Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 369



96 I 369

58. Urteil vom 9. Juni 1970 i.S. Gemeinde Flims gegen Walter und
Altorfer AG. Regeste

    Gemeindeautonomie; unbestimmter Rechtsbegriff, Ermessen.

    Hat die Gemeinde im Einzelfall einen dem autonomen Gemeinderecht
angehörenden unbestimmten Rechtsbegriff anzuwenden, so steht ihr ein
Beurteilungsspielraum offen, wenn ein Grenzfall vorliegt und vorwiegend
örtliche Verhältnisse zu würdigen sind. Greift die zuständige kantonale
Behörde in diesen Beurteilungsspielraum ein und hebt sie eine vertretbare
Entscheidung der Gemeinde auf, so verletzt sie die Gemeindeautonomie, denn
sie masst sich damit eine Überprüfungsbefugnis an, die im wesentlichen
einer Ermessenskontrolle gleichkommt und dem Wesen der Gemeindeautonomie
widerspricht.

Sachverhalt

    A.- Die Stimmbürger der Gemeinde Flims haben am 17. März 1968 ein
neues Baugesetz (BG) mit Zonenplan angenommen, welches vom Kleinen Rat
des Kantons Graubünden am 4. November 1968 genehmigt worden ist. Der
Erlass ersetzt das Baugesetz der Gemeinde Flims vom 15. Oktober 1961.

    Laut Art. 31 des alten Baugesetzes hatte der Eigentümer für eine
ausreichende Zufahrt zu seinem Grundstück zu sorgen. Die entsprechende
Bestimmung des neuen Baugesetzes (Art. 45 BG) bildet Bestandteil der
Vorschriften über das Baubewilligungsverfahren (Art. 44 ff. BG) und lautet
wie folgt:

    "Baureife Baubewilligungen werden für andere als land- und
forstwirtschaftliche Bauten nur für baureife Grundstücke erteilt. Ein
Grundstück gilt als baureif:

    wenn alle Anlagen für die Zufahrt, die Wasser- und Energieversorgung
sowie die Abwasserbeseitigung vorschriftsgemäss mit dem Bau erstellt
werden".

    B.- Dr. Rudolf Walter ist Eigentümer des Grundstücks Nr.  2492 in
Flims/Scheia. Die Fraktion Scheia liegt am Südhang nordöstlich von
Flims und nordwestlich von Fidaz. Sie kann vom Kurhaus Fidaz aus auf
einer ungefähr zwei Meter breiten, im unteren Teil eine Steigung von 18
Prozent aufweisenden Naturstrasse erreicht werden. Die Parzelle Nr. 2492
liegt ungefähr 80 Meter von der erwähnten Zufahrtsstrasse entfernt am
Ende eines Weges, der 50 Meter oberhalb der zweiten Strassenbiegung nach
Nordosten abzweigt. Zwischen der Scheiastrasse und der Parzelle Walter
stehen drei Ferienhäuser (Grundstücke Nr. 2428, 2423 und 2424). Dem
Eigentümer des letztgenannten, unmittelbar neben der Parzelle Nr. 2492
liegenden Grundstücks Nr. 2424 ist die Baubewilligung im Jahre 1967 erteilt
worden. Die Zufahrt von der Scheiastrasse zum Grundstück Walter ist durch
Wegrechte über die erwähnten Nachbarparzellen gewährleistet.

    C.- Am 20. Januar 1969 reichte die Firma Altorfer AG, Wald, im Namen
von Dr. Walter ein Baugesuch für die Erstellung eines Ferienhauses auf
der Parzelle Nr. 2492 ein. Das Baugesuch wurde mit Schreiben vom 24. März
1969 ergänzt.

    Mit Verfügung vom 24. bzw. 31. März 1969 entschied der Gemeinderat von
Flims, das Baugesuch werde gestützt auf Art. 45 BG solange zurückgestellt,
bis die im allgemeinen Wegnetzplan vorgesehene Quartierstrasse von der
Post Fidaz bis zur Parzelle des Gesuchstellers gebaut sei. Da sich die
Gemeinde mit diesem Projekt nicht sogleich befassen könne, stehe es dem
Gesuchsteller frei, die Strasse auf eigene Kosten erstellen zu lassen;
dabei bestehe die Möglichkeit, dass die Gemeinde sie später übernehme und
die Kosten im Perimeterverfahren auf die Anstösser aufteile. Im übrigen
könnte die Baubewilligung auch erteilt werden, wenn der Gesuchsteller
für einen angemessenen Ausbau der Scheiastrasse sorge.

    D.- Dr. Walter und die Altorfer AG, welcher Kosten auferlegt worden
waren, erhoben gegen die Verweigerung der Baubewilligung Rekurs beim
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Dieses führte einen Augenschein
durch und hiess die Beschwerde am 14. Juli 1969 gut; es wies die Gemeinde
an, die nachgesuchte Baubewilligung zu erteilen und der Altorfer AG
die verlangten Gebühren und Kosten zurückzuerstatten. Zur Begründung
führte es im wesentlichen folgendes aus: Der Augenschein habe ergeben,
dass die Parzelle Walter erschlossen sei. Wohl sei die Scheiastrasse
im Winter schwer befahrbar; sie werde aber von allen Einwohnern der
Fraktion Scheia von jeher benutzt und gehöre zu den Bergstrassen,
die nicht für den Autoverkehr gebaut und später den neuen Verhältnissen
nicht rechtzeitig angepasst worden seien. Mit Rücksicht darauf erscheine
die dem Gesuchsteller auferlegte Bedingung, entweder den unteren Teil
der Scheiastrasse auszubauen oder die projektierte Quartierstrasse zu
erstellen, als unverhältnismässig. Im übrigen habe sich die Gemeinde
bereits anlässlich der Überbauung des Nachbargrundstücks im Jahre
1967 darüber Rechenschaft geben müssen, dass die Parzelle Nr. 2492
in absehbarer Zeit überbaut würde. Die in der Zwischenzeit erfolgte
Revision des Baugesetzes vermöge eine unterschiedliche Behandlung nicht
zu rechtfertigen, denn der Wortlaut von Art. 45 BG enthalte gegenüber
Art. 31 des alten Baugesetzes keine materielle Änderung.

    E.- Die Gemeinde Flims führt staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung der Gemeindeautonomie. Sie beantragt, der Entscheid
des Verwaltungsgerichts vom 14. Juli 1969 sei aufzuheben. Die
Beschwerdebegründung ergibt sich, soweit erforderlich, aus den
nachfolgenden Erwägungen.

    F.- Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Dr.  Walter und
die Altorfer AG beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen.

    G.- Eine Instruktionskommission des Bundesgerichts hat am 9. Mai
1970 einen Augenschein durchgeführt. Für dessen Ergebnis wird auf die
nachstehenden Erwägungen verwiesen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Eine Gemeinde ist nach ständiger Rechtsprechung zur
Autonomiebeschwerde legitimiert, wenn der kantonale Entscheid oder Erlass
sie in ihrer Eigenschaft als Trägerin hoheitlicher Gewalt trifft und
sie mit hinreichender Begründung eine Verletzung der Gemeindeautonomie
rügt (BGE 95 I 36 mit Hinweisen). Das Verwaltungsgericht hat eine
baupolizeiliche Verfügung der Beschwerdeführerin aufgehoben und diese gegen
ihren Willen verpflichtet, die für das Grundstück Nr. 2492 nachgesuchte
Baubewilligung zu erteilen. Damit ist die Beschwerdeführerin als Trägerin
hoheitlicher Gewalt unmittelbar betroffen. Auf die Beschwerde ist deshalb
einzutreten (BGE 95 I 36; unveröffentlichtes Urteil vom 1. Oktober 1969
i.S. Gemeinde Flims gegen Wertli, Erw. 1).

Erwägung 2

    2.- Wie das Bundesgericht in den letzten Jahren wiederholt entschieden
hat (BGE 95 I 37, 94 I 64 mit Verweisungen), fällt das öffentliche
Baurecht im Kanton Graubünden grundsätzlich in den Autonomiebereich der
Gemeinden. Das Baugesetz der Gemeinde Flims stellt demnach autonomes
Gemeinderecht dar. Die Anwendung desselben durch die zuständige kantonale
Instanz kann vom Bundesgericht nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel
der Willkür überprüft werden (BGE 96 I 153, 95 I 37).

Erwägung 3

    3.- Streitig ist, ob die Parzelle Nr. 2492 über eine
"vorschriftsgemässe Zufahrt" verfügt und im Sinne von Art. 45 BG als
baureif bezeichnet werden kann. Der Ausdruck "vorschriftsgemäss" lässt
erwarten, dass die Anforderungen, denen die Zufahrt im Einzelfall zu
genügen hat, entweder im Baugesetz selber oder in einem Ausführungserlass
umschrieben werden. Was indessen unter einer "vorschriftsgemässen Zufahrt"
im Einzelnen zu verstehen ist, wird weder im Baugesetz noch anderswo
näher ausgeführt. Eine sachgemässe Auslegung und Anwendung von Art. 45 BG
ist deshalb nur möglich, wenn dabei die für die Auslegung unbestimmter
Rechtsbegriffe geltenden Regeln beachtet werden; die Ermittlung des
Sinngehalts von Art. 45 BG hat mit andern Worten in gleicher Weise
zu erfolgen wie die Auslegung von Art. 31 des alten Baugesetzes, der
im Ausdruck "ausreichende Zufahrt" einen unbestimmten Rechtsbegriff
enthält. Die Beschwerdeführerin macht in diesem Zusammenhang geltend,
bereits der Wortlaut von Art.45 BG gestatte eine Verschärfung der
Baubewilligungspraxis; das Verwaltungsgericht geht demgegenüber davon
aus, die erwähnte Bestimmung des neuen Baugesetzes habe am bisherigen
Rechtszustand (Art. 31 des alten Baugesetzes) nichts geändert. Ob unter
einer "vorschriftsgemässen Zufahrt" das gleiche zu verstehen ist wie
unter einer "ausreichenden Zufahrt", mag indessen offen bleiben, wenn
der angefochtene Entscheid, der diese Frage bejaht, die Gemeindeautonomie
verletzt.

Erwägung 4

    4.- Unbestimmte Rechtsbegriffe gewinnen ihren Inhalt aus dem Sinn und
Zweck der Vorschrift sowie aus deren Stellung im Gesetz und im Rechtssystem
(BGE 93 I 6), bedürfen also der Auslegung (BGE 95 I 297). Das Bundesgericht
hat den Grundsatz aufgestellt, die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe
sei als Beantwortung einer Rechtsfrage von der Ermessensbetätigung zu
trennen (BGE 91 I 75, 94 I 135, 95 I 40). Es anerkennt freilich, dass
den kantonalen Behörden bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe
im Einzelfall ein gewisser Beurteilungsspielraum (latitude de jugement)
offen stehen kann (BGE 91 I 75, 93 I 6). Insbesondere wenn örtliche
Verhältnisse zu würdigen sind, ein Grenzfall vorliegt und die Auslegung
schwierig ist, lässt sich die Rechtsanwendung innerhalb des soeben
erwähnten Beurteilungsspielraums nicht scharf von der Ermessensbetätigung
trennen (vgl. BGE 94 I 135; IMBOBEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung,
3. Aufl., Nr. 221 I, S. 73). Mit Rücksicht darauf übt das Bundesgericht
eine gewisse Zurückhaltung, wenn es in derartigen Fällen die Entscheidung
einer kantonalen Behörde zu überprüfen hat. Es widerspräche in der
Tat dem Wesen der Rechtskontrolle, wenn der Staatsgerichtshof in
solchen Fällen einer vertretbaren Auslegung des fraglichen unbestimmten
Rechtsbegriffs die Anerkennung versagen und in völlig freier Überprüfung
von der Rechtsauffassung der kantonalen Behörde abweichen würde. Soll
die Rechtskontrolle indessen nicht in unzulässiger Weise beschränkt
werden, so darf ein Beurteilungsspielraum bloss innerhalb enger,
möglichst genau umschriebener Grenzen anerkannt werden (vgl. F. GYGI,
Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, S. 140 oben).

    Ähnlich wie das Bundesgericht haben kantonale Gerichte ihre
Überprüfungsbefugnis zu beschränken, wenn der fragliche unbestimmte
Rechtsbegriff dem autonomen Gemeinderecht angehört. Die Gemeinde
ist in diesem Fall kraft ihrer Doppelstellung als Gesetzgeberin und
Rechtsanwenderin in besonderem Masse dazu berufen, den Sinngehalt
des umstrittenen Begriffs zu ermitteln. Sie verfügt über sämtliche
Materialien, vermag ihre Entscheidung auf eine umfassende Kenntnis der
örtlichen Verhältnisse zu stützen und ist am ehesten in der Lage, die
künftige Entwicklung vorauszusehen. Insbesondere in Zweifelsfällen, wenn
die Auslegung schwierig ist und in besonderem Masse örtliche Verhältnisse
zu würdigen sind, kommt der Entscheidung der Gemeinde besonderes Gewicht
zu. Mit Rücksicht auf Wesen und Schutzfunktion der Gemeindeautonomie
rechtfertigt es sich, der Gemeinde in derartigen Fällen einen
Beurteilungsspielraum im soeben umschriebenen Sinne zuzuerkennen. Dies
hat zur Folge, dass der kommunale Verwaltungsakt von der übergeordneten
kantonalen Behörde nur aufgehoben werden darf, wenn sich die Gemeinde im
Zusammenhang mit der Anwendung des fraglichen unbestimmten Rechtsbegriffs
auf den Einzelfall eines Missbrauchs oder einer Überschreitung ihrer
Beurteilungsermächtigung schuldig gemacht oder wenn sie verfassungsmässige
Rechte des Bürgers verletzt hat. Liegt keine derartige Rechtsverletzung vor
und hebt die kantonale Behörde eine vertretbare Entscheidung der Gemeinde
dennoch auf, so verletzt sie die Gemeindeautonomie, unbekümmert darum,
ob ihre eigene Wertung der konkreten Verhältnisse der Willkürrüge zu
entgehen vermöchte, denn sie masst sich damit eine Überprüfungsbefugnis
an, die im wesentlichen einer Ermessenskontrolle gleichkommt und dem
Wesen der Gemeindeautonomie widerspricht.

    Im vorliegenden Fall ist demnach nicht in erster Linie zu prüfen, ob
sich das Verwaltungsgericht einer willkürlichen Anwendung von autonomem
Gemeinderecht schuldig gemacht hat (vgl. BGE 95 I 37/8), sondern ob der
Beschwerdeführerin bei der Behandlung des Baugesuchs für die Parzelle Nr.
2492 ein Beurteilungsspielraum im oben umschriebenen Sinne offen gestanden
hat. Da sich dieser - wie erwähnt - unmittelbar aus dem Wesen und aus
der Schutzfunktion der Gemeindeautonomie ergibt und da die bezügliche
Entscheidung den Umfang der Gemeindeautonomie auf dem Gebiete der
Rechtsanwendung massgeblich beeinflusst, steht dem Bundesgericht dabei
die freie Prüfung zu, zumal das öffentliche Baurecht im Kanton Graubünden
grundsätzlich zum verfassungsmässig garantierten Autonomiebereich der
Gemeinde gehört (BGE 94 I 64, 95 I 37 Erw. 2). Ist die Frage zu bejahen und
erscheint die Verweigerung der Baubewilligung durch die Gemeinde aufgrund
der gesamten Umstände als vertretbar und verfassungsgemäss, so verletzt
der angefochtene Entscheid nach dem Gesagten die Gemeindeautonomie.

Erwägung 5

    5.- Die Scheiastrasse ist stellenweise sehr steil und schmal; die
Strassenbiegungen sind unübersichtlich, und ein Kreuzen von Motorwagen ist
weitgehend unmöglich. Nach starkem Schneefall ist die Fraktion Scheia oft
überhaupt nicht erreichbar, da die Schneeräumung Schwierigkeiten bereitet
und den Einzatz von Unimog-Schneeschleudern erfordert. Schneewände von
gegen zwei Metern Höhe sind keine Seltenheit. Insbesondere die öffentlichen
Dienste (Feuerwehr, Kehrichtabfuhr, Krankentransporte) werden durch die
prekären Strassenverhältnisse aufs schwerste behindert. Der Augenschein hat
ferner ergeben, dass die Scheiastrasse auch ausserhalb der Wintersaison bis
zur Grenze des Zumutbaren beansprucht wird. Mit Rücksicht darauf lässt es
sich sachlich begründen, das Baugesuch Dr. Walters mangels "ausreichender"
bzw. "vorschriftsgemässer" Zufahrt zur Zeit abzuweisen. Andererseits
ist es nicht unhaltbar, die Baute zuzulassen, mit der Begründung,
die Zufahrt vermöge den Bedürfnissen noch gerade zu genügen. Es liegt
mithin ein Grenzfall vor. Aufgrund der gesamten Umstände rechtfertigt
es sich, der Beschwerdeführerin bei der Behandlung des Baugesuchs für die
Parzelle Nr. 2492 einen Beurteilungsspielraum im oben umschriebenen Sinn
zuzuerkennen. Zu prüfen bleibt demnach, ob die Beschwerdeführerin davon
einen übermässigen Gebrauch gemacht hat, d.h. ob die Verweigerung der
Baubewilligung gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit oder gegen
das Gebot der rechtsgleichen Behandlung verstösst.

Erwägung 6

    6.- a) Polizeiliche Eingriffe müssen verhältnismässig sein; sie
dürfen nicht weiter gehen, als es der Zweck der Massnahme verlangt
(IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, 3. Aufl., Nr. 342 S. 219; A.
GRISEL, Droit administratif suisse, p. 184 ss.). Die Verweigerung der
Baubewilligung für das Grundstück Nr. 2492 steht nicht im Widerspruch zu
diesem anerkannten Grundsatz. Anders als durch ein Verbot weiterer Bauten
lässt sich eine Verkehrsgefährdung, welche von der Beschwerdeführerin mit
haltbaren Gründen als unzumutbar bezeichnet worden ist, nicht verhindern,
solange die Scheiastrasse nicht ausgebaut oder die geplante Quartierstrasse
nach Fidaz nicht erstellt ist. Daran ändert nichts, dass im vorliegenden
Fall nicht die private Zufahrt, sondern eine öffentliche Strasse den
Anforderungen nicht genügt. Freilich obliegt es der Gemeinde, für eine
angemessene Erschliessung ihres Baugebiets zu sorgen. Die Fraktion Scheia
ist indessen erst im Zusammenhang mit dem Erlass des neuen Baugesetzes
eingezont und der Bauzone B zugewiesen worden. Das Recht einer Gemeinde,
der zu erwartenden baulichen Weiterentwicklung durch sachgemässe Planung
Rechnung zu tragen, schliesst die Befugnis in sich, die Erschliessung
neugeschaffener Bauzonen zeitlich zu staffeln. Nichts deutet darauf
hin, dass die Erschliessung der Fraktion Scheia übermässig verzögert
werden soll, beabsichtigt doch die Beschwerdeführerin, die bestehende
Zufahrtsstrasse in absehbarer Zeit selbst auszubauen und die geplante
Quartierstrasse nach Fidaz zu erstellen. Die Beschwerdeführerin widersetzt
sich im übrigen einer sofortigen Überbauung der Parzelle Nr. 2492 nicht,
sofern der Gesuchsteller die Zufahrtsstrasse auf eigene Kosten ausbaut;
sie erklärt sich bereit, neu hinzukommende Anstösser in diesem Fall zu
verpflichten, an die Strassenbaukosten anteilsmässig beizutragen. Die
Verfügungen der Beschwerdeführerin vom 24. bzw. 31. März 1969 verletzen
demnach den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht.

    b) Dr. Walter vermag aus der Überbauung der Nachbargrundstücke
keine Rechte abzuleiten. Die Beschwerdeführerin gibt zwar zu, früher eine
weniger strenge Praxis befolgt zu haben. Dies hindert sie jedoch nicht, im
Hinblick auf die künftige Entwicklung und die damit verbundenen Gefahren
eine sachlich gerechtfertigte Praxisänderung vorzunehmen (BGE 94 I 16
und insbesondere 93 I 259 Erw. 2 b). Die heutigen Verhältnisse stimmen
im übrigen mit denjenigen des Jahres 1967 (Überbauung des Grundstücks
Nr. 2424) nicht überein, da in der Zwischenzeit - wie bereits erwähnt
- ein Zonenplan aufgestellt worden ist, der auch die Fraktion Scheia
erfasst. Diese planerische Massnahme lässt erwarten, dass in absehbarer
Zeit weitere Baugesuche eingereicht werden, sind doch bereits Verhandlungen
über Landkäufe in der neugeschaffenen Bauzone im Gange. Dem Entscheid über
das streitige Bauvorhaben kommt deshalb erhebliche präjudizielle Wirkung
zu. Auch dieser Umstand lässt eine Überprüfung der Baubewilligungspraxis
als gerechtfertigt erscheinen, unbekümmert darum, ob der Wortlaut
von Art. 45 BG ohne weiteres eine Verschärfung der Praxis erlaubt. Die
Verweigerung der streitigen Baubewilligung steht daher auch unter diesem
Gesichtspunkt nicht im Widerspruch zu Art. 4 BV.

Erwägung 7

    7.- Da die Beschwerdeführerin von ihrer Beurteilungsermächtigung keinen
übermässigen Gebrauch gemacht hat, erweist sich die verwaltungsgerichtliche
Überprüfung der gemeinderätlichen Verfügungen vom 24. bzw. 31. März 1969
als unzulässig. Die Autonomiebeschwerde ist daher gutzuheissen und der
angefochtene Entscheid aufzuheben.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden vom 14. Juli 1969 aufgehoben.