Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 85



96 I 85

15. Urteil vom 20. März 1970 i.S. Goth & Co. AG gegen
Eidg. Oberzolldirektion. Regeste

    Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Zollsachen.

    Art. 98 lit. c OG (neu). Erstinstanzliche Entscheide
der Oberzolldirektion können nicht unmittelbar mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden (Erw. 1).

    Art. 100 lit. f OG (neu). Der Entscheid des Eidgenössischen Finanz-
und Zolldepartements, der jemanden für eine Zollbusse solidarisch haftbar
erklärt, ist nicht eine Verfügung "auf dem Gebiete der Strafverfolgung". Er
unterliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 2).

Sachverhalt

    Am 28. März 1969 meldete Arnold Seiler, Deklarant der Firma Goth &
Co. AG, Basel, beim Zollamt Basel - Freilager Dreispitz eine für die
Firma Kodak SA, Lausanne, bestimmte Sendung zur Transitabfertigung nach
dem Zollamt Lausanne-Gare an. Die Deklaration lautete auf 241 Cartons
Blitzlichtlampen mit einem Bruttogewicht von 1071 kg. Die zollamtliche
Kontrolle in Lausanne ergabjedoch, dass es sich um 238 Cartons mit einem
Bruttogewicht von 1546 kg handelte.

    Am 13. Januar 1970 sprach die Oberzolldirektion gegen Arnold Seiler
gestützt auf Art. 74 Ziff. 7 und Art. 75 ZGeine Busse von Fr. 190.--
aus, die sie infolge der Anerkennung des Straftatbestandes durch den
Angeschuldigten auf Fr. 126.70 ermässigte. Gleichzeitig erklärte sie gemäss
Art. 100 ZG die Firma Goth für diesen Betrag solidarisch haftbar. Bei
der Eröffnung der Strafverfügung wurde angegeben, dass der Betrag der
Busse durch Beschwerde beim Eidg. Finanz- und Zolldepartement und die
solidarische Haftbarkeit durch Beschwerde beim Bundesgericht angefochten
werden könne.

    Mit Eingabe vom 28. Januar 1970 beantragt die Firma Goth dem
Bundesgericht, "die Strafverfügung rückgängig zu machen". Sie macht
geltend, der Deklarant habe sich auf die Angaben des ausländischen
Versenders verlassen. Da die Ware bei der Verzollung in Lausanne habe
gewogen werden müssen, habe der Zoll durch die unrichtige Deklaration
nicht verkürzt oder gefährdet werden können.

    Die Oberzolldirektion beantragt dem Gericht, auf die Beschwerde
nicht einzutreten und sie der zuständigen Instanz zu übergeben, eventuell
sie abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 98 lit. c OG (Fassung gemäss BG vom 20. Dezember
1968) kann gegen erstinstanzliche Entscheide der den eidgenössischen
Departementen und der Bundeskanzlei unterstellten Dienstabteilungen,
Anstalten oder Betriebe nur in den vom Bundesrecht vorgesehenen Fällen
unmittelbar Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben werden. Hier hat die
Oberzolldirektion als dem Finanz- und Zolldepartement unterstellte
Dienstabteilung in erster Instanz entschieden. Seit der Aufhebung
von Art. 99 Ziff. VIII des alten OG sieht indessen das Bundesrecht die
Möglichkeit, erstinstanzliche Entscheide der Oberzolldirektion direkt durch
Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten, nicht mehr vor. Daraus folgt,
dass das Bundesgericht auf die vorliegende Beschwerde nicht eintreten
kann. Sie ist der zuständigen Behörde, dem Finanz- und Zolldepartement,
zu übergeben.

Erwägung 2

    2.- Es stellt sich die weitere Frage, ob gegen den vom Departement
zu fällenden Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird erhoben werden
können.

    Nach Art. 99 Ziff. VIII des alten OG war die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Strafen wegen Zollvergehen und
gegen Ordnungsbussen, die den Betrag von hundert Franken überstiegen,
nicht zulässig. Dagegen konnte die Person, die in einer (nicht durch
Einsprache angefochtenen) Strafverfügung für eine Zollbusse solidarisch
haftbar erklärt wurde, diese ihr auferlegte Verpflichtung durch
Verwaltungsgerichtsbeschwerde bestreiten (BGE 89 I 509; Urteil Oberer
vom 3. Oktober 1968, nicht publiziert).

    Das neue Recht (Art. 100 lit. f OG) lässt die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen auf dem Gebiete
der Strafverfolgung (von einer hier nicht in Betracht fallenden
Ausnahme abgesehen) nicht zu. Diese Einschränkung der Zuständigkeit des
Bundesgerichts rechtfertigt sich namentlich wegen der Verteidigungsmittel,
welche die Strafprozessordnung dem Verurteilten zur Verfügung stellt
(BBl 1965 II 1309). Deshalb hätte Arnold Seiler auch dann, wenn er sich
der Strafverfügung nicht unterzogen hätte, gegen die ihm wegen eines
Zollvergehens - d.h. in einer Strafverfolgung - auferlegte Busse nicht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben können. Ebensowenig ist die Firma
Goth befugt, die gegen ihren Deklaranten ausgefällte Busse auf diesem
Wege anzufechten.

    Aus ihrer Eingabe an das Bundesgericht scheint sich indessen zu
ergeben, dass sie auch die ihr auferlegte solidarische Haftung bestreiten
will.

    Allerdings ist ihre solidarische Verpflichtung mit der Verurteilung
des Deklaranten verbunden; beide Massnahmen wurden im gleichen Verfahren
getroffen, und zudem ist die solidarische Haftung nur begründet,
wenn die Verurteilung des Deklaranten rechtmässig ist. Doch stellt die
solidarische Haftbarkeit der Beschwerdeführerin, im Gegensatz zu der gegen
Arnold Seiler ausgesprochenen Busse, nicht eine eigentliche Strafe dar;
insbesondere wird sie nicht in das Strafregister eingetragen. Dazu kommt,
dass das Zollgesetz das Recht, durch Einsprache gegen die Strafverfügung
die Beurteilung durch den Strafrichter zu verlangen, nur dem Verurteilten
und nicht auch dem solidarisch haftbar Erklärten gibt (Art. 95 Abs. 1
ZG; VEB 28/1958 Nr. 88 S. 192). Diese Feststellung ist entscheidend,
da gerade die Möglichkeit der Anrufung des Strafrichters zum Ausschluss
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen Verfügungen auf dem Gebiete
der Strafverfolgung geführt hat. Es muss daher angenommen werden, dass
die Firma Goth gegen einen Entscheid des Finanz- und Zolldepartements,
durch den ihre solidarische Haftung für die Busse bestätigt würde,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben könnte.

Entscheid:

                    Demnach wird beschlossen:

    Die Beschwerde wird dem Eidg. Finanz- und Zolldepartement übergeben.