Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 V 95



96 V 95

26. Auszug aus dem Urteil vom 9. Juni 1970 i.S. Maffeis gegen Schweiz.
Unfallversicherungsanstalt und Versicherungsgericht des Kantons Luzern
Regeste

    Art. 121 KUVG.

    Der Sozialversicherungsrichter muss den rechtserheblichen Sachverhalt
von Amtes wegen feststellen (Präzisierung der Rechtsprechung).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

    Das Versicherungsgericht des Kantons Luzern erklärt, dass in der
sozialen Unfallversicherung grundsätzlich die Regel des Art. 8 ZGB
über die Tragung der Beweislast gelte; wer bei der SUVA versichert sei,
müsse eine behauptete Tatsache beweisen, wenn er aus ihr ein Recht auf
Versicherungsleistungen herleite.

    Wie das Eidg. Versicherungsgericht bereits im Urteil vom 12. März
1968 i.S. de Gasperi ausgeführt hat (EVGE 1968 S. 25 Erw. 1),
kann dieser Ansicht nicht vorbehaltlos beigepflichtet werden. Der
Sozialversicherungsprozess ist ein verwaltungsgerichtliches
Verfahren und als solches von der Untersuchungsmaxime beherrscht
(Gygi, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im
Bund, S. 53, Ziff. 6.1.). Kraft dieser Maxime darf sich der
Sozialversicherungsrichter nicht mit der Feststellung begnügen, einer
rechtsuchenden Partei sei der ihr gemäss Art. 8 ZGB obliegende Beweis
missglückt. Der Untersuchungsgrundsatz verlangt vielmehr, dass der
Sozialversicherungsrichter den Sachverhalt von Amtes wegen, also aus
eigener Initiative und ohne Bindung an die Vorbringen oder Beweisanträge
der Parteien feststellt (Gygi, aaO, S. 53, Ziff. 6.1.). Demnach hat der
Richter zu bestimmen, was alles abzuklären ist; er muss für die Beschaffung
der notwendigen Beweise sorgen (sei es gegebenenfalls auch nur durch
Aufforderung an die Parteien, das ihnen Zumutbare selbst vorzukehren:
EVGE 1967 S. 144 Erw. 1) und hernach das Ergebnis des Beweisverfahrens
pflichtgemäss würdigen. So ist es denn auch in den §§ 15, 18 und 19 der
luzernischen Verordnung über das Verfahren vor dem Versicherungsgericht
vom 22. September 1965 eindeutig angeordnet.

    Die Untersuchungsmaxime schliesst die Beweislast im Sinne einer
Beweisführungslast begriffsnotwendig aus. Im Sozialversicherungsprozess
tragen mithin die Parteien (abgesehen von Ausnahmen, wie sie beispielsweise
die Art. 5 Abs. 1 MVG und 141 Abs. 3 AHVV vorsehen) eine Beweislast nur
insofern, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener
Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte
ableiten wollte. In diesem Sinne ist das Urteil de Gasperi zu präzisieren.

Entscheid: