Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 V 132



96 V 132

37. Auszug aus dem Urteil vom 17. Dezember 1970 i.S. Fähndrich gegen
Ausgleichskasse des Kantons Zug und Rekurskommission des Kantons Zug
Regeste

    Art. 28 Abs. 2 IVG: Invaliditätsschätzung.

    Beim Einkommensvergleich sind Mehrkosten der Lebenshaltung infolge
invaliditätsbedingten Wechsels des Arbeitsortes dann zu berücksichtigen,
wenn sie von ausserordentlichem Ausmass sind.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

    Gemäss Art. 28 Abs. 2 IVG wird der Invaliditätsgrad durch eine rein
erwerbliche Schätzung ermittelt. Festzustellen ist die Differenz zwischen
dem Einkommen, das der Versicherte als gesunder Berufstätiger zu erzielen
vermöchte, und dem Einkommen, das er nach hinreichender Eingliederung
als Invalider zumutbarerweise erreichen könnte. Diese Differenz ergibt
das Ausmass der Invalidität. Wohl kann nun unter Umständen das vom
Versicherten tatsächlich erzielte Invalideneinkommen der adäquate
Ausdruck der ihm verbliebenen Erwerbsfähigkeit sein, insbesondere dann,
wenn stabile Verhältnisse vorliegen. Muss der Versicherte aber aus dem
Invalideneinkommen dauernd oder während längerer Zeit (Art. 4 IVG)
Auslagen bestreiten, die ihm wegen des Gesundheitsschadens, der die
Erwerbsunfähigkeit zur Folge hat, notwendigerweise erwachsen, und würden
diese Kosten nicht vom tatsächlich erzielten Invalideneinkommen abgezogen,
so wäre die Differenz nicht der adäquate Ausdruck der gesamten durch
die Gesundheitsschädigung verursachten Erwerbsunfähigkeit. Es bliebe
alsdann eine direkte erwerbliche Folge, von welcher der Versicherte
dauernd oder doch während längerer Zeit betroffen wird, unbeachtet. Dies
widerspräche dem Sinn des Art. 28 Abs. 2 IVG, der grundsätzlich fordert,
dass bei der Invaliditätsschätzung jene negativen erwerblichen Auswirkungen
berücksichtigt werden, die der Versicherte wegen seines Gesundheitsschadens
notwendigerweise und dauernd oder während längerer Zeit erleidet. Aus
diesen Gründen hat das Eidg. Versicherungsgericht entschieden, dass die
Kosten für fortwährende ärztliche Behandlung, die der Versicherte um
seiner Erwerbstätigkeit willen tragen muss, im Rahmen des Art. 28 Abs. 2
IVG als invaliditätsbedingte Unkosten von dem tatsächlich erzielten
Invalideneinkommen abzuziehen sind, soweit der Aufwand einer objektiven
therapeutischen Notwendigkeit entspricht (nicht publizierte Urteile i.S.
Hersche vom 16. November 1965 und Ruckstuhl vom 10. Januar 1966).
Selbstverständlich werden nur Kosten von Massnahmen, die geeignet sind,
die Erwerbsfähigkeit des Versicherten zu erhalten oder zu verbessern,
berücksichtigt; sie sind in einem gewissen Sinne als Gewinnungskosten
des Einkommens anzusehen (ZAK 1967 S. 557).

    Ähnlich verhält es sich mit den Lebenshaltungskosten. Die
durch invaliditätsbedingten Wohnsitzwechsel entstehenden höheren
Lebenshaltungskosten stellen ebenfalls eine Art von Erwerbsunkosten
dar, die beim massgebenden Einkommensvergleich zu berücksichtigen
sind. Zwar werden in den meisten Fällen die gesteigerten Lebenskosten
durch entsprechend höhere Lohnansätze oder durch Ortszulagen
ausgeglichen. Auch darf nicht übersehen werden, dass gewisse lokale
Schwankungen in den Lebenshaltungskosten, insbesondere im Hinblick auf
die Steuerbelastung, nicht ungewöhnlich sind. Häufig werden in einem
gewissen Masse solche Unterschiede bei der Domizilwahl sogar bewusst in
Kauf genommen aus irgendwelchen materiellen oder ideellen Gründen. Daher
sind invaliditätsbedingte Unterschiede in den Lebenshaltungskosten
an verschiedenen Arbeitsorten beim Einkommensvergleich nur dann zu
berücksichtigen, wenn sie von ausserordentlichem Ausmass sind, d.h.
wenn sie wesentlich vom Landesdurchschnitt abweichen.