Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 II 403



97 II 403

55. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. November 1971
i.S. Zürcher und Mitbeteiligte gegen Kredit- & Verwaltungsbank Zug AG
(in Konkursliquidation). Regeste

    Haftung der Organe einer Bankaktiengesellschaft.

    Art. 761 OR. Die Verletzung einer eidgenössischen
Gerichtsstandsbestimmung ist mit der Berufung zu rügen, wenn die letzte
kantonale Instanz diese Frage zusammen mit einer berufungsfähigen
Hauptsache beurteilt hat (Erw. 1a).

    Der Sondergerichtsstand des Art. 761 OR gilt auch für
Verantwortlichkeitsklagen gegen die Organe einer Bankaktiengesellschaft
(Erw. 1b).

    Art. 43 Abs. 3 Satz 1 BankG. Die Konkursmasse der
Bankaktiengesellschaft ist zur Geltendmachung des mittelbaren Schadens
der Gläubiger und Aktionäre der Gesellschaft befugt (Erw. 2).

    Art. 45 BankG. Die fünfjährige Verjährungsfrist fängt hinsichtlich
der Verantwortlichkeitsansprüche der Gläubiger erst mit der Eröffnung
des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft zu laufen an (Erw. 3).

    Art. 722 OR. Diese Vorschrift gilt auch für die Verwaltung einer
Bankaktiengesellschaft. Anforderungen an die Überwachungspflicht der
Verwaltung (Erw. 5b).

    Art. 44 Satz 1 BankG. Diese Vorschrift ist auch dann anwendbar,
wenn mehrere Personen denselben Schaden nicht gemeinsam verursacht haben
(Erw. 7a). Sie begründet echte Solidarität (Erw. 7c).

    Art. 44 Satz 2 BankG. Der Solidarschuldner kann sich grundsätzlich
nicht auf das Verhalten eines Mitverantwortlichen berufen. Ausnahmen
(Erw. 7d).

Sachverhalt

    A.- Die Aktionäre der Immobiliengesellschaft zum Kornmarkt AG, Luzern,
beauftragten im Jahre 1955 Oskar F. Berger, Mitglied des Verwaltungsrates,
die Aktien der Gesellschaft zu veräussern. Berger kam mit der Kredit-
& Verwaltungsbank Zug AG (KVB) in Verbindung, die sich gemeinsam mit
Dr. Hans Gambaro für den Kauf der Aktien interessierte. Der Verwaltungsrat
der KVB bestand damals aus Rechtsanwalt Dr. Ernst Beckhard, Präsident,
und Rechtsanwalt Paul Meyer, beide kollektivzeichnungsberechtigt, sowie
den einzelzeichnungsberechtigten Geschäftsführern Max Kaufmann und
Albert Zürcher.

    Die KVB erwarb am 12. Mai 1955 die Aktien der Immobiliengesellschaft
zum Kornmarkt AG, Luzern, und schloss am gleichen Tag mit Dr. Gambaro, der
am Vertrag nicht teilnahm, eine Vereinbarung über die interne Beteiligung
ab. Am 19. August 1955 verkaufte die KVB die Aktien der PKZ, Burger, Kehl &
Co. AG, Zürich, auf den 1. März 1956 zum Preise von Fr. 749'272.52. Der
Verwaltungsrat der KVB wurde in der Sitzung vom 25. August 1955 über
das Kornmarktgeschäft unterrichtet und nahm "in zustimmendem Sinne"
hievon Kenntnis. Nach Abzug verschiedener Unkosten und des Dr. Gambaro
zustehenden Gewinnanteiles verblieben der Bank gemäss einer undatierten
Abrechnung des Geschäftsführers Zürcher Fr. 114'780.10.

    Die KVB eröffnete - vermutlich am 12. Mai 1955 - auf den Namen
"Konsortium Immobiliengesellschaft zum Kornmarkt AG" ein Konto-Korrent,
auf welches alle Ein- und Ausgänge betreffend das Kornmarktgeschäft
verbucht wurden. Dieses Konto wies am 9. November 1955 einen nicht näher
bezeichneten Rückzug von Fr. 104'073.35 auf, den Kaufmann und Zürcher zum
Ausgleich eines fiktiven Kontos "Martin" und zur Verschleierung sogenannter
Vorbezüge benutzten, die in der Zeit vom 19. April bis 3. November 1955
insgesamt Fr. 147'073.35 betrugen.

    Das Konto-Korrent "Konsortium Immobiliengesellschaft zum Kornmarkt
AG" schloss am 31. Dezember 1956 infolge weiterer Belastungen mit einem
Passivsaldo von Fr. 49'442.--, der über ein Zinsrückstellungskonto
ausgebucht wurde.

    Die Kontrollstelle der KVB, die "Indep" Treuhand- und
Revisionsgesellschaft, bezeichnete im Bericht vom 25. Juli 1956 für das
Geschäftsjahr 1955 die Lage der Bank als sehr kritisch. Sie stellte fest,
dass das Aktienkapital als gänzlich verloren zu betrachten sei und dass
die bilanzmässigen Passiven durch die Aktiven nicht mehr voll gedeckt
seien. Infolgedessen machte sie den Verwaltungsrat der KVB auf Art. 725
OR aufmerksam. Inbezug auf das Kornmarktgeschäft führte sie aus, dass eine
Rückstellung von Fr. 140'000.-- als Schuld gelte. Kaufmann schrieb dazu in
seinen "Bemerkungen zur Eingabe an die Bankenkommission" vom 24. August
1956, die der Vorbereitung einer Stellungnahme des Verwaltungsrates zum
Revisionsbericht vom 25. Juli 1956 dienten:

    "Unter uns soll noch erwähnt werden der a.o. Ertrag von Fr. 147'000.--
i/S. Kornmarkt, der intern verbucht wurde."

    Im Bericht vom 15. August 1957 über das Geschäftsjahr 1956 kam die
"Indep" auf die Sache zurück und wurde deutlicher. Der Verwaltungsrat
der Bank beriet den Bericht der Kontrollstelle "... in nicht weniger
als drei langdauernden Sitzungen" und nahm in einer schriftlichen
Eingabe vom 19. September 1957, der er auch den Bericht Kaufmanns
vom 17. September 1957 beilegte, gegenüber der Eidg. Bankenkommission
Stellung. Die Bankenkommission machte mit Schreiben vom 3. Oktober 1957
den Verwaltungsrat der Bank insbesondere "auf das etwas dubiose Geschäft
unter dem Stichwort 'Immobiliengesellschaft zum Kornmarkt'..." aufmerksam,
"aus dem die Direktoren 1955 rund Fr. 230'000.-- bezogen, während 1956
der Bank ein Verlust von Fr. 49'000.-- belastet wurde". Ferner forderte
sie den Verwaltungsrat auf, wegen Überschuldung der Bank im Sinne des
Art. 725 Abs. 3 OR den Richter zu benachrichtigen.

    Am 2. Oktober 1959 wurde über das Vermögen der KVB der Konkurs
eröffnet. Kurz vorher wurde auf Veranlassung der Bankenkommission gegen
die Verwaltungsräte Kaufmann, Zürcher und Meyer eine Strafuntersuchung
eingeleitet wegen Betruges, Veruntreuung, Urkundenfälschung usw. Das
Verhöramt des Kantons Zug stellte am 17. Juli 1964 die Untersuchung
gegen den Angeschuldigten Meyer ein und überwies die Akten der
Staatsanwaltschaft zur Erhebung einer Anklage gegen Kaufmann und
Zürcher. Die Staatsanwaltschaft sah mit Bezug auf das Kornmarktgeschäft
von einer Anklage ab, da bei Abschluss der Strafuntersuchung die in Frage
stehende Veruntreuung wegen Eintritts der absoluten Verjährung nicht mehr
verfolgt werden konnte.

    Das Strafgericht Zug verurteilte am 20. Januar 1967 Zürcher wegen
Betruges und sprach Kaufmann von Schuld und Strafe frei.

    B.- Am 12. Februar 1963 klagte die KVB beim Kantonsgericht des Kantons
Zug gegen Kaufmann (Beklagten 1), Zürcher (Beklagten 2), Meyer (Beklagten
3) und Beckhard (Beklagten 4) solidarisch auf Zahlung von Fr. 143'666.15
nebst Zins zu 5% seit 27. Juli 1955.

    Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens sind die Beklagten 1 und 4
gestorben. Die Erben des Beklagten 1 haben den Nachlass ausgeschlagen. Da
der Prozess weder von der Konkursmasse noch von einzelnen Gläubigern
nach Art. 260 SchKG fortgeführt wurde, erachtete das Kantonsgericht die
Forderung als durch die Masse anerkannt (Art. 63 Abs. 2 KV). Der Beklagte
4 hinterliess als einzige Erbin seine Ehefrau, die an seiner Stelle in
den Prozess eingetreten ist.

    Das Kantonsgericht des Kantons Zug schrieb am 22. April 1970 die Klage
gegen den Beklagten 1 infolge Anerkennung durch die Konkursmasse ab und
verpflichtete diese mit den Beklagten 2 bis 4 solidarisch zur Zahlung
des eingeklagten Betrages nebst Zinsen.

    Das Obergericht des Kantons Zug wies am 5. Juni 1971 die Berufung
der Beklagten 2-4 ab und bestätigte das angefochtene Urteil.

    C.- Die Beklagten 2-4 haben die Berufung an das Bundesgericht erklärt.

    Die Beklagten 2 und 4 beantragen in erster Linie, auf die Klage nicht
einzutreten. Alle Beklagten verlangen sodann die Abweisung der Klage,
eventuell die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz, damit sie die Akten
ergänze und neu entscheide. Subeventuell beantragen die Beklagten 3 und 4,
den Rückgriff unter sämtlichen Beteiligten im "Vorverfahren urteilsmässig
festzusetzen".

    Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beklagten 2 und 4 bestreiten die Zuständigkeit der zugerischen
Gerichte, soweit die Klage sie betrifft. Sie sind der Meinung, dass das
Bankengesetz - im Gegensatz zu Art. 761 OR - für Verantwortlichkeitsklagen
keinen bundesrechtlichen Gerichtsstand vorsehe, weshalb sie nach Art. 59
BV beim Richter ihres Wohnortes, d.h. in Luzern oder Meilen/ZH hätten
belangt werden müssen.

    a) Wenn sich in einer der Berufung unterliegenden Streitsache eine
Gerichtsstandsfrage eidgenössischen Rechts stellt und die letzte kantonale
Instanz diese Frage zusammen mit der Hauptsache beurteilt, ist ihr
Entscheid wegen Verletzung der eidgenössischen Gerichtsstandsvorschriften
mit der Berufung, nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung
des Art. 59 BV anzufechten (BGE 57 II 134 Erw. 1, 64 II 91). Auf die Rüge
ist daher einzutreten.

    b) Das Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen (BankG) enthält
in den Vorschriften über die zivilrechtliche Verantwortlichkeit
(14. Abschnitt, Art. 38 bis 43) keine Gerichtsstandsbestimmung. Bei
der Beratung des Gesetzes setzte sich die Auffassung des Ständerates
durch, dass die vom Nationalrat befürwortete Einführung eines
besonderen Gerichtsstandes für Verantwortlichkeitsklagen gegen die
Gerichtsstandsgarantie des Art. 59 BV verstosse (vgl. die Voten von
Thalmann und Amstalden, Sten Bull StR 1934, S. 268, 455/56, 463 sowie
von Abt und Dollfus, Sten Bull NatR 1934, S. 716 ff., 819 und 824). Den
gleichen Standpunkt vertrat der Ständerat anfänglich auch bei der Beratung
des neuen OR (vgl. die Voten von Thalmann und Keller, Sten Bull StR 1935,
S. 107 und 265, 1936, S. 89); er gab jedoch bei der Differenzbereinigung
mit dem Nationalrat (der auf die Gerichtsstandsfrage zurückgekommen war)
nach, so dass mit Art. 761 OR für die aktienrechtliche Verantwortlichkeit
ein einheitlicher Gerichtsstand am Sitz der Gesellschaft geschaffen wurde
(vgl. die Voten von Scherer und Aeby, Sten Bull NatR 1935, S. 193/94).

    Zu prüfen ist, ob Art. 761 OR auch für Klagen gegen die
verantwortlichen Personen einer Bank gelte, obwohl die Räte bei der
Beratung des Bankengesetzes die Einführung eines Sondergerichtsstands
abgelehnt haben. Das jüngere Obligationenrecht behält in den Schluss-
und Übergangsbestimmungen die Vorschriften des BankGvor (Art. 16). Daraus
ergibt sich, dass dort, wo das Bankengesetz eine Vorschrift enthält,
diese gilt, und dass dort, wo im Bankengesetz eine Bestimmung
fehlt, das Obligationenrecht anwendbar ist (REIMANN, Kommentar zum
schweizerischen Bankengesetz, S. 14 N. 14; SCHERER, Sten Bull NatR,
1936, S. 784). Wäre der Gesetzgeber der Meinung gewesen, Art. 761 OR
gelte für bankenrechtliche Verantwortlichkeitsklagen nicht, so hätte er
in den Schluss- und Übergangsbestimmungen des OR einen entsprechenden
Vorbehalt aufgenommen. Bezeichnenderweise hat er in Art. 17 der Schluss-
und Übergangsbestimmungen verschiedene Vorschriften des Bankengesetzes
abgeändert. Es besteht denn auch kein Grund, bloss die verantwortlichen
Personen irgendeiner Aktiengesellschaft dem einheitlichen Gerichtsstand
des Art. 761 OR zu unterwerfen, nicht aber jene einer Bank, die als
Aktiengesellschaft besteht. Die Unzuständigkeitseinrede ist daher zu
verwerfen.

Erwägung 2

    2.- Die Klageschrift vom 12. Februar 1963 bezeichnet die "Kredit-
& Verwaltungsbank Zug AG (in Konkursliquidation) vertreten durch die
Konkursverwaltung..." als Klägerin. Der Beklagte 2 macht geltend, die
Klage sei "angebrachtermassen" abzuweisen, weil entgegen Art. 43 BankG
nicht die Konkursverwaltung, sondern die sich in Konkursliquidation
befindende Gesellschaft klage.

    Nach Art. 43 Abs. 3, Satz 1 BankG, der inhaltlich mit Art. 756
Abs. 1 OR übereinstimmt, steht im Konkurs der Bank die Geltendmachung
von Verantwortlichkeitsansprüchen der einzelnen Aktionäre und
Gesellschaftsgläubiger gegen die gemäss Art. 40-42 BankG haftenden
Personen zunächst der Konkursverwaltung zu. Diese ist mit Bezug auf
die Konkursmasse die gesetzliche Vertreterin der Gemeinschuldnerin
(GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, S. 114). Sie vertritt die
Masse vor Gericht (Art. 204 SchKG), klagt also trotz des Wortlautes
des Art. 43 Abs. 3, Satz 1 BankG und Art. 756 Abs. 1 OR nicht im
eigenen Namen. Die auf der unmittelbaren Schädigung der Bank beruhenden
Verantwortlichkeitsansprüche der Gläubiger und Aktionäre gehen daher
zunächst auf Leistung an die Konkursmasse (BGE 86 III 161, SCHUCANY,
Kommentar zum schweizerischen Aktienrecht, 2. Auflage 1960, S. 206;
FUNK, Kommentar des Obligationenrechtes II, N. 2 zu Art. 756 OR). So hat
die I. Zivilabteilung des Bundesgerichts im unveröffentlichten Entscheid
vom 7. Oktober 1958 i.S. Duttweiler/Kehrli c. Konkursmasse der Maritime
suisse SA, Erw. 2, die Klageberechtigung der Konkursmasse inbezug auf den
mittelbaren Schaden der Gesellschaftsgläubiger anerkannt. Die Konkursmasse
der Kredit- & Verwaltungsbank AG war daher zur Geltendmachung von
Verantwortlichkeitsansprüchen der Gesellschaftsgläubiger berechtigt. Die
Einrede des Beklagten 2 ist zu verwerfen.

Erwägung 3

    3.- Die Beklagten 2-4 halten an der Einrede der Verjährung fest. Sie
sind der Meinung, die Verjährungsfrist habe für die Konkursmasse als
"Rechtsnachfolgerin der Bank" so zu laufen begonnen wie sie - ohne den
Konkursausbruch - für die Gesellschaft angefangen hätte. Da die Beklagten
1 und 2 Bestand und Zweck des Kontos "Martin" kannten und daraus Bezüge
machten, habe die Verjährungsfrist im Jahre 1955, spätestens aber mit dem
zweiten Bericht der "Indep" vom 16. September 1957 zu laufen begonnen. Die
fünfjährige Verjährungsfrist des Art. 45 BankG sei daher bei Einreichung
der Klage vom 12. Februar 1963 abgelaufen gewesen.

    Gemäss Art. 45 BankG, der mit Art. 760 OR übereinstimmt, verjähren die
Schadenersatzansprüche gegenüber den nach den vorangehenden Bestimmungen
verantwortlichen Personen in fünf Jahren von dem Tag hinweg, an dem der
Geschädigte Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen
erlangt, jedenfalls aber mit dem Ablauf von 10 Jahren, vom Tag der
schädigenden Handlung an gerechnet (Abs. 1). Wird die Klage aus einer
strafbaren Handlung hergeleitet, für die das Strafrecht eine längere
Verjährung vorschreibt, so gilt diese auch für den Zivilanspruch (Abs. 2).

    Die Argumentation der Beklagten 2-4 wäre zu überprüfen, wenn die
Konkursmasse Schadenersatzansprüche der Gesellschaft eingeklagt hätte. Sie
hat indessen den mittelbaren Schaden der Gesellschaftsgläubiger geltend
gemacht. Dieses Klagerecht kann jedoch nur geltend gemacht werden, wenn
über die Aktiengesellschaft der Konkurs eröffnet worden ist. Es wäre daher
widersinnig, wenn die fünfjährige Verjährungsfrist des Art. 45 BankG
zu laufen begänne, bevor das Klagerecht überhaupt ausgeübt werden kann
(Entscheid der I. Zivilabteilung vom 7. Oktober 1958 i.S. Duttweiler/Kehrli
gegen Konkursmasse der Maritime suisse SA, Erw. 2). In der Regel erfahren
die Gläubiger die Höhe ihres Schadens erst nach der Konkurseröffnung mit
der Auflegung des Kollokationsplanes (BGE 87 II 300). Die Verjährungsfrist
für die Verantwortlichkeitsansprüche der Gläubiger begann daher frühestens
mit der Konkurseröffnung über die Bank, d.h. am 2. Oktober 1959, zu
laufen. Die Klage wurde am 12. Februar 1963, also innert der ordentlichen
fünfjährigen Verjährungsfrist und vor Ablauf der absoluten zehnjährigen
Verjährungsfrist des Art. 45 Abs. 1 BankG eingereicht. Damit erübrigt
sich die Prüfung der Verjährung nach Art. 45 Abs. 2 BankG.

Erwägung 5

    5.- a) Der Beklagte 2 hat zusammen mit dem Beklagten 1 den Gewinn aus
dem Kornmarktgeschäft der Bank widerrechtlich entzogen und sich damit der
Veruntreuung schuldig gemacht. Die strafrechtliche Verfolgung unterblieb,
weil die Verfolgungsverjährung bereits eingetreten war. Das ändert aber
am Verschulden des Beklagten 2 nichts.

    b) Die Beklagten 3 und 4 werfen dem Obergericht sinngemäss vor, es
habe die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Verwaltungsrates der
Aktiengesellschaft überspannt.

    Nach Art. 722 Abs. 3 OR hat die Verwaltung die mit der Geschäftsführung
beauftragten Personen (auch wenn diese der Verwaltung angehören) zu
überwachen und sich regelmässig über den Geschäftsgang unterrichten
zu lassen. Sie hat diese Pflicht "mit aller Sorgfalt zu erfüllen"
(Art. 722 Abs. 1 OR). Diese Vorschriften sind, obwohl im Bankengesetz
nicht enthalten, deshalb anzuwenden, weil die KVB eine Aktiengesellschaft
ist (vgl. Erw. 1b). Es kommt daher nichts darauf an, dass das auf den
1. Januar 1957 in Kraft gesetzte Reglement der Bank die Pflichten des
Verwaltungsrats gleich umschreibt wie Art. 722 Abs. 3 OR. Nach dieser
Vorschrift muss der Verwaltungsrat nicht jedes einzelne Geschäft, sondern
die Tätigkeit der Geschäftsleitung und den Geschäftsgang im allgemeinen
überprüfen (SCHUCANY, N. 4 zu Art. 722 OR). Das setzt voraus, dass der
Verwaltungsrat die ihm unterbreiteten Berichte kritisch liest, nötigenfalls
von der Geschäftsleitung ergänzende Auskünfte verlangt und bei Feststellung
von Irrtümern oder Unregelmässigkeiten einschreitet (vgl. HIRSCH,
La responsabilité des administrateurs dans la société anonyme,
Sem. jud. 1967, S. 261; BÄR, Verantwortlichkeit des Verwaltungsrates
der Aktiengesellschaft, ZBJV 1970, S. 487). Die Beklagten können sich
daher nicht mit dem Einwand entlasten, dass sie sich an höchstens 10
halbtägigen Sitzungen im Jahr mit den "dringlichsten Sachen beschäftigten"
und dafür nur "Fr. 3'000.-- bzw. Fr. 2'000.-- nebst ... Fr. 200.-- pro
Sitzung bezogen". Konnten sie mangels Zeit oder genügender Fachkenntnisse
ihre Pflicht nicht sorgfältig erfüllen, so hatten sie auf einen Sitz im
Verwaltungsrat der Bank zu verzichten (vgl. BGE 93 II 27 Erw. 3).

    Der Vorinstanz ist daher darin beizupflichten, dass der Beklagte 3
und der Präsident des Verwaltungsrates einzuschreiten hatten, sobald
ihnen eine gesetzwidrige oder gar deliktische Handlung zur Kenntnis
kam oder bei Anwendung der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt
zur Kenntnis kommen musste. Die Vorinstanz stellt unter Hinweis
auf die Ausführungen des Kantonsgerichts fest, dass sie über das
Kornmarktgeschäft unterrichtet wurden und dass sie von Anfang an der
Ansicht waren, der daraus entstehende Gewinn gehöre nach Abzug des Dr.
Gambaro zustehenden Teils der Bank. Das Obergericht billigte ihnen auch
zu, dass sie bis zum 25. Juli 1956 die unlautern Machenschaften der
Beklagten 1 und 2 nicht kannten und nicht kennen mussten. Damals änderte
sich aber die Lage, als der Bericht der "Indep" für das Geschäftsjahr
1955 vorlag. Er enthielt ausser der beunruhigenden Feststellung, dass
das Aktienkapital als gänzlich verloren zu betrachten sei und dass die
in der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten durch die vorhandenen
Aktiven nicht mehr voll gedeckt seien, auf S. 106 den verdächtigen
Vermerk: "Rückstellung i.S. Kornmarkt als Schuld zu betrachten =
Fr. 140'000.--". Ob die Missachtung dieses Hinweises den Beklagten 3 und
den Präsidenten des Verwaltungsrates deshalb zu entschuldigen vermag, wie
das Obergericht annimmt, weil ihre Aufmerksamkeit dringlicheren Problemen,
insbesondere der Erwägung einer Insolvenzerklärung gegolten habe, kann
offen bleiben. Anlass zu Argwohn mussten ihnen auf jeden Fall die vom
Beklagten 1 verfassten "Bemerkungen zur Eingabe an die Bankenkommission"
vom 24. August 1956 geben. Diese "Bemerkungen", welche dem Verwaltungsrat
als Grundlage für die Ausarbeitung einer Stellungnahme zum Bericht der
"Indep" vom 25. Juli 1956 zuhanden der Eidg. Bankenkommission dienen
sollten, enthielten den vielsagenden Satz: "Nur unter uns soll noch
erwähnt werden der a. o. Ertrag von Franken 147'000.-- i/S. Kornmarkt,
der intern verbucht wurde ...". Die Vorinstanz stellt verbindlich fest,
dass der Beklagte 3 und der Präsident des Verwaltungsrates diesen internen
Bericht zugegebenermassen gelesen haben. Sie mussten als Rechtsanwälte
wissen, dass es bei Banken - gleich wie bei andern Unternehmen - nicht
"interne" und "externe" Buchungen, sondern nur solche gibt, die mit dem
tatsächlichen Geschäftsablauf übereinstimmen. Auch war ihnen bekannt, dass
das Kornmarktgeschäft die Bank betraf und dass der daraus erzielte Gewinn
auszuweisen war, also nicht "intern" verbucht werden durfte. Sie mussten
also annehmen, dass die Beklagten 1 und 2 mit der ausserordentlichen
Verbuchung des Kornmarktgeschäftes etwas zu verheimlichen trachteten.
Folglich waren sie verpflichtet, von den Beklagten 1 und 2 Aufschluss
zu verlangen und nötigenfalls die "interne" Verbuchung zu überprüfen
oder durch Sachverständige überprüfen zu lassen, was zur Aufdeckung des
wahren Sachverhalts geführt hätte. Das Kornmarktgeschäft wurde in der
Sitzung des Verwaltungsrates vom 21. August 1956, also einige Tage vorher,
zur Sprache gebracht und war nach der Darstellung der Geschäftsleitung
"durchgeführt und sozusagen abgeschlossen". Es lag also nicht so weit
zurück, dass es der Beklagte 3 und der Präsident des Verwaltungsrates
als längst erledigt betrachten durften und die auffällige Bemerkung im
Bericht des Beklagten 1 nicht zu beachten brauchten. Auch die weitere
Entwicklung der Lage zeigt, dass der Beklagte 3 und der Präsident
des Verwaltungsrates ihre Überwachungspflicht verletzten. Sie konnten
dem Revisionsbericht der "Indep" vom 15. August 1957 entnehmen, dass
der Beklagte 1 zulasten des Kornmarktgeschäftes am 9. November 1955
Fr. 147'000.-- bezogen hatte, während zulasten der Bank ein Verlust von
Fr. 49'441.-- verbucht war. Auch gab der Bericht darüber Aufschluss,
dass die Beklagten 1 und 2 der "Indep" keine Angaben über ihre Bezüge
gemacht hatten. Freilich beriet der Verwaltungsrat in drei "langdauernden
Sitzungen" den Bericht der "Indep" vom 15. August 1957 und verfasste dazu
am 19. September 1957 eine vom Verwaltungsratspräsidenten unterzeichnete
Stellungnahme an die Bankenkommission. Dieser Bericht erwähnte indessen das
Kornmarktgeschäft nicht. Dagegen enthielt der vom Beklagten 1 verfasste
und vom Präsidenten des Verwaltungsrates genehmigte Direktionsbericht,
der der Stellungnahme beigelegt war, die wahrheitswidrige Behauptung,
der Bank seien alle Erträge, die ihr aus dem Kornmarkgeschäft gehörten,
zugekommen. Angesichts der kritischen Bemerkungen der "Indep" durfte
der Präsident des Verwaltungsrates die erwähnte Stellungnahme nicht
unterzeichnen und damit den Bericht des Beklagten 1 gleichzeitig billigen,
bevor er das Kornmarktgeschäft gründlich geprüft hatte oder nötigenfalls
durch einen Sachverständigen hatte prüfen lassen. Dass die beiden
Verwaltungsräte auch angesichts des Berichtes der Eidg. Bankenkommission
vom 3. Oktober 1957, in welchem "vom dubiosen Kornmarktgeschäft" die Rede
ist, keinen Anlass hatten, die Glaubwürdigkeit der Beklagten 1 und 2 zu
bezweifeln und von ihnen klare Auskunft zu verlangen, ist schlechterdings
nicht einzusehen.

Erwägung 7

    7.- a) Nach Art. 44 Satz 1 BankG haften mehrere "aus derselben
Schadenszufügung" (même dommage, lo stesso danno) ersatzpflichtigen
Personen solidarisch. In Art. 759 OR ist dagegen "vom selben Schaden"
die Rede. Daher fragt es sich, ob nach BankG - im Gegensatz zum OR - die
solidarische Haftung gemeinsame Handlungen oder Unterlassungen voraussetzt,
wie die Beklagten 3 und 4 anzunehmen scheinen.

    Das ist schon nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu
verneinen. Art. 44 BankG geht auf Art. 753 des Entwurfes zum OR, wie er
zur Zeit der Entstehung des Bankengesetzes vorlag, zurück. Die von der
Redaktionskommission des OR im Entwurf vom Dezember 1936 eingeführte
Fassung des heutigen Art. 759 Abs. 1 OR - der im deutschen Text die
Wendung "Schadenszufügung" durch "vom selben Schaden" ersetzt - konnte
im Bankengesetz, das am 26. Februar 1935 in Kraft getreten war, nicht
mehr berücksichtigt werden. Die beiden Vorschriften stimmen also, von
der redaktionellen Fassung abgesehen, überein.

    Auch der Zweckgedanke des Art. 44 Satz 1 BankG verbietet es,
die verantwortlichen Personen einer Bankaktiengesellschaft besser zu
stellen als diejenigen einer andern Aktiengesellschaft. Die Beratung
der Gesetzesvorlage stand unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise der
Dreissigerjahre und der damit zusammenhangenden Schwierigkeiten und
Zusammenbrüche der Banken (REIMANN, aaO S. 14/15). Der Gesetzgeber suchte
daher u.a. durch entsprechende Ausgestaltung der Haftung, den Schutz der
Bankgläubiger zu verbessern. Art. 44 Satz 1 BankG ist somit wie Art. 759
Abs. 1 OR auch dann anwendbar, wenn mehrere Personen denselben Schaden
nicht gemeinsam verursacht haben.

    c) Der streitige Schaden ist auf unerlaubte Handlungen der Beklagten
1 und 2 und auf fahrlässige Pflichtverletzungen des Beklagten 3 und des
Rechtsvorgängers der Beklagten 4 zurückzuführen. Obwohl die Haftung auf
verschiedenem Entstehungsgrund beruht, liegt angesichts der einheitlichen
Gesetzesvorschrift echte Solidarität vor (Art. 143 Abs. 2 OR).

    d) Die Beklagten 3 und 4 bestreiten die Solidarhaftung an sich
nicht. Sie meinen aber, ihre Verantwortlichkeit sei wegen des "sehr
geringen" Verschuldens auf Fr. 10'000.-- zu begrenzen und intern im
Verhältnis von Fr. 4'000.-- (Beklagter 3) zu Fr. 6'000.-- (Beklagte 4)
aufzuteilen.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts wird bei echter Solidarität
(Haftung aus gemeinsamem Rechtsgrund, Art. 143 und 50 Abs. 1 OR) wie bei
unechter Solidarität oder Anspruchskonkurrenz (Haftung aus verschiedenen
Rechtsgründen, Art. 51 Abs. 1 OR) die Haftung des Schädigers gegenüber dem
Geschädigten nicht dadurch vermindert, dass auch Dritte für den gleichen
Schaden einzustehen haben. Der Gläubiger kann daher jeden Schuldner für
die ganze Forderung belangen. Die Aufteilung der Zahlungspflicht unter die
verschiedenen Schuldner berührt ihn nicht. Sie ist Gegenstand der internen
Auseinandersetzung (vgl. BGE 93 II 333). So bestimmen Art. 44 Satz 2 BankG
und Art. 759 Abs. 1 OR ausdrücklich, dass der Rückgriff unter mehreren
Beteiligten vom Richter nach dem Grad des Verschuldens des Einzelnen
zu bestimmen sei. Das schliesst die Möglichkeit aus, den solidarisch
geschuldeten Betrag nach dem Verschulden und den Umständen des am stärksten
belasteten Schuldners zu bestimmen (vgl. REICHWEIN, Über die Solidarhaftung
der Verwaltungsräte der Aktiengesellschaft und ihre Beschränkung, SJZ
1968 S. 129 f.). Im übrigen müsste der Gläubiger nach dem vermittelnden
Vorschlag Reichweins sämtliche Solidarschuldner gemeinsam ins Recht fassen
- was für aktienrechtliche Verantwortlichkeitsklagen nach Art. 761 OR und
sonst nach dem kantonalen Prozessrecht zulässig wäre (BGE 93 II 333) -,
obwohl er unter Umständen eine Klage gegen den meistbelasteten Schuldner
zum vorneherein als zwecklos erachten müsste. Würde er aber nach der
erwähnten Lösung nur die andern Solidarschuldner belangen, so läge ihre
solidarische Haftung erheblich unter dem wirklichen Schaden. Die weiter in
der Lehre (BÜRGI, Probleme differenzierter Schadenersatzpflicht bei der
Solidarhaftung von Verwaltungsräten der Aktiengesellschaft, St. Galler
Festgabe 1965, S. 29 ff.; und HIRSCH, aaO S. 267) vertretene Auffassung,
es sei unlogisch, dass der einzige, allein belangbare Schuldner sich auf
individuelle Herabsetzungsgründe berufen dürfe, jedoch nicht eine Mehrheit
von Verantwortlichen, verkennt das Wesen der Solidarität. Diese lässt
sich nicht logisch begründen und ergibt sich auch nicht aus dem Wesen
der Adäquanz; denn das Kausalitätsprinzip würde gegenteils verlangen,
dass jeder nur für den Teil haftet, den er verursacht hat oder für
dessen Verursacher er einstehen muss (OFTINGER, Haftpflichtrecht, Bd. I
2. Auflage S. 295/96). Die solidarische Haftung beruht vielmehr auf dem
Bestreben, dem Gläubiger eine möglichst vollständige Befriedigung für seine
Ansprüche zu sichern (BGE 93 II 322). Den schutzwürdigen Interessen des
belangten Schuldners trägt die Einräumung des Rückgriffsrechtes im internen
Verhältnis der mehreren Schuldner genügend Rechnung. Die Möglichkeit, dass
wegen Zahlungsunfähigkeit der andern Schuldner der Rückgriff ergebnislos
bleibt, darf nicht als Grund für die Beschränkung der Haftung des belangten
Schuldners in Betracht gezogen werden; denn es wäre noch ungerechter, wenn
statt eines der mehreren Schadensstifter der Geschädigte einen Verlust
auf sich nehmen müsste (BGE 93 II 323 und dort erwähnte Entscheide).

    Das Verhalten des einen Verantwortlichen entlastet den andern dem
Geschädigten gegenüber nur, wenn es den ursächlichen Zusammenhang zwischen
dem Verhalten des andern und den Schaden als inadäquat erscheinen lässt
oder wenn und soweit es das Verschulden des andern mildert (BGE 93 II
322). Die Beklagten 3 und 4 erfüllen keine dieser Voraussetzungen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufungen werden abgewiesen, soweit daraufeingetreten wird. Das
Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 5. Januar 1971 wird bestätigt.