Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 I 250



97 I 250

37. Auszug aus dem Urteil vom 16. Juni 1971 i.S. F. gegen D. und
Obergericht des Kantons Zürich. Regeste

    Haager Übereinkommen vom 15. April 1958 über die Anerkennung und
Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiete der Unterhaltspflicht
gegenüber Kindern.

    Art. 4 Ziff. 3: Begriff der Versäumnisentscheidung. Kann die
ordnungsgemässe Zustellung auch auf andere Weise als durch die hier
genannten Urkunden bewiesen werden? (Erw. 3).

    Art. 2 Ziff. 2: Ob ein Urteil Rechtskraft erlangt hat, bestimmt sich
nach dem Recht des Staates, in dem es gefällt worden ist (Erw. 4).

    Art.2 Ziff. 3: Auslegung von Abs. 2 (Erw. 5).

    Art. 2 Ziff. 5: Wann ist ein in Deutschland gefälltes
Vaterschaftsurteil, das dem ausserhalb von Deutschland befindlichen
Beklagten gemäss § 175 der deutschen ZPO in Deutschland durch "Aufgabe
zur Post" zugestellt worden ist, mit der öffentlichen Ordnung der Schweiz
offensichtlich unvereinbar? (Erw. 6).

Sachverhalt

    A.- Für D., geb. 1966 in Bad Homburg, wurde am 9.  Februar 1967
gegen den italienischen Staatsangehörigen F., damals wohnhaft in Speyer,
beim Amtsgericht Speyer Klage auf Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen
angehoben. Die Klage wurde F. persönlich zugestellt. Er liess am
11. März 1967 durch einen Anwalt die Abweisung der Klage beantragen. Am
25. April 1967 beschloss das Gericht, die Mutter des Klägers als
Zeugin zu befragen. Sie wurde am 31. Mai 1967 abgehört und erklärte,
mit F. vor und während der gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich
verkehrt zu haben. In der Folge legte der Anwalt sein Mandat nieder,
und F. kehrte nach Italien zurück. Er wurde auf den 26. März 1968 zur
Gerichtsverhandlung vorgeladen. Die Vorladung wurde ihm am 23. Dezember
1967 auf diplomatischem Weg an seinem damaligen Wohnort in Italien
zugestellt und enthielt folgenden Vermerk:

    "Wenn Sie zum Termin nicht erscheinen und sich nicht durch
eine mit schriftlicher Vollmacht versehene, volljährige Person
vertreten lassen, kann auf Antrag ein Versäumnisurteil gegen Sie
erlassen werden. Ihre schriftlichen Mitteilungen bleiben in diesem Fall
unberücksichtigt. Unterbleibt die Bestellung eines Prozessbevollmächtigten
und machen Sie dem Gericht auch keine im Bezirk des Amtsgerichtes Speyer
am Rhein wohnhafte Person namhaft, die zum Empfang der für Sie bestimmten
Schriftstücke bevollmächtigt ist, so können alle zukünftigen Zustellungen
an Sie durch Aufgabe zur Post bewirkt werden (§ 174 Abs. 2, § 175 Abs. 1,
§ 208 der Zivilprozessordnung)."

    F. liess im Februar 1968 dem Gericht durch einen italienischen Anwalt
eine Eingabe zugehen, blieb aber der Verhandlung vom 26. März 1968
fern. Der Vertreter des Klägers beantragte dem Gericht, den Beklagten
durch Versäumnisurteil zu verpflichten, dem Kläger eine monatliche
Unterhaltsrente von 95 DM zu bezahlen. Das Amtsgericht sprach am
26. März 1968 ein diesem Antrag entsprechendes Urteil aus. Gegen dieses
Versäumnisurteil liess F. im Mai 1968 Einspruch erheben und ausführen,
er kenne Frau D. nicht und habe mit ihr noch nie geschlechtlich
verkehrt. Das Gericht setzte Termin zur mündlichen Verhandlung über
Einspruch und Hauptsache auf den 9. Juli 1968 an. Da der Beklagte zu
dieser Verhandlung weder erschien noch sich vertreten liess, verwarf das
Gericht den Einspruch des F. ohne weitere Sachprüfung durch ein zweites
Versäumnisurteil. Beide Urteile sind mit Rechtskraftbescheinigung
versehen. Sie wurden dem Beklagten durch Aufgabe zur Post gemäss § 175
der deutschen Zivilprozessordnung (DZPO) zugestellt.

    Der Kläger betrieb den Beklagten anfangs Oktober 1969 in
Zürich für eine Forderung von Fr. 4083.45 nebst Zins. F. erhob
Rechtsvorschlag. Gestützt auf das Urteil des Amtsgerichts Speyer vom
26. März 1968 erwirkte der Kläger beim Einzelrichter des Bezirks Zürich
die definitive Rechtsöffnung. Der Beklagte focht diesen Entscheid beim
Obergericht des Kantons Zürich an, indem er geltend machte, die Bedingungen
des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von
Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom
15. April 1958 (im folgenden: Haager Abkommen; AS 1964, S. 1283 ff.) seien
nicht oder wenigstens nicht in allen Teilen erfüllt. Das Obergericht wies
den Rekurs am 7. Januar 1971 ab.

    B.- Gegen den Entscheid des Obergerichts vom 7. Januar 1971 hat
F. staatsrechtliche Beschwerde erhoben.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer behauptet, dass einzelne der in Art. 2 des
Haager Abkommens genannten Voraussetzungen und einzelne der in Art. 4
erwähnten Urkunden fehlen.

    Nach Art. 4 Ziff. 3 des Abkommens hat die Partei, welche die
Vollstreckung beantragt, im Falle einer Versäumnisentscheidung eine
beglaubigte Abschrift der das Verfahren einleitenden Ladung oder Verfügung
und die Urkunden, aus denen sich die ordnungsgemässe Zustellung dieser
Ladung oder Verfügung ergibt, beizubringen. Der Beschwerdeführer
rügt, dass diese Unterlagen vom Beschwerdegegner nicht vorgelegt
worden seien. Sie fehlen in der Tat. Art. 4 Ziff. 3 gilt aber nur für
Versäumnisentscheide. Die beiden hier in Frage stehenden Entscheide
sind zwar entsprechend der Ausdrucksweise der DZPO als Versäumnisurteile
bezeichnet. Nach internationalem Zivilprozessrecht liegt indessen kein
Versäumnisurteil vor, wenn sich der Beklagte, wie es hier geschehen
ist, auf den Prozess eingelassen hat (GULDENER, Das internationale und
interkantonale Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 152; vgl. das Urteil
vom 28. Oktober 1970 i.S. H., nicht veröffentlichte Erw. 3c, S. 16). Der
erstinstanzliche kantonale Richter hat deshalb wohl mit Recht die Ansicht
vertreten, Art. 4 Ziff. 3 des Abkommens sei nicht anwendbar.

    Selbst wenn indessen die beiden Urteile als Versäumnisentscheidungen
im Sinne des Art. 4 Ziff. 3 des Abkommens zu gelten hätten, schlüge die
Argumentation des Beschwerdeführers nicht durch. Wird die Vorschrift
des Art. 4 Ziff. 3 rein nach ihrem Wortlaut genommen, so könnte der
Einwand allenfalls als begründet gelten. Das Urteil vom 26. März 1968
wird in den Erwägungen als Versäumnisurteil bezeichnet, und es wurde, wie
ausgeführt, weder eine Abschrift der Vorladung noch eine Zustellungsurkunde
eingelegt. Es wäre aber formalistisch und dem Sinne der Abkommensregel
zuwider, aus diesem Grund die Vollstreckung abzulehnen. In der von dem
zuständigen Justizbeamten unterzeichneten schriftlichen Urteilsausfertigung
ist festgehalten, dass der Beschwerdeführer zu der Gerichtsverhandlung vom
26. März 1968 auf diplomatischem Weg vorgeladen und dass ihm die Vorladung
am 23. Dezember 1967 an seinem Wohnort Terracina (Agro) zugestellt
wurde. Diese urkundliche Bestätigung verschafft der Vollstreckungsbehörde
praktisch die gleiche Gewähr dafür, dass der Beklagte vorgeladen und
ihm die Ladung ordnungsgemäss zugestellt wurde, wie eine beglaubigte
Abschrift der Vorladung und eine förmliche Zustellungsbescheinigung. Es
mag freilich, unter der Voraussetzung, dass es sich überhaupt um einen
Versäumnisentscheid im Sinne des Abkommens gehandelt hätte, beanstandet
werden, dass sich der Vertreter des D. wohl nicht ernstlich darum
bemüht hat, genau die Dokumente vorzulegen, die in Art. 4 des Abkommens
genannt sind. Wie der Beschwerdeführer mit Recht ausführt, sind bei der
Vollstreckung ausländischer Urteile im Interesse der Rechtssicherheit
bestimmte Förmlichkeiten unumgänglich. Da aber die genannte Feststellung
im Urteil vom 26. März 1968 der Vollstreckungsbehörde hinsichtlich Ladung
und Zustellung die Sicherheit gibt, wie sie Art. 4 Ziff. 3 gewährleisten
will, würde es dem Sinn dieser Vorschrift zuwiderlaufen, ohne sachlichen
Grund in rein formaler Auslegung des Abkommens die Vollstreckung zu
verweigern. So zu entscheiden, rechtfertigt sich aus einem weitern Grund.
Nach Art. 4 Ziff. 3 müssen nur bei Versäumnisentscheiden eine Abschrift
der das Verfahren einleitenden Ladung und eine Urkunde über deren
ordnungsgemässe Zustellung beigebracht werden. Wenn eine Partei nicht
an der Gerichtsverhandlung teilnahm und das Urteil in ihrer Abwesenheit
erging, soll durch Vorlage der in Art. 4 Ziff. 3 genannten Urkunden der
Nachweis dafür erbracht werden, dass die Partei von der Einleitung des
Verfahrens Kenntnis hatte und über den ersten Verhandlungstermin orientiert
war. Zweck der Vorschrift ist es, dem Beklagten die Garantie zu geben, von
der Einleitung des gegen ihn gerichteten ausländischen Prozessverfahrens
in einer Weise Kenntnis zu erhalten, die ihm die Verteidigung vor dem
Prozessgericht ermöglicht (vgl. KALLMANN, Anerkennung und Vollstreckung
ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, Basel 1946, S. 284
ff., insbes. S. 286). Sowohl das Urteil vom 26. März 1968 wie jenes vom
9. Juli 1968 sind zwar nach deutschem Recht Versäumnisentscheide. Der
gegen den Beschwerdeführer angestrengte Prozess war aber, wie die
kantonalen Gerichte zutreffend feststellten, nicht von Anfang an ein
Kontumazialverfahren. Vielmehr war der Beschwerdeführer im Prozess
zunächst durch einen Anwalt vertreten. Er war also nicht nur über die
Einleitung des Verfahrens orientiert und in der Lage, sich im Prozess
zu verteidigen, sondern hat seine Rechte auch tatsächlich durch seinen
Anwalt wahren lassen. Bei dieser Sachlage ist die Vorlage einer Abschrift
der Ladung und der Zustellungsbescheinigung entbehrlich, denn das, was
mit diesen Urkunden bewiesen werden soll, ist schon auf andere Weise
klar nachgewiesen. Ob dem Beschwerdeführer im spätern Lauf des Prozesses,
insbesondere im Einspruchsverfahren, Vorladungen ordnungsgemäss zugestellt
wurden, ist im übrigen in diesem Zusammenhang unerheblich, denn Art. 4
Ziff. 3 des Abkommens bezieht sich nur auf die "das Verfahren einleitende
Ladung", und einzig für deren Erlass und Zustellung müssen Beweismittel
eingelegt werden. Der Einwand, der Beschwerdegegner habe die in Art. 4
Ziff. 3 genannten Unterlagen nicht beigebracht, führt demnach nicht zur
Gutheissung der Beschwerde.

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer rügt ferner, er habe das Versäumnisurteil
vom 9. Juli 1968 überhaupt nicht erhalten, da es nur durch Aufgabe zur
Post im Sinne des § 175 DZPO "zugestellt" resp. eben nicht zugestellt
worden sei.

    Nach der Ansicht des Beschwerdeführers entscheidet sich die Frage,
ob das Urteil richtig zugestellt wurde, nicht nach dem Haager Abkommen
von 1958. Dieses verlange in Art. 2 Ziff. 3, dass der zu vollstreckende
Entscheid rechtskräftig sei. Ein Urteil könne nur rechtskräftig sein,
wenn es der betreffenden Prozesspartei zugestellt worden sei. Das Haager
Abkommen von 1958 habe weder mit der Frage der Zustellung noch mit jener
der Rechtskraft das geringste zu tun. Ob ein Urteil rechtskräftig sei,
beurteile sich nach der Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht
von 1954 (AS 1957, S. 467), sowie im zu beurteilenden Fall nach
den zwischen Deutschland und der Schweiz abgeschlossenen besondern
Vereinbarungen (betreffend Vereinfachung des Rechtshilfeverkehrs von
1910 und den unmittelbaren Geschäftsverkehr von 1878; BS 12 S. 292 und
293). Diese Ausführungen, mit denen die im bundesgerichtlichen Urteil vom
28. Oktober 1970 i.S. H. geäusserte Ansicht (nicht veröffentlichte Erw. 3b
S. 13) kritisiert wird, sind nicht stichhaltig. Die beiden Vereinbarungen
der Schweiz mit Deutschland fallen von vorneherein ausser Betracht,
weil der Beschwerdeführer sich zur Zeit der streitigen Zustellungen
nicht in der Schweiz, sondern in Italien aufgehalten hat. Nach der
unmissverständlichen Regel des Art. 5 des Abkommens von 1958 beschränkt
sich sodann die Prüfung der Vollstreckungsbehörde auf die in Art.
2 genannten Voraussetzungen und die in Art. 4 aufgezählten Urkunden. Im
Abkommen wird nicht bestimmt, wie ein Urteil zugestellt werden muss,
so dass sich die Prüfung der Vollstreckungsbehörde nicht darauf beziehen
kann, es wäre denn, dass wegen der Art der Zustellung die Entscheidung
mit der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaates als offensichtlich
unvereinbar erschiene (Art. 2 Ziff. 5). Diese Frage hat denn auch das
Bundesgericht in dem erwähnten Urteil geprüft (BGE 96 I 396 ff.), und
wird es auch hier zu prüfen haben (Erw. 6c). Wohl muss nach dem Abkommen
von 1958 die zu vollstreckende Entscheidung rechtskräftig sein, aber
verlangt ist bloss, dass sie "in dem Staat, in welchem sie ergangen ist,
Rechtskraft erlangt hat". Das verkennt der Beschwerdeführer; die Regel
des Abkommens entspricht übrigens dem allgemeinen Grundsatz, dass unter
Berücksichtigung des Rechts des Urteilsgerichts zu entscheiden ist, ob ein
Urteil die Merkmale der Rechtskraft aufweist (GULDENER, Das internationale
und interkantonale Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 95, Anm. 18). Ob das
vom Amtsgericht Speyer gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Urteil
in der Bundesrepublik Deutschland Rechtskraft erlangt hat, entscheidet
sich nicht nach irgendwelchen Staatsverträgen, sondern nach dem deutschen
Landesrecht. Nach diesem sind die beiden Versäumnisurteile rechtskräftig,
was durch behördliche Rechtskraftbescheinigung nachgewiesen ist, sich
aus der DZPO ergibt und auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird.

Erwägung 5

    5.- Im Fall einer Versäumnisentscheidung kann die Vollstreckung
versagt werden, wenn die Vollstreckungsbehörde in Anbetracht der Umstände
des Falles der Ansicht ist, dass die säumige Partei ohne ihr Verschulden
von dem Verfahren keine Kenntnis hatte oder sich in ihm nicht verteidigen
konnte (Art. 2 Ziff. 2 Abs. 2). Es scheint, dass sich der Beschwerdeführer
auch darauf berufen will. Es war ihm, wie ausgeführt, bekannt, dass gegen
ihn in Speyer ein Prozess auf Bezahlung von Unterhaltsbeiträgen angehoben
war, und von dem nach dem ersten Urteil durchgeführten Verfahren hatte er
deshalb Kenntnis, weil es auf seinen eigenen Einspruch hin durchgeführt
wurde. Im ersten Abschnitt des Verfahrens hatte er eine schriftlich
begründete Klageantwort durch seinen deutschen Anwalt einreichen lassen,
der ihn bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auch vor Gericht vertrat. Nach
dem ersten Urteil hatte er dem Gericht seinen Standpunkt in einem
schriftlich begründeten Einspruch eines italienischen Anwalts darlegen
lassen. Es stand ihm demnach nicht nur die Möglichkeit der Verteidigung
offen, sondern er hat sie im Prozess auch tatsächlich genutzt.

Erwägung 6

    6.- a) Es ist deshalb nur noch zu prüfen, ob die Entscheidung mit der
öffentlichen Ordnung (ordre public) der schweizerischen Eidgenossenschaft
offensichtlich unvereinbar ist (Art. 2 Ziff. 5). Der Vorbehalt der
öffentlichen Ordnung greift nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
dann Platz, wenn das einheimische Rechtsgefühl durch die Anerkennung
und Vollstreckung eines ausländischen Urteils in unerträglicher Weise
verletzt würde. Ein Urteil kann dabei, wie der Beschwerdeführer zutreffend
ausführt, sowohl wegen seines materiellen Inhalts wie wegen des Verfahrens,
in welchem es zustande kam, gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz
verstossen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind der Anwendung
der Ordre-public-Klausel mit Bezug auf die Vollstreckung ausländischer
Urteile engere Grenzen gezogen als im Gebiet der direkten Gesetzesanwendung
(BGE 96 I 391 und 397 f. mit Hinweisen auf frühere Urteile). Es kommt
hinzu, dass das Haager Abkommen von 1958 den Gebrauch des Vorbehalts
einschränkt, indem es bestimmt, die Vollstreckung sei zu verweigern, wenn
die Entscheidung mit der öffentlichen Ordnung "offensichtlich unvereinbar"
ist (BBl 1964 I S. 507).

    b) Der Beschwerdeführer hat im Verfahren vor dem Amtsgericht Speyer
sinngemäss die Einrede des Mehrverkehrs erhoben, ohne dafür aber
Beweise anzutragen. Da er sich um den Prozess nicht mehr kümmerte,
nachdem sein Anwalt das Mandat niedergelegt hatte und er selber nach
Italien zurückgekehrt war, kann mit dem Obergericht erwogen werden,
er habe es seiner eigenen Nachlässigkeit zuzuschreiben, wenn er keine
Beweise beantragen konnte, um darzutun, dass er nicht der Vater des
D. sei. Er behauptet zwar, er habe nichts davon gewusst, dass sein
Anwalt das Mandat niedergelegt habe, doch wäre es seine Sache gewesen,
die Verbindung mit ihm aufrecht zu erhalten. Es wurde ihm übrigens, was
mit seiner Behauptung nicht im Einklang ist, mit der Vorladung, die ihm
am 23. Dezember 1967 in Terracina zugestellt wurde, bekannt gegeben, dass
sein Anwalt das Mandat niedergelegt habe. Bei dieser Sachlage kann nicht
gesagt werden, das Amtsgericht habe dem Beschwerdeführer das rechtliche
Gehör verweigert. Die Behauptung, nach schweizerischer Rechtsauffassung
hätte ihm das Gericht ausdrücklich den Ausschluss vom Beweis androhen
müssen, ist nicht stichhaltig. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht,
selbst wenn man annähme, er hätte sich pflichtwidrig zu wenig um den
Prozess gekümmert, hätte das Gericht, nachdem Mehrverkehr behauptet
war, die entsprechenden Beweise von Amtes wegen erheben müssen, da nach
schweizerischem Recht ein Beklagter einen absoluten Anspruch auf ein
Blutgruppengutachten habe. Es besteht freilich nach der Rechtsprechung
ein bundesrechtlicher Anspruch auf eine Blutgruppenuntersuchung, doch kann
diese auch in einem schweizerischen Prozess dann verweigert werden, wenn
der Beklagte diesen Beweis nach dem kantonalen Prozessrecht nicht frist-
und formgerecht beantragt hat (BGE 90 II 152; vgl. auch BGE 90 I 110,
90 II 224, 91 II 2). Ist es in einem schweizerischen Vaterschaftsprozess
möglich und zulässig, die vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerdeschrift
genannten Beweismittel auszuschliessen, wenn sie von der Prozesspartei
nicht rechtzeitig und formrichtig beantragt wurden, so verstösst ein
ausländisches Urteil, das auf der gleichen Rechtsauffassung fusst, nicht
gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz.

    c) Der Beschwerdeführer behauptet schliesslich, es widerspreche der
schweizerischen öffentlichen Ordnung, das Urteil vom 9. Juli 1968 für
rechtskräftig zu halten, da es ihm nach § 175 DZPO durch Übergabe an
die deutsche Post zugestellt worden sei. Er habe es nie erhalten, und
die genannte Zustellungsart könne nach schweizerischer Rechtsanschauung
nicht als rechtsgültig anerkannt werden.

    Wenn eine Partei nicht in der Bundesrepublik wohnt, ist sie nach § 174
Abs. 2 DZPO zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten verpflichtet,
falls sie nicht einen in einem bestimmten deutschen Ort oder Bezirk
wohnhaften Prozessbevollmächtigten bestellt hat. Kommt die Partei dieser
Pflicht nicht nach, so können die spätern Zustellungen nach § 175 Abs. 1
in der Art bewirkt werden, dass der Gerichtsvollzieher das zu übergebende
Schriftstück unter der Adresse der Partei nach ihrem Wohnort zur Post gibt.
Die Zustellung wird mit der Aufgabe zur Post als bewirkt angesehen,
selbst wenn die Sendung als unbestellbar zurückkommt. Das Bundesgericht
hat in BGE 96 I 398 E. 4a festgestellt, dass diese unterstellte oder
fingierte Zustellung dem Rechtsschutzinteresse der ausländischen Partei
wenig Rechnung trägt, da diese vor allem die Folgen zu tragen hat,
wenn ihr durch ein Versehen der Post die Sendung nicht zukommt. Die
Rechtskraft kann in einem solchen Fall eintreten, obschon die Partei von
dem Urteil keine Kenntnis erhielt. Das Bundesgericht hat in dem genannten
Entscheid die Frage offen gelassen, ob die Annahme der Rechtskraft gegen
die öffentliche Ordnung der Schweiz verstiesse, wenn das Urteil nach § 175
DZPO zugestellt wurde und die Sendung die Partei infolge eines Versehens
der Postorgane nicht erreicht hat, da in jenem Fall festgestellt war, dass
die Urteilsausfertigung der beklagten Partei durch die Post ausgehändigt
worden war (BGE 96 I 398/99).

    Im hier zu beurteilenden Fall wurden zwei Urteile ausgesprochen. Am 26.
März 1968 wurde der Beklagte durch Versäumnisurteil verpflichtet,
dem Kläger D. eine monatliche Unterhaltsrente von DM 95 zu
bezahlen. Dieses gemäss § 175 DZPO zugestellte Urteil wurde dem Beklagten
zugestandenermassen an seinem italienischen Wohnort ausgehändigt. Er
hat dagegen Einspruch erhoben und bediente sich damit des Rechtsbehelfs,
mit dem ein (erstes) Versäumnisurteil grundsätzlich allein angefochten
werden kann (§ 338 DZPO; BAUMBACH/LAUTERBACH, Kommentar N 1 zu § 338
DZPO). Der Einspruch wurde am 9. Juli 1968 wiederum durch Versäumnisurteil
abgewiesen, und dieses neuerdings nach § 175 DZPO zugestellt. Ob es
dem Beschwerdeführer zukam, steht nicht fest. Er bestreitet es. Der
Beschwerdegegner verlangt die Vollstreckung des Urteils vom 26. März 1968,
und da es dem Beschwerdeführer an seinem damaligen Wohnort ausgehändigt
wurde, liesse sich entsprechend dem bundesgerichtlichen Urteil vom 28.
Oktober 1970 (BGE 96 I 398/9) erwägen, die Annahme der Rechtskraft
verstosse schon aus diesem Grund nicht gegen den schweizerischen ordre
public. Da der Beschwerdeführer das erste Urteil angefochten hat, muss
aber auch das zweite in die Prüfung einbezogen werden, da von dessen
rechtskräftigem Bestand die Rechtskraft des ersten abhängig ist. Die
Annahme der Rechtskraft des zweiten, den Einspruch des Beschwerdeführers
abweisenden Versäumnisurteils kann indessen nur dann überhaupt gegen die
öffentliche Ordnung der Schweiz verstossen, wenn dieser zweite Entscheid
durch ein Rechtsmittel angefochten werden konnte. Denn die Bedenken des
Bundesgerichts gegen die Zustellung nach § 175 DZPO gründen vor allem
auf der Überlegung, dass die Prozesspartei ihres Rechtsmittelrechts
beraubt werden könnte, wenn ihr das Urteil infolge eines Versehens der
Post nicht ausgehändigt wird. Durch Einspruch konnte F. das zweite
Urteil nicht anfechten (§ 345 DZPO), doch war offenbar die Berufung
möglich, die damit hätte begründet werden können, es liege kein Fall
der Versäumung vor (BAUMBACH/LAUTERBACH, Kommentar N 1 zu P 345 DZPO; §
513 Abs. 2 DZPO). Deshalb ist zu prüfen, ob die Annahme der Rechtskraft
des zweiten Urteils mit dem schweizerischen ordre public unvereinbar ist.

    Der Beschwerdeführer wurde mit der Vorladung, die ihm am 23. Dezember
1967 auf diplomatischem Wege zugestellt wurde, unter Hinweis auf die
§§ 174 Abs. 2 und 175 Abs. 1 DZPO aufgefordert, einen Prozess- bzw.
Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen, und es wurde ihm eröffnet,
dass im Unterlassungsfall alle zukünftigen Zustellungen durch Aufgabe
zur Post bewirkt werden könnten. Da die Eröffnung "alle zukünftigen
Zustellungen" betraf, musste dem Beschwerdeführer klar sein, dass
auch im Einspruchsverfahren Zustellungen gemäss § 175 DZPO erfolgen
konnten. Die Zustellung nach § 175 verstösst wenigstens dann nicht
gegen die öffentliche Ordnung der Schweiz, wenn, wie hier, das Gericht
die im Ausland wohnhafte Partei aufgefordert hat, einen in Deutschland
domizilierten Zustellungsbevollmächtigten zu bezeichnen und wenn es sie
davon in Kenntnis gesetzt hat, dass im Unterlassungsfall nach § 175 DZPO
zugestellt werden könne. Bei solchem Vorgehen hat es die ausländische
Partei in der Hand, durch geeignete Vorkehr dafür zu sorgen, dass ihr
gerichtliche Urkunden zukommen. Tut sie es nicht, so handelt sie einer
ihr bekannten prozessualen Pflicht (§ 174 Abs. 2 DZPO) zuwider und kann
sie sich nicht beklagen, wenn daran Folgen geknüpft werden, die für sie
nachteilig sein können. Auf jeden Fall lässt sich nicht sagen, der Eintritt
solcher selbstverschuldeter Folgen verletze das einheimische Rechtsgefühl
in unerträglicher Weise. Das schweizerische Recht kennt selber Regeln,
die mit den genannten Vorschriften der DZPO eine gewisse Verwandtschaft
haben. So bestimmt Art. 29 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Organisation
der Bundesrechtspflege (OG): "Parteien, die im Ausland wohnen, haben
in der Schweiz ein Zustellungsdomizil zu verzeigen. Zustellungen an
Parteien, die dieser Auflage nicht Folge leisten, können unterbleiben
oder auf dem Ediktalweg erfolgen" (vgl. dazu BGE 86 II 4/5). Freilich
ist diese Vorschrift nicht von gleicher Tragweite wie § 175 DZPO,
da bundesgerichtliche Urteile durch kein ordentliches Rechtsmittel
angefochten werden können. Es kann trotzdem für eine Partei erhebliche
Nachteile zeitigen, wenn sie es unterlässt, gemäss Art. 29 OG in der
Schweiz ein Zustellungsdomizil zu verzeigen. Es gibt zudem auch kantonale
Rechtsordnungen, die ähnliche Vorschriften enthalten. Art. 69 Abs. 2 der
Bündner Zivilprozessordnung bestimmt:

    "Eine im Ausland wohnende Partei ist gehalten, nach Empfang der
ersten an sie gelangten Vorladung durch Ernennung eines Vertreters im
Kanton Rechtsdomizil zu nehmen, widrigenfalls die ferneren Vorladungen an
sie ediktaliter erlassen werden können. Von dieser Vorschrift und ihren
Rechtsfolgen ist ihr mit der Vorladung Kenntnis zu geben."

    Art. 144 regelt die Mitteilung von Abwesenheitsurteilen, und Abs. 3
lautet:

    "Wurde das Kontumazurteil gegen eine im Ausland befindliche
Partei erlassen, die trotz der an sie ergangenen Aufforderung keine
Rechtsvertretung im Kanton gemäss Art. 69 dieses Gesetzes bestellte,
so genügt die Veröffentlichung des Dispositivs im Kantonsamtsblatt."

    Nach Art. 4 erfolgt die Publikation im Amtsblatt zweimal. Im
wesentlichen besteht der Unterschied zwischen der deutschen und der
bündnerischen Ordnung darin, dass die Mitteilung nach jener durch
Aufgabe zur Post, nach dieser durch Publikation im kantonalen Amtsblatt
erfolgt. Das Obergericht führte m angefochtenen Entscheid aus, die Gewähr,
dass der Adressat auch wirklich von der Mitteilung Kenntnis nehme,
sei bei der Publikation in einem kantonalen Amtsblatt geringer als bei
der nach der DZPO zulässigen Zustellung durch Aufgabe zur Post, die sich
immerhin an einen bestimmten Auslandsadressaten richte, der bei normalem
Funktionieren der Post auch erreicht werde. Wenn der Beschwerdeführer
vorbringt, bei der Publikation im Amtsblatt sei es immerhin möglich,
dass der Adressat durch einen Bekannten auf die Mitteilung aufmerksam
gemacht werde, so ist dem mit dem Obergericht entgegenzuhalten, dass diese
entfernte Möglichkeit von geringerem Wahrscheinlichkeitsgrad ist als jene,
dass die Sendung dem Adressaten durch die Post übergeben wird. Ist eine im
Ausland wohnhafte Partei durch den deutschen Richter aufgefordert worden,
einen in Deutschland wohnenden Prozess- oder Zustellungsbevollmächtigten
zu bezeichnen, hat sie diese Aufforderung mit dem Hinweis auf die Folgen
der Unterlassung erhalten und handelt sie ihrer prozessualen Pflicht
zuwider, so ist es im Hinblick auf einzelne ähnliche Vorschriften
des schweizerischen Prozessrechts mit der öffentlichen Ordnung der
Eidgenossenschaft nicht offensichtlich unvereinbar, wenn ein nach § 175
DZPO zugestelltes Urteil, das nicht angefochten wurde, für rechtskräftig
gehalten wird. Im hier zu beurteilenden Fall so zu entscheiden, begegnet
umso weniger Bedenken, als die Vorladung zur Einspruchsverhandlung vom
9. Juli 1968 nicht nur (durch Aufgabe zur Post) an den Beschwerdeführer,
sondern auch an dessen italienischen Anwalt zugestellt wurde, so dass mit
grosser Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass wenigstens eine der
beiden Sendungen den Adressaten erreicht hat und F. damit wenigstens von
der Verhandlung Kenntnis erhielt.

    Das Bundesgericht behält sich die Prüfung der Frage vor, ob ein
Vollstreckungsbegehren dann wegen offensichtlichen Verstosses gegen die
öffentliche Ordnung der Schweiz abzulehnen ist, wenn ein Urteil nach §
175 DZPO zugestellt wird, ohne dass die in Frage kommende Partei vorher
zur Bezeichnung eines Zustellungsbevollmächtigten aufgefordert und auf
die Folgen der Unterlassung hingewiesen wurde.