,
die nicht vom Auslandschweizer selbst zu vertreten sind, auf Gesuch hin
in Einzelfällen die Frist zur Abgabe der Beitrittserklärung um längstens
ein Jahr erstrecken dürfen.

Erwägung 2

    2.- Es ist unbestritten, dass die einjährige Frist des Art.  10 Abs. 1
VFV unbenützt verstrichen ist. Der Beschwerdeführer begründet diese
Unterlassung damit, dass die Schweizerische Botschaft in Tel Aviv es
unterlassen habe, durch Aushändigung des entsprechenden Merkblattes ihn
auf die freiwillige Versicherung aufmerksam zu machen. Darin erblickt
er ausserordentliche Verhältnisse im Sinn des Art. 11 VFV, weshalb die
Frist zur Einreichung der Beitrittserklärung zu erstrecken sei.

    In der Tat gehört die Orientierung der Auslandschweizer über die
Beitrittsmöglichkeiten und die Auswirkungen der freiwilligen Versicherung
zu den Befugnissen der schweizerischen Auslandvertretungen. Randziffer
4 der Wegleitung zur freiwilligen Versicherung der Auslandschweizer
empfiehlt diesen Amtsstellen, alle Auslandschweizer bei der Eintragung
in die Konsularmatrikel auf diese Möglichkeit aufmerksam zu machen. Eine
förmliche, durch Gesetz oder Verordnung auferlegte Pflicht dazu besteht
jedoch nicht. Unterbleibt die in der erwähnten Wegleitung empfohlene
Orientierung, so können darin keine ausserordentlichen Verhältnisse im
Sinn des Art. 11 VFV erblickt werden.

    Im vorliegenden Fall kommt noch folgendes hinzu: Der Beschwerdeführer
hat sich drei Monate nach Wohnsitznahme in Israel mit der Schweizerischen
Botschaft in Verbindung gesetzt. Es wäre ihm ohne weiteres möglich und auch
zuzumuten gewesen, innert der folgenden neun Monate, somit fristgerecht,
sich mit seinem Übertritt von der obligatorischen zur freiwilligen
Versicherung zu befassen. Dann wäre er ohne Zweifel von der zuständigen
Ausgleichskasse oder von der Schweizerischen Botschaft auf die einjährige
Verwirkungsfrist des Art. 10 VFV aufmerksam gemacht worden. Mangelndes
Wissen eines Versicherten um seine Rechte und Pflichten gehört an
sich nicht zu jenen ausserordentlichen Verhältnissen, die erlauben,
die Frist für den Beitritt zur freiwilligen Versicherung gemäss Art. 11
VFV zu verlängern (EVGE 1962 S. 99; nicht publiziertes Urteil vom 3.
Juli 1969 i.S. Schenk).

    Ausserordentliche Verhältnisse hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht bisher nur in zwei Fällen angenommen: einmal dort,
wo ein Auslandschweizer an der fristgerechten Beitrittserklärung durch
Umstände gehindert wurde, die von seinem Willen völlig unabhängig
waren. Es handelte sich um einen in russische Gefangenschaft geratenen
Auslandschweizer (EVGE 1955 S. 162). Desgleichen wurden ausserordentliche
Verhältnisse bejaht im Falle einer Auslandschweizerin, auf deren Frage, wo
sie das Beitrittsgesuch abgeben könne, erklärt wurde, sie möge sich nach
ihrer Rückkehr nach Australien beim zuständigen Schweizerischen Konsulat
melden. Inzwischen war die einjährige Frist verstrichen, obwohl sich
die Auslandschweizerin beim Schweizer Konsulat unverzüglich eingefunden
hatte (EVGE 1960 S. 186). - Diese Fälle illustrieren deutlich, welcher
Art die ausserordentlichen Verhältnisse sein müssen, um die einjährige
Fristerstreckung zu rechtfertigen.

    Mag es auch hart erscheinen, das Beitrittsgesuch des heutigen
Beschwerdeführers abzulehnen, so steht der angefochtene Entscheid doch
im Einklang mit dem Bundesrecht; auch kann er nicht als unangemessen
bezeichnet werden. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich
demzufolge als unbegründet.

Entscheid:

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.