Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 297



96 I 297

49. Auszug aus dem Urteil vom 16. September 1970 i.S. Denner AG gegen
Schweiz. Bierbrauerverein und Mitbeteiligte und Obergericht des Kantons
Zürich. Regeste

    Kartellgesetz, Preisbindung der zweiten Hand, vorsorgliche Massnahme,
Willkür.

    Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV gegen den Entscheid, mit dem der Richter vorsorgliche Massnahmen
gemäss Art. 10 KG anordnet (Erw. 1).

    Kognition des Bundesgerichts (Erw. 2).

    Beweislastverteilung im kantonalen Verfahren (Erw. 3).

    Verfügung, welche die Bierbrauereien für die Dauer des ordentlichen
Prozesses zur Belieferung eines Discountgeschäfts, dieses aber zur
Einhaltung eines bestimmten (unter dem bisher vom Bierkartell festgesetzten
Ansatzliegenden) Detailverkaufspreises von Flaschenbier verpflichtet.
Voraussetzungen solcher Preisbindung der zweiten Hand nach Art. 5 lit. e
KG. Überprüfung unter dem beschränkten Gesichtswinkel des Art. 4 BV.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- Die Denner AG betreibt in Zürich und andern Orten herkömmliche
Läden und Discountgeschäfte, in denen sie auch Flaschenlagerbier in 6 dl
Mehrwegflaschen verkaufte, die sie zum Teil von der Löwenbräu Zürich AG und
von der Brauerei A. Hürlimann AG bezog. Diese Brauereien sind Mitglieder
des Schweizerischen Bierbrauervereins, dem mit drei Ausnahmen sämtliche
schweizerischen Brauereien beigetreten sind. Seine Mitglieder haben durch
eine Konvention eine Marktordnung geschaffen, durch die u.a. für die
Zwischen- und Letztverteilerstellen bestimmte Mindestverkaufspreise für
Lagerbier in Mehrwegflaschen festgesetzt wurden. Auf den festgesetzten
Preisen dürfen noch die üblichen Rabatte und Rückvergütungen gewährt
werden. Jede Vertragsbrauerei hat dafür zu sorgen, dass ihre Abnehmer
die festgesetzten Verkaufspreise einhalten (Veröffentlichungen der
Schweizerischen Kartellkommission 1966, S. 99). Kunden, die die
vorgeschriebenen Detailverkaufspreise nicht beachten, sind mit einer
Liefersperre zu belegen. Auf den Fakturaformularen der Brauereien ist
vermerkt, dass die Lieferung zu den in Rechnung gestellten Engrospreisen
den Kunden verpflichtet, die geltenden Minimalverkaufspreise einzuhalten.

    Gemäss Preisliste der Brauereidistriktverbände im Raume Zürich von
Ende Mai 1967 beträgt der Detailverkaufspreis der 6 dl Flasche zur Zeit
70 Rappen, der Engrospreis 50 Rappen mit 2% Skonto bei Bezahlung innert
15 Tagen.

    Als die Denner AG in der Presse ankündigte, sie werde künftig in
ihren Discountgeschäften die Flasche Lagerbier zu 50 Rappen verkaufen,
wurden ihre bei der Löwenbräu Zürich AG und der Brauerei A. Hürlimann AG
aufgegebenen Bestellungen nicht mehr ausgeführt und weitere Lieferungen
abgelehnt. Ausserdem teilten die beiden und weitere Brauereien der Denner
AG mit, dass sie ihr eine in frühern Jahren gewährte Rückvergütung nicht
mehr weiter zubilligen würden.

    B.- Auf Begehren der Denner AG verfügte der Einzelrichter im
summarischen Verfahren des Bezirkes Zürich am 10. Dezember 1969, gestützt
auf Art. 10 des Bundesgesetzes über Kartelle und ähnliche Organisationen
vom 20. Dezember 1962 (KG, AS 1964, 53), unter Androhung der Straffolgen
nach Art. 292 StGB, der Schweizerische Bierbrauerverein habe die gegen die
Denner AG verhängte Liefersperre zu widerrufen und die ihm angeschlossenen
Brauereien anzuweisen, der Denner AG und ihren Verkaufsstellen das von
ihr bestellte Lagerbier zu liefern, sofern dessen Endverkaufspreis den
bisherigen Endverkaufspreis der Discountgeschäfte nicht unterschreite. Der
Löwenbräu Zürich AG und der Brauerei A. Hürlimann AG verbot er in gleicher
Weise, sich an der Liefersperre gegen die Denner AG zu beteiligen und
verhielt sie, ihr und ihren Verkaufsstellen das bestellte Lagerbier zu
liefern, sofern der bisherige Endverkaufspreis der Discountgeschäfte
nicht unterschritten werde. Der Denner AG wurde Frist zur Einreichung
der Klage angesetzt. Ihre weitergehenden Begehren wies er ab.

    Der Schweizerische Bierbrauerverein und die beiden Brauereien
(nachfolgend Brauereien genannt) verlangten beim Obergericht des Kantons
Zürich die Aufhebung der Verfügung; eventuell sei die Gesuchstellerin
anzuweisen, einen Endverkaufspreis von 60 Rappen pro 6 dl Retourflasche
einzuhalten. Das Obergericht hiess den Rekurs am 21. April 1970
teilweise gut, indem es die Brauereien verhielt der Denner AG und ihren
Verkaufsstellen Lagerbier in 6/10 Mehrwegflaschen zu liefern, sofern der
Endverkaufspreis in Discountgeschäften 60 Rappen nicht unterschreite,
ebenfalls unter Androhung der Straffolgen nach Art. 292 StGB im
Widerhandlungsfall.

    C.- Gegen diesen Entscheid des Obergerichts hat die Denner AG
staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Sie wirft dem Obergericht willkürliche
Anwendung des KG und Verletzung des Art. 31 BV vor.

    D.- Der Schweizerische Bierbrauerverein und die beiden angeschlossenen
Brauereien beantragen Nichteintreten, eventuell Abweisung der
Beschwerde unter Kostenfolge. Das Obergericht des Kantons Zürich hat auf
Vernehmlassung verzichtet.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 10 KG verfügt der Richter auf Antrag einer Partei zum
Schutze von Ansprüchen aus unzulässiger Wettbewerbsbehinderung vorsorgliche
Massnahmen, wobei Art. 9-12 des Bundesgesetzes vom 30. September 1943
über den unlautern Wettbewerb (UWG) sinngemäss anwendbar sind. Es handelt
sich bei diesem Verfahren um ein zivilprozessuales Mittel des Bundesrechts
zur provisorischen Sicherung privater Ansprüche (SCHÜRMANN, Bundesgesetz
über Kartelle und ähnliche Organisationen S. 111). Obwohl die Kantone
die Verfahrensart und die zuständigen Gerichte zu bezeichnen haben,
ist das Verfahren um Anordnung vorsorglicher Massnahmen vor Anhebung
des Hauptprozesses ein selbständiges bundesrechtliches Verfahren. Der
Entscheid, der es abschliesst, ist daher ein Endentscheid und nicht ein
blosser Zwischenentscheid, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung von Art. 4 BV nur bei Vorliegen eines nicht wiedergutzumachenden
Nachteils zulässig wäre. Daran ändert nichts, dass die vorsorgliche
Massnahme dahinfällt, wenn der Richter sie im Hauptprozess abändert
oder aufhebt, falls die Verhältnisse sich geändert haben (VON BÜREN,
Kommentar zum UWG S. 208 N. 19) und dass zwischen dem Verfahren um
Erlass vorsorglicher Verfügungen und dem Hauptprozess ein Zusammenhang
besteht. Beide bilden ihrem Gegenstand nach noch nicht eine Einheit,
so dass nicht vom gleichen Verfahren gesprochen werden kann, was dem
abschliessenden Entscheid im Verfahren über vorsorgliche Massnahmen den
Charakter des Endentscheides nehmen würde (BGE 94 I 369). Sofern der
Richter im Hauptprozess keine Änderung verfügt, bleibt es bei der
vorsorglichen Massnahme, und wird die Klage abgewiesen, so hat sie in
der Zwischenzeit dennoch ihre Wirksamkeit entfaltet. Das rechtfertigt
die selbständige Anfechtbarkeit der Verfügungen nach Art. 10 KG durch
staatsrechtliche Beschwerde.

Erwägung 2

    2.- Die Verletzung von Art. 31 BV erblickt die Beschwerdeführerin
einzig in der willkürlichen Auslegung und Anwendung des KG durch das
Obergericht; diese führe zu einer unzulässigen Einschränkung der Handels-
und Gewerbefreiheit. Der Vorwurf, der angefochtene Entscheid missachte
Art. 31 BV, fällt deshalb mit demjenigen der Willkür zusammen. Dass
die Bestimmungen des KG, mit denen das Obergericht seinen Entscheid
begründete, selber gegen die Handels- und Gewerbefreiheit verstossen
würden, behauptet die Beschwerdeführerin nicht. Ein solcher Vorwurf
wäre übrigens unbehelflich, da das Bundesgericht gemäss Art. 113 BV die
Verfassungsmässigkeit der Bundesgesetze nicht überprüfen darf.

    Willkür liegt nach der Rechtsprechung (BGE 93 I 6/7 und dort angeführte
frühere Urteile) nur vor, wenn ein Entscheid nicht bloss unrichtig,
sondern schlechthin unhaltbar ist. Nur unter diesem beschränkten
Gesichtswinkel können vorsorgliche Massnahmen, deren Erlass im übrigen
in die ausschliessliche Zuständigkeit der von den Kantonen bezeichneten
Behörden fällt, vom Bundesgericht überprüft werden. Dabei ergibt sich
eine zusätzliche Beschränkung noch daraus, dass im Verfahren betreffend
Anordnung vorsorglicher Massnahmen der streitige Anspruch und seine
Gefährdung nur glaubhaft zu machen sind, der Richter sich also mit dem
Eindruck einer gewissen Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein der in
Frage kommenden Tatsachen sowie mit einer bloss summarischen Prüfung der
Rechtsfragen begnügen darf (vgl. BGE 88 I 14/15).

Erwägung 3

    3.- Im Verfahren nach Art. 10 KG hat der Gesuchsteller glaubhaft zu
machen, dass er durch die ihm gegenüber angewandten Massnahmen eines
Kartells oder einer ähnlichen Organisation in unzulässiger Weise im
Wettbewerb beschränkt wird und dass ihm infolgedessen ein nicht leicht
ersetzbarer Nachteil droht, der nur durch eine vorsorgliche Massnahme
abgewendet werden kann. Dagegen liegt ihm nicht ob, glaubhaft zu machen,
dass keiner der in Art. 5 KG genannten Rechtfertigungsgründe für die
wettbewerbsbehindernden Massnahmen gegeben ist (MERZ, Das schweizerische
Kartellgesetz S. 74). Dass ein Rechtfertigungsgrund im Sinne von Art. 5 KG
vorliegt, hat im Hauptprozess die Gegenpartei darzutun (BGE 94 II 339 E. 5
a). Im Verfahren über die Anordnung vorläufiger Massnahmen kann es nicht
anders sein. Die Gegenpartei hat deshalb das Vorhandensein der Tatsachen
glaubhaft zu machen, die eine Wettbewerbsbeschränkung rechtfertigen. Da
die Tatsachen nur glaubhaft zu machen, nicht zu beweisen sind, ist über
ihren Bestand kein erschöpfendes Beweisverfahren durchzuführen. Ihre
abschliessende Beurteilung ist erst im Hauptprozess möglich. Das ist
von Bedeutung vor allem hinsichtlich der Tatsachen, die sich erst in der
Zukunft möglicherweise oder wahrscheinlich oder mit Sicherheit als Folge
der Ergreifung oder Unterlassung wettbewerbsbeschränkender Massnahmen
einstellen werden. Für die Würdigung der bezüglichen Verhältnisse verbleibt
dem Massnahmenrichter daher ein weiter Spielraum.

Erwägung 4

    4.- a) Es ist unbestritten, dass die von den Brauereien
der Beschwerdeführerin gegenüber verhängte Liefersperre eine
Wettbewerbsbehinderung im Sinne von Art. 4 KG darstellt. Auch die
Erheblichkeit der Behinderung ist zu bejahen, weil Liefersperren in
der Regel eine erhebliche Wettbewerbsbehinderung darstellen, denn sie
sind immer geeignet, das wirschaftliche Verhalten des Betroffenen zu
beeinflussen (BGE 94 II 337 E. 3; SCHLUEP, Von der Kontrahierungspflicht
der kartellähnlichen Organisation, Wirtschaft und Recht 1969, S. 207). Die
Beschwerdegegner bestreiten auch nicht, dass der Beschwerdeführerin ein
nicht leicht ersetzbarer Nachteil droht, der nur durch eine vorsorgliche
Massnahme abgewendet werden kann. Nicht von Bedeutung ist, dass die
Beschwerdeführerin bereits bestelltes Bier, über dessen Lieferung
eventuell ein gültiger Vertragsschluss zustandegekommen ist, auf Grund
des vertraglichen Anspruchs noch anfordern könnte. Es ist unstreitig,
dass die Liefersperre sich auch auf künftige Bestellungen bezieht. In
diesem Sinne ist die Verfügung des Einzelrichters, wonach die Brauereien
bestelltes Bier zu liefern hätten, zu verstehen. Streitig ist einzig noch,
ob die Wettbewerbsbehinderung deswegen rechtmässig ist, weil sie mit einem
der in Art. 5 KG genannten Rechtfertigungstatbestände begründet werden
kann. Wettbewerbsbehinderungen sind danach zulässig, wenn die Vorkehren
durch überwiegende schutzwürdige Interessen gerechtfertigt sind und sie
die Freiheit des Wettbewerbs im Verhältnis zum angestrebten Ziel sowie nach
Art und Durchführung nicht übermässig beeinträchtigen. Abs. 2 zählt, ohne
vollständig sein zu wollen, einzelne Fälle von überwiegenden schutzwürdigen
Interessen auf. Von ihnen hat das Obergericht nur den Rechtfertigungsgrund
nach lit. e gelten lassen. Mit Recht geht es davon aus, dass das KG
Wettbewerbsbeschränkungen zur Durchsetzung von Preisbindungen der zweiten
Hand grundsätzlich zulässt. Das bringt der in den parlamentarischen
Verhandlungen umstrittene Art. 5 Abs. 2 lit. e KG unmissverständlich zum
Ausdruck. Immerhin kann nicht jede Preisbindung der zweiten Hand mittels
Wettbewerbsbeschränkungen gegenüber Aussenseitern durchgesetzt werden. Sie
hat im Gegenteil gewissen Erfordernissen zu entsprechen. Abgesehen von
der in Abs. 1 enthaltenen allgemeinen Einschränkung, muss sie in erster
Linie angemessen sein. Darunter ist zu verstehen, dass die Gewinnmarge
des Detaillisten, der durch die Preisbindung geschützt werden soll,
nicht übersetzt (MERZ, aaO S. 67, MATILE, Problèmes du droit suisse des
cartels, ZSR 1970 II S. 234 ff.) oder (SCHÜRMANN, aaO S. 96) wenigstens
nicht extrem, offensichtlich unangemessen und unbillig ist. Sodann hat die
Preisbindung durch weitere Gründe, wie z.B. die Sorge für den Kundendienst
oder die Wahrung der Qualität ihre Rechtfertigung zu finden (so zutreffend
MERZ, aaO S. 67 gegen SCHÜRMANN, aaO S. 97). Als Rechtfertigungsgründe
für eine zu Kampfmassnahmen berechtigende Preisbindung der zweiten Hand
kommen ausserdem die in Art. 5 Abs. 2 lit. a-d genannten Interessen in
Betracht; das ist der Sinn des zweiten Halbsatzes von Art. 52 lit. e KG
(SCHÜRMANN, aaO, MATTMANN, Die Preisbindung der zweiten Hand nach dem
Schweizerischen Kartellgesetz, Diss. 1970, S. 60 ff.). Schliesslich
darf die Massnahme zur Durchsetzung der Preisbindung den Betroffenen im
Verhältnis zum angestrebten Ziel sowie nach Art und Durchführung nicht
übermässig beeinträchtigen (Art. 5 Abs. 1 KG, BGE 91 II 37 E. 4 c). Die
Beschwerdeführerin macht in letzterer Hinsicht nicht geltend, dass eine
Liefersperre ihr gegenüber unverhältnismässig sei. Eine solche Einwendung
wäre auch nicht begründet (dazu zuletzt MATILE, aaO S. 250 ff.).

    b) Das Obergericht ist der Auffassung, dass allein die Tatsache,
dass es sich beim Bier regelmässig um einen Markenartikel handelt,
eine Preisbindung der zweiten Hand, die durch Wettbewerbsbeschränkungen
gesichert werden könne, rechtfertige, da der gleichbleibende Preis in den
Augen vieler Käufer auch eine gleichbleibende Qualität garantiere. Die
Beschwerdeführerin hält diese Auffassung für willkürlich. Ob heute,
nachdem die Preisbindung zweiter Hand für zahlreiche Markenartikel
hinfällig geworden ist und vor allem in Discountgeschäften Markenartikel
zu teilweise erheblich tiefern Preisen verkauft werden als in herkömmlichen
Geschäften, die Meinung des Obergerichts noch zutrifft, kann indessen offen
bleiben. Die Rechtfertigung der Preisbindung hat es nämlich in erster Linie
bejaht, weil sie zur Gewährleistung des Kundendienstes beitrage. Was unter
Kundendienst zu verstehen sei, ergibt sich aus dem KG nicht ausdrücklich
und in den Kreisen der Wirtschaft scheinen darüber keine einhelligen
Meinungen zu herrschen (MATTMANN, aaO S. 64). Es wird in erster Linie
darunter zu verstehen sein, dass der Verkäufer einer Ware mit oder nach
dem Verkauf gewisse zusätzliche Leistungen, die sich auf die Ware selbst
beziehen, erbringt, wie Beratung, Verpackung, Instruktion, Hauslieferung,
nachträgliche Wartung usw. Das Obergericht hat unter Kundendienst auch die
Möglichkeit verstanden, dass den Kunden die Gelegenheit zu bequemem Einkauf
durch dezentralisierte Einkaufsmöglichkeiten geboten wird. Diese Auffassung
ist jedenfalls nicht völlig unhaltbar. Die Möglichkeit, Genussmittel
bequem in der Nähe seiner Wohnstätte einkaufen zu können, fällt für
den Kaufsentschluss des Kunden offensichtlich ins Gewicht. Das trifft
vor allem dann zu, wenn er nur geringe Mengen, z.B. eine oder einige
wenige Flaschen, kaufen möchte. Er wird dann vermutlich den Weg zu einem
möglicherweise in beträchtlicher Entfernung liegenden Discountgeschäft
scheuen und auf den Kauf der Ware unter Umständen verzichten. Das Interesse
der Kunden an der Gewährleistung eines Kundendienstes in diesem Sinne durch
Aufrechterhaltung eines weitgestreuten Netzes von Detailverkaufsstellen
kann deshalb nicht von vornherein als unmassgeblich abgetan werden. So
hat z.B. die Kartellkommission angenommen, die Aufrechterhaltung einer
genügenden örtlichen Streuung der Apotheken liege im Interesse des
Patienten und bilde einen Faktor für die Anerkennung der Preisbindung
zweiter Hand (Veröffentlichungen der Schweizerischen Kartellkommission
1966, S. 286). Als vertretbar erscheint aber auch die Annahme, falls
die Beschwerdeführerin durch massive Unterbietung die herkömmlichen
Detailverkaufsstellen erheblich konkurrenziert und ihnen einen Teil des
Umsatzes wegnimmt, so werde dieses Verteilernetz in seinem gegenwärtigen
Bestand gefährdet, weil bei der gedrückten Marge für den einen oder andern
Depositär der Bierverkauf nicht mehr lohnend ist. Wie eine Aufgabe der
Preisbindung der zweiten Hand in dieser Hinsicht sich auswirken wird,
ist nicht leicht voraussehbar und kann mit Gewissheit nur auf Grund von
eingehenden Untersuchungen ermittelt werden, wofür in einem Verfahren
nach Art. 10 KG kein Raum ist. Jedenfalls ist es nicht völlig unhaltbar,
wenn das Obergericht die von ihm geschilderten Folgen erwartet.

    Damit fällt auch der Einwand der Beschwerdeführerin dahin,
die Beschwerdegegner würden überhaupt kein eigenes Interesse an der
Preisbindung verfechten, sondern bloss dasjenige der Detaillisten, da
durch die Belieferung der Beschwerdeführerin der Bierumsatz im Ganzen
eher gesteigert werde. Ob das zutrifft, kann zuverlässig wiederum nur
durch eingehende Untersuchungen ermittelt werden. Solange das nicht
geschehen ist, kann jedenfalls ohne Willkür angenommen werden, dass die
Brauereien an der Aufrechterhaltung des weitgespannten Verteilernetzes
direkt interessiert sind, weil bequeme Einkaufsmöglichkeiten für die
Kunden auf die Dauer vermutlich den Umsatz steigern helfen.

    c) Ebenso ist es nicht völlig unhaltbar, anzunehmen, die Qualität
des Bieres könne unter Umständen nicht mehr gehalten werden, wenn die
Preise auf dem Biermarkt zufolge des Verhaltens der Beschwerdeführerin
zusammenbrechen sollten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die übrigen
Detaillisten, wenn sie, um konkurrenzfähig zu bleiben, den Verkaufspreis
ebenfalls senken müssen, eine angemessene Gewinnmarge dadurch zu erreichen
suchen, dass sie auf die Engrospreise drücken. Zwar mag es fraglich
erscheinen, ob einem solchen Unterfangen der angestrebte Erfolg beschieden
wäre, weil eine Senkung des Engrospreises zu einer weitern Herabsetzung
der Verkaufspreise bei der Beschwerdeführerin führen könnte, so dass sich
schliesslich die frühere Situation wiederherstellte. Allein es ist nicht
abwegig, anzunehmen, dass dieser Ausweg dennoch beschritten würde. Damit,
dass durch Aufgabe der Preisbindung zweiter Hand schliesslich ein Druck auf
die Herstellerpreise erfolgen und dieser zu einer Leistungsverschlechterung
führen könnte, rechnet auch die Kartellkomission (Veröffentlichungen 1966,
S. 281). Es darf deshalb ohne Willkür davon ausgegangen werden, dass die
Brauereien versuchen würden, einen Druck auf die Engrospreise mit einer
Verschlechterung der Bierqualität wettzumachen. Die Beschwerdeführerin
wendet ein, dass einem solchen Vorgehen die Lebensmittelgesetzgebung
entgegenstehe. Allein die Lebensmittelgesetzgebung (Art. 377 ff. der
Lebensmittelverordnung, BS 4, 575) enthält nur Minimalvorschriften
inbezug auf die Qualität und die Beschwerdeführerin behauptet nicht,
dass die Brauereien jetzt schon nur Bier herstellen, das lediglich den
Minimalanforderungen genüge, so dass eine Qualitätsverschlechterung auch
bei Preisdruck gar nicht möglich sei.

    d) Erweisen sich die Erwägungen über die besondern Gründe, die zur
Rechtfertigung der Preisbindung der zweiten Hand führen, als vertretbar,
verbleibt die Prüfung der Frage ihrer Angemessenheit. Das Obergericht
hält die Preisbindung wahrscheinlich für angemessen, soweit der
Detailverkaufspreis der Mehrwegflasche 60 Rappen nicht übersteigt. Es
ergibt sich dabei für den Wiederverkäufer bei einem Engrospreis von 50
Rappen und unter Berücksichtigung des Skontos von zwei Prozent eine
Gewinnmarge von 11 Rappen pro Flasche. Die Beschwerdeführerin wendet
dagegen ein, dass sie zufolge ihrer günstigeren Kostenstruktur mit einer
erheblich geringeren Marge auskommen könne. Die Annahme des Obergerichts,
bei der Beurteilung der Angemessenheit einer Marge könne nicht auf die
am günstigsten arbeitende Unternehmung abgestellt werden, sondern es
sei kalkulatorisch auch auf schwächere Betriebe Rücksicht zu nehmen,
ist jedoch nicht völlig unhaltbar. Die Preisbindung zweiter Hand, deren
Zulässigkeit, wie dargelegt, grundsätzlich vom Gesetzgeber anerkannt
ist, verfolgt gerade den Zweck, auch weniger günstig arbeitenden
Betrieben eine Gewinmöglichkeit offen zu halten. Die Preisbindung
der zweiten Hand wäre weitgehend überflüssig, wenn nur die Margen der
unter optimalen Bedingungen wirtschaftenden Unternehmen als angemessen
anerkannt würden. Ob es dabei zulässig wäre, auf die Verhältnisse von ganz
unrationell arbeitenden Unternehmungen abzustellen, mag dahingestellt
bleiben, da die Beschwerdeführerin nicht behauptet, ein Engrospreis von
60 Rappen gehe hievon aus (vgl. zur Problematik MATILE, aaO S. 238).

    Sodann ist die Auffassung nicht willkürlich, die Margenverhältnisse
im Biergeschäft könnten wahrscheinlich als angemessen gelten,
weil die Kartellkommission bezüglich dieser Verhältnisse noch keine
Sonderuntersuchung im Sinne von Art. 20 KG durchgeführt habe. Zwar decken
sich die Begriffe der Angemessenheit der Preisbindung der zweiten Hand
nach Art. 5 KG und der Begriff der volkswirtschaftlich oder sozial
schädlichen Auswirkung von Kartellen im Sinne von Art. 20 Abs. 1 KG,
die allein Anlass zu einer Sonderuntersuchung geben können, nicht. Eine
Preisbindung kann unangemessen sein, ohne volkswirtschaftlich oder sozial
schädliche Auswirkungen zu haben, z.B. weil dem kartellierten Gewerbszweig
keine erhebliche wirtschaftliche oder soziale Bedeutung zukommt (SCHÜRMANN,
Die Durchführung des Kartellgesetzes, Wirtschaft und Recht 1969, S. 75;
Veröffentlichungen der Schweizerischen Kartellkommission 1970, S. 4
unten). Beim Biermarkt ist angesichts seiner Bedeutung eine unangemessene
Preisbindung volkswirtschaftlich wohl eher als schädlich zu betrachten.
Nachdem eine Sonderuntersuchung durch die zuständige Stelle nicht
angeordnet wurde, obwohl die Margenverhältnisse durch den Bericht der
Kartellkommission über die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Bier- sowie
dem Mineral- und Süssgetränkemarkt vom 11. März 1966 bekannt waren, darf
ohne Willkür der Schluss gezogen werden, dass die zuständigen Behörden
sie jedenfalls nicht als offensichtlich unangemessen betrachteten. Es ist
auch nicht abwegig, wenn das Obergericht zur Stützung seiner Auffassung
berücksichtigte, dass die Beschwerdeführerin das unter einer Eigenmarke
verkaufte Flaschenbier ebenfalls zu 60 Rappen abgab. Zu Unrecht wendet
diese ein, der Preis von 60 Rappen habe nur für die herkömmlichen
Dennerläden gegolten, nicht aber für ihre Discountgeschäfte. Sie anerkennt
damit indirekt, dass in herkömmlichen Läden ein Verkaufspreis von 60
Rappen aus Rentabilitätsgründen angezeigt erscheint. Dass sie nun in ihren
Discountgeschäften mit einer wesentlich niedrigern Marge auskommen kann,
ändert darum nichts, weil, wie ausgeführt, die Preisbindung zweiter Hand
gerade darauf ausgerichtet ist, auch den herkömmlichen Geschäftsbetrieben
eine bestimmte Marge zu sichern. Dass die Discountgeschäfte als neue
Betriebsform des Detailhandels mit einer geringern Marge auskommen können,
vermag nicht von vornherein die Preisbindung der zweiten Hand als nicht
mehr schutzwürdig erscheinen zu lassen. Der Schluss, die Preisbindung beim
Verkaufspreis von 60 Rappen sei wahrscheinlich angemessen, erweist sich
deshalb, soweit sie in einem Verfahren nach Art. 10 KG getroffen wurde,
nicht als willkürlich. Die genauere Abklärung der Angemessenheit muss
dem Hauptprozess vorbehalten bleiben.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.