Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 I 55



97 I 55

8. Auszug aus dem Urteil vom 3. Februar 1971 i.S. Investment Bank Zürich
gegen Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Regeste

    Art. 84 Abs. 1 lit. d OG (und 73 Abs. 2 lit. b VwG).  Begriff der
"Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit der
Behörden".

Sachverhalt

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin erklärt ausdrücklich, sie wolle mit
ihrer Beschwerde einzig die Frage vor das Bundesgericht bringen, ob
die zürcherischen Behörden zuständig seien, Entscheide von der Art des
angefochtenen (Entzug der Börsenagentenbewilligung) zu fällen.

    Die Unzuständigkeitseinrede ist dann begründet, wenn das Gericht,
dessen Urteil angefochten ist, bei seiner Entscheidung bundesrechtliche
Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen oder örtlichen
Zuständigkeit der Behörden verletzt hat, indem es sich für zuständig
erachtete, obwohl die Voraussetzungen für diese Zuständigkeit nach diesen
bundesrechtlichen Vorschriften nicht erfüllt sind. Die Beschwerde beruft
sich denn auch nicht nur auf Art. 84 Abs. 1 lit. a OG, sondern auch auf
Art. 84 Abs. 1 lit. d OG.

    Nach der letztgenannten Bestimmung kann wegen Verletzung
bundesrechtlicher Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen oder
örtlichen Zuständigkeit der Behörden beim Bundesgericht staatsrechtliche
Beschwerde erhoben werden. Aus Art. 73 Abs. 2 lit. b VwG (früher: Art. 125
Abs. 2 OG) ergibt sich, dass das Bundesgericht auch dann zur Entscheidung
berufen ist, wenn es um die Abgrenzung der sachlichen oder örtlichen
Zuständigkeit der Behörden auf dem Gebiete des Bundesverwaltungsrechtes
geht. Vorbehalten bleibt jedoch nach Art. 84 Abs. 2 OG in jedem Falle,
dass die Verletzung der Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen
oder örtlichen Zuständigkeit nicht mit einem andern Rechtsmittel beim
Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann (vgl. BGE
86 I 331).

    Als "bundesrechtliche Vorschriften" im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. d
OG gelten nicht nur die Rechtssätze des Bundes, die sich ausdrücklich
mit der Abgrenzung der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit
der Behörden befassen, sondern auch die Zuständigkeitsregeln, die
sich sinngemäss aus einer einzelnen Norm oder aus der Gesamtheit
einer bundesrechtlichen Ordnung ergeben (BIRCHMEIER, Handbuch S. 326
Ziff. 5 a). Dieser Ausdehnung steht eine Einschränkung gegenüber: Beim
Erlass des Art. 84 Abs. 1 lit. d OG war der Gesetzgeber sich bewusst,
dass insbesondere bei Verwaltungsentscheidungen "in der Regel sogar
die materielle Frage, ob die Verfügung richtig sei, als eine Frage
der sachlichen Zuständigkeit konstruiert" werden kann (Botschaft
des Bundesrates, BBl 1943 S. 138). Der Gesetzgeber wollte indessen
vermeiden, dass Art. 84 Abs. 1 lit. d OG zu einer Generalklausel werde,
durch die fast jede kantonale Verwaltungsentscheidung, die angeblich
bundesrechtliche Bestimmungen verletzt, beim Bundesgericht angefochten
werden könnte. Er fügte zu diesem Behufe das Wort "Abgrenzung" ein,
das die Tragweite der nachfolgenden Wortgruppe "sachliche oder örtliche
Zuständigkeit der Behörden" verdeutlicht (Botschaft des Bundesrates,
aaO; BGE 77 I 67). Eine derartige "Abgrenzung" liegt nur vor, wenn das
Gesetz einen kompetenzbegründenden Teiltatbestand (z.B. Anfechtungsobjekt,
Streitwert, Ort der gelegenen Sache oder der begangenen Tat) ausgeschieden
hat, von dem die Zuständigkeit einer Behörde abhängig ist, so dass im
Einzelfall über die Kompetenz dieser Behörde entschieden werden kann,
ohne dass vorfrageweise die materielle Streitfrage beurteilt werden muss
(Meinungsaustausch i.S. Scherer und Wildisen, Stellungnahme des Bundesrates
vom 28. Oktober 1966).