Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 IV 70



97 IV 70

18. Entscheid der Anklagekammer vom 8. Januar 1971 i.S. Frauenknecht
gegen eidg. Untersuchungsrichter. Regeste

    Art. 48 Abs. 1 Satz 2 BStP. Diese Bestimmung gestattet
dem Untersuchungsrichter nicht, das Korrespondenzrecht eines
Untersuchungsgefangenen, der ausschliesslich wegen Fluchtgefahr verhaftet
ist, zu beschränken.

Sachverhalt

    A.- Frauenknecht wird des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes und
der Verletzung militärischer Geheimnisse beschuldigt und befindet sich
seit 23. September 1969 in Basel in Haft. Am 3. Februar 1970 wurde er dem
eidgenössischen Untersuchungsrichter zugeführt, der ihn wegen dringenden
Fluchtverdachts in Haft behielt.

    Durch Beschwerde seines Verteidigers vom 22./23. Dezember 1970
stellt Frauenknecht das Begehren, es sei ihm zu gestatten, aus der
Untersuchungshaft heraus beliebig viele Briefe auf privatem Papier zu
versenden. Er begründet das Begehren unter anderem damit, er habe bis
gegen Weihnachten viele Briefe schreiben und dazu auch immer privates
Papier verwenden dürfen. Dann habe der Untersuchungsrichter angeordnet,
dass er, Frauenknecht, wöchentlich nur noch zwei Briefe auf Gefängnispapier
schreiben und versenden dürfe.

    B.- Der eidgenössische Untersuchungsrichter wurde am 28.  Dezember 1970
zur Vernehmlassung eingeladen, worauf er am 30. Dezember 1970 verfügte:

    "Im Sinne der Ziff. 2.1. der Weisung Nr. 63 der Staatsanwaltschaft
des Kantons Basel-Stadt bewillige ich Herrn Alfred Frauenknecht, in
Haft, wöchentlich zwölf Briefe auf neutralem Papier. Nicht an diese Zahl
angerechnet werden Briefe an Behörden und Verteidiger. Die Briefe sind
unverschlossen mir zur Kontrolle vorzulegen".

    In seiner Vernehmlassung führt der Untersuchungsrichter
insbesondere aus, dass in Basel die Besuchs- und Korrespondenz-Rechte der
Untersuchungsgefangenen in einer Weisung der Staatsanwaltschaft geregelt
seien. Nach dieser Weisung dürfe der Untersuchungsgefangene wöchentlich
zwei Briefe schreiben. Frauenknecht sei bisher keinen Beschränkungen
unterworfen gewesen. Von einer Einschränkung seiner Rechte könne auch jetzt
nicht gesprochen werden, da er wöchentlich zwölf Briefe schreiben dürfe
und diese - was nicht zu übersehen sei - kontrolliert werden müssten. Der
Untersuchungsrichter beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Die Anklagekammer zieht in Erwägung:

    Nach Art. 48 Abs. 1 BStP darf der Verhaftete in seiner Freiheit
nicht weiter beschränkt werden, als es der Zweck der Haft und die
Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefängnis erfordern.

    Der Zweck der Haft erfordert im vorliegenden Falle die Beschränkung
des Korrespondenzrechtes nicht, denn Frauenknecht ist ausschliesslich
wegen Fluchtgefahr verhaftet.

    Was zur "Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefängnis"
nötig ist, bestimmt nach BGE 96 IV 46 nicht die Hausordnung des
Untersuchungsgefängnisses, sondern das Bundesrecht. Bundesrechtliche
Gesichtspunkte verlangen aber nicht, dass die Zahl der Briefe beschränkt
werde, die der Verhaftete schreiben und versenden darf. Für die
Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefängnis ist es vollständig unerheblich,
ob der Verhaftete wöchentlich zwölf oder mehr Briefe verfasse und
dem Untersuchungsrichter zur Kontrolle und Weiterleitung zukommen
lasse. Der Untersuchungsrichter versucht die Beschränkung auf zwölf
Briefe denn auch nicht mit der Ordnung im Gefängnis zu rechtfertigen,
sondern ausschliesslich damit, dass von einer Einschränkung der Rechte
des Verhafteten auf Grund seiner Verfügung nicht gesprochen werden könne
und dass ihn die Kontrolle der Briefe übermässig belaste. Das sind keine
von Art. 48 BStP anerkannten Gründe. Diese Bestimmung legt es nicht in
das Ermessen des Untersuchungsrichters, zu bestimmen, wieviele Briefe
der Verhaftete schreiben darf. Sie anerkennt auch die Arbeitslast des
Untersuchungsrichters nicht als Grund zur Beschränkung.

Entscheid:

Demnach erkennt die Anklagekammer:

    In Gutheissung der Beschwerde wird Frauenknecht gestattet, aus der
Untersuchungshaft heraus beliebig viele Briefe auf seinem privaten Papier
zu versenden.