Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 485



96 I 485

76. Auszug aus dem Urteil vom 10. Juli 1970 i.S. Schweizerische
Eidgenossenschaft (PTT-Betriebe) gegen Kanton Aargau Regeste

    Bundesgesetz über die Nationalstrassen vom 8. März 1960.

    Nach Art. 45 Abs. 1 dieses Gesetzes gehen zu Lasten des
Nationalstrassenbaus auch die Kosten der durch ihn verursachten Versetzung
von Leitungen der PTT-Betriebe, wenn nichts anderes vereinbart ist. Dies
gilt ebenfalls - ungeachtet des Art. 8 des Bundesgesetzes betreffend
die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen vom 24. Juni 1902 -
für Leitungen, die vor der Versetzung unentgeltlich in öffentlichem Gut
(Kantons- und Gemeindestrassen usw.) verlegt waren.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- a) Das Bundesgesetz betreffend die elektrischen Schwach- und
Starkstromanlagen vom 24. Juni 1902 (ElG)

    bestimmt in

    Art. 5:

    "Der Bund ist berechtigt, für die Erstellung von oberirdischen
und unterirdischen Telegraphen- und Telephonlinien öffentliche Plätze,
Strassen, Fahr- und Fusswege, sowie auch öffentliche Kanäle, Flüsse,
Seen und deren Ufer, soweit diese dem öffentlichen Gebrauche dienen,
unentgeltlich in Anspruch zu nehmen, immerhin unter Wahrung der Zwecke, für
welche das in Anspruch genommene öffentliche Gut bestimmt ist, und gegen
Ersatz des durch den Bau und Unterhalt allfällig entstehenden Schadens."

    Art. 6:

    "In gleicher Weise ist der Bund berechtigt, auch über Privateigentum
den Luftraum durch Ziehen von Telegraphen- und Telephondrähten ohne
Entschädigungsleistung in Anspruch zu nehmen, insofern dadurch die
zweckentsprechende Benützung der betreffenden Grundstücke oder Gebäude
nicht beeinträchtigt wird."

    Art. 8:

    "Sofern der Eigentümer über das gemäss Art. 5 und 6 in Anspruch
genommene Eigentum eine Verfügung treffen will, die eine Änderung oder
Beseitigung der errichteten Linie nötig macht, so hat er die Aufforderung
hierzu schriftlich an die eidgenössische Verwaltung zu richten, welche
die Änderung oder Beseitigung der Linie vorzunehmen hat.

    Wird die angekündigte Verfügung des Eigentümers nicht binnen eines
Jahres, von der Änderung oder Beseitigung der Linie an gerechnet, ins
Werk gesetzt, so bleibt der eidgenössischen Verwaltung das Recht auf
Ersatz der veranlassten Ausgaben vorbehalten."

    b) Art. 45 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen vom
8. März 1960 (NSG) lautet:

    "Beeinträchtigt eine neue Nationalstrasse bestehende Verkehrswege,
Leitungen und ähnliche Anlagen oder beeinträchtigen neue derartige Anlagen
eine bestehende Nationalstrasse, so fallen die Kosten aller Massnahmen, die
zur Behebung der Beeinträchtigung erforderlich sind, auf die neue Anlage."

    B.- Wegen des Baus der Nationalstrassen müssen die PTT-Betriebe
vielfach ihre Telegraphen- und Telephonleitungen versetzen. Anfänglich
wurden alle dadurch verursachten Kosten anstandslos nach der Regel des
Art. 45 Abs. 1 NSG dem Nationalstrassenbau belastet. Später vertrat
das Eidg. Amt für Strassen- und Flussbau die Meinung, diese Bestimmung
gelte nicht für Leitungen, die in öffentlichem Gut auf Grund eines gemäss
Art. 5 ElG unentgeltlich erworbenen Benützungsrechts verlegt worden
waren; die Kosten der Versetzung solcher Leitungen seien nach Art. 8 ElG
von den PTT-Betrieben zu tragen. Die Generaldirektion der PTT-Betriebe
widersprach dieser Auffassung; sie stellte sich auf den Standpunkt,
dass durchweg Art. 45 Abs 1 NSGmassgebend sei. Beide Behördenliessen die
Streitfrage begutachten. Die Eidg. Justizabteilung teilte die Ansicht
des Amts für Strassen- und Flussbau (Gutachten vom 11. September 1963
und 3. März 1965). Dagegen hielt alt Bundesrichter Dr. K. Dannegger die
Auffassung der PTT-Betriebe für richtig (Gutachten vom 13. Juli 1964),
und zum gleichen Ergebnis gelangte Dr. H. Kuhn, ehemals Direktor der
Justizabteilung (Gutachten vom 23. Juni 1967).

    C.- Beim Bau der Nationalstrasse N 1 auf dem Gebiete des
Kantons Aargau mussten im Abschnitt Rothrist - Lenzburg an 18 Stellen
Telegraphen- und Telephonleitungen der PTT-Betriebe versetzt werden. Mit
verwaltungsrechtlicher Klage vom 21. März 1969 hat die Schweizerische
Eidgenossenschaft, vertreten durch die Generaldirektion der PTT-Betriebe,
dem Bundesgericht beantragt, der Kanton Aargau sei zu verurteilen, ihr
als Ersatz für die Kosten dieser Verlegungen Fr. 485'535.75 nebst Zins
zu bezahlen. Die Klage wird auf Art. 45 Abs. 1 NSG gestützt.

    Der Beklagte hat beantragt, die Klage sei, soweit sie die Kosten
der Versetzung unentgeltlich in öffentlichem Gut verlegter Leitungen
betrifft, auf Grund des Art. 8 ElG abzuweisen, eventuell nur teilweise
gutzuheissen. Er hat sich bereit erklärt, die Kosten der Versetzung
derjenigen Leitungen, die in oder über Privatland verlaufen waren, in
einem herabgesetzten Umfang zu übernehmen.

    Im Einvernehmen mit den Parteien hat das Bundesgericht zunächst
einen Entscheid darüber gefällt, ob die Klage grundsätzlich (abgesehen
vom Betrage) begründet sei. Es hat die Frage bejaht.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Art. 45 Abs. 1 NSG bestimmt allgemein, dass in den Fällen, wo
eine neue Nationalstrasse bestehende Leitungen oder ähnliche Anlagen
beeinträchtigt, die Kosten der Behebung der Beeinträchtigung zu Lasten
der neuen Anlage gehen. Vorbehalten bleibt nach Art. 47 Abs. 1 eine
abweichende Vereinbarung der Beteiligten; doch liegt hier eine solche nicht
vor. Nach dem Wortlaut des Art. 45 Abs. 1 fallen Leitungen irgendwelcher
Art unter diese Vorschrift; der Text bietet keinen Anhaltspunkt für die
Annahme, dass Telegraphen- und Telephonleitungen davon ausgenommen sind.

    Klar ist anscheinend auch die Vorschrift, auf die sich der Beklagte
beruft: Art. 8 ElG verpflichtet den Bund zur unentgeltlichen Versetzung
solcher Telegraphen- oder Telephonleitungen, die ebenfalls unentgeltlich
in Sachen im Gemeingebrauch (öffentlichem Gut) verlegt worden sind, sobald
der Eigentümer über die in Anspruch genommene Sache eine Verfügung treffen
will, die eine Änderung oder Beseitigung der Leitung nötig macht. Die
Kosten dafür sind den PTT-Betrieben nur in einem Ausnahmefall zu erstatten,
dann nämlich, wenn die Anlage, für welche die Änderung verlangt wird,
nicht binnen Jahresfrist gebaut wird (Art. 8 Abs. 2 ElG). Dass dieser
Ausnahmefall hier vorliege, behauptet die Klägerin nicht.

Erwägung 3

    3.- Die Besonderheit der zu beurteilenden Streitigkeit besteht
daher darin, dass zwei geltende, dem Anschein nach klare Regeln, die
sich gegenseitig auszuschliessen scheinen, auf denselben Sachverhalt
zuzutreffen scheinen. Es stellt sich die Frage, ob eine Gesetzeskonkurrenz
wirklich bestehe.

    a) Das wäre nicht der Fall, wenn die Regel des Art. 8 ElG nur
für Änderungen gälte, die an der in Anspruch genommenen Sache selber,
z.B. zur Verstärkung, Verbreiterung oder sonstigen Verbesserung einer
Strasse, zur Behebung von Schäden an ihr oder zur Abwehr künftiger
solcher Schäden, vorzunehmen wären. Eine Einschränkung dieser Art wird
vielfach bei prekaristisch eingeräumten Nutzungsrechten vorausgesetzt
(vgl. H. ZWAHLEN, Construction de routes nationales, frais de déplacement
de canalisations établies dans le domaine public et notion de précarité,
plus spécialement en droit vaudois, Revue de droit administratif et de
droit fiscal 25/1969, 161 ff., insbesondere 166 ff.). Es ist jedoch zu
bezweifeln, dass Art. 8 ElG nur Änderungen im angegebenen Sinne betreffe;
der Wortlaut spricht jedenfalls nicht dafür.

    Die Frage kann indessen offen bleiben. Würde angenommen, in
Art. 8 ElG sei eine Einschränkung gemäss den vorstehenden Ausführungen
vorausgesetzt, so wäre damit das Feld für die Anwendung des Art. 45 Abs. 1
NSG freigemacht. Dann wäre, wie noch zu zeigen sein wird, das Ergebnis
dasselbe, wie wenn angenommen wird, Art. 45 Abs. 1 NSG widerspreche dem
Art. 8 ElG.

    b) In einem (bei der Veröffentlichung im ZBl 71/1970 185 ff. und
221 ff. weggelassenen) Abschnitt eines zuhanden der Schweizerischen
Baudirektorenkonferenz verfassten Berichts über "Rechtsfragen beim
Zusammentreffen öffentlicher Werke" befürwortet R. Kappeler eine sehr
einschränkende Auslegung des Art. 8 ElG. Er führt aus:

    "Die strassenbedingte Verlegung von TT-Leitungen ist nur insoweit der
TT-Verwaltung vorbehaltlos zu belasten, als die durch ein und dasselbe
Strassenbauvorhaben ausgelöste Leitungsverlegung einen gewohnten Umfang
aufweist und es bei diesem einen Strassenbauvorhaben um eine Baute
von räumlich beschränkter Verkehrsbedeutung (z.B. Quartierstrasse,
Quartiersammelstrasse, Ortsverbindungsstrasse, Strasse zur land-, forst-
oder alpwirtschaftlichen Bewerbung) geht. Wo die Leitungsverlegung wegen
eines Strassenbaues nötig wird, der in 'Erfüllung einer nationalen Aufgabe
einmaligen Ausmasses' zur Neugestaltung des Verkehrs grosser Landesteile
oder sogar der ganzen Schweiz erfolgt, kommt Art. 8 ElG nicht zum Zuge."

    Ob diese Auffassung zutreffe, kann ebenfalls dahingestellt
bleiben. Würde ihr gefolgt, so wäre ein Widerspruch zwischen Art. 8 ElG
und Art. 45 Abs. 1 NSG wiederum ausgeschlossen.

    c) Ein solcher Widerspruch bestände auch dann nicht, wenn anzunehmen
wäre, der Kanton verlange die wegen des Nationalstrassenbaus erforderliche
Versetzung der bisher in seinen öffentlichen Strassen (Kantons- und
Gemeindestrassen) verlegten TT-Leitungen nicht als Strasseneigentümer
(und Vertreter der Gemeinden, welche Strasseneigentümer sind), sondern
als Willensvollstrecker des Bundes. Nach Art. 36bis Abs. 2 BV bauen
die Kantone die Nationalstrassen "nach den Anordnungen und unter der
Oberaufsicht des Bundes". Die generellen Projekte müssen vom Bundesrat und
die Ausführungsprojekte vom Eidg. Departement des Innern genehmigt werden
(Art. 20 und Art. 28 Abs. 1 NSG). Anderseits stehen die Nationalstrassen
- unter Vorbehalt der Befugnisse des Bundes - unter der Hoheit der
Kantone (Art. 36bis Abs. 6 BV). Die Kantone besorgen den Landerwerb
(Art. 32 Abs. 1 NSG); ferner vergeben und überwachen sie die Bauarbeiten
(Art. 41 Abs. 2 NSG). Sie befinden sich also beim Nationalstrassenbau in
einer Doppelstellung. Sie sind Bauherren, vollziehen aber zugleich die
Anordnungen des Bundes. Man kann sich ernstlich fragen, ob im vorliegenden
Fall wirklich der Kanton als Strasseneigentümer eine Verfügung getroffen
habe, welche die Änderung oder Beseitigung bestehender TT-Leitungen
nötig gemacht hat (dazu ZWAHLEN aaO 173). Nähme man an, nicht der
Strasseneigentümer, sondern der Bund habe - durch die Genehmigung der
Nationalstrassenprojekte - die Versetzung solcher Leitungen verursacht,
so fiele Art. 8 ElG wiederum von vornherein ausser Betracht.

    d) Sicher ist, dass beide Bundesgesetze, mit verschiedenem
Anwendungsbereich, nebeneinander gelten können. Art. 8 ElG wird auf alle
Fälle nach wie vor anwendbar sein auf die Versetzung von TT-Leitungen, die
von den Eigentümern der bisher in Anspruch genommenen, im Gemeingebrauch
stehenden Anlagen (Strassen usw.) nicht wegen des Nationalstrassenbaus,
sondern aus anderen Gründen veranlasst wird. Art. 45 Abs. 1 NSG ist sicher
anwendbar auf TT-Leitungen, die nicht unentgeltlich in öffentlichem Gut,
sondern auf Grund entgeltlich erworbener Rechte anderswo verlegt waren
und nun wegen des Nationalstrassenbaus versetzt werden müssen.

Erwägung 4

    4.- Übrig bleibt die im vorliegenden Prozess umstrittene Frage: Wer
trägt die Kosten der durch den Nationalstrassenbau verursachten Versetzung
von TT-Leitungen, die bisher in öffentlichem Gut unentgeltlich verlegt
waren, wenn man einen Widerspruch zwischen Art. 8 ElG und Art. 45 Abs. 1
NSG annimmt? Es liegt nahe, vom NSG als dem neueren Erlass auszugehen. Dies
entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass das neuere Gesetz das ältere
aufhebt ("lex posterior derogat legi priori"). Das NSG hebt Art. 8 ElG
nicht ausdrücklich auf; es erwähnt diese Bestimmung überhaupt nicht. Jener
Grundsatz ist indessen auch dann anwendbar, wenn das NSG die ältere Regel
des ElG zwar nicht formell als aufgehoben erklärt, aber mit ihr inhaltlich
nicht vereinbar ist.

    Der Beklagte weist darauf hin, dass der Grundsatz des Vorrangs des
neuen Gesetzes nicht immer gelte, namentlich dann nicht, wenn ein neues
allgemeines Gesetz auf ein älteres Spezialgesetz stösst ("lex posterior
generalis non derogat legi priori speciali"). Allein, damit kommt man
nicht weiter. Das ElG und das NSG sind in ihrem Verhältnis zueinander beide
teils allgemeine, teils spezielle Gesetze. Art. 45 Abs. 1 NSG betrifft,
jedenfalls nach dem Wortlaut, Leitungen beliebiger Art und ist insofern
eine lex generalis; er erfasst dagegen nur Leitungsverlegungen infolge
des Nationalstrassenbaus und ist insofern eine lex specialis. Art. 8
ElG betrifft nur die Verlegung von TT-Leitungen und ist insofern eine
lex specialis; dagegen bezieht er sich, wiederum nach dem Wortlaut, auf
Versetzungen, die der Strasseneigentümer aus beliebigen Gründen verlangt,
und ist insofern eine lex generalis.

Erwägung 5

    5.- Die Lösung ist somit durch Auslegung des neueren Gesetzes, also
des NSG, zu gewinnen.

    a) Art. 45 Abs. 1 NSG ist so allgemein gefasst, dass er die Kosten
der Versetzung beliebiger Leitungen betreffen kann. Der Wortlaut dieser
Bestimmung und des Art. 47 Abs. 1 NSG drängt die Annahme auf, dass
die Kosten der durch den Bau einer neuen Nationalstrasse verursachten
Versetzung irgendwelcher Leitungen, also auch von TT-Leitungen,
durchweg zu den Kosten der neuen Anlage gehören, d.h. zu Lasten des
Nationalstrassenbaus gehen, wenn die Beteiligten nicht eine abweichende
Vereinbarung treffen.

    Den Beteiligten steht es frei, z.B. eine dem Art. 8 ElG entsprechende
Kostenverteilung zu vereinbaren. Nicht haltbar aber ist die Meinung
des Beklagten, mangels einer Vereinbarung gelte Art. 8 ElG als Surrogat
einer solchen. Damit würde Art. 45 Abs. 1 NSG für die hier umstrittenen
Leitungen gegenstandslos. Denn bei abweichender Parteivereinbarung gälte
diese gemäss Art. 47 Abs. 1 NSG, und bei Fehlen einer solchen gälte
Art. 8 ElG subsidiär. Dieses Ergebnis ist aber mit dem Wortlaut des NSG
schlechthin unvereinbar.

    b) Innerhalb des zweiten Abschnitts des NSG, der den "Bau der
Nationalstrassen" betrifft, sind im Unterabschnitt D Vorschriften
über "Bau und künftige bauliche Massnahmen" zusammengefasst. Daselbst
tragen die Art. 44-48 den gemeinsamen Randtitel "künftige bauliche
Massnahmen"; zu diesen Massnahmen gehören auch solche, die infolge
des Nationalstrassenbaus zugleich mit ihm nötig werden. Art. 44 hat die
"Bewilligungspflicht" (Untertitel) zum Gegenstand. Er stellt sie allgemein
auf (Abs. 1), behält aber die Bestimmungen des ElG ausdrücklich vor
(Abs. 2). Demnach ist Art. 5 ElG auch gegenüber Nationalstrassen anwendbar:
Die PTT-Betriebe können sie, gleich wie alle anderen öffentlichen Strassen,
ohne Bewilligung und unentgeltlich für die Erstellung von Leitungen in
Anspruch nehmen, mit dem einzigen (materiellen) Vorbehalt, dass die
Leitungen "die Strassenanlage und einen allfälligen künftigen Ausbau
nicht beeinträchtigen dürfen" (Art. 44 Abs. 1 NSG, letzter Satz). Die
Art. 45-47 NSG ordnen die "Verteilung der Kosten von Verlegungs-,
Kreuzungs- und Anschlussbauwerken". Art. 45 (Untertitel: "neue Anlagen")
enthält in Abs. 1 eine allgemeine, subsidiär anwendbare Regel und in
Abs. 2 eine besondere Vorschrift für den Anschluss neuer öffentlicher
Strassen an Nationalstrassen. Art. 46 betrifft die "Änderung bestehender
Kreuzungen" von Nationalstrassen mit anderen öffentlichen Strassen und
mit Eisenbahnen, Art. 48 die "Verteilung der Kosten von Anpassungen an
militärischen Verteidigungsanlagen".

    In dem kurzen Abschnitt, den die Art. 44-48 NSG bilden, finden
sich drei Verweisungen auf andere Bundesgesetze, nämlich in Art. 44
der bereits erwähnte Vorbehalt des ElG, in Art. 46 Abs. 2 ein Hinweis
auf das Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 und in Art. 47 Abs. 2
ein Hinweis auf das OG. Angesichts dieser Häufung von Verweisungen
aufkleinstem Raum und der Art, wie die Hinweise eingegliedert sind,
erscheint es als ausgeschlossen, den in Art. 44 NSG (bezüglich der
Bewilligungspflicht) ausgesprochenen Vorbehalt des ElG auch als in Art. 45
(betreffend die Kostenverteilung) enthalten zu betrachten, zumal nicht
nur in dieser Bestimmung, sondern auch in Art. 47 Abs. 1 (Vorbehalt
abweichender Vereinbarung) ein Hinweis auf das ElG fehlt. Art. 44 NSG
hat mit der Kostenverteilung ebenso wenig zu tun, wie Art. 45 mit der
Bewilligungspflicht. Das ergibt sich klar aus den Randtiteln. Das System
des NSG spricht also, wie der Wortlaut des Art. 45 Abs. 1 NSG, für die
von der Klägerin vertretene Auslegung, wonach diese Bestimmung auch dann
massgebend ist, wenn infolge des Nationalstrassenbaus TT-Leitungen,
die bisher unentgeltlich in öffentlichem Gut verlegt waren, versetzt
werden müssen.

    c) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Auslegung dem
Willen des historischen Gesetzgebers nicht entspricht.

    Die Bundesversammlung hat den Art. 45 Abs. 1 NSG, der von Art. 43
Abs. 1 des Entwurfes des Bundesrates nur in der Redaktion etwas abweicht,
ohne Diskussion genehmigt.

    In der Botschaft vom 3. Juli 1959 zum Entwurf des NSG erklärt der
Bundesrat (BBl 1959 II 129 f.):

    "Eine neue Nationalstrasse beeinträchtigt oder kreuzt eine bestehende
Strasse, Eisenbahn, Leitungen oder ähnliche Anlagen oder es beeinträchtigen
neue derartige Anlagen eine bestehende Nationalstrasse. In diesen beiden
Fällen werden die sich tangierenden Anlagen einander grundsätzlich
gleichgestellt. Nach dem Verursachungsprinzip trägt diejenige Partei die
Kosten der Umgestaltung an der Verlegungs- oder Kreuzungsstelle, auf deren
Veranlassung das Bauwerk ausgeführt werden muss. Unter den Kosten der
ganzen Anlage an der Verlegungsstelle sind alle einmaligen Aufwendungen
für die bauliche Ausführung zu verstehen, ferner alle sonstigen, durch
dieses Bauvorhaben verursachten späteren Aufwendungen (Art. 43 Abs. 1)."

    Aus diesen Bemerkungen ergibt sich, dass der Bundesrat das
Verursachungsprinzip mit voller Reziprozität einerseits bei der Versetzung
bisheriger Leitungen wegen des Nationalstrassenbaus, anderseits bei
Eingriffen in bestehende Nationalstrassen wegen neuer Leitungen angewandt
wissen wollte.

    Ferner wird in der Botschaft ausgeführt (aaO 116):

    "Das auf Grund der Gesetzgebung über die elektrischen Schwach- und
Starkstromanlagen der PTT-Verwaltung eingeräumte Recht auf Benützung
von Strassen zur Erstellung von Telegraphen- und Telephonlinien (Art. 5
des BG vom 24. Juni 1902) wird durch den vorliegenden Gesetzesentwurf
nicht berührt."

    Hätte der Bundesrat auch den Art. 8 ElG vorbehalten wollen, so wäre das
zweifellos an dieser Stelle gesagt worden. Der Umstand, dass die Botschaft
bei der Bezeichnung dessen, was durch die Gesetzesvorlage "nicht berührt"
wird, nur Art. 5 und nicht auch Art. 8 ElG erwähnt, zwingt zur Annahme,
dass der nunmehr in Art. 44 Abs. 2 NSG enthaltene Vorbehalt bezüglich
der Bewilligungspflicht genau den Absichten des Bundesrates bei der
Antragstellung entspricht.

    Es mag - wie schon die Justizabteilung hervorgehoben hat - als
zweifelhaft erscheinen, ob für die Ermittlung des Willens des historischen
Gesetzgebers auch die Meinungen der Abteilungen der Bundesverwaltung,
die an der Ausarbeitung der Vorentwürfe und des der Bundesversammlung
vorgelegten bereinigten Entwurfs zum NSG beteiligt waren, in Betracht
fallen. Die Frage kann indessen offen gelassen werden. Die Meinungen der
Abteilungen, die sich zu äussern hatten, waren geteilt. Insbesondere
gingen die Auffassungen der Justizabteilung und der PTT-Betriebe
auseinander. Durchgedrungen ist aber der Standpunkt der PTT-Betriebe. Ihnen
ging es im wesentlichen darum, bei Änderungen ihres Leitungsnetzes im
Bereich der Nationalstrassen nicht von kantonalen Bewilligungen abhängig
zu werden. Dementsprechend wurde der Vorbehalt des ElG so formuliert, dass
er sich nur auf den Ausschluss der Bewilligungspflicht oder, wie in der
Botschaft bemerkt ist, auf Art. 5 ElG bezieht. Auch wenn die Vorgeschichte
des Art. 45 Abs. 1 NSG im Stadium der verwaltungsinternen Bereinigung
berücksichtigt würde, bestände daher kein Grund, von der aus dem Wortlaut
und der Systematik dieses Gesetzes gewonnenen Auslegung abzuweichen.

Erwägung 6

    6.- Zu prüfen sind noch verschiedene Einwände, die von der Eidg.
Justizabteilung und vom Beklagten vorgebracht worden sind.

    a) Daraus, dass Art. 5 ElG den PTT-Betrieben, wie sich eben aus
Art. 8 ElG ergibt, nur ein Recht auf Abruf, eine prekaristische Befugnis
einräumt, ist geschlossen worden, es stehe ihnen kein des Schutzes der
Eigentumsgarantie teilhaftiges, wohlerworbenes Recht auf die Belassung
ihrer Leitungen in den bisherigen Strassen zu; daher hätten sie die Kosten
der durch den Nationalstrassenbau verursachten Versetzung solcher Leitungen
selbst zu tragen; ihre Verpflichtung zu unentgeltlicher Räumung sei die
Kehrseite der früheren unentgeltlichen Inanspruchnahme der Strassen und
verletze niemandes Eigentum.

    Art. 45 Abs. 1 NSG hat jedoch mit der Eigentumsgarantie nichts zu
tun. Das Verursachungsprinzip, das dieser Bestimmung - wie auch den
entsprechenden Vorschriften des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957
- zugrunde liegt, ist nicht ein Ausfluss der Eigentumsgarantie, sondern
bedeutet einfach, dass derjenige Teil die Kosten zu tragen hat, der die
Änderung des bestehenden Zustandes verlangt oder verursacht. Nichts
rechtfertigt es, den Art. 45 Abs. 1 NSG in dem Sinne zu verstehen,
dass der Erbauer der neuen Anlage die Kosten der durch sein Werk
verursachten Änderung bestehender Anlagen nur dann zu tragen habe, wenn
er in wohlerworbene Rechte eingreift (ZWAHLEN aaO 162 ff.).

    b) Die Eidg. Justizabteilung und der Beklagte sind offenbar der
Meinung, es sei kaum denkbar, dass der Bundesgesetzgeber im NSG, ohne
sich darüber zu äussern, den Kantonen eine Last habe aufbürden wollen,
die nach der Regel des Art. 8 ElG von den PTT-Betrieben zu tragen wäre.

    Es ist allerdings erstaunlich, dass in der Bundesversammlung über
die Frage, um die es geht, nicht gestritten, ja nicht einmal gesprochen
wurde. Die Ursache dürfte darin liegen, dass den Mitgliedern der
eidgenössischen Räte die in der Botschaft des Bundesrates nicht erwähnte
Regel des Art. 8 ElG entgangen ist. Das hat aber nicht zu unhaltbaren
Folgen geführt, die ein umfassend unterrichtetes Parlament mit Sicherheit
abgelehnt hätte. Den PTT-Betrieben wurde keine Last abgenommen. Nach einer
Auskunft des Eidg. Amtes für Strassen- und Flussbau ist seit dem Beginn
des Nationalstrassenbaus das Netz der Kantonsstrassen nicht zurückgegangen,
das Netz der Gemeindestrassen aber weiter ausgedehnt worden. Art. 8 ElG hat
somit sachlich und räumlich sein bisheriges Anwendungsgebiet behalten. Für
das gewaltige Werk aber, das die Nationalstrassen darstellen, konnte
sehr wohl eine neue Regelung getroffen werden, nach welcher die Kosten
der notwendigen Versetzung von TT-Leitungen - auch solcher, die bisher
unentgeltlich in öffentlichem Gut verlegt waren - zu den gesamten nach den
Grundsätzen von Art. 36bis Abs. 4 BV auf Bund und Kantone zu verteilenden
Kosten zu rechnen sind. Diese Lösung erscheint nicht als unbillig; hat doch
der Bund gemäss Art. 36ter BV die erforderlichen Mittel bereitgestellt,
welche den Kantonen ermöglichen, die Kosten des Nationalstrassenbaus
zu decken und darüber hinaus noch einen erheblichen Teil ihrer übrigen
Strassenlasten zu finanzieren.

    c) Wo das Netz der Kantons- und Gemeindestrassen ausgebaut
wird, haben die PTT-Betriebe die erforderlichen Änderungen an
ihren Leitungen auf eigene Kosten durchzuführen, auch wenn es sich
um Strassen von untergeordneter Bedeutung handelt. Dagegen müssen
nach der Auslegung, die dem NSG nach dem Gesagten zu geben ist, die
Kantone beim Nationalstrassenbau an die Kosten der durch dieses Werk
verursachten Versetzung von TT-Leitungen selbst dann beitragen, wenn
die Leitungen bisher unentgeltlich in Kantons- oder Gemeindestrassen
verlegt waren. Demnach werden die Kantone dort, wo sie gewissermassen
als Willensvollstrecker des Bundes wirken, mit Kosten belastet, dagegen
nicht dort, wo sie kraft ihrer eigenen herkömmlichen Strassenhoheit
handeln. Der Beklagte scheint der Meinung zu sein, dass eine Auslegung,
die zu solchen Folgen führe, nicht richtig sein könne.

    Dem ist aber entgegenzuhalten: Dadurch, dass Art. 8 ElG seinen
angestammten Anwendungsbereich behält, werden die Kantone (und
Gemeinden) in ihrer bisherigen Rechtsstellung nicht geschmälert. Dass
dereinst besondere Strassen zur ausschliesslichen Benützung durch
Motorfahrzeuge gebaut werden müssten, konnte der Gesetzgeber von 1902 nicht
voraussehen. Die Nationalstrassen sind Verkehrswege besonderer Art, die zur
Entlastung der Kantons- und Gemeindestrassen notwendig geworden sind. Durch
die Art. 36bis und 36ter und das NSG ist den Kantonen eine Last abgenommen
worden, die sie aus eigener Kraft nicht zu tragen vermocht hätten. Das
ist bei den Beratungen in der Bundesversammlung wiederholt hervorgehoben
worden, und der Kanton Aargau bestätigt es in seiner Klageantwort, indem er
erklärt, dass die Kantone ohne den Nationalstrassenbau genötigt gewesen
wären, "ihr Strassennetz umfassend zu sanieren und auszubauen". Wird
berücksichtigt, dass der Nationalstrassenbau als Ganzes die Kantone im
Bereich des Strassenausbaus erheblich entlastet, so kann die vom Beklagten
beanstandete Kostenverteilung nicht als unbillig bezeichnet werden.