Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 II 97



97 II 97

16. Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. Juni 1971 i.S. Metzler gegen
Philanthropische Gesellschaft Union und Mitbeteiligte. Regeste

    Verletzung in den persönlichen Verhältnissen (Art. 28 ZGB).

    1.  Legitimation einer juristischen Person zur Klage wegen Verletzung
ihrer Privatsphäre (Erw. 2).

    2.  Die Zugehörigkeit zu einem Verein privaten Charakters, dessen Zweck
sich auf die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen beschränkt und der
deshalb in der Öffentlichkeit nicht hervortritt, gehört zur Privatsphäre
der Mitglieder. Die Zusammensetzung der Mitgliedschaft eines solchen
Vereins gehört aber auch zur Privatsphäre des Vereins selbst (Erw. 3).

    3.  Unbefugte Verletzung der Privatsphäre der Mitglieder und des
Vereins durch Veröffentlichung des Mitgliederverzeichnisses (Erw. 4).

    4.  Beseitigungs- und Unterlassungsklage der Verletzten (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- Die Philanthropische Gesellschaft Union ist ein Verein im Sinne von
Art. 60 ff. ZGB und verfolgt nach Art. 1 ihrer Statuten folgende Zwecke:

    "a) Das Streben nach dem Wahren und Guten; b) Die moralische Förderung
ihrer Mitglieder; c) Die Pflege der Freundschaft; d) Die gegenseitige
Unterstützung durch Schaffung von Hilfs- und Wohltätigkeitswerken."

    Heinrich Metzler betreibt in St. Gallen einen Adressenverlag. Er
bietet eine Reihe von "Spezial-Adress-Verzeichnissen" zum Kauf an, so z.B.
Adressverzeichnisse der Mitglieder der Freimaurer- und Odd-Fellows-Logen
sowie des Ambassador- und des Lions-Clubs der Schweiz. Zu den von ihm
vertriebenen Adressverzeichnissen gehört auch ein solches der Mitglieder
der Philanthropischen Gesellschaft Union, das er unter der Bezeichnung
"UNION-Logen der Schweiz, Adressverzeichnis ganze Schweiz /4000 Adressen
(Photok.)" zum Preise von Fr. 304.20 verkauft; ein allein die Stadt Zürich
betreffendes Adressverzeichnis bietet er zum Preise von Fr. 14.40 an.

    Mit Schreiben vom 5. Juni 1961 machte die Zentralverwaltung der
Philanthropischen Gesellschaft Union H. Metzler darauf aufmerksam, dass
das nur an Mitglieder abgegebene Adressbuch ausschliesslich Eigentum ihrer
Gesellschaft und dessen Nachdruck strengstens verboten sei. Sie teilte
ihm mit, dass sie sich mit einer Veröffentlichung der Adressen ihrer
Mitglieder auf keinen Fall einverstanden erklären könnte. Am 4. Oktober
1962 gelangte sie nochmals in gleichem Sinne an H. Metzler und drohte ihm,
die Angelegenheit im Falle der Nichtbeachtung ihres Schreibens ihrem
Rechtsvertreter zu übergeben. Am 26. August 1963 schliesslich schrieb
Fürsprecher Dr. H. Gutknecht in Bern H. Metzler folgenden Brief:

    "Seit Jahren preisen Sie in Zirkularen die Mitgliederverzeichnisse
verschiedener Logen, des Rotary- und anderer Clubs und der
Philanthropischen Gesellschaft UNION zum Verkauf an.

    Mit eingeschriebenen Briefen vom 5. Juni 1961 und 4. Oktober 1962
hat Ihnen die Zentralverwaltung der Philanthropischen Gesellschaft UNION
mitgeteilt, dass es sich bei dieser Gesellschaft um keine Loge handelt,
und gleichzeitig sind Sie gebeten worden, diese Gesellschaft bei Ihren
Werbeaktionen aus dem Spiel zu lassen. Es ist Ihnen auch bekannt, dass der
Nachdruck - und damit auch das Photokopieren - des Mitgliederverzeichnisses
untersagt ist, da es sich ausschliesslich um ein gesellschaftsinternes
Dokument handelt.

    Die beiden vorerwähnten Schreiben haben Sie nie beantwortet,
und ebensowenig haben Sie dem Ansuchen der Zentralverwaltung der
Philanthropischen Gesellschaft UNION entsprochen. In einem neuen -
allerdings undatierten - Zirkular, das aber offensichtlich in letzter Zeit
versandt worden ist, werben Sie neuerdings für das Mitgliederverzeichnis
dieser Gesellschaft.

    Namens der Philanthropischen Gesellschaft UNION erlaube ich mir,
Sie wiederholt darauf aufmerksam zu machen, dass die Verbreitung des
Mitgliederverzeichnisses durch Ihre Presseagentur nicht gestattet wird. Ich
bitte Sie aus diesem Grunde, die Philanthropische Gesellschaft UNION
in Zukunft nicht mehr zu erwähnen, damit weitere Schritte unterbleiben
können."

    B.- Im Mai 1968 reichten die Philanthropische Gesellschaft Union und
drei ihrer Mitglieder beim Bezirksgericht St. Gallen gegen H. Metzler
eine Klage mit folgenden Begehren ein:

    "1. Es sei festzustellen, dass der Vertrieb des Adressbuches
(Mitgliederverzeichnis) der Klägerin Nr. 1 durch den Beklagten die
Persönlichkeitsrechte der Kläger verletzt.

    2. Der Beklagte sei zu verpflichten, die bei ihm vorhandenen Original-
und vervielfältigten Exemplare des Adressbuches (Mitgliederverzeichnis)
der Klägerin Nr. 1 sowie die Listen (Spezialadressverzeichnisse), mit
welchen für den Vertrieb des Adressbuches (Mitgliederverzeichnis) der
Klägerin Nr. 1 geworben wird, an die Kläger herauszugeben.

    3. Dem Beklagten sei zu verbieten, inskünftig das Adressbuch
(Mitgliederverzeichnis) der Klägerin Nr. 1 auszugsweise oder durch
vollständige Wiedergabe zu vertreiben."

    Mit Urteil vom 2. Oktober 1969 schützte das Bezirksgericht St. Gallen
die Klagebegehren Ziff. 2 und 3, wogegen es dem Feststellungsbegehren
gemäss Ziff. 1 der Klage keine selbständige Bedeutung zuerkannte und sich
im Dispositiv dazu nicht aussprach.

    Am 7. September 1970 hat das Kantonsgericht St. Gallen die Berufung
des Beklagten gegen dieses Urteil abgewiesen.

    C.- Gegen den Entscheid des Kantonsgerichtes hat der Beklagte die
Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der
Klage, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz. Die Kläger
beantragen die Abweisung der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- ... (Prozessuale Fragen).

Erwägung 2

    2.- Die Vorinstanz hat die Aktivlegitimation der Philanthropischen
Gesellschaft Union bejaht. Da es sich dabei um eine Rechtsfrage handelt,
ist die Klagelegitimation dieser Gesellschaft vom Bundesgericht von
Amtes wegen zu prüfen (BGE 83 II 508; vgl. auch BGE 95 II 252 Erw. 3,
610 Erw. 2).

    Das Bundesgericht hat in BGE 95 II 488 Erw. 4 eingehend dargelegt,
dass der allgemeine Persönlichkeitsschutz grundsätzlich auch den
juristischen Personen zusteht (vgl. auch BGE 96 IV 148, wonach die
juristischen Personen den strafrechtlichen Ehrenschutz beanspruchen
können). Das Persönlichkeitsrecht der juristischen Person findet gemäss
Art. 53 ZGB allerdings dort seine Grenze, wo die darin enthaltenen
Ansprüche Eigenschaften voraussetzen, die ihrem Wesen nach nur den
natürlichen Personen zukommen. Das trifft für den Anspruch auf Schutz
der Privatsphäre, um den es hier geht, aber nicht zu. Juristische
Personen können nach der herrschenden Auffassung ähnlich wie die
natürlichen Personen eine Geheim- oder Privatsphäre haben (BGE 64 II
169 Erw. 6; EGGER, 2. Aufl. 1930, N. 12 zu Art. 53 ZGB; H. MAURER, Das
Persönlichkeitsrecht der juristischen Person bei Konzern und Kartell,
Zürcher Diss. 1953, S. 58; Chr. RIESEN, Die Persönlichkeitsrechte der
juristischen Personen, Basler Diss. 1955, S. 148 ff., mit Hinweisen;
JÄGGI, Fragen des privatrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit, ZSR
1960 II S. 133a ff., 217a; R. BÄR, Persönlichkeitsschutz der juristischen
Person, ZBJV 1967 S. 100 ff., bes. S. 103 Anm. 4). Die Vorinstanzen haben
daher die Klagelegitimation der Erstklägerin zu Recht bejaht und geprüft,
ob der Beklagte deren Persönlichkeitsrecht verletzt habe.

Erwägung 3

    3.- Ob eine unbefugte Verletzung der Kläger in ihren persönlichen
Verhältnissen vorliege, hängt zunächst davon ab, ob die Mitgliedschaft
bei einem Verein wie der Philanthropischen Gesellschaft Union überhaupt
zu dem durch Art. 28 ZGB geschützten Bereich der Privatsphäre gehört.

    Im neueren Schrifttum werden im Zusammenhang mit dem
Persönlichkeitsschutz drei verschiedene Teilgebiete des menschlichen
Lebensbereichs unterschieden, nämlich der Geheim-, der Privat- und
der Gemeinbereich, oder auf französisch: la vie intime, la vie privée
und la vie publique (JÄGGI, aaO S. 226a ff.; GROSSEN, Das Recht der
Einzelpersonen, in: Schweizerisches Privatrecht Bd. II, 1967, S. 285 ff.,
369; H. HUBMANN, Das Persönlichkeitsrecht, 1953, S. 228 ff.; K. E. HOTZ,
Zum Problem der Abgrenzung des Persönlichkeitsschutzes nach Art. 28 ZGB,
Zürcher Diss. 1967, S. 69 ff.). Die Geheim- oder Intimsphäre umfasst
darnach Tatsachen und Lebensvorgänge, die der Kenntnis aller andern
Leute entzogen sein sollen, mit Ausnahme jener Personen, denen diese
Tatsachen besonders anvertraut wurden. Zur Privatsphäre gehört der übrige
Bereich des Privatlebens; es sind ihr also alle jene Lebensäusserungen
zuzurechnen, die der einzelne mit einem begrenzten, ihm relativ nahe
verbundenen Personenkreis teilen will, so mit Angehörigen, Freunden und
Bekannten, jedoch nur mit diesen. Was sich in diesem Kreis abspielt,
ist zwar nicht geheim, da es von einer grösseren Anzahl von Personen
wahrgenommen werden kann. Im Unterschied zum Geheimbereich handelt es
sich jedoch um Lebenserscheinungen, die nicht dazu bestimmt sind, einer
breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu werden, weil die betreffende
Person für sich bleiben und in keiner Weise öffentlich bekannt werden will.

    Diese Unterscheidung verschiedener Lebenskreise ist zweckmässig, da
sie die Abgrenzung des rechtlich geschützten Bereiches der Persönlichkeit
erlaubt: Die Privatsphäre gehört zusammen mit der Geheimsphäre zum
rechtlich geschützten Persönlichkeitsbereich. Währenddem die in den Gemein-
oder Öffentlichkeitsbereich fallenden Tatsachen von jedermann nicht nur
ohne weiteres wahrgenommen, sondern grundsätzlich auch weiterverbreitet
werden dürfen, geniessen die zur Privatsphäre gehörenden Tatsachen
mindestens den Schutz vor öffentlicher Bekanntmachung; sie dürfen nur
im engeren Lebenskreise des Privatbereichs Drittpersonen zur Kenntnis
gebracht werden, dies im Unterschied zu den in die Geheimsphäre fallenden
Lebensäusserungen, die überhaupt nicht weiterverbreitet werden dürfen
(JÄGGI, S. 227a; HOTZ, S. 71 und 77; HUBMANN, S. 236).

    Die Mitgliedschaft bei einem Verein privaten Charakters, dessen
Zweck sich auf die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen beschränkt und
der demgemäss in der Öffentlichkeit nicht besonders hervortritt, gehört
nach dieser Unterscheidung zur Privatsphäre der einzelnen Mitglieder. Nur
ihnen selber und allenfalls noch den ihnen nahe stehenden Personen soll es
grundsätzlich vorbehalten sein, zu wissen, dass und mit wem zusammen sie
einer solchen Personenvereinigung angehören. Einer weiteren Öffentlichkeit
bekannt und daher dem Gemeinbereich zugehörig ist höchstens die Tatsache,
dass ein entsprechender Verein überhaupt existiert. Die Einzelheiten des
Vereinslebens und insbesondere die Zusammensetzung der Mitgliedschaft
hingegen haben privaten Charakter; sie sind nicht für die Öffentlichkeit
bestimmt.

    Der Beklagte wendet allerdings ein, nach den heute vorherrschenden
Anschauungen gehöre die Vereinszugehörigkeit einer Person nicht zum
rechtlich geschützten Privatleben und dürfe deshalb öffentlich bekannt
gemacht werden, wie dies denn auch in den verschiedensten Formen häufig
geschehe. Aus der Häufigkeit von Übergriffen in die Privatsphäre darf
jedoch nicht leichthin auf eine Wandlung in der Verkehrsauffassung
geschlossen und der Bereich der Privatsphäre dementsprechend eingeschränkt
werden. Aufgabe des Rechts ist es vielmehr, die Freiheit der Person in
der Gestaltung und Bewahrung ihres Privatlebens vor allen unberechtigten
Einmischungen zu schützen, und zwar besonders dann, wenn der Respekt
vor dem Privatleben immer schwächer zu werden droht. Der Umstand, dass
Verletzungen der Privatsphäre von den Betroffenen häufig hingenommen
werden und eher selten gerichtlich dagegen vorgegangen wird, ist wohl
in den meisten Fällen auf andere Ursachen zurückzuführen als auf das
stillschweigende Einverständnis des Verletzten (so z.B. auf Unkenntnis
der Abwehrmöglichkeiten oder auf Scheu vor den Kosten und Umtrieben
eines Gerichtsverfahrens). Wenn der Beklagte schliesslich geltend macht,
die blosse Verbreitung von Adressen sei keine Verletzungshandlung, weil
damit keinerlei rechtswidrige Nebenabsichten verfolgt würden wie z.B.
die Herabsetzung in den Augen der Mitbürger, übersieht er, dass die
Privatsphäre schon allein durch die Bekanntgabe einer ihr angehörenden
Tatsache verletzt wird, ohne dass es zusätzlich noch einer andern
Voraussetzung bedürfte; sie stellt, was oft übersehen wird, ein Rechtsgut
eigener Art dar, das nicht mit der persönlichen Ehre verwechselt werden
darf (GROSSEN, La protection de la personnalité en droit privé suisse,
ZSR 1960 II S. 1a ff., 84 a).

    Die Philanthropische Gesellschaft Union ist nach der Zweckumschreibung
in Art. 1 der Statuten eindeutig ein Verein privaten Charakters; nichts
deutet darauf hin, dass sie sich entgegen ihrem statutarischen Zweck
öffentlich betätigen würde. Die Vorinstanz hat daher zu Recht angenommen,
die Mitgliedschaft bei dieser Gesellschaft falle in den durch Art. 28 ZGB
geschützten Persönlichkeitsbereich der einzelnen Mitglieder. Fragen kann
sich nur, ob die Zusammensetzung der Mitgliedschaft auch zur Privatsphäre
des Vereins selber gehört, was der Beklagte ausdrücklich bestreitet.

    In der Regel werden sich die Privat- und die Geheimsphäre einer
juristischen Person und jene ihrer Mitglieder nicht decken, da eine
Tatsache entweder dem Tätigkeits- und Interessenbereich der Körperschaft
oder dann dem Lebenskreis des einzelnen Mitglieds zuzurechnen sein
wird, nicht aber gleichzeitig diesen beiden Bereichen (RIESEN, S. 151;
BÄR, S. 102). Es wäre in der Tat wenig sinnvoll, die Geheim- und die
Privatsphäre juristischer Personen so stark auszudehnen, dass sie sich
auf weite Strecken mit jenen ihrer Mitglieder decken. Anders verhält es
sich jedoch bezüglich der Frage, wie sich die Mitgliedschaft eines Vereins
zusammensetzt, dessen Zweck sich in der Pflege der zwischenmenschlichen
Beziehungen der Mitglieder erschöpft. Ein solcher Verein hat ein
eigenes Interesse daran, dass die Zusammensetzung seiner Mitgliedschaft
nicht beliebig öffentlich bekannt gemacht wird; denn zur Verfolgung des
statutarischen Zweckes gehört auch die Wahrung des privaten Charakters des
Vereinslebens und im Zusammenhang damit der Anonymität der Mitglieder. Die
Philanthropische Gesellschaft Union hat somit grundsätzlich einen eigenen
Anspruch darauf, dass ihre Mitgliederverzeichnisse nicht veröffentlicht
werden.

Erwägung 4

    4.- Gehört die Mitgliedschaft bei der Philanthropischen Gesellschaft
Union zu der durch Art. 28 ZGB grundsätzlich geschützten Privatsphäre
der einzelnen Mitglieder und hat die Gesellschaft selbst ein eigenes
Interesse an der Anonymität ihrer Mitglieder, das grundsätzlich
ebenfalls den Schutz von Art. 28 ZGB geniesst, so können sich die
Kläger nach Massgabe dieser Bestimmung gegen die Veröffentlichung der
Mitgliederliste der Gesellschaft durch den Beklagten wehren, wenn ihre
Privatsphäre durch diese Veröffentlichung "unbefugterweise" verletzt
wird. Unbefugt bedeutet hier nach herrschender Rechtsprechung und Lehre
nichts anderes als widerrechtlich im Sinne von Art. 41 OR (BGE 95 II 491
Erw. 6 mit Hinweisen). Die Abgrenzung des widerrechtlichen Verhaltens
von jenem, das die Rechtsordnung zulässt, ist besonders auf dem Gebiete
des Persönlichkeitsschutzes nicht immer einfach und fordert häufig eine
Abwägung widerstreitender Interessen (vgl. darüber allgemein: GROSSEN,
Schweiz. Privatrecht II S. 359 und ZSR 1960 II S. 24 a ff. und 84 a ff.;
JÄGGI, ZSR 1960 I.I S. 208 a ff. und 242 a ff.; HOTZ, S. 49 ff. und
80 ff.). Da die vom Beklagten veröffentlichten Angaben zu der gegen
Veröffentlichungen grundsätzlich geschützten Privatsphäre der Kläger
gehören, ist die Veröffentlichung widerrechtlich, wenn sich der Beklagte
nicht auf ein dem Geheimhaltungsinteresse der Kläger entgegenstehendes,
höher zu bewertendes Interesse an der Veröffentlichung oder auf einen
andern Rechtfertigungsgrund zu berufen vermag.

    a) Der Beklagte macht zur Rechtfertigung seines Verhaltens vor allem
geltend, die Philanthropische Gesellschaft Union habe im Jahre 1934
durch Beschluss ihrer Delegiertenversammlung auf die Geheimhaltung ihrer
Mitgliederlisten verzichtet, offenbar um damit der Verfassungsinitiative,
die auf ein Verbot der Freimaurer- und Odd-Fellows-Organisationen,
der Philanthropischen Gesellschaft Union und ähnlicher Gesellschaften
gerichtet war (sogenannte Initiative Fonjallaz), den Wind aus den
Segeln zu nehmen. Er behauptet, ein gegenteiliger Beschluss sei von der
Delegiertenversammlung seither nie gefasst worden, weshalb immer noch
der Beschluss des Jahres 1934 als massgebend zu betrachten sei.

    Es kann offen bleiben, ob sich der Beklagte damit auf die in den
Schranken von Art. 27 ZGB allgemein als Rechtfertigungsgrund anerkannte
Einwilligung des Verletzten berufen oder einwenden will, es fehle überhaupt
am Tatbestand einer Verletzung der Privatsphäre, weil der Beschluss über
die Offenbarung der Mitgliederlisten zu einer Verschiebung der Grenze
zwischen Privat- und Gemeinbereich im Sinne einer Ausscheidung dieser
Listen aus dem Privatbereich geführt habe. In beiden Fällen scheitert
der Rechtfertigungsversuch des Beklagten nämlich schon daran, dass der
Beklagte, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, nicht aus einem vor
37 Jahren gefassten Beschluss der Delegiertenversammlung der Erstklägerin
Rechte ableiten kann, nachdem diese ihm inzwischen durch das zu ihrer
Vertretung zuständige Organ wiederholt deutlich davon Kenntnis gegeben hat,
dass sie mit der Verbreitung ihres Mitgliederverzeichnisses jedenfalls
heute nicht mehr einverstanden ist. Ob sie sich dabei auf das Eigentum des
Vereins am Mitgliederverzeichnis oder auf das Persönlichkeitsrecht berief,
ist völlig belanglos. Wesentlich ist einzig, dass dem Beklagten gegenüber
unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wurde, dass. die Philanthropische
Gesellschaft Union mit dem Vertrieb ihres Mitgliederverzeichnisses nicht
einverstanden und daher nicht gewillt ist, ihn weiter zu dulden.

    Beigefügt sei, dass der Verzicht auf die Geheimhaltung
der Mitgliederlisten seinerzeit offenbar dem Staate gegenüber
ausgesprochen wurde, um auf diese Weise einen Beitrag zur Bekämpfung
der freiheitsfeindlichen Tendenzen zu leisten, die ein Verbot
bestimmter Vereine anstrebten. Ob einem solchen Beschluss auch gewisse
privatrechtliche Wirkungen zukommen könnten, kann dahingestellt bleiben;
denn diese Wirkungen könnten auf jeden Fall nicht so weit gehen, dass der
Verzicht auf die Geheimhaltung als zeitlich unbeschränkt und unwiderruflich
aufzufassen wäre. Der Vorstand der Philanthropischen Gesellschaft
Union konnte dem Beklagten daher in wirksamer Weise untersagen, das
Mitgliederverzeichnis in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Daran ändert
auch der Umstand nichts, dass Mitgliederlisten dieser Gesellschaft früher
veröffentlicht worden sind, ohne dass dagegen eingeschritten wurde; denn
die frühere Duldung von Verletzungen der Privatsphäre schliesst das Recht
nicht aus, neue Angriffe abzuwehren.

    b) Der Beklagte macht weiter geltend, die Vorinstanz habe zu
einseitig auf das Interesse der Kläger am Schutz ihrer Privatsphäre
abgestellt und zu wenig berücksichtigt, dass diesem Interesse dasjenige
von Dritten gegenüberstehe, alle Tatsachen erfahren zu können, die sie
kennen müssen, um sich ein abgerundetes Bild von der Persönlichkeit
der Partner im Geschäfts- und Privatleben zu verschaffen. Er sucht also
seinen Eingriff in die Privatsphäre der Kläger mit einem höherwertigen
Informationsinteresse seiner Kunden zu rechtfertigen.

    Wollte man ein allgemeines Interesse, von Einzelheiten aus dem
Privatleben irgendeiner andern Person Kenntnis erhalten zu können,
als berechtigt anerkennen, so gäbe es überhaupt keine geschützte
Privatsphäre mehr. Ein Schutz der Privatsphäre ist nur möglich, wenn das
Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit grundsätzlich hinter dem Anspruch
des einzelnen, für sich sein zu können, zurücktreten muss, m.a.W. wenn die
Berufung auf ein allgemeines Interesse an der Kenntnis privater Tatsachen
nicht ausreicht, um Eingriffe in die Privatsphäre zu rechtfertigen. Nur
ein besonders gewichtiges Interesse an Informationen darf daher höher
bewertet werden als der Anspruch auf ein ungestörtes Privatleben. Ein
höherwertiges Informationsinteresse kann z.B. vorliegen, wenn es sich
um berühmte Personen handelt oder um solche, die ein öffentliches Amt
ausüben. Tatsachen aus dem Privatleben solcher Personen dürfen innerhalb
gewisser Grenzen öffentlich bekannt gemacht werden, weil hier das Interesse
der Öffentlichkeit an der Kenntnis privater Gegebenheiten dasjenige
der betreffenden Person am Schutz ihrer Privatsphäre in gewissen Fällen
überwiegt (GROSSEN, ZSR 1960 II S. 85 a ff. und Schweiz. Privatrecht II
S. 371).

    Ein besonders hoch zu bewertendes Interesse der Öffentlichkeit,
erfahren zu können, wer alles Mitglied der Philanthropischen Gesellschaft
Union ist, kann nun aber nicht anerkannt werden. Der Hinweis des Beklagten
auf die von Auskunfteien vermittelten Informationen wie z.B. die
sog. vertraulichen Bankauskünfte schlägt schon deshalb nicht durch,
weil dem Wunsch nach solchen Informationen in der Regel wirtschaftliche
Motive zugrunde liegen, denen - allerdings in engen Grenzen - eine gewisse
Berechtigung nicht abgesprochen werden kann. Ähnliche Beweggründe sind
im hier zu beurteilenden Fall nicht anzunehmen. Auch die Tatsache, dass
sich sogar amtliche Stellen für einzelne der vom Beklagten vertriebenen
Mitgliederverzeichnisse interessierten, spricht - wie die Vorinstanz
zutreffend ausgeführt hat - noch keineswegs für das Vorhandensein eines
berechtigten öffentlichen Interesses.

    c) Der Beklagte kann sich aber auch nicht auf ein höherwertiges
eigenes Interesse am Vertrieb des Mitgliederverzeichnisses berufen. Ist
davon auszugehen, dass die öffentliche Bekanntmachung und Verbreitung des
Mitgliederverzeichnisses einer rein privaten Vereinigung grundsätzlich
eine unbefugte Verletzung der Privatsphäre der einzelnen Mitglieder wie
auch des Vereins selber darstellt, kann unmöglich angenommen werden, die
Verletzung sei dann nicht mehr rechtswidrig, wenn sie auf geschäftsmässiger
Basis erfolgt. Allein schon deshalb kann dem Beklagten kein berechtigtes
wirtschaftliches Interesse an Eingriffen in die Privatsphäre der Kläger
zugebilligt werden, so dass nicht näher geprüft werden muss, wie sich
das strittige Verbot auf seine wirtschaftliche Existenz auswirken wird.

    d) Der Beklagte behauptet schliesslich, die Beeinträchtigung der Kläger
in ihrer Privatsphäre sei derart geringfügig, dass sie bereits aus diesem
Grunde einfach hinzunehmen sei. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt
werden. Damit eine Tatsache wie die Zugehörigkeit zur Philanthropischen
Gesellschaft Union des rechtlichen Schutzes der Privatsphäre teilhaftig
werde, ist nicht erforderlich, dass ein besonderes Interesse an ihrer
Geheimhaltung (bzw. Nichtverbreitung) nachgewiesen werden kann. Der Umstand
allein, dass die Zugehörigkeit zu einem Verein Bestandteil des Privatlebens
bildet, macht dieses Verhältnis schon schutzwürdig. Das Privatleben setzt
sich aus einer Vielzahl von Einzeltatsachen zusammen, die - je für sich
allein betrachtet - nicht als besonders bedeutungsvoll erscheinen. Wollte
man die Schutzwürdigkeit dieser einzelnen Tatsachen gesondert nach ihrer
Bedeutung beurteilen, würde die Privatsphäre grösstenteils ihres Inhalts
beraubt und ihr Schutz damit gegenstandslos.

    Zusammenfassend ist festzuhalten, dass keine ausreichenden Gründe
vorhanden sind, die das Verhalten des Beklagten zu rechtfertigen
vermöchten; der Beklagte kann sich insbesondere nicht auf höherwertige
Interessen berufen, vor denen der Anspruch der Kläger auf den Schutz ihrer
Privatsphäre zurückzuweichen hätte. Die Verletzung der Kläger in ihren
persönlichen Verhältnissen ist somit eine unbefugte im Sinne von Art. 28
ZGB; den Klägern stehen daher die sich aus dieser Bestimmung ergebenden
Ansprüche auf Rechtsschutz zu.

Erwägung 5

    5.- a) Das Klagebegehren 2, mit dem die Verpflichtung des Beklagten zur
Herausgabe der noch in seinem Besitze befindlichen Mitgliederverzeichnisse
der Philanthropischen Gesellschaft Union sowie der Werbelisten an die
Kläger verlangt wird, erweist sich rechtlich als eine Beseitigungsklage. Es
soll zwar damit verhindert werden, dass der Beklagte die noch vorhandenen
Unterlagen weiter verbreiten kann, weshalb sich dieses Begehren ähnlich
wie die Unterlassungsklage auf das künftige Verhalten des Beklagten
bezieht. Mit Recht bezeichnet jedoch KUMMER in seiner Arbeit "Der
zivilprozessrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts" die Wegräumung
bereits getroffener Vorbereitungen zu einer Verletzungshandlung - er
erwähnt das im Druck befindliche beleidigende Flugblatt - als Gegenstand
des Beseitigungsanspruchs (ZBJV 1967 S. 108). Etwas ungewöhnlich ist,
dass die Herausgabe der betreffenden Unterlagen, die im Eigentum des
Beklagten stehen, an die Kläger verlangt wird. Die Aushändigung dieses
für den Beklagten nunmehr ohnehin wertlosen Materials an die Kläger kann
jedoch unter den gegebenen Umständen ähnlich wie dessen Vernichtung als
Bestandteil des Beseitigungsanspruchs betrachtet werden. Die Vorinstanzen
haben das Klagebegehren 2 somit zu Recht geschützt.

    b) Das Klagebegehren 3, mit dem ein Verbot der künftigen Verbreitung
des Mitgliederverzeichnisses der Erstklägerin verlangt wird, stellt eine
Unterlassungsklage dar. Die Klage auf Unterlassung drohender Störung ist
ein Anwendungsfall der in Art. 28 ZGB vorgesehenen Beseitigungsklage (BGE
95 II 500 Erw.11). Sie setzt nach der herrschenden Rechtsprechung und Lehre
ein besonderes Rechtsschutzinteresse des Verletzten voraus: Das Verhalten
des Beklagten muss eine künftige Verletzung ernstlich befürchten lassen
(BGE 95 II 500 Erw. 11; JÄGGI, ZSR 1960 II S. 178 ff. Ziff. 28; GROSSEN,
ebenda S. 40 a mit Hinweisen; GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht,
2. Aufl. 1958, S. 252 Ziff. 2). KUMMER weist jedoch zu Recht darauf hin,
dass das Vorliegen einer Verletzungsgefahr notwendigerweise stets nur eine
Vermutung darstellt und dass eine Unterlassungspflicht ohnehin nur indirekt
vollstreckt werden kann, weshalb der Nachweis des Rechtsschutzinteresses
leicht gemacht werden sollte (aaO S. 110). Im vorliegenden Fall fällt
in Betracht, dass der Beklagte auf die verschiedenen Aufforderungen
der Philanthropischen Gesellschaft Union, den Vertrieb ihres
Mitgliederverzeichnisses zu unterlassen, überhaupt nicht reagiert und
auf diese Weise die Klage provoziert hat. Der Unterlassungsanspruch der
Kläger ist unter diesen Umständen zu Recht bejaht worden.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes St.
Gallen (I. Zivilkammer) vom 7. September 1970 bestätigt.