Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 97 II 161



97 II 161

23. Urteil der I. Zivilabteilung vom 4. Mai 1971 i.S. Liniger gegen
L'Assicuratrice Italiana. Regeste

    Art. 65 Abs. 2 SVG. Der Versicherer hat die Haftpflicht des Halters
nach Art. 58f. SVG zu decken, gleichgültig wie der Versicherungsvertrag
lautet (Erw. 1).

    Art. 61 Abs. 2 SVG. Der an einem Unfall beteiligte Halter eines nicht
in Betrieb stehenden Fahrzeugs haftet nur, wenn ihm der andere Halter
einen Vorgang nach Art. 58 Abs. 2 SVG nachweist. Erst dann ist Art. 61
Abs. 1 anzuwenden (Erw. 2).

    Art. 58 Abs. 1 SVG. Ein am Strassenrand stehender Lastwagen bildet nur
mit seiner Masse ein Hindernis, das mit der besondern, durch den Betrieb
eines Motorfahrzeugs geschaffenen Gefahr nichts zu tun hat (Bestätigung
der Rechtsprechung; Erw. 3).

    Art. 58 Abs. 2 SVG, 18 Abs. 1 VRV, 37 Abs. 2 SVG, 23 Abs. 2 VRV. Kein
Verschulden des Führers, wenn er - ohne das Pannensignal aufzustellen -
ein Motorfahrzeug auf einer Nebenstrasse am Rand stehen lässt und letzteres
- in der Fahrrichtung gesehen - aus einer Entfernung von mehr als 100 m
wahrnehmbar ist (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Franz Liniger fuhr am 10. Oktober 1967 gegen 11.00 Uhr mit seinem
VW-Lieferwagen auf der Nebenstrasse von Schenkon in Richtung Eich (bei
Sursee). Zu dieser Zeit stand in der Nähe einer Baustelle, ca. 30 cm
vom rechten Strassenrand entfernt, ein Lastwagen mit abgestelltem Motor
und eingeschaltetem rechten Blinker. Der Chauffeur hatte kurz zuvor die
Führerkabine verlassen, um auf der erwähnten Baustelle Nachschau zu halten,
ob er eine gefüllte Schuttmulde aufladen könne. Liniger erblickte den
stehenden Lastwagen zu spät und fuhr mit seinem VW in dessen Rückseite
hinein. Er und sein mitfahrender Sohn wurden erheblich verletzt.

    Der Amtsstatthalter von Sursee fällte gegen Liniger wegen
Nichtbeherrschen des Fahrzeuges und Nichtanpassen der Geschwindigkeit
eine Busse von Fr. 30.- aus und stellte die gegen den Lastwagenchauffeur
Duss wegen Nichtaufstellens des Pannensignals und den Bauführer Fritschi
wegen Nichtsignalisierung einer Baustelle eingeleitete Strafuntersuchung
ein. Liniger nahm das Strafmandat an, focht aber die Einstellungsverfügung
beim Amtsgericht an, das Duss und Fritschi von Schuld und Strafe
freisprach.

    B.- Am 6. Januar 1969 klagte Liniger beim Amtsgericht Sursee gegen die
Assicuratrice Italiana, die Haftpflichtversicherung des Lastwagenhalters,
auf Bezahlung von Fr. 11 911.60, eventuell Fr. 9809.60 nebst 5% Zins seit
10. Oktober 1968. Er behielt sich eine Nachklage für weiteren Schadenersatz
und eine Genugtuung vor.

    Das Amtsgericht wies die Teilklage ab. Es ging davon aus, der
Lastwagen sei im Zeitpunkt des Unfalles in Betrieb gewesen, bejahte ein
grobes Selbstverschulden des Klägers und verneinte ein Verschulden des
Lastwagenlenkers.

    Das Obergericht verneinte auf Berufung hin die Voraussetzungen der
Betriebshaftung nach Art. 58 Abs. 1 SVG und wies die Klage nach Art. 58 SVG
ab, da ein Verschulden des Lastwagenlenkers Duss nicht nachgewiesen sei.

    C.- Der Kläger hat die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Er
hält an seinem ursprünglichen Begehren fest und verlangt eventuell die
Rückweisung der Akten an die Vorinstanz, damit sie den Tatbestand ergänze
und neu entscheide.

    Die Beklagte beantragt, das vorinstanzliche Urteil zu bestätigen und
die Berufung abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beklagte behauptet, sie hafte schon deshalb nicht, weil sich
der streitige Anspruch nach Art. 58 Abs. 2 SVG richte und dieser durch die
Versicherung des Halters nicht gedeckt sei. Sie verweist zur Begründung auf
die im kantonalen Verfahren eingerechte Klageantwortschrift. Ein solcher
Hinweis genügt indessen den Anforderungen des Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
nicht (BGE 89 II 414 Erw. 6). Im übrigen ist der Einwand nicht stichhaltig.

    Nach Art. 65 Abs. 1 SVG hat der Geschädigte im Rahmen der vertraglichen
Versicherungsdeckung ein unmittelbares Forderungsrecht gegen den
Versicherer. Die Versicherung deckt die Haftpflicht des Halters und
der Personen, für die er nach diesem Gesetz, d.h. nach Art. 58f. SVG,
verantwortlich ist. In diesem Umfange haftet die Versicherung gegenüber
dem Geschädigten, gleichgültig wie der Vertrag laute (OFTINGER,
Haftpflichtrecht II/2 S. 703). Die Deckung ist andererseits der Höhe nach
auf die in Art. 64 SVG vorgesehenen Mindestbeträge beschränkt, sofern
der Versicherungsvertrag des Halters keine weitergehenden Leistungen
vorsieht. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, der von ihr
versicherte Halter habe den Versicherungsvertrag, der nach dem MFG
nur die Betriebshaftpflicht zu decken brauchte (BGE 72 II 219), nicht
den Vorschriften des SVG angepasst (Art. 65 Abs. 2 SVG, Art. 66 Abs. 1
VVV). Sie haftet daher auch für die Folgen eines Nichtbetriebsunfalles
nach Art. 58 Abs. 2 SVG.

Erwägung 2

    2.- Der Schadenersatzanspruch des Klägers beurteilt sich nach
Art. 61 Abs. 1 SVG, der bestimmt: "Wird bei einem Unfall, an dem mehrere
Motorfahrzeuge beteiligt sind, ein Halter körperlich geschädigt, so wird
der Schaden den Haltern aller beteiligten Motorfahrzeuge zu gleichen
Teilen auferlegt, sofern nicht die Umstände, namentlich das Verschulden,
eine andere Schadenstragung rechtfertigen." Die Beteiligung im Sinne
dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Unfall durch den Betrieb (Art. 58
Abs. 1 SVG) oder Nichtbetrieb (Art. 58 Abs. 2 SVG) verursacht worden ist
(OFTINGER, aaO S. 651 und 656). Waren zwei Fahrzeuge beteiligt und beide
in Betrieb, so ist Art. 61 Abs. 1 SVG ohne weiteres anwendbar. Befand
sich aber eines ausser Betrieb, so haftet dessen Halter nur, wenn ihm der
andere Halter einen Vorgang nach Art. 58 Abs. 2 SVG nachweist. Erst dann
ist der Schaden zwischen den Haltern nach Art. 61 Abs. 1 SVG aufzuteilen;
denn sonst würde die Beweislastregel des Art. 58 Abs. 2 SVG verletzt,
wenn der Halter des nicht in Betrieb stehenden Fahrzeugs dartun müsste,
dass ihn kein Verschulden treffe. Die Auffassung des Klägers, der Schaden
sei nach Art. 61 Abs. 1 SVG grundsätzlich aufzuteilen, gleichgültig,
ob der Lastwagen in Betrieb war oder nicht, ist daher abzulehnen.

Erwägung 3

    3.- Der Kläger rügt, die Annahme der Vorinstanz, der Lastwagen
sei zur Zeit des Unfalles nicht in Betrieb gewesen, verletze Art. 58
Abs. 1 OR. Nach seinem Dafürhalten hat die Vorinstanz übersehen, dass
sich ein Auflademanöver aus einer zusammenhängenden Folge von Vor- und
Rückwärtsbewegungen und zeitweisem Stillstand des Fahrzeuges bestehe;
alle diese Phasen gehörten zur Betriebsabwicklung und daher sei der
Zusammenstoss mit dem angehaltenen Lastwagen nach Art. 58 Abs. 1 SVG
zu beurteilen.

    a) Nach dieser Vorschrift, die mit Art. 37 Abs. 1 MFG übereinstimmt,
setzt die Haftung des Halters und damit des Versicherers voraus, dass
der Schaden durch den Betrieb eines Motorfahrzeuges verursacht worden
ist. Dieses Erfordernis ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts
zum MFG erfüllt, wenn der schadenstiftende Unfall in seiner Gesamtheit
betrachtet, auf die besondere Gefahr zurückgeht, die durch den Gebrauch
der maschinellen Einrichtung (Motor, Scheinwerfer usw.) des Motorfahrzeugs
geschaffen wird (BGE 88 II 458 und dort erwähnte Entscheide). Es genügt
also nicht, dass die Schadensursache anlässlich des Betriebes eines
solchen Fahrzeugs gesetzt worden sei, sondern sie muss auf die diesem
Betrieb eigene besondere Gefahr zurückgehen (BGE 82 II 47). Damit lehnte
das Bundesgericht den verkehrstechnischen Betriebsbegriff ab. Nach dieser
Konzeption ist ein Fahrzeug, das einmal in den Verkehr eingeführt und
dessen Regeln unterstellt ist, solange "in Betrieb", als es seine Fahrt
nicht beendigt hat und nicht von der öffentlichen Strasse zurückgezogen
worden ist; ob es in Bewegung oder stationiert ist, ob sein Motor oder
seine übrigen maschinellen Einrichtungen in Gang sind oder nicht, ist
dabei unerheblich (BGE 72 II 220 Erw. 2).

    b) Bei den Revisionsarbeiten zum SVG wurde der maschinentechnische
Betriebsbegriff, wie ihn die Rechtsprechung des Bundesgerichts entwickelt
hat, als zu eng empfunden. Es wurde daher erwogen, vom Erfordernis
des Betriebes überhaupt abzusehen und statt dessen an den wesentlich
weitergehenden Begriff des "Gebrauchs" (VE vom Januar 1952 Art. 51 I)
anzuknüpfen oder aber die Haftung von der Verursachung eines Unfalles
durch ein Motorfahrzeug schlechthin abhängig zu machen (VE vom 9. April
1953 Art. 51 I; VE vom 13. Juni 1953 Art. 51 I). Die Expertenkommission
prüfte eingehend die Möglichkeiten, den von der Rechtsprechung entwickelten
Betriebsbegriff zu ersetzen. Sie kam zum Schluss, dass daran festgehalten
werden sollte, befürwortete aber die "Ausdehnung der Kausalhaftung über
den Betrieb hinaus" (Expertenkommission Plenarsitzung vom 7./8. September
1953 (S. 121). Sie einigte sich auf die mit Art. 54 Abs. 1 und 6
des Gesetzesentwurfes übereinstimmende Fassung (VE vom 30. September
1953 Art. 51), die von den Räten angenommen (StenBull NR 1957 226,
StR 1958 147) und mit einer redaktionellen Änderung zu Art. 58 Abs. 1
und 2 des geltenden Gesetzes wurde. Aus dieser Entstehungsgeschichte
und insbesondere der Einführung einer ergänzenden Haftung nach Art. 58
Abs. 2 SVG muss geschlossen werden, dass der Gesetzgeber in Art. 58
Abs. 1 am bisherigen Betriebsbegriff festhalten wollte (BGE 88 II 458)
und die zum Teil in der Lehre (BUSSY, SJK Nr. 909 S. 10 ff.; YUNG,
La responsabilité d'après la loi sur la circulation routière, vol. 15
(1962) des mémoires publiés par la Faculté de droit de Genève, S. 9)
befürwortete verkehrstechnische Betrachtungsweise ablehnte. OFTINGER
(aaO S. 530) tritt dagegen für eine ausdehnende Auslegung des bisherigen
Betriebsbegriffs ein, weil die beabsichtigte weitere Fassung des Art. 58
Abs. 1 SVG insbesondere an Schwierigkeiten der Formulierung gescheitert
und das in den Materialien erkennbare Streben nach besserem Schutz des
Geschädigten in Art. 58 Abs. 2 SVG nur zum Teil verwirklicht worden
sei. Nach dieser Vorschrift haftet der Halter für einen Verkehrsunfall,
der durch ein nicht in Betrieb befindliches Fahrzeug veranlasst wird,
sofern der Geschädigte ein Verschulden des Halters (oder von Personen, für
die er verantwortlich ist) oder fehlerhafte Beschaffenheit des Fahrzeugs
beweist. Verschuldens- und Kausalhaftung bestehen hier nebeneinander; jene
hat ein persönliches Verschulden des Halters zum Gegenstand, das sich auf
irgendein Verhalten beziehen kann; diese besteht insofern, als der Halter
für fremdes Verhalten oder fehlerhafte Beschaffenheit des Fahrzeugs, die
er nicht verschuldet hat, einstehen muss (OFTINGER, aaO S. 549/50). In
den meisten Fällen ist das Verschulden des Halters, seiner Hilfspersonen
oder der Mangel des Fahrzeugs offensichtlich, und der Geschädigte wird
daher den entsprechenden Beweis praktisch immer erbringen können. Unter
diesen Umständen ist zweifelhaft, ob das Postulat Oftingers gerechtfertigt
sei. Zudem stellt sich mit der Ausdehnung des bisherigen Betriebsbegriffs
die Frage, ob eine klare Abgrenzung gegenüber dem verkehrstechnischen
Betriebsbegriff überhaupt noch möglich sei. OFTINGER (aaO S. 530) räumt
denn auch selber ein, dass Art. 58 Abs. 2 SVG eine starke Ausweitung des
Betriebsbegriffes ausschliesse, weil gewisse typische Unfallsituationen,
wie das Anhalten oder Parkieren von Motorfahrzeugen an untunlicher Stelle
von der neuen Bestimmung getroffen werde.

    c) Im vorliegenden Fall stand der Lastwagen zur Zeit des Unfalls
am rechten Strassenrand. Dass der Motor nicht lief und die Zündung
eingeschaltet war, damit der Blinker funktioniere, ist unerheblich. Der
Lastwagen bildete nur mit seiner Masse ein Hindernis, das mit der
besondern, durch den Betrieb eines Motorfahrzeugs geschaffenen Gefahr
nichts gemeinsam hat (BGE 88 II 458, 78 II 164, 72 II 222). Irgendein
anderes Fahrzeug (Heuwagen, Fuhrwerk usw.) oder ein anderes unbewegliches
Hindernis hätte sich dort befinden und für den Verkehr die gleiche
Gefahr bilden können, wie der stillstehende Lastwagen. Der eingeschaltete
rechte Blinker erlaubte sogar, das Hindernis leichter und frühzeitiger
zu erkennen, setzte somit die Gefahr herab, die die tote Masse bilden
konnte. Der Einwand der Klägers, das momentane Anhalten des Lastwagens
gehöre zu den verschiedenen Phasen des Auflademanövers und daher
zur "Betriebsabwicklung" hält nicht stand. Der Chauffeur begab sich
auf die Baustelle, um sich dort zu erkundigen, ob er eine gefüllte
Schuttmulde aufladen könne. Der Lastwagen wurde also nicht im Rahmen des
Auflademanövers, sondern bloss zu dessen Vorbereitung angehalten. Er war
somit nicht in Betrieb.

Erwägung 4

    4.- Zu prüfen bleibt, ob die Beklagte nach Art. 58 Abs. 2 SVG für den
Schaden des Klägers hafte. Sie hat dabei für ein allfälliges Verschulden
des Lastwagenchauffeurs einzustehen (Art. 58 Abs. 4 und 65 Abs. 1 SVG).

    Der Kläger macht für den Fall der Anwendung des Art. 58 Abs. 2 SVG
geltend, die Beklagte habe wegen des überwiegenden Verschuldens des
Lastwagenchauffeurs den Schaden zu 75% zu tragen. Er behauptet nicht,
die Voraussetzungen eines Halte- oder Parkierungsverbotes der Art. 18
Abs. 2 und 19 Abs. 2 VRV seien erfüllt gewesen. Aber er ist der Ansicht,
der Lastwagenchauffeur habe den Wagen in Missachtung der Art. 37 Abs. 2
SVG, 18 Abs. 1 und 23 VRV an der Unfallstelle abgestellt.

    a) Art. 18 Abs. 1 VRV bestimmt, dass Fahrzeugführer nach Möglichkeit
ausserhalb der Strasse zu halten haben, auf der Fahrbahn nur am
Rande und parallel dazu. Der Kläger macht geltend, diese Bestimmung
verbiete schlechthin ein Anhalten auf der Strasse, wenn es möglich
sei, ausserhalb der Strasse anzuhalten; eine solche Möglichkeit habe
bestanden, weil "einige Meter weiter vorne" ein Nebensträsschen einmünde,
in welchem der Lastwagen habe stehen gelassen werden können. Das sei dem
Chauffeur umsomehr zuzumuten gewesen, als er nachher ohnehin in dieses
Seitensträsschen habe einfahren müssen, um dort den Lastwagen vor dem
Aufladen der Mulde zu wenden.

    Dieser Einwand ist nicht stichhaltig. Der Lastwagen hätte auf dem
erwähnten Seitensträsschen andern Fahrzeugen die Durchfahrt versperrt
und auf der Nebenstrasse den Verkehr durch das Ein- oder Ausfahrmanöver
behindert. Dass ein solches Manöver ohnehin hätte erfolgen müssen, wie
der Kläger behauptet, stellt die Vorinstanz nicht fest. Aber selbst wenn
seine Behauptung zuträfe, könnte dem Führer kein Vorwurf gemacht werden;
denn "ausserhalb der Strasse" wäre der Lastwagen auch in diesem Fall nicht
aufgestellt gewesen. Er hätte vielmehr den Verkehr auf dem Nebensträsschen
gesperrt oder behindert.

    b) Nach Art. 37 Abs. 2 SVG dürfen Fahrzeuge dort nicht angehalten
oder aufgestellt werden, wo sie den Verkehr behindern oder gefährden
könnten. Diese Vorschrift stimmt sinngemäss mit Art. 47 Abs. 2 MFV überein,
wonach Motorfahrzeuge so aufzustellen sind, dass sie den Verkehr nicht
stören können. Den Verkehr kann das aufgestellte Fahrzeug nur "stören",
wenn es für ihn ein erhebliches Hindernis bildet, das trotz der den andern
Strassenbenützern zuzumutenden Aufmerksamkeit zu Unfällen Anlass geben
kann oder andere in besonderem Masse hindert, ihren Weg fortzusetzen
(BGE 77 IV 120).

    Nach verbindlicher Feststellung der Vorinstanz ist für Fahrzeuglenker,
die von Schenkon gegen Eich fahren, die Unfallstelle auf eine Entfernung
von 300 m, jedenfalls aber auf eine solche von mehr als 100 m sichtbar. Die
5,5 m breite Strasse war zur Zeit des Unfalles nebelfrei und es wurde nicht
bewiesen, dass der Lastwagen wegen des vom Lebhag geworfenen Schattens erst
auf kürzere Distanz wahrnehmbar gewesen sei. Unter den gegebenen Strassen-
und Sichtverhältnissen bildete der rechts am Strassenrand angehaltene
Lastwagen kein erhebliches Verkehrshindernis. Aus BGE 90 IV 230 kann
der Kläger nichts für sich ableiten. Im dort beurteilten Fall hatte der
Lenker seinen Wagen auf der Hauptstrasse Lausanne - Genf parkiert, was
nach Art. 19 Abs. 2 lit. b VRV verboten ist. Das Bundesgericht erklärte
damals nicht, das Halten auf einer Nebenstrasse stelle ein erhebliches
Hindernis dar und sei nach Art. 37 SVG untersagt. Nebenstrassen dienen
nicht bloss der Entlastung des Verkehrs auf den Hauptstrassen, sondern
vornehmlich dem Nahverkehr von Motorfahrzeugen und andern Fahrzeugen. Auf
solchen Strassen darf im Interesse der Verkehrsteilnehmer ein gewisses
Risiko durch Halten und Parkieren geschaffen werden. Die Fahrzeugführer
haben daher Hindernisse zu gewärtigen, und ihnen durch eine nach den
Umständen gebotene Aufmerksamkeit und Geschwindigkeit Rechnung zu tragen.

    c) Nach Art. 23 Abs. 2 VRV ist das Pannensignal aufzustellen, wenn
andere Strassenbenützer das auf der Fahrbahn stehende Fahrzeug zu spät
bemerken würden. Ausserorts muss es aufgestellt werden, wenn das Fahrzeug
wegen Kurven, Kuppen, Nebel oder fehlender Beleuchtung nicht auf eine
Entfernung von wenigstens 100 m sichtbar ist.

    Aus den Ausführungen der Vorinstanz geht hervor, dass der Lastwagen -
in der Fahrrichtung des Klägers gesehen - auf eine Entfernung von 300 m,
mindestens aber auf eine solche von 100 m wahrnehmbar gewesen sei. Diese
Feststellung bindet das Bundesgericht. Was der Kläger dagegen vorbringt,
ist Kritik an der Beweiswürdigung und nicht zu hören (Art. 63 Abs. 2
OG). Nach den festgestellten Sichtverhältnissen war der Lastwagenchauffeur
nicht verpflichtet, ein Pannensignal aufzustellen.

    Die Vorinstanz hat somit ein Verschulden des Lastwagenführers mit
Recht verneint. Die Klage ist nach Art. 58 Abs. 2 abzuweisen, ohne dass die
Frage des Kausalzusammenhanges und das Mass des vom Kläger zu vertretenden
Selbstverschuldens geprüft werden müssen.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Luzern (I. Kammer) vom 4. November 1970 bestätigt.