Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 I 438



97 I 438

59. Urteil vom 11. Juni 1971 i.S. X. GmbH gegen Eidg. Steuerverwaltung.
Regeste

    Emissionsabgabe auf Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung
(BG über Ergänzung und Abänderung der eidgenössischen Stempelgesetzgebung,
vom 24. Juni 1937).

    Besteuerung zusätzlicher, nicht auf das Stammkapital angerechneter
Leistungen der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen. Anwendungsfall:
Einbringung einer unterbewerteten Beteiligung an einer anderen
Gesellschaft. Bestätigung der Rechtsprechung (Erw. 2).

    Verrechnungssteuer auf dem Ertrag der Anteile an Gesellschaften mit
beschränkter Haftung (BG über die Verrechnungssteuer vom 13. Oktober 1965
und Vollziehungsverordnung vom 19. Dezember 1966).

    Ist die Rückerstattung der nicht auf das Stammkapital angerechneten
Einlagen der Gesellschafter - entgegen einer wörtlichen Auslegung der
Verordnung - von der Verrechnungssteuer befreit? Einschränkung der
Rechtsprechung (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Die im Dezember 1964 gegründete X. GmbH mit Sitz in der Schweiz
bezweckt u.a. den Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen an anderen
Unternehmen. Ihr Stammkapital beträgt Fr. 50'000.--. Vom Februar 1965
an bestand eine einzige Stammeinlage. Sie wurde von der in der Schweiz
domizilierten Gesellschaft Y. treuhänderisch für N. gehalten, der in der
Bundesrepublik Deutschland wohnt. Im Dezember 1966 wurde sie auf eine
weitere Gesellschaft mit Sitz in der Schweiz übertragen.

    N. und seine Ehefrau waren Gesellschafter der in der Bundesrepublik
Deutschland domizilierten Z. GmbH. Diese erhöhte am 25. November 1964 ihr
Stammkapital von DM 20'000.-- auf DM 300'000.--. Der neue Stammanteil von
DM 280'000.-- sollte unter Ausschluss des Bezugsrechts der bisherigen
Gesellschafter an einen von N. zu bezeichnenden Dritten zum Nennwert
abgegeben werden. Gemäss Beschluss der Z. GmbH vom 15. März 1965 übernahm
indessen Frau N. davon DM 56'000.--, während der Rest von DM 224'000.--
der X. GmbH zum Nennwert überlassen wurde.

    B.- Die Eidg. Steuerverwaltung (EStV) schätzte den Verkehrswert dieser
von der X. GmbH übernommenen Stammeinlage auf DM 1'320,000.--. Sie nahm
an, N. habe der X. GmbH im Betrage der Differenz von DM 1'096,000.-- (=
Fr. 1'180,000.--) zwischen diesem Wert und dem Nennwert einen Nachschuss
geleistet, für den nach dem BG vom 24. Juni 1937 über Ergänzung
und Abänderung der eidgenössischen Stempelgesetzgebung (ErgStG) die
Emissionsabgabe zu entrichten sei. Die X. GmbH erklärte sich zur Bezahlung
der Emissionsabgabe bereit unter der Bedingung, dass sie den Mehrwert
später verrechnungssteuerfrei wieder ausschütten könne. Die EStV verlangte
mit Entscheid vom 5. September 1969 die Emissionsabgabe in der Höhe von Fr.
23'600.--; im gleichen Entscheid stellte sie im Verfahren nach Art. 41
lit. b des BG vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer (VStG)
fest, dass die allfällige Rückleistung des Nachschusses an Gesellschafter
der X. GmbH oder an ihnen nahestehende Dritte der Verrechnungssteuer
unterläge. Sie wies die Einsprache der X. GmbH am 22. September 1970
ab. Der Begründung des Einspracheentscheids ist zu entnehmen:

    N. habe der X. GmbH durch Zuwendung eines unterbewerteten Sachwerts
eine Leistung erbracht, die nach Art. 1 Abs. 1 lit. b und Art. 2 Abs. 2
lit. b ErgStG mit der Emissionsabgabe zu erfassen sei, und zwar ohne
Rücksicht darauf, dass eine spätere Rückleistung der Einlage mit der
Verrechnungssteuer belastet würde.

    In der Tat wäre eine solche Rückleistung nach Art. 4 Abs. 1 lit. b VStG
in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 der zugehörigen Vollziehungsverordnung
vom 19. Dezember 1966 (VStV) Gegenstand der Verrechnungssteuer auf dem
Ertrag beweglichen Kapitalvermögens, da sie nicht eine Rückzahlung von
Anteilen am Stammkapital der X. GmbH darstellen würde. Das VStG verwende
- in vereinfachter Fassung - den gleichen Ertragsbegriff wie der BRB
über die Verrechnungssteuer vom 1. September 1943. Die Umschreibung des
Begriffs in Art. 20 Abs. 1 VStV halte sich im Rahmen des Gesetzes. Die
abweichende Auffassung der Einsprecherin sei nicht vereinbar mit dem
hauptsächlichen Zweck der Verrechnungssteuer, die Hinterziehung der
direkten kantonalen Steuern auf beweglichem Kapitalvermögen und seinem
Ertrag einzudämmen. Die Rückzahlung von Nachschüssen der in Frage stehenden
Art werde in den Kantonen in der Regel als steuerbares Einkommen des
Gesellschafters erfasst. Sie unterliege dementsprechend auch nach wie
vor der Verrechnungssteuer. Der Gesellschafter, der ein Agio oder einen
anderen Kapitalnachschuss à fonds perdu leiste, erwerbe der Gesellschaft
gegenüber nicht eine Forderung, sondern äufne ihre Reserve, so dass er
durch die Rückleistung sachlich einen Gewinnanteil erhalte.

    Würde der Auffassung der Einsprecherin gefolgt, so wäre die
rechtsgleiche Durchführung der Verrechnungssteuer auf Beteiligungserträgen
in Frage gestellt. Es müsste bei der Steuererhebung stets abgeklärt werden,
ob die Leistung der Gesellschaft aus Mitteln herrühre, die früher einmal
vom Gesellschafter eingebracht worden seien. Daraus ergäben sich ungeahnte
Umtriebe für die Steuerverwaltung, die steuerpflichtigen Gesellschaften
und die Couponzahlstellen. Auch die Rückerstattung der Steuer wäre mit
grossen Umtrieben verbunden. Das zeigten die Erfahrungen, die vor dem
Inkrafttreten des VStG hinsichtlich der Anlagefonds gemacht worden seien;
die frühere Ordnung, wonach sich die Besteuerung der Ausschüttungen an die
Anleger nach der Herkunft der Mittel gerichtet habe, sei zu kompliziert
gewesen und deshalb aufgegeben worden.

    C.- Die X. GmbH führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen:

    "1. Der Einspracheentscheid der EStV vom 22. September 1970 sei
aufzuheben.

    2. Es sei gemäss Art. 41 lit. b VStG festzustellen, dass diejenigen
Werte, die bereits als Kapitaleinbringung im Sinne von Art. 1 Abs. 1
lit. b ErgStG qualifiziert wurden, später nicht mehr als Ertrag im Sinne
von Art. 4 Abs. 1 lit. b VStG qualifiziert werden können.

    3. Es sei gemäss Art. 41 lit. b VStG festzustellen, dass die
Einsprecherin ohne stempel- oder verrechnungssteuerrechtliche Folgen
die Möglichkeit hat, den Buchwert der Beteiligungen auf den von der
EStV (gemäss Abgabeentscheid) für richtig gehaltenen Wert zu erhöhen
und den Gegenwert einem speziellen Agiokonto gutzuschreiben, aus dem
verrechnungssteuerfreie Kapitalrückzahlungen vorgenommen werden können."

    Die Beschwerdeführerin macht geltend, es sei nicht sicher, dass
der von ihr übernommene Anteil am Stammkapital der Z. GmbH den von der
EStV geschätzten Verkehrswert gehabt habe. Es könne auch nicht ohne
weiteres angenommen werden, dass N., wenn ihm diese Bewertung bekannt
gewesen wäre, darauf verzichtet hätte, sich die Differenz zwischen
dem Anrechnungswert und dem Verkehrswert als Darlehen gutschreiben zu
lassen. Die Emissionsabgabe wäre aber auch dann nicht geschuldet, wenn
er wirklich freiwillig einen verdeckten Kapitalnachschuss geleistet
hätte. Unter die Stempelsteuerpflicht fielen nach Gesetz nur offene,
nicht auch verdeckte Kapitaleinbringungen.

    Wie das Bundesgericht in BGE 94 I 160 ff. festgestellt habe,
sei es mit dem in Art. 4 Abs. 1 VStG verwendeten Ertragsbegriff
nicht vereinbar, irgendwelche von den Gesellschaftern als Kapital
in die Gesellschaft eingebrachte Werte bei der Rückleistung der
Verrechnungssteuer zu unterwerfen. Die Rückleistung sei notwendigerweise
eine verrechnungssteuerfreie Kapitalrückzahlung. "Ertrag der
Gesellschaft und damit auch des Gesellschaftsanteils kann nur sein,
was die Gesellschaft über die Kapitaleinbringung hinaus erworben und an
die Gesellschafter ausgeschüttet hat." Es könne nicht darauf ankommen,
ob die Kapitaleinbringung zu einer Erhöhung des Grund- oder Stammkapitals
geführt habe oder nicht, zumal - nach der Praxis - in beiden Fällen die
Emissionsabgabe erhoben werde.

    Die von der EStV befürchteten Umtriebe entständen nicht, wenn die
steuerpflichtige Gesellschaft in der Bilanz - mindestens für Steuerzwecke
- zwischen Kapitalreserven und Ertragsreserven unterscheide. Die EStV
wende die gleiche Unterscheidung seit langem bei der Besteuerung von
Gratisaktien amerikanischer Unternehmen an. Die Beschwerdeführerin
würde den nach der Auffassung der EStV empfangenen Nachschuss einem
besonderen Kapitalreserve- oder Agiokonto und das später dazu Erworbene
den Ertragsreserven gutschreiben. Rückflüsse, die der Kapitalreserve
belastet würden, wären verrechnungssteuerfrei.

    D.- Die EStV beantragt Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Prozessuales.)

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 1 Abs. 1 ErgStG sind Gegenstand der Emissionsabgabe der
Gesellschaften mit beschränkter Haftung nicht nur die Gesellschaftsanteile
(lit. a), sondern auch die "Urkunden über die Zahlung, Gutschrift oder
Verrechnung von zusätzlichen, statutarisch vorgeschriebenen oder freiwillig
erbrachten Leistungen der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen, die
nicht zu einer Erhöhung des Stammkapitals führen" (lit. b). Die in Abs. 1
lit. b am Ende und in Abs. 2 vorgesehenen Ausnahmen (Nachschüsse gemäss
Art. 803 OR und Beteiligungen an gemeinnützigen Gesellschaften) kommen
hier nicht in Betracht. Der Steuerpflicht nach Abs. 1 lit. b unterliegen
nicht nur Geldleistungen, sondern auch Zuwendungen von Sachwerten -
z.B. von Gesellschaftsanteilen -, wenn dafür ein beträchtlich unter dem
wirklichen Wert des Eingebrachten liegender Preis angerechnet worden
ist und die damit bewirkte Begünstigung der empfangenden Gesellschaft
für die handelnden Personen erkennbar war (BGE 94 I 155 ff.). Die Abgabe
für die unter Art. 1 Abs. 1 lit. b fallenden Leistungen wird nach Art. 2
Abs. 2 lit. b vom einbezahlten, gutgeschriebenen oder verrechneten Betrage
berechnet; wenn es sich um unterbewertete Sacheinlagen handelt, ist die
Differenz zwischen dem Verkehrswert und dem Übernahmepreis massgebend
(BGE aaO).

    Die Beschwerdeführerin hat im Jahre 1965 einen Anteil von DM 224'000.--
am neuen Stammkapital der Z. GmbH, der wesentlich mehr wert war, zu pari
übernommen, ohne ihr eigenes Stammkapital zu erhöhen. Die EStV hat den
wirklichen Wert dieses Gesellschaftsanteils, mangels eines Marktes dafür,
unter Berücksichtigung des Substanz- und des Ertragswertes der Z.

    GmbH geschätzt. Wie es scheint, hält die Beschwerdeführerin den so
ermittelten Wert des übernommenen Anteils (DM 1'320,000.--) für übersetzt,
doch bringt sie keine triftigen Gründe dafür vor. Die Schätzung, die nach
der üblichen Methode vorgenommen worden ist (vgl. BGE 94 I 157 E. 2), darf
als zuverlässig betrachtet werden; ihr Ergebnis kann dem Urteil zugrunde
gelegt werden. Nach Abzug des von der Beschwerdeführerin für den Erwerb
des Gesellschaftsanteils aufgewendeten Betrages, d.h. des Nennwerts von
DM 224'000.--, ergibt sich ein Mehrwert von DM 1'096,000.-- oder rund Fr.
1'180,000.--, für den sie keine Gegenleistung erbracht hat.

    Zur Zeit, da die Beschwerdeführerin den Anteil übernommen hat, war
N. der tatsächliche Inhaber der einzigen Einlage, aus der ihr Stammkapital
damals bestand. Zwar gehörte diese Stammeinlage formell der Gesellschaft
Y., wurde aber von ihr treuhänderisch für N. gehalten. Gleichzeitig
war N. Gesellschafter der Z. GmbH; er beherrschte diese. Er und niemand
anders hat der X. GmbH die neue Beteiligung an der Z. GmbH und damit
den erwähnten Mehrwert verschafft. Er hat dadurch die Beschwerdeführerin
begünstigt. Die Begünstigung muss für ihn, den massgebenden Gesellschafter
beider Gesellschaften, erkennbar gewesen sein; es liegt auf der Hand,
dass er die wertvolle Beteiligung, die er der X. GmbH eingebracht hat,
einem beliebigen Dritten nicht zum blossen Nennwert überlassen hätte.

    Daher muss angenommen werden, dass er als Gesellschafter der X. GmbH
dieser Gesellschaft freiwillig eine "Leistung in das Gesellschaftsvermögen"
erbracht hat, die nicht zu einer Erhöhung ihres Stammkapitals geführt
hat. Diese Zuwendung unterliegt nach Art. 1 Abs. 1 lit. b ErgStG der
Emissionsabgabe.

    Die Beschwerdeführerin hat den ohne Gegenleistung erhaltenen Mehrwert
des Anteils an der Z. GmbH nicht gebucht. Sie macht geltend, Art. 1 Abs. 1
lit. b ErgStG erfasse nur offene Kapitaleinbringungen; nicht darunter
fielen verdeckte Kapitalnachschüsse, d.h. solche, die weder zu einer
Erhöhung des Stammkapitals noch zur Gutschrift auf einem Reservekonto
führen. Der Einwand ist unbegründet. Jene Bestimmung stellt nicht darauf
ab, ob die Gesellschaft die Leistung des Gesellschafters in ihr Vermögen
verbucht oder nicht, und insbesondere nicht darauf, ob sie eine Sacheinlage
mit dem wirklichen Wert oder nur mit dem darunter liegenden Betrage
der von ihr erbrachten Gegenleistung bilanziert. Die Emissionsabgabe
ist immer dann zu erheben, wenn der wirkliche Wert die Gegenleistung
wesentlich übersteigt und dies für die handelnden Personen erkennbar war
(BGE 94 I 155 ff., insbesondere 156/157). So verhält es sich hier.

    Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hängt die Pflicht
zur Entrichtung der Emissionsabgabe auf Kapitalnachschüssen auch nicht
davon ab, ob eine allfällige spätere Rückleistung an die Gesellschafter
der Verrechnungssteuer unterliegt oder nicht. Für jede der beiden Abgaben
bestehen besondere Vorschriften. Die Voraussetzungen der Emissionsabgabe
der Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind im ErgStG geordnet. Sie
sind hier erfüllt.

    Nach Art. 2 Abs. 2 lit. b ErgStG ist die Emissionsabgabe im
vorliegenden Fall vom Mehrwert, den die Beschwerdeführerin ohne
Gegenleistung erhalten hat, zu berechnen. Der im angefochtenen Entscheid
geforderte Betrag von Fr. 23'600.-- (2% von Fr. 1'180,000.--) ist somit
geschuldet.

Erwägung 3

    3.- Gemäss Art. 4 des BRB über die Verrechnungssteuer vom 1. September
1943 (VStB) waren Gegenstand dieser Steuer u.a. "die Zinsen, Renten,
Gewinnanteile und sonstigen Leistungen", die nach der Gesetzgebung
des Bundes der Stempelabgabe auf Coupons inländischer Wertpapiere
unterlagen. Die Couponabgabe war eine Steuer auf Coupons und "anderen
Urkunden des Handelsverkehrs", die der Gesetzgeber auf Grund des in der
Volksabstimmung vom 13. Mai 1917 angenommenen Art. 41 bis BV den Coupons
gleichstellte. Ihr Objekt waren die in der Gesetzgebung genannten Urkunden
über Vorgänge des Rechtsverkehrs zwischen einem Kapitalgeber und einem
Kapitalnehmer.

    Die in der Volksabstimmung vom 11. Mai 1958 angenommene neue
Fassung des Art. 41 bis BV ermächtigt in Abs. 1 lit. b den Bund, eine
Verrechnungssteuer u.a. auf dem "Ertrag beweglichen Kapitalvermögens" zu
erheben. Nach Art. 4 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes (VStG) sind Gegenstand
dieser Kapitalertragssteuer "die Zinsen, Renten, Gewinnanteile und
sonstigen Erträge", die von den in lit. a-d aufgezählten Vermögenswerten
abgeworfen werden. Die in Art. 5 VStG genannten Ausnahmen fallen hier
ausser Betracht. Nach Art. 4 Abs. 1 lit. b VStG unterliegen der Steuer
auch die Erträge der von einem Inländer ausgegebenen Aktien, Anteile
an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaftsanteile
und Genussscheine. Art. 20 Abs. 1 der vom Bundesrat erlassenen
Vollziehungsverordnung zum VStG (VStV) lautet:

    "Steuerbarer Ertrag von Aktien, Anteilen an Gesellschaften
mit beschränkter Haftung und Genossenschaftsanteilen ist jede
geldwerte Leistung der Gesellschaft oder Genossenschaft an die Inhaber
gesellschaftlicher Beteiligungsrechte oder an ihnen nahestehende Dritte,
die sich nicht als Rückzahlung der im Zeitpunkt der Leistung bestehenden
Anteile am einbezahlten Grund- oder Stammkapital darstellt (Bonus,
Gratisaktien, Liquidationsüberschüsse und dgl.)."

    Diese Umschreibung lehnt sich an die Bestimmungen des Art. 5 Abs. 2
BG betreffend die Stempelabgabe auf Coupons vom 25. Juni 1921 (CG) und
des Art. 5 ErgStG an, auf die in Art. 4 Abs. 1 VStB verwiesen wurde.

    Das Bundesgericht hat in BGE 94 I 160 ff. ausgeführt, Art. 4
Abs. 1 VStG sei wesentlich anders gefasst als Art. 5 Abs. 2 CG und
Art. 5 ErgStG. Nach dem neuen Text dürften nur "Erträge" beweglichen
Kapitalvermögens besteuert werden. Diesen Begriff habe das Gericht
"losgelöst vom abweichenden Wortlaut der nun aufgehobenen Bestimmungen"
(Art. 5 Abs. 2 CG, Art. 5 ErgStG und Art. 4 VStB) und "ohne Bindung an
Art. 20 der Vollziehungsverordnung zum VStG" auszulegen. Die Rückerstattung
von Eigenkapital, das eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung von
den Gesellschaftern erhalten hat, ohne ihr Stammkapital zu erhöhen, sei
nicht Zuwendung eines Kapitalertrags im Sinne des Art. 4 Abs. 1 VStG
und könne daher nach dem neuen Recht nicht mit der Verrechnungssteuer
belegt werden. Diese Rechtsprechung wird von R. PFUND beanstandet (ASA
Bd. 37 S. 176; Verrechnungssteuer, I. Teil, 1971, N 1.4 zu Art. 4 VStG)
und von der EStV nicht als wegleitend betrachtet. Sie ist zu überprüfen.

    Strittig ist, was unter "Ertrag" beweglichen Kapitalvermögens,
insbesondere von Aktien und Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter
Haftung, zu verstehen ist. Der Begriff "Kapitalertrag" steht im Gegensatz
zum Begriff "Kapitalvermögen". Einer Steuer auf dem Kapitalertrag kann das
Vermögen, das den Ertrag abwirft, nicht unterworfen werden. Die Abgrenzung
der beiden Begriffe ist Aufgabe des Gesetzgebers. Der Text des VStG ist
in dieser Beziehung etwas unbestimmt ("sonstige Erträge"). Der Bundesrat
hat es denn auch als angezeigt erachtet, gestützt auf Art. 73 Abs. 1 VStG,
wonach er die erforderlichen Vollzugsvorschriften erlässt, in Art. 20 und
weiteren Bestimmungen der VStV den Gegenstand der Verrechnungssteuer auf
Kapitalerträgen näher zu umschreiben.

    Vom Bundesrat erlassene Vollziehungsverordnungen zu Bundesgesetzen sind
für das Bundesgericht nicht schlechthin verbindlich. Das Gericht prüft, ob
die Vorschriften einer solchen Verordnung mit dem Gesetz vereinbar sind.
Soweit das Gesetz den Bundesrat nicht ermächtigt, von der Verfassung
abzuweichen, prüft das Gericht auch die Verfassungsmässigkeit der
Verordnung (BGE 92 I 433; 93 I 503; 94 I 88, 396, 664/5).

    Hier fragt sich, ob Art. 20 Abs. 1 VStV als gesetzmässig betrachtet
werden kann. Ist die Bestimmung mit Art. 4 Abs. 1 VStG vereinbar, so
ist anzunehmen, dass sie auch verfassungsmässig ist, d.h. nur "Ertrag
beweglichen Kapitalvermögens" im Sinne von Art. 41 bis Abs. 1 lit. b
BV erfasst; denn diese Worte finden sich in Art. 4 Abs. 1 VStG wieder,
und sie haben in Verfassung und Ausführungsgesetz die gleiche Bedeutung.

    Art. 4 Abs. 1 VStG soll, wie seine weite Fassung erkennen lässt,
sämtliche Erträge ("Zinsen, Renten, Gewinnanteile und sonstige Erträge")
der von Kapitalgebern ausgeliehenen Vermögenswerte erfassen, die er in
lit. a-d nennt. Leihkapital kann Erträgnisse in mannigfaltigen Formen
abwerfen (W. BICKEL, Ertragssteuern, im Handbuch der Finanzwissenschaft,
2. Band, 1956, S. 439 ff.). Davon geht auch Art. 20 Abs. 1 VStV aus,
indem er bestimmt, dass jede geldwerte Leistung der Gesellschaft an
die Gesellschafter, die sich nicht als Rückzahlung der im Zeitpunkt der
Leistung bestehenden Anteile am einbezahlten Grund- oder Stammkapital
darstellt, steuerbarer Ertrag der Beteiligungsrechte ist. Dies ist eine für
die Regelfälle durchaus taugliche Umschreibung des Ertragsbegriffs. Sie
ist, was diese Fälle anlangt, als verfassungs- und gesetzmässig zu
betrachten.

    Bei näherem Zusehen zeigt sich allerdings, dass Art. 20 Abs. 1 VStV,
wörtlich ausgelegt, der Steuer auch die Rückerstattung von Eigenkapital
unterwirft, das die Gesellschaft von den Gesellschaftern ohne Erhöhung
des Grund- oder Stammkapitals erhalten hat. Dies rührt davon her, dass
die Bestimmung den Begriff der Kapitaleinbringung eng fasst, ihn auf
"Einzahlungen von Grund- oder Stammkapital" beschränkt und weitere Formen
der Einbringung nicht darunter fallen lässt. Es fragt sich, wann die
Rückerstattung des in anderer Form in die Gesellschaft eingebrachten
Kapitals noch als Zuwendung eines Kapitalertrags qualifiziert werden
kann und ob der Bundesrat in der Verordnung den in Verfassung und Gesetz
verwendeten Begriff des Ertrags beweglichen Kapitalvermögens nicht auf
Tatbestände ausgedehnt hat, deren Belastung mit der Verrechnungssteuer
als verfassungs- und gesetzwidrig erachtet werden muss.

    Kapitaleinlagen, die nicht zu einer Erhöhung des einbezahlten Grund-
oder Stammkapitals führen, können auf mancherlei Weise geleistet werden.
Dementsprechend lässt sich die Frage, ob der Verrechnungssteuer auf
Kapitalerträgen auch Leistungen unterliegen, mit denen die Gesellschaft
solche Einlagen "zurückerstatten" will, nicht einheitlich beantworten.

    Der Gesellschafter, welcher der Gesellschaft ein Emissionsagio
zahlt oder eine sonstige Geldleistung à fonds perdu erbringt,
erwirbt dadurch nicht eine Forderung gegen die Gesellschaft,
sondern äufnet ihre Reserve. Die der Gesellschaft so zur Verfügung
gestellten Mittel gehen in das Gesellschaftsvermögen ein, ohne dass
dem Gesellschafter daraus etwas anderes erwächst als eine gewisse
Verbesserung seiner Anwartschaft auf Dividenden und auf einen Anteil an
einem Liquidationsüberschuss. Ausschüttungen, welche die Gesellschaft
später unter dem Titel der Rückzahlung solcher Einlagen vornimmt,
können ohne weiteres als Zuwendung von Kapitalerträgen im Sinne des
Art. 41 bis BV und des Art. 4 Abs. 1 VStG qualifiziert und besteuert
werden. Ihre Bezeichnung als Rückleistung früherer Kapitaleinbringen ist
unbeachtlich. Die Umschreibung des steuerbaren Ertrags in Art. 20 Abs. 1
VStV ist auf solche Fälle durchaus anwendbar.

    Haben die Gesellschafter Kapitaleinlagen, die nicht zu einer
Erhöhung des Grund- oder Stammkapitals geführt haben, in Form der
Einbringung von Sachwerten - z.B. von Beteiligungsrechten - zu einem
offensichtlich unter dem wirklichen Wert liegenden Anrechnungspreis
geleistet, so drängen sich Unterscheidungen auf. Wie verhält es sich,
wenn die gleichen Gesellschafter, die den Sachwert eingebracht haben,
ihn später in specie wieder zurücknehmen möchten? Klar ist, dass ihnen
mit der Rückübertragung insoweit ein unter die Verrechnungssteuer
fallender Kapitalertrag zugewendet wird, als sie ohne entsprechende
Gegenleistung den Wertzuwachs erhalten, den die eingebrachte Sache seit der
Einbringung erfahren hat. Ebenso klar ist aber auch, dass die ihnen mit
der Rückübertragung zugewiesene Differenz zwischen dem wirklichen Wert,
den die Sache zur Zeit der Einbringung hatte, und dem der Gesellschaft
damals angerechneten Preis nicht einen Ertrag ausgeliehenen Kapitals
darstellt, da ja der Vermögenswert selbst, der Erträgnisse abwerfen
sollte, zurückübertragen wird. Wendet man trotzdem Art. 20 Abs. 1 VStV
gemäss seinem Wortlaut auf die Rückerstattung dieser Differenz an, so muss
dafür die Verrechnungssteuer von 30% bezahlt werden, die von ausländischen
Gesellschaftern nicht oder höchstens teilweise zurückgefordert werden kann.
Damit wird nicht ein Kapitalertrag, sondern die Kapitalsubstanz selber
besteuert. Eine solche Belastung ist jedoch mit einer vertretbaren
Auslegung des Art. 41 bis BV und des Art. 4 Abs. 1 VStG nicht mehr
vereinbar. Die Rückleistung in specie muss daher steuerfrei bleiben,
aber nur bis zur Höhe des wirklichen Wertes im Zeitpunkt der Einbringung.

    Wenn dagegen die Gesellschafter, welche die unterbewerteten Sachwerte
eingebracht hatten, ihre Anteile am Grund- oder Stammkapital der mit den
Sacheinlagen ausgestatteten Gesellschaft an Dritte abgetreten haben und
diese nun die Übertragung der von den Vorgängern stammenden Sachwerte auf
sich fordern, kann man nicht mehr von einer Rückübertragung sprechen. Die
neuen Gesellschafter lassen sich Werte übertragen, die nicht sie selber in
die Gesellschaft eingeworfen haben. Ein solcher Vorgang nähert sich einer
Teilliquidation der Gesellschaft. Die neuen Gesellschafter empfangen
durch die Übertragung eine Art Liquidationsüberschuss. Anteile der
Gesellschafter an einem Liquidationsüberschuss sind aber, gleich wie
Gratisaktien (BGE 95 I 600), als Kapitalerträge im Sinne des Art. 41
bis BV und des Art. 4 Abs. 1 VStG zu betrachten und dürfen daher der
Verrechnungssteuer unterworfen werden, gleichgültig, zu welchem Preis
die Empfänger ihre Anteilrechte erworben haben und ob sie durch die
Zuwendung der Gesellschaft bereichert werden oder nicht (vgl. BGE 80 I 38
betr. Couponabgabe und Verrechnungssteuer; 92 I 261 E. 3 betr. Wehrsteuer).

    Zu einer Rückübertragung einer eingebrachten Beteiligung kommt
es auch dann nicht, wenn - wie die Beschwerdeführerin vorschlägt -
für die Differenz zwischen dem wirklichen Einbringungswert und dem
von der Gesellschaft erlegten Übernahmepreis ein Agiokonto eröffnet
wird, dem Ausschüttungen der Gesellschaft an die Gesellschafter als
Kapitalrückzahlungen belastet werden sollen. Solche Ausschüttungen
lassen sich ohne weiteres als Zuwendungen von Kapitalerträgen im Sinne
des Art. 41 bis BV und des Art. 4 Abs. 1 VStG qualifizieren. Denn die
eingebrachte Beteiligung bleibtja weiter im Besitz der Gesellschaft;
den Gesellschaftern werden Bestandteile von Reserven der Gesellschaft
zugewendet, ohne dass die Beteiligung in specie zurückübertragen wird. Mit
Recht nimmt die EStV an, es würde der Steuerumgehung Tür und Tor geöffnet,
wenn Ausschüttungen zu Lasten solcher Agiokonten verrechnungssteuerfrei
vorgenommen werden könnten.

    Am Ausschluss der Verrechnungssteuer ist also festzuhalten in
den Fällen, wo die Gesellschafter einen Sachwert, den sie zu einem
offensichtlich zu niedrigen Preis in das Gesellschaftsvermögen -
ohne Erhöhung des Grund- oder Stammkapitals - eingebracht haben, in
specie zurückerhalten. Diese Rückleistung ist, wie gesagt, steuerfrei
bis zur Höhe des wirklichen Wertes, den die Sache im Zeitpunkt der
Einbringung hatte. Schwerwiegende Unzukömmlichkeiten ergeben sich daraus
nicht. In diesem beschränkten Umfange ist die von der EStV beanstandete
Rechtsprechung (BGE 94 I 160 ff.) zu bestätigen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird in bezug auf die Emissionsabgabe abgewiesen,
in bezug auf die Feststellungsbegehren nach Art. 41 VStG teilweise im
Sinne der Erwägungen gutgeheissen.