Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 752



96 I 752

113. Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. Dezember 1970 i.S. Nordmark-Werke
GmbH gegen Eidgenössisches Amt für geistiges Eigentum. Regeste

    Markenrecht; Internationale Marke deutschen Ursprungs; Voraussetzungen
der Eintragung in der Schweiz. Madrider Abkommen (Fassung von Nizza),
Art. 5 Abs. 1; Pariser Verbandsübereinkunft (Fassung von Lissabon), Art. 6
Abs. 1, 6 quinquies lit. b Ziff. 2 und 3; Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
(Erw 1)

    Schutzverweigerung der Marke "Enterocura", weil sie Fachausdruck für
Medikamente und Mittel zur Behandlung von Darmkrankheiten, also Gemeingut
ist (Erw. 2).

    Das Wort "Enterocura" gilt wegen der Verwechslungs- und
Täuschungsgefahr nicht als schutzfähiges Phantasiezeichen für Medikamente
und Mittel, die nicht der Darmbehandlung dienen (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Nordmark-Werke GmbH ist Inhaberin der internationalen
Wortmarke Nr. 356845 "Enterocura", mit deutscher Priorität hinterlegt
am 3. April 1969 für "Produits pour conserver les aliments-Médicaments,
produits chimiques pour la médecine et l'hygiène, drogues pharmaceutiques,
emplâtres, étoffes pour pansements, produits pour la destruction d'animaux
et de végétaux, désinfectants".

    Am 24. März 1970 verweigerte das Eidgenössische Amt für geistiges
Eigentum für diese Marke vorläufig den Schutz, weil die Bezeichnung
"Enterocura" in italienischer und französischer Sprache unmittelbar auf
"Darmbehandlung" hinweise, deshalb einerseits für Darmbehandlungs- und
Darmheilmittel jeder Unterscheidungskraft ermangle, anderseits für die
übrigen in der Warenliste vermerkten Erzeugnisse täuschend wirke oder
defensiver Art sei.

    Auf Einsprache hin verweigerte das Amt am 29. Mai 1970 den Schutz
endgültig und erläuterte seinen Entscheid in einem besonderen Schreiben
vom gleichen Tage.

    B.- Die Nordmark-Werke GmbH begehrt mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
die Verfügung des Eidgenössischen Amtes für geistiges Eigentum aufzuheben
und dieses anzuweisen, die streitige Marke in der Schweiz zu schützen.

    Das Amt beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von
Fabrik- und Handelsmarken, in der am 15. Juni 1957 in Nizza angenommenen
revidierten Fassung (AS 1964 S. 1164), bestimmt in Art. 5 Abs. 1, dass in
einem Verbandslande einer international registrierten Marke der Schutz
nur unter den Bedingungen verweigert werden darf, die nach der Pariser
Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums auf eine zur
nationalen Eintragung hinterlegte Marke anwendbar wären. Die am 31. Oktober
1958 in Lissabon revidierte Pariser Verbandsübereinkunft (AS 1963 S. 123)
hinwiederum verweist in Art. 6 Abs. 1 hinsichtlich der Bedingungen für die
Hinterlegung und die Eintragung auf die Landesgesetzgebung. Sie erklärt
im weiteren unter Art. 6quinquies lit. B Ziff. 2 und 3 die Verweigerung
der Eintragung von im Ursprungsland vorschriftsgemäss registrierten
Marken für zulässig, wenn sie "jeder Unterscheidungskraft entbehren oder
ausschliesslich aus Zeichen oder Angaben zusammengesetzt sind, die im
Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit ... dienen können,
oder die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen
Verkehrsgepflogenheiten des Landes, in dem der Schutz beansprucht wird,
üblich sind", ferner wenn sie "gegen die guten Sitten verstossen ...,
insbesondere geeignet sind, das Publikum zu täuschen". Das Madrider
Abkommen und die Pariser Verbandsübereinkunft wurden sowohl von der
Bundesrepublik Deutschland wie von der Schweiz ratifiziert, sind hier
also anzuwenden (vgl. BGE 96 I 249, 93 I 575, 578, 91 I 357).

    Der Regelung der Pariser Übereinkunft entspricht die schweizerische
Ordnung. Nach Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG ist die Eintragung einer Marke
zu verweigern, wenn sie als wesentlichen Bestandteil ein als Gemeingut
anzusehendes Zeichen enthält oder gegen die guten Sitten verstösst.

    Diese Rechtsgrundlagen werden in der Verfügung und der Vernehmlassung
des Eidgenössischen Amtes für geistiges Eigentum zutreffend berücksichtigt.

Erwägung 2

    2.- Als Gemeingut gelten Hinweise auf Art, Eigenschaften,
Beschaffenheit, Bestimmung der Ware, zu deren Kennzeichnung die Marke
dienen soll (BGE 96 I 250 und dort erwähnte Entscheide).

    a) Der Ausdruck "Enterocura", den die Beschwerdeführerin als Marke
gewählt hat, ist gebildet aus den Teilen "entero" und "cura". "Entero"
leitet sich ab aus dem griechischen "enteron", deutsch Darm (BENSELER,
Griechisch-Deutsches Schulwörterbuch). "Cura" ist ein lateinisches Wort
und heisst auf deutsch u.a. Sorge, Fürsorge, Pflege, Wartung (MENGE,
Lateinisch-Deutsches Schulwörterbuch). Von ihm stammen auch das deutsche
"Kur", das französische "cure", das italienische "cura".

    Die griechisch/lateinische Wortverbindung "Enterocura" bedeutet also
in sinngetreuer deutscher Übersetzung "Darmpflege" oder "Darmkur".

    b) Die Beschwerdeführerin irrt in der Annahme, massgebend für die
Wertung ihrer Marke sei das Verständnis des Durchschnittskäufers. Ein
Wort ist schon dann nicht als Marke zu schützen, wenn nur ein bestimmter
Kreis, z.B. die Fachleute, es allgemein zur Bezeichnung einer bestimmten
Warenart verwendet (BGE 96 II 261 Erw. 3a, 94 II 46, 36 II 445 f.).

    Fehl geht auch die Meinung, es komme nicht darauf an, dass die
französische und die italienische Sprache wortstammässig gleiche Ausdrücke
kennen. Das Französische wie das Italienische sind in der Schweiz dem
Deutschen gleichgestellte Landessprachen. Erfüllt eine Marke nur für ein
Sprachgebiet die gesetzlichen Bestimmungen nicht, so muss ihr der Schutz
verweigert werden (BGE 93 I 576, 580, 82 I 51, 56 I 472, 56 II 232).

    c) Die für Medikamente, pharmazeutische Heilmittel, Verbandsartikel,
Desinfektionsstoffe zuständigen Fachleute sind vorab Ärzte und
Apotheker. Ob sie klassische Sprachen als solche studiert haben, ist
unerheblich. Auch wenn sie es nicht taten, mussten sie sich die hier
interessierenden Kenntnisse im Laufe ihrer Fachausbildung aneignen. Denn
der Wortbestandteil "enter" oder "entero" gehört sowohl für die Benennung
von Darmkrankheiten, Darmbehandlungsmethoden, operativen Eingriffen
im Darmbereich, chirurgischen und Untersuchungsinstrumenten wie in
Eigenschaftswörtern zur festen medizinischen Terminologie. Zu denken
ist hier etwa an Enteralgie (Darmschmerz), Enteritis (Darmentzündung),
Enterorrhagie (Darmblutung), Enteroskop (Darmuntersuchungsinstrument),
Enterotomie (Darmschnitt), enterogen (im Darm entstanden oder vom Darm
her verursacht) usw. Solche Fachausdrücke sind, gerade wegen ihres
altsprachlichen Ursprungs, in Fachkreisen international gebräuchlich und
verständlich. Zudem gibt es im Französischen und im Italienischen viele
annähernd gleichlautende oder zumindest gleichstämmige Ausdrücke. "Cura"
sodann ist als lateinisches Originalwort in Fachkreisen und in den
deutschen, französischen, italienischen Ableitungen darüber hinaus
gleicherweise geläufig für Pflege, Behandlung, Kur. Das alles kann
weitgehend als gerichtsnotorisch gelten und wird, insofern es dessen
noch bedarf, durch eine breite Dokumentation aus Sprach- und Fachwerken
unwiderleglich nachgewiesen (z.B. DER GROSSE DUDEN, Fremdwörterbuch,
1960, S. 168; DER GROSSE BROCKHAUS, Bd. 3 1953, S. 581; PSCHYREMBEL,
Klinisches Wörterbuch, 1969, S. 314/15; GUTTMANN, Medizinische
Terminologie, 16.-20. Aufl. 1922, S. 347; GHIOTTI, Vocabolario scolastico
italiano-francese, 1947, S. 323; PETSCHENIG, Der kleine Stowasser,
lateinisch-deutsches Schulwörterbuch, 1949, S. 149; WAHRIG, Deutsches
Wörterbuch, 1968, S. 2194 f.; PETROCCHI, Nuovo Dizionario scolastico
della lingua italiana, 1957, S. 317; VEILLON/NOBEL, Medizinisches
Wörterbuch, englisch-deutsch-französisch, 1969, S. 282 f.; SACHS-VILLATTE,
Französisch-Deutsch und Französisch-Deutsches Wörterbuch, Bd. I, 1911, S.
361/62; NOUVEAU LAROUSSE MEDICAL, 1952, S. 381).

    Die aus "entero" und "cura" zusammengesetzte Marke "Enterocura"
hat also sprachlich einen eindeutigen Sinn. Sie ist in Fachkreisen für
spezifische Medikamente und Behandlungsmittel Sachbezeichnung, daher
Gemeingut.

    Im übrigen, was den Durchschnitts- oder letzten Abnehmer betrifft,
pflegt auch er Medikamente nicht nach Phantasienamen, sondern zu
Behandlungszwecken nach ärztlicher Verordnung oder fachkundiger Beratung
zu kaufen, so dass sich unter diesem Gesichtspunkte ebenfalls rechtfertigt,
auf das Wissen der Fachkreise entscheidend abzustellen.

    d) Daraus, dass andere Marken mit Bestandteilen "Entero...",
"Derma...", "Cor..." vielfach registriert sind, kann die Beschwerdeführerin
nichts zu ihren Gunsten folgern. Das Amt hält zunächst entgegen, dass
jene Marken häufig auch Bestandteile wie "...col", "...zima", "...dyl"
aufweisen, die ihnen gesamthaft betrachtet einen gewissen Phantasiegehalt
verleihen. Ob das die Eintragungen hinlänglich begründete, ist nicht zu
untersuchen. Selbst wenn die Entgegennahme jener Marken falsch war, gibt
das der Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Zulassung ihrer Marke. Denn
es kann Verwaltungsbehörden und Gerichten nicht verwehrt sein, von einer
als unrichtig erkannten Praxis abzugehen (BGE 89 I 296, 303, 92 I 306,
93 I 565). Eine solche Praxisänderung ist im Gange, kann sich indessen
nur allmählich vollziehen.

Erwägung 3

    3.- Wenn "Enterocura" als Pharma-Marke auf Mittel zur Behandlung
von Darmkrankheiten hinweisen sollte, bringt die Beschwerde weiter vor,
so könne der Ausdruck für die übrigen Produkte auf der Warenliste
nicht dieselbe Bedeutung haben, sondern müsse auf sie bezogen
als Phantasiebezeichnung angesehen werden. Auch der humanistisch
Gebildete werde nie auf die Idee kommen, "ein unter der Marke ENTEROCURA
vertriebenes Schädlingsbekämpfungsmittel habe etwas mit Darmkrankheiten
zu tun". Der Marke noch für diese Waren den Schutz abzusprechen, wäre
völlig willkürlich.

    Allein, eine Wortverbindung, die für bestimmte Produkte so klare
Sachbezeichnung ist, wie "Enterocura" für Medikamente und Mittel zur
Behandlung von Darmkrankheiten, und die deshalb als Marke für solche
Produkte nicht taugt, wird nicht schon durch blosse Verwendung für
andere Waren zum schutzfähigen Phantasiezeichen, wenn und solange
diese Waren nicht von jenen Produkten derart verschieden sind, dass
durch ihre besagte Kennzeichnung keinerlei Täuschung und Irreführung
bewirkt werden kann. Das trifft nun, wie das Amt mit Recht einwendet,
für die von der Beschwerdeführerin unterstellten Erzeugnisse nicht
zu. Für Medikamente und pharmazeutische Produkte, die nicht der
Darmbehandlung dienen, ist eine Bezeichnung mit "Enterocura", eben
wegen der in Fachkreisen unmissverständlichen Bedeutung, offenkundig
falsch und täuschend. Anderseits liegen Medikamente und Erzeugnisse zur
Konservierung von Nahrungsmitteln oder Schädlingsbekämpfung im Aussehen
sowohl wie in den gebräuchlichen Handelsformen viel zu nahe beieinander,
als dass bei Kennzeichnung von Waren der zweitgenannten Gruppe mit der
Marke "Enterocura" die Möglichkeit von Verwechslung und Täuschung sich mit
hinlänglicher Gewissheit ausschliessen liesse; insbesondere wiederum nicht
in den französisch- und italienisch-schweizerischen Sprachgebieten. Nach
ständiger Rechtsprechung genügt das objektive Vorhandensein solcher
Gefahr zur Verweigerung des Markenschutzes wegen Sittenwidrigkeit; einer
Täuschungsabsicht des Markeninhabers bedarf es nicht (BGE 93 I 575, 579, 78
I 280, in Verbindung mit den vorstehend unter Ziff. 2b Abs. 2 angemerkten
Verweisungen). Ob die Beschwerdeführerin auch Defensivtendenzen verfolge,
braucht alsdann nicht geprüft zu werden.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.