Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 34



96 I 34

6. Auszug aus dem Urteil vom 18. März 1970 i.S. X. gegen
Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich Regeste

    Staatsrechtliche Beschwerde. Anforderungen an die Begründung
(Erw. 1-3).

    Rechtsanwälte, Verbot aufdringlicher Empfehlung (§ 7 Abs.
2 zürch. Anwaltsgesetz). Gegen dieses Verbot verstösst, wie ohne Willkür
angenommen werden kann, ein Anwalt, der in einem Branchenregister

    -  seinen Namen und akademischen Titel fett drucken lässt (Erw. 5)

    - sich als "Alt-Nationalrat" bezeichnet (Erw. 6).

Sachverhalt

    A.- Das zürcherische Anwaltsgesetz (AnwG) vom 3. Juli 1938 bestimmt
in § 7:

    "1. Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, seine Berufstätigkeit
gewissenhaft auszuüben und sich durch sein Verhalten in der Ausübung des
Berufs und sein sonstiges Geschäftsgebaren der Achtung würdig zu zeigen,
die sein Beruf erfordert.

    2. Er enthält sich aufdringlicher Empfehlung."

    B.- In dem vom Verlag Mosse-Annoncen 1968 herausgegebenen "Adressbuch
der Schweiz" sind im Adressenteil der Stadt Zürich unter dem Titel
"Advokaturbureaux" die Namen und Adressen von über 300 Rechtsanwälten
aufgeführt. Auf Vorschlag des Vertreters des Herausgebers liess
Rechtsanwalt Dr. X. (wie fünf weitere Anwälte) seinen Namen, Vornamen
und akademischen Titel fett drucken; ferner liess er seinem Namen die
Bezeichnung "Alt-Nationalrat" beifügen. Unter Hinweis hierauf verzeigte
ihn ein Rechtsanwalt am 30. Mai 1969 bei der Aufsichtskommission über die
Rechtsanwälte im Kanton Zürich (AK) wegen Verstosses gegen § 7 Abs. 2 AnwG.
Dr. X. bestritt, dass der Fettdruck seines Namens eine Empfehlung,
und gar eine aufdringliche, enthalte und behauptete, die Beifügung
"Alt-Nationalrat" diene lediglich zur Vermeidung von Verwechslungen mit
einem Kollegen, der ebenfalls X. heisse.

    Mit Entscheid vom 1. Oktober 1969 verurteilte die AK X. wegen der
Verletzung von § 7 Abs. 2 AnwG zu einer Ordnungsbusse von Fr. 100.--,
im wesentlichen mit folgender Begründung: Als aufdringlich gelte nach der
Praxis jede Werbung, die den Zweck verfolge, einen Anwalt aus der Reihe der
Standesgenossen herauszuheben und ihm dadurch beim Publikum eine besondere
Nachfrage zu verschaffen. Ein solches Herausheben liege im Fettdruck des
Namens einiger weniger Anwälte in einem Branchenregister. Dieser Fettdruck
erwecke beim nichtorientierten Rechtssuchenden den Eindruck, diese wenigen
Anwälte zeichneten sich in irgendeiner Weise vor den andern aus, und
bedeute den Beginn einer kommerziellen Reklame, wie sie vom Anwaltsberuf
fernzuhalten sei. Bereits im Jahre 1942 habe die AK in einem Schreiben
an verschiedene Anwälte, darunter Dr. X., die Hervorhebung ihres Namens
im Branchenregister des Adressbuchs der Stadt Zürich beanstandet. Auch
die Bezeichnung als "Alt-Nationalrat" sei eine aufdringliche, mit
der Würde des Anwaltsstandes unvereinbare Empfehlung, lasse sie doch
den Rechtssuchenden auf Beziehungen des Anwalts zu Politikern sowie zu
Behörden und Verwaltungsstellen des Bundes schliessen, die einem Klienten
nützlich sein könnten. Dr. X. sei am 3. Februar 1965 unter Hinweis auf
ZR 50 Nr. 199 ersucht worden, im Telephonverzeichnis der Stadt Zürich
den Titel "Nationalrat" wegzulassen.

    C.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt Dr. X.  den Antrag, der
Entscheid der AK vom 1. Oktober 1969 sei aufzuheben. Er macht Verletzung
des Art. 4 BV geltend.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, § 7 Abs. 2 AnwG oder
dessen Anwendung im vorliegenden Falle verstiessen gegen die Handels- und
Gewerbefreiheit, deren Schutz auch die wissenschaftlichen Berufe geniessen.
Er beruft sich lediglich auf Art. 4 BV. Zu prüfen ist daher einzig, ob
der Beschwerdeführer dartut, dass die AK § 7 Abs. 2 AnwG in einer Weise
ausgelegt und angewendet habe, die mit dem klaren Wortlaut und Sinn der
Bestimmung unvereinbar, mit keinen sachlichen Überlegungen vertretbar
und geradezu willkürlich ist, oder dass sie Art. 4 BV sonst verletzt habe.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die Beschwerdeschrift eine
kurze Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte
bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid
verletzt worden sind. Auf die Rügen, die diesen Anforderungen nicht
genügen, wird nicht eingetreten (BGE 93 I 111 E. 4 a und dort angeführte
frühere Urteile). Der Beschwerdeführer macht geltend, die Mitteilung
des angefochtenen Entscheids an den Verzeiger sei "offensichtlich
willkürlich und gesetzwidrig", und erwähnt dabei die §§ 22 ff. AnwG,
legt aber nicht dar, inwiefern diese Vorschriften verletzt worden sind,
denn er nennt keine Bestimmung, die eine solche Mitteilung ausschliessen
würde und von der AK missachtet worden wäre. Auf diese Rüge ist daher
nicht einzutreten. Sie wäre übrigens unbegründet, da nach § 41 Abs. 1
AnwG die aufgrund dieses Gesetzes ergehenden Entscheide "den am Verfahren
Beteiligten" schriftlich begründet mitgeteilt werden und darunter, wie
ohne jede Willkür angenommen werden kann, auch der Verzeiger fällt. So
ist denn auch, wie sich aus den Akten ergibt, der Entscheid vom 3. Juni
1959, mit dem die AK dem Beschwerdeführer einen Verweis erteilt hat,
dem damaligen Verzeiger mitgeteilt worden.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer bemerkt, dass die 5 andern Anwälte,
deren Namen im Adressbuch fett gedruckt waren, lediglich aufgefordert
worden seien, dies inskünftig zu unterlassen. Hierauf ist nicht
einzutreten, da der Beschwerdeführer nicht behauptet, die AK habe ihn
im Verhältnis zu diesen Anwälten rechtsungleich behandelt und damit den
Art. 4 BV verletzt. Auch diese Rüge wäre übrigens unbegründet, da der
Beschwerdeführer, im Gegensatz zu den andern Anwälten, schon früher,
am 4. November 1942, zur Unterdrückung von Hervorhebungen seines Namens
im Adressbuch aufgefordert worden ist.

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer beanstandet ohne nähere Begründung als
Willkür und rechtsungleiche Behandlung, dass ihm am 4. Dezember 1969 nicht
Einsicht in alle ihn betreffenden Akten der AK gewährt worden sei. Selbst
wenn dieser Vorwurf zutreffen sollte, könnte das nicht zur Aufhebung
des angefochtenen Entscheids führen, da er nicht das ihm vorausgegangene
Verfahren, sondern eine nach der Mitteilung des Entscheids eingetretene
Tatsache betrifft. Sofern der Beschwerdeführer die ihm angeblich
vorenthaltenen Akten zur Begründung der staatsrechtlichen Beschwerde
benötigte, hätte er das Bundesgericht mit der Beschwerde ersuchen können,
ihm Einblick in diese Akten zu verschaffen und Gelegenheit zu geben,
gestützt darauf die Beschwerdebegründung zu ergänzen. Ein solches Begehren
hat er nicht gestellt, weshalb sich das Bundesgericht mit der Frage der
Akteneinsicht nicht zu befassen hat.

Erwägung 5

    5.- Als aufdringliche Empfehlung im Sinne von § 7 Abs. 2 AnwG und
mit der Würde des Anwaltsstandes unvereinbar gilt nach der ständigen
Rechtsprechung der AK eine Werbung, die den Zweck verfolgt, einen Anwalt
aus der Reihe der Standesgenossen hervorzuheben (ZR 44 Nr. 58, 50 Nr. 199,
55 Nr. 173). Der Beschwerdeführer kritisiert diese Rechtsprechung nicht,
sondern bestreitet lediglich, dass in der Hervorhebung des Namens einiger
weniger Anwälte durch Fettdruck in einem Branchenregister eine Empfehlung
liege. Indessen gibt er nicht an und ist auch nicht ersichtlich, was die
Hervorhebung durch Fettdruck für einen andern Sinn und Zweck haben könnte,
als die Aufmerksamkeit des Publikums auf diese Anwälte zu ziehen und bei
ihm den Eindruck zu erwecken, sie zeichneten sich in irgend einer Weise
vor den andern aus. Wenn die AK hierin eine aufdringliche Empfehlung
im Sinne von § 7 Abs. 2 AnwG erblickt, so kann ihr zum mindesten nicht
willkürliche Auslegung und Anwendung dieser Bestimmung vorgeworfen
werden. In Ziff. 6 Abs. 2 der "Richtlinien für die Pflichten- Codices
der kantonalen Anwaltsverbände" (abgedruckt im Heft 9 [Mai 1964] der
Mitteilungen des Schweiz. Anwaltsverbandes S. 18) heisst es:

    "Eintragungen in Adressbüchern, Telephonbüchern und dergleichen
dürfen nur im gewöhnlichen Druck und ohne irgendwelche Hervorhebung
publiziert werden."

    Ebenso bestimmen die Standsregeln des Berner Anwaltsverbandes
in Ziff. 9:

    "Eintragungen in Adressbüchern, Telephonbüchern, dürfen weder mit
Sperrdruck noch mit Einfassungen oder auf andere Weise hervorgehoben
werden."

    Wenn es auch zu weit ginge, aus diesen Bestimmungen ohne weiteres auf
eine auch im Kanton Zürich geltende Übung zu schliessen (vgl. BGE 87 I
266 E. 3), so darf doch darin der Ausdruck eines von den schweizerischen
Anwälten allgemein hochgehaltenen Grundsatzes erblickt werden. Wieso
für die zürcherischen Anwälte eine Ausnahme von diesem Grundsatz zu
machen wäre, ist nicht einzusehen. Die Berufung des Beschwerdeführers
auf P. WEGMANN, Die Berufspflichten des Rechtsanwalts unter besonderer
Berücksichtigung des zürch. Rechts, Diss. Zürich 1969, geht fehl. WEGMANN
kritisiert zwar die Praxis der AK in verschiedener Hinsicht, erwähnt aber
ausdrücklich und in zustimmendem Sinne die oben angeführte Ziff. 9 der
Berner Standesregeln (S. 255).

Erwägung 6

    6.- Aus dem Gesichtspunkt der Willkür nicht zu beanstanden ist auch die
Annahme der AK, die Beifügung der Bezeichnung "Alt-Nationalrat" zum Namen
des Beschwerdeführers stelle eine unzulässige Empfehlung im Sinne von § 7
Abs. 2 AnwG dar. Es leuchtet ein, dass eine solche Beifügung bezweckt und
auch bewirkt, dass der Anwalt, der einmal Nationalrat war, in den Augen
des Publikums hervorgehoben wird vor den Anwälten, die nicht Nationalrat
sind oder waren. Das verträgt sich, wie sehr wohl angenommen werden kann,
nicht mit der Würde des Anwaltsstandes. Der Einwand des Beschwerdeführers,
er habe diese Bezeichnung lediglich anbringen lassen, um nicht mit einem
Kollegen mit dem gleichen Geschlechtsnamen verwechselt zu werden, hilft
ihm nicht. Die AK hat ihn in ihrem Schreiben vom 3. Februar 1965 auf
ihren Entscheid ZR 50 Nr. 199 aufmerksam gemacht, in welchem ausgeführt
wird, dass ein solcher Hinweis auf eine politische Stellung grundsätzlich
verpönt sei und dass es üblich und meistens auch ohne weiteres möglich sei,
Verwechslungen durch andere Mittel auszuschliessen. Dass die AK nicht
früher gegen den Beschwerdeführer einschritt, ist bedeutungslos. Ihre
Aufgabe ist es, Pflichtverletzungen, die ihr durch Verzeigung oder auf
andere Weise bekannt werden, zu ahnden (vgl. § 21 AnwG), nicht dagegen,
nach solchen Verstössen zu fahnden und das Verhalten der Anwälte ständig
zu überwachen.