Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 550



96 I 550

85. Auszug aus dem Urteil vom 4. November 1970 i.S. Specht und Konsorten
gegen Bänziger und Konsorten und Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen.
Regeste

    Art. 4 BV; Willkür; Auslegung einer kantonalen Gesetzesvorschrift;
Jagdpachtvergebung.

    Bestimmung, dass die Vergebungsbehörde das Revier bei Bewerbung
mehrerer Jägergruppen durch Entscheid oder durch Los zuteilen kann
(Art. 6 Abs. 2 JG-SG): die Annahme, im Falle der Gleichwertigkeit der
Bewerbergruppen müsse das Los entscheiden, ist willkürlich.

Sachverhalt

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Das Jagdgesetz enthält ausführliche Vorschriften darüber, nach
welchen Kriterien ein Revier zuzuteilen ist, wenn sich mehrere Jägergruppen
darum bewerben. Weitere Richtlinien finden sich in Verordnungen des
Regierungsrats (vgl. z.B. Jagdvorschriften für das Jagdjahr 1968/69,
vor allem Art. 7 und 8). Der Regierungsrat hat festgestellt, die beiden
konkurrierenden Bewerbergruppen seien unter Berücksichtigung aller
von der Gesetzgebung genannten Zuteilungsregeln als gleichwertig zu
betrachten. Weder dem Gesetzes- noch dem Verordnungsrecht können nach
dem Entscheid des Regierungsrates Richtlinien entnommen werden, wonach
der einen oder andern Gruppe der Vorzug zu geben wäre.

    Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid seinerseits die
Gleichwertigkeit der beiden Gruppen anerkannt. Es ist der Ansicht, dass
bei solcher Sachlage, da ein Zuteilungsentscheid sich gar nicht begründen
liesse, nur die Zuteilung durch das Los zulässig sei. Das ist unhaltbar. Es
ist dem Gesetzgeber nämlich unbenommen, ob er bei Gleichwertigkeit zweier
Bewerbergruppen die Zuteilung des Jagdreviers dem Entscheid der Behörde
oder dem Losentscheid überlassen will, oder ob er schliesslich der
Behörde freistellen will, die Zuteilung durch Entscheid oder durch das
Los vorzunehmen. Das St. Galler Jagdgesetz hat klar und eindeutig diese
dritte Lösung getroffen. Wenn sich mehrere Jägergruppen um das gleiche
Revier bewerben, beschliesst nach Art. 6 Abs. 2 JG der Gemeinderat, ob
die Zuteilung durch seinen Entscheid oder durch das Los erfolgen soll.
Nichts lässt darauf schliessen, dass diese Alternative nur gegeben sei,
wenn die in Frage stehenden Gruppen nicht gleichwertig sind, und dass
im Fall ihrer Gleichwertigkeit nur der Losentscheid zulässig sei. Es
muss sogar viel eher angenommen werden, die Vorschrift beziehe sich
gerade und nur auf den Fall, da die konkurrierenden Gruppen gleichwertig
sind. Denn wenn einer Gruppe nach den im Gesetz aufgestellten Kriterien
der Vorrang gebührt, hat die Behörde das Revier offenbar zwingend dieser
Gruppe zuzuteilen; das Los entscheiden zu lassen müsste als unzulässig
betrachtet werden, da dies zugunsten derjenigen Gruppe ausschlagen könnte,
die nach den gesetzlichen Vorschriften ein minderes Anrecht hat. Spricht
somit schon sehr vieles für die Annahme, die genannte Vorschrift beziehe
sich überhaupt nur auf den Fall der Gleichwertigkeit mehrerer Jägergruppen,
so ist es schlechthin nicht vertretbar, ihre Anwendbarkeit gerade für
diesen Fall auszuschliessen. Art. 6 Abs. 2 JG bestimmt unmissverständlich,
dass der Vergebungsbehörde die Wahl zusteht, ob sie die Zuteilung durch
ihren Entscheid oder durch das Los vornehmen will. Es verstösst gegen
Wortlaut und Sinn dieser Bestimmung, wenn das Verwaltungsgericht die
Behörde dieser klaren Wahlmöglich keit beraubt und ihr die Losziehung
vorschreibt. Der angefochtene Entscheid ist deshalb mit Art. 4 BV nicht
vereinbar, und die Beschwerde ist gutzuheissen, ohne dass die weiteren
Rügen geprüft werden müssten.