Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 496



96 I 496

77. Auszug aus dem Urteil vom 25. September 1970 i.S. Seebach gegen
Kluser und Eidg. Mietzinsrekurskommission Regeste

    Unterstellung einer Wohnung unter die Mietzinsüberwachung (BB vom
30. September 1965 über Mietzinse für Immobilien).

    Finden die Vorschriften über die Mietzinsüberwachung auch Anwendung
auf das Verhältnis einer Erbengemeinschaft zu einzelnen Erben, die ein
Erbschaftsobjekt bewohnen? (Erw. 4).

    Untersteht die einer Erbengemeinschaft gehörende Wohnung auch dann
der Mietzinsüberwachung, wenn ihr Mieter mit einem Erben verheiratet ist
und dieser Erbe die Wohnung mitbewohnt? (Erw. 5).

Sachverhalt

    A.- Friedrich Heinemann-Stohr war Eigentümer der Liegenschaft
Hadlaubstrasse 42 in Zürich. Er starb am 8. Mai 1967. Seine gesetzlichen
Erben sind: Paul Heinemann, Dr. med. dent., Alfred Heinemann (Söhne
des Erblassers), Anna Kluser-Heinemann, Elsa Seebach-Heinemann
(Töchter des Erblassers), Martin Heinemann, Bernhard Heinemann
(Söhne des vorverstorbenen Sohnes Fritz Heinemann). Mit letztwilliger
Verfügung vom 26. Oktober 1962 hatte der Erblasser die Liegenschaft
Hadlaubstrasse 42 seiner Tochter Anna Kluser-Heinemann und seinem Sohn
Paul Heinemann zugeteilt. Wegen der Erbteilung ist beim Bezirksgericht
Zürich ein Prozess anhängig. In diesem Prozess ist u.a. der Übernahmewert
der erwähnten Liegenschaft umstritten. Zwei 5-Zimmerwohnungen des
Hauses Hadlaubstrasse 42 werden von Erben bewohnt. Mieter sind aber
Dr. med. Edwin Kluser, Ehemann der Erbin Anna Kluser-Heinemann und Frau
Marlies Heinemann-Lustenberger, Mutter der Erben Martin und Bernhard
Heinemann.

    Mit Verfügung vom 4. Dezember 1968 stellte die Preiskontrolle der
Stadt Zürich fest, dass die Mietzinse sämtlicher Wohnungen der erwähnten
Liegenschaft der Mietzinsüberwachung unterstehen. Gegen diese Verfügung
erhoben Dr. Alfred Heinemann und Frau Elsa Seebach-Heinemann bei der
Justizdirektion des Kantons Zürich Rekurs. Die Justizdirektion hiess
den Rekurs am 19. März 1969 teilweise gut und stellte fest, "dass die
von Miterben bewohnten Wohnungen den Bestimmungen über Mietzinse und
Kündigungsbeschränkung nicht unterstehen".

    Den Entscheid der Justizdirektion des Kantons Zürich fochten Dr. Edwin
Kluser und dessen Ehefrau Anna Kluser-Heinemann sowie Frau Marlies
Heinemann-Lustenberger bei der Eidg. Preiskontrollstelle an. Diese
hiess am 17. Juli 1969 beide Beschwerden gut, hob den Entscheid der
Justizdirektion des Kantons Zürich vom 19. März 1969 auf und stellte jenen
der Preiskontrolle der Stadt Zürich vom 4. Dezember 1968 wieder her. Die
Preiskontrolle der Stadt Zürich wurde eingeladen, "auf die Prüfung der
höchstzulässigen Mietzinse einzutreten".

    Gegen den Entscheid der Eidg. Preiskontrollstelle führten Frau
Elsa Seebach-Heinemann und ihr Gatte Dr. A. Seebach Beschwerde bei der
Eidg. Mietzinsrekurskommission mit dem Antrag, es sei festzustellen,
dass die von Miterben bewohnten Wohnungen im Haus Hadlaubstrasse 42
den Vorschriften über die Mietzinsüberwachung nicht unterstehen. Die
Eidg. Mietzinsrekurskommission hat dieses Begehren am 16. Dezember 1969
abgewiesen.

    B.- Gegen den Entscheid der Eidg.  Mietzinsrekurskommission führen
Frau Elsa Seebach-Heinemann und ihr Gatte Dr. A. Seebach rechtzeitig
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragen: "Es sei
in Gutheissung der Beschwerde der angefochtene Entscheid, damit auch der
Rekursentscheid des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements, Preiskontrolle, vom
17. Juli 1969 aufzuheben, die Verfügung Nr. 238/68 der Direktion der Justiz
des Kantons Zürich vom 19. März 1969 zu bestätigen und festzustellen, dass
die von den Miterben Frau Marlies Heinemann-Lustenberger und Dr. Edwin
Kluser-Heinemann bewohnten Wohnungen der Liegenschaft Hadlaubstrasse 42
in Zürich den Bestimmungen über Mietzinse und Kündigungsbeschränkungen
nicht unterstehen".

    Zur Begründung führen sie u.a. aus, der angefochtene Entscheid
verstosse durch die Anwendung der Mietzinsüberwachung auf Miterben gegen
Sinn und Zweck des einschlägigen Bundesrechts. Miterben könnten sich
zivilrechtlich gegen tatsächlich oder vermeintlich übersetzte Mietzinse
wehren. Sie seien des Schutzes der Mietzinsüberwachung nicht bedürftig.

    Bei der Verkehrswertberechnung eines Hauses spiele der Ertragswert
der Wohnungen eine Rolle. Den Erben, denen die Liegenschaft zugeteilt sei,
gehe es nur darum, auf dem Wege der Mietzinsbeschränkung einen niedrigen
Anrechnungswert zu erwirken.

    Art. 1 des BB vom 30. September 1965 beziehe sich nicht auf Wohnungen
von Miterben. Der in Art. 9 desselben BB enthaltene Schutzgedanke treffe
das Verhältnis der Erbengemeinschaft zu einzelnen Erben nicht. Art. 23 der
Verordnung über Mietzinse und Kündigungsbeschränkung vom 30. Dezember 1965
(VMK) sei nicht anwendbar, da im vorliegenden Falle nur zu entscheiden
sei, ob die fraglichen Wohnungen der Mietzinsüberwachung unterständen,
nicht aber, welches gegebenenfalls die höchstzulässigen Mietzinse seien.

    C.- Die Eheleute Kluser-Heinemann und die Eidg.
Mietzinsrekurskommission beantragen, die Beschwerde abzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführer meinen, die Vorschriften betreffend die
Mietzinsüberwachung fänden auf das Verhältnis einer Erbengemeinschaft zu
einzelnen Erben, die ein Erbschaftsobjekt bewohnen, keine Anwendung.

    In ihrer Beschwerde an die Eidg. Mietzinsrekurskommission haben
die Beschwerdeführer bestätigt, dass die Wohnungen im zweiten und
dritten Stock nicht an Miterben vermietet sind, sondern an Personen,
die nicht zur Erbengemeinschaft gehören. Ihr Vorbringen trifft deshalb
streng genommen den hier vorliegenden Sachverhalt nicht. Es ist aber wohl
auch so zu verstehen, dass die VMK unanwendbar sei, wenn Mitglieder der
Erbengemeinschaft von Nichterben gemietete Wohnungen mitbewohnen. Zwar
wird nicht behauptet, die VMK sehe für einen solchen Fall eine Ausnahme
vor, wohl aber, ihre Anwendung darauf verstosse gegen ihren eigentlichen
Sinn und Zweck.

    Die Beschwerdeführer behaupten zur Begründung ihrer Ansicht, die
Miterben könnten sich "zivilrechtlich gegen tatsächlich oder vermeintlich
übersetzte Mietzinsforderungen zur Wehr setzen". Demgegenüber ist folgendes
zu beachten: Die Miterben können wohl innerhalb der Erbengemeinschaft
zugunsten der ihnen nahestehenden Mieter intervenieren, dabei aber nichts
erzwingen. Ist der Willensvollstrecker vom Erblasser mit der Verwaltung der
Liegenschaft bis zur Teilung beauftragt, was nach Art. 518 Abs. 2 ZGB zu
vermuten ist, so entscheidet er mit gleicher Kompetenz wie ein Vermieter
über die Leistungen der Mieter, ohne an Weisungen der Erben gebunden zu
sein (TUOR, 2. Auflage ZGB Art. 518 N. 20; ESCHER, 2. Auflage ZGB Art. 518
N. 7). Wäre der Willensvollstrecker nach dem Willen des Erblassers nicht
mit dieser Kompetenz ausgerüstet, so könnte jeder der uneinigen Erben die
Bestellung eines Erbenvertreters (Art. 602 Abs. 3 ZGB) erwirken. Auch
dieser aber würde ohne Instruktion der einen oder andern der unter sich
uneinigen Erben seines Amtes walten (TUOR/PICENONI, ZGB Art. 602 N. 54;
ESCHER 2. Auflage ZGB Art. 602 N. 78). Weder dem Willensvollstrecker noch
einem Erbenvertreter gegenüber steht den betroffenen Erben und Mietern
ein anderer Rechtsbehelf gegen einen übersetzten Mietzins zu, als eben die
Anrufung der Mietzinsüberwachung. Der Hinweis der Beschwerdeführer auf die
zivilrechtlichen Behelfe der Beschwerdegegner ist daher verfehlt. Dies ganz
abgesehen davon, dass den Miterben unter mehreren möglichen Rechtsbehelfen
die freie Auswahl zustände.

    Die Beschwerdeführer machen geltend, die Höhe des Mietzinses
beeinflusse den Ertragswert des Grundstücks, und dieser sei ein
Element zur Berechnung des Anrechnungswertes des Grundstücks bei der
Erbteilung. Nach dem Willen des Erblassers wird ihnen die Liegenschaft
nicht zugewiesen werden. Sie sind daher an einem möglichst hohen
Anrechnungswert interessiert. Frau Kluser-Heinemann und ihr Bruder Paul
Heinemann haben die Anwartschaft, unter Ausschluss aller übrigen Erben
miteinander Eigentümer des Grundstücks zu werden. Sie sind daher umgekehrt
an einem möglichst niedrigen Anrechnungswert interessiert. Dieser
Sachverhalt spricht weder für noch gegen die Unterstellung der
Wohnungen unter die Mietzinsüberwachung, sowenig, wie etwa die Folgen
einer öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkung etwas über Bestand
oder Nichtbestand dieser Eigentumsbeschränkung aussagen. Aufgabe der
Mietzinsüberwachung ist es, zu verhindern, dass der Mieter mit einem
übermässigen Zins belastet wird. Ihre Auswirkungen auf die Bestimmung
des Anrechnungswertes in der Erbteilung sind tatsächlicher Art und
taugen weder als Argument für die Unterstellung noch als Argument
gegen sie. Aus dem von den Beschwerdeführern angerufenen Grundsatz
schonungsvoller Interpretation von Vorschriften, welche Eingriffe in
die private Eigentumssphäre begründen, lässt sich für den vorliegenden
Fall nichts ableiten. Die Beschwerdeführer gehen von der Fiktion aus,
Mieter und Miterben seien identisch. Bezüglich des Eigentums stehen
alle Erben in gleichen Rechten. Ihre Interessen aber sind einander
entgegengesetzt. Der Vorteil des einen ist der Nachteil des andern.
Die Frage nach dem schonungsvolleren Eingriff aber wäre nur dann zu prüfen,
wenn sie sich für alle Erben in gleicher Weise stellen würde.

Erwägung 5

    5.- Tatsache ist, dass Erben und Mieter nicht identisch sind. Im
vorliegenden Falle ist zu entscheiden, ob die Wohnungen im Haus
Hadlaubstrasse 42 der Mietzinsüberwachung unterstehen und namentlich, ob
der Mieter des einer Erbengemeinschaft gehörenden Objektes des Schutzes
verlustig geht, wenn er mit einer Person verheiratet ist, die zur
Erbengemeinschaft gehört, und diese Person die Mietwohnung zusammen mit
ihm bewohnt. Mit dem Zweck der Mietzinsüberwachung lässt sich eine solche
Ausnahme nicht motivieren, erst recht nicht für eine Mieterin, welche unter
ihrer elterlichen Gewalt stehende unmündige Kinder unterhält und erzieht,
die ihrerseits zur Erbengemeinschaft gehören. Die Mietzinsüberwachung
soll den am Mietverhältnis beteiligten Parteien "grundsätzlich die freie
Mietzinsbildung ermöglichen", zugleich aber dem Mieter Gewähr bieten
"gegen ein unangemessenes Ansteigen des Mietzinses"... (Art. 9 Abs. 1 des
BB vom 30. September 1965 über Mietzinse für Immobilien). Dem entsprechen
Art. 4 VMK, der das Prinzip der freien Vereinbarung ausspricht, und Art. 6
bis 8 VMK, die die Behelfe des Mieters umschreiben. Indem Art. 2 lit. d
VMK die 1962 frei gegebenen Wohnungen von der Überwachung ausnimmt, behält
er sie für alle übrigen Wohnungen (soweit sie nicht unter eine andere
Ausnahmevorschrift fallen) bei. Es wäre system- und zweckwidrig, Objekte,
die einer Erbengemeinschaft gehören, von der Überwachung auszunehmen, wenn
Erben mit einem Mieter zusammen wohnen, würde das doch bedeuten, dass nicht
Lage und Zustand der Wohnung, sondern abweichend von allen andern Fällen,
die sie bewohnenden Personen für die Unterstellung entscheidend wären,
somit statt eines objektiven ein subjektives Kriterium angewendet würde.

    Die Frage, ob das Mietobjekt der Mietzinsüberwachung untersteht, kann
nicht losgelöst von der Höhe des zu Ende des Jahres 1961 zulässig gewesenen
Mietzinses beurteilt werden, denn dieser ist ein wichtiges Element für
die Beurteilung des heute zulässigen Mietzinses (vgl. Art. 11 BB vom 30.
September 1965 sowie Art. 6 lit. a und Art. 13 VMK). Der Hinweis der
Vorinstanz auf Art. 23 Abs. 1 VMK war deshalb nicht abwegig.