Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 I 266



96 I 266

45. Urteil vom 5. Juni 1970 i.S. Modena gegen Regierungsrat des Kantons
Zürich. Regeste

    Fremdenpolizei; Androhung der in Art. 10 Abs. 1 lit. b BG über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vorgesehenen Ausweisung.
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1).

    Legitimation zur Beschwerde (Erw. 2).

    Beschwerdegründe; Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 3).

    Voraussetzungen der Ausweisung. Die Massnahme kann auch gerechtfertigt
sein, wenn der Ausländer bei seiner politischen Tätigkeit in der Schweiz
die öffentliche Ruhe und Ordnung gestört und gegen die guten Sitten
verstossen hat (Erw. 4-6).

    Der Androhung der Ausweisung braucht nicht eine Verwarnung
vorauszugehen (Erw. 7).

Sachverhalt

    A.- Der Beschwerdeführer Emilio Modena, italienischer
Staatsangehöriger, geboren am 16. September 1941 in Neapel, zog im Jahre
1950 zu seiner in Zürich lebenden Mutter. Diese heiratete im Jahre 1951
einen Schweizerbürger. Im Jahre 1955 erhielt der Beschwerdeführer im Kanton
Zürich die Niederlassungsbewilligung. Nach dem Besuch der Mittelschule
in Zürich studierte er an der dortigen Universität Medizin; im Frühling
1968 schloss er das Studium mit dem Staatsexamen ab. Er ist mit einer
Schweizerin verheiratet und Vater einer Tochter. Er übt den Arztberuf aus.

    B.- Im Sommer 1968 wurde der Polizeidirektion des Kantons Zürich
gemeldet, dass der Beschwerdeführer "auf einen gewaltsamen politischen
Umsturz in der Schweiz hinarbeite". Das Ergebnis der darauf vorgenommenen
Erhebungen veranlasste die Polizeidirektion, in einer Verfügung
vom 3. Oktober 1968 den Beschwerdeführer zu verwarnen und ihm die
Landesverweisung anzudrohen "für den Fall, dass er sich in politischer
Hinsicht nicht die notwendige Zurückhaltung auferlegen, sich weiterhin in
unzulässiger Weise in die inneren Verhältnisse und Einrichtungen unseres
Landes einmischen, durch seine Tätigkeit die guten Beziehungen der Schweiz
zu ausländischen Staaten beeinträchtigen oder dass sein Verhalten in
anderer Hinsicht zu schweren Klagen Anlass geben sollte".

    C.- Der Rekurs Emilio Modenas gegen die Androhung der Ausweisung wurde
vom Regierungsrat des Kantons Zürich am 16. Oktober 1969 abgewiesen. Der
Begründung des Rekursentscheids ist zu entnehmen:

    "Seit einigen Jahren wird die bestehende Ordnung in vielen Ländern,
in steigendem Masse auch in der Schweiz, auch im Kanton Zürich, nicht
nur theoretisch diskutiert, sondern gestört. Solche Rechtswidrigkeit
darf das Gemeinwesen im Interesse seiner möglichst ungestörten Existenz
nicht dulden. In der Gegenwart stammen solche Störungen in der Schweiz
wesentlich von politisch links stehenden Kreisen. Vom Rekurrenten ist
bekannt, dass er die zweite Hälfte seiner Jugendzeit in der Familie
eines ausgesprochen kommunistisch eingestellten Stiefvaters im Kanton
Zürich verbrachte, des öfteren an Veranstaltungen der kommunistisch
orientierten ,Freien Jugend' sowie solchen der ,Jungen Sektion der PdA'
teilnahm, im Jahre 1963 zu den Initianten für die Gründung des Vereins
der ,Fortschrittlichen Studentenschaft Zürich' und dann auch zum
Vorstand gehörte. In letzter Zeit wurde er wiederholt als Teilnehmer
an sogenannten ,Demonstrationen' gesehen, durch welche die allgemeine
Ordnung zum Teil erheblich gestört wurde, so zum Beispiel: am 26. August
1967 bei der Polizei-Hauptwache; am 1. Juli (recte: Juni) 1968 am
sogenannten ,teach-in' mit dem französischen Studenten Boissier vor der
Eidgenössischen Technischen Hochschule; am 15. Juli (recte: Juni) 1968 auf
dem Hirschenplatz im Niederdorf in Zürich, wo der Rekurrent nach Kantonsrat
Franz Rueb (PdA) eine Rede hielt, in welcher er heftige Angriffe gegen
die Polizei richtete, diese mit einem Augiasstall verglich und Rücktritte
forderte; am 26. Juni 1968 an der sogenannten ,Warndemonstration' vom
Globus bis Sechseläutenplatz in Zürich, verbunden mit Verkehrsbehinderung
und Diskussion; am sogenannten ,Globuskrawall'-Abend vom 29. Juni 1968;
an der Pressekonferenz des Aktionskomitees ,Autonomes Jugendzentrum' vom
30. Juni 1968; am 13. Juli 1968 an der Vollversammlung für ein autonomes
Jugendzentrum, die er zeitweilig leitete; auch stellte er seine Wohnung
als Zentrale für die Verteilung von Flugblättern betreffend das autonome
Jugendzentrum zur Verfügung und anderes mehr."

    Der Regierungsrat nahm an, das Verhalten des Beschwerdeführers würde
an sich die Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931/8. Oktober
1948 (ANAG) rechtfertigen; doch erscheine diese Massnahme nach den gesamten
Umständen nicht angemessen und sei daher bloss anzudrohen.

    D.- Emilio Modena führt Beschwerde beim Bundesgericht, die er in erster
Linie als Verwaltungsgerichtsbeschwerde und subsidiär als staatsrechtliche
Beschwerde bezeichnet. Er beantragt, der Entscheid des Regierungsrates
sei aufzuheben; eventuell sei die Sache zur neuen Beurteilung an diese
Behörde zurückzuweisen.

    Es wird geltend gemacht, dem Ausländer K. habe die Polizeidirektion des
Kantons Zürich die Ausweisung erst nach einer von der Zürcher Stadtpolizei
ausgesprochenen formellen Verwarnung angedroht. Es verstosse gegen das
Gebot der Rechtsgleichheit, dass nicht auch der Beschwerdeführer Modena
zunächst bloss verwarnt worden sei. Sein Verhalten sei der Fremdenpolizei
seit langem bekannt gewesen; sie habe ihn während Jahren im Glauben
gelassen, dass sie es toleriere.

    Der Regierungsrat weise darauf hin, dass der Beschwerdeführer
in einer kommunistisch orientierten Familie aufgewachsen sei und in
Linkskreisen verkehrt habe, und behaupte, die Ausweisung sei nicht nur
wegen Verletzung der Rechts- und Sittenordnung zulässig, sondern auch
aus anderen Gründen, womit offensichtlich die politische Gesinnung und
die nicht ordnungswidrige politische Betätigung gemeint seien. Diese
Betrachtungsweise sei mit Art. 10 ANAG nicht vereinbar. Der angefochtene
Entscheid sei so motiviert, wie es nur eine Ausweisung nach Art. 70 BV,
wofür ausschliesslich der Bundesrat zuständig wäre, sein könnte.

    Der Regierungsrat schildere die von ihm angeführten acht Ereignisse
unrichtig. Er habe die vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise willkürlich
nicht berücksichtigt. Der wirkliche Sachverhalt rechtfertige die Androhung
der Ausweisung in keiner Weise. Der Beschwerdeführer habe nichts getan,
was die öffentliche Ruhe und Ordnung auch nur im geringsten hätte stören
oder gefährden können.

    Der angefochtene Entscheid lege entgegen Art. 16 Abs. 3 der
Vollziehungsverordnung des Bundesrates vom 1. März 1949 zum ANAG (ANAV)
nicht klar dar, was vom Beschwerdeführer erwartet werde.

    E.- Der Regierungsrat des Kantons Zürich und das Eidg.  Justiz-
und Polizeidepartement beantragen die Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Da der Regierungsrat den angefochtenen Entscheid nach dem
1. Oktober 1969 getroffen hat, ist das seit diesem Tage in Kraft stehende
Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über die Änderung des OG anwendbar
(Ziff. III des neuen Gesetzes).

    Nach Art. 100 lit. b rev. OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
auf dem Gebiete der Fremdenpolizei unzulässig gegen: 1. die
Einreiseverweigerung, die Einreisebeschränkung und die Einreisesperre;
2. Verfügungen über das Asylrecht; 3. die Erteilung oder Verweigerung von
Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt; 4. die
Ausweisung gestützt auf Art. 70 BV und die Wegweisung (von Ausländern,
die keine Anwesenheitsbewilligung besitzen, Art. 12 ANAG und Art. 17
ANAV). Die Ausweisung, die gestützt auf Art. 10 ANAG verfügt wird, fällt
nicht unter diese Aufzählung; sie kann nach der neuen Ordnung mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden.

    Erscheint eine Ausweisung zwar als nach Art. 10 Abs. 1 lit. a oder
b ANAG "rechtlich begründet", aber nach den Umständen nicht angemessen
(Art. 11 Abs. 3 ANAG), dann soll sie angedroht werden, und zwar in
einer "schriftlichen, begründeten Verfügung", die klar darlegen soll,
was vom Ausländer erwartet wird (Art. 16 Abs. 3 ANAV). Gegen die -
hier auf Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG gestützte - Androhung ist nach dem
neuen OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ebenfalls gegeben. Wie die
angedrohte Massnahme, so ist auch die Androhung eine Verfügung im Sinne
des Art. 5 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren, worauf Art. 97
rev. OG verweist; denn sie gründet sich auf öffentliches Recht des Bundes,
beruht auf der Feststellung, dass die Ausweisung an sich gerechtfertigt
wäre, und greift in die Rechtsstellung des Ausländers ein, indem sie ihn
daraufhinweist, dass er die Ausweisung gewärtigen muss, falls er sich nicht
so verhält, wie es von ihm erwartet wird. Art. 100 lit. b rev. OG schliesst
auch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Androhung nicht aus.

    Angefochten ist ein Entscheid der letzten kantonalen Instanz. Gegen
ihn ist mangels einer entgegenstehenden Bestimmung des Bundesrechtes
unmittelbar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Art. 98 lit. g
rev. OG).

Erwägung 2

    2.- Emilio Modena ist durch die verfügte Androhung der Ausweisung
beschwert. Er hat ein aktuelles Interesse zu wissen, ob das ihm
vorgeworfene bisherige Verhalten die Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1 lit. b
ANAG rechtfertigen würde und ob ihm daher diese Massnahme gemäss Art. 16
Abs. 3 ANAV angedroht werden dürfe. Diese Bestimmungen des Bundesrechts
schützen den Ausländer gegen Anordnungen, die mit ihnen nicht vereinbar
sind. Daraus folgt, dass Emilio Modena durch die angefochtene Verfügung
berührt wird und ein schutzwürdiges Interesse an ihrer Aufhebung hat. Er
ist daher zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert (Art. 103 lit. a
rev. OG).

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer bezeichnet seine Eingabe an das Bundesgericht
subsidiär als staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 und eventuell des Art. 70 BV. Dieses Rechtsmittel ist indessen
nicht zulässig, da die behaupteten Verfassungsverletzungen mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gerügt werden können (Art. 84 Abs. 2 OG;
vgl. BGE 88 I 307 Erw. 2). Der Beschwerdeführer erhebt denn auch in
erster Linie Verwaltungsgerichtsbeschwerde, und als solche ist seine
Eingabe entgegenzunehmen und zu beurteilen.

    Als Verwaltungsgericht kann das Bundesgericht grundsätzlich frei
prüfen, ob der angefochtene Entscheid des Regierungsrates das Bundesrecht
verletze und auf einer unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhaltes beruhe (Art. 104 lit. a und b, Art. 105
Abs. 1, Art. 114 Abs. 1 rev. OG). Art. 105 Abs. 2 rev. OG beschränkt
die Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nur für
den hier nicht gegebenen Fall, wo sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gegen einen Entscheid eines kantonalen Gerichts oder einer Rekurskommission
richtet.

    Nach Art. 11 Abs. 3 ANAG soll die Ausweisung nur verfügt werden, wenn
sie nach den gesamten Umständen angemessen erscheint. Für die Beurteilung
der Angemessenheit sind namentlich wichtig die Schwere des Verschuldens
des Ausländers, die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz sowie die ihm
und seiner Familie drohenden Nachteile (Art. 16 Abs. 3 ANAV); anderseits
dürfen auch die geistigen und wirtschaftlichen Interessen sowie der Grad
der Überfremdung des Landes berücksichtigt werden (Art. 16 ANAG). Hier hat
der Regierungsrat von dem ihm nach dieser Ordnung eingeräumten Ermessen
zugunsten des Ausländers Gebrauch gemacht. Diese Entscheidung ist nicht
angefochten, so dass sich die Frage nicht stellt, ob der Regierungsrat das
Ermessen überschritten oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt habe
(Art. 104 lit. a rev. OG; zu einer weitergehenden Kontrolle des Ermessens
wäre das Bundesgericht nicht befugt, da keiner der Fälle vorliegt, in denen
nach lit. c ebenda die Rüge der "Unangemessenheit" erhoben werden kann).

    Der Streit geht darum, ob die Voraussetzungen für eine Ausweisung nach
Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG - und damit auch für deren Androhung - gegeben
seien. Auf Grund dieser Bestimmung kann ein Ausländer aus der Schweiz oder
aus einem Kanton nur ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten im allgemeinen
und seine Handlungen darauf schliessen lassen, dass er nicht gewillt oder
nicht fähig ist, sich in die im Gaststaat geltende Ordnung einzufügen. Ob
dieser Schluss im einzelnen Fall gerechtfertigt sei, ist nicht eine
Ermessensfrage; vielmehr handelt es sich ausschliesslich um Rechts-
und Tatfragen. Immerhin ist der kantonalen Behörde bei der Würdigung
des jeweils massgebenden Sachverhalts ein gewisser Beurteilungsspielraum
zu belassen. Da sie den tatsächlichen Verhältnissen näher steht als das
Bundesgericht, ist ihr Entscheid mit Zurückhaltung zu überprüfen.

Erwägung 4

    4.- Nach Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG sind das "Verhalten im allgemeinen"
und die "Handlungen" des Ausländers zu würdigen. Seine Gesinnung vermag
demnach für sich allein die Ausweisung nicht zu rechtfertigen; sie kann
bei der Anwendung dieser Bestimmung nur insoweit berücksichtigt werden,
als sie in seinem äusseren Verhalten zum Ausdruck kommt.

    Art. 16 Abs. 2 ANAV bestimmt, dass die Ausweisung nach Art. 10
Abs. 1 lit. b des Gesetzes namentlich als begründet erscheinen kann bei

    "schweren oder wiederholten Verstössen gegen gesetzliche Vorschriften
oder behördliche Verfügungen;

    grober Verletzung allgemeiner Gebote der Sittlichkeit;

    fortgesetzter böswilliger oder liederlicher Nichterfüllung der
öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Verpflichtungen;

    sonstiger fortgesetzter Liederlichkeit oder Arbeitsscheu".

    Der Bundesrat hat in der Botschaft vom 8. März 1948 über die Revision
des ANAG seine Absicht bekanntgegeben, diesen Text in die Verordnung
aufzunehmen (BBl 1948 I S. 1297). Da sich in den eidgenössischen Räten
kein Widerspruch dagegen erhoben hat, ist anzunehmen, dass Art. 16 Abs. 2
ANAV dem Willen des Gesetzgebers entspricht.

    Ob unter der "Sittlichkeit", von der in dieser Verordnungsbestimmung
die Rede ist, nur die geschlechtliche Sittlichkeit (im Sinne der
Art. 187-212 StGB) zu verstehen sei oder ob damit die guten Sitten im
allgemeinen gemeint seien, kann offen gelassen werden. Die in Art. 16
Abs. 2 ANAV genannten Tatbestände sind Beispiele ("namentlich"). Auch
andere Verhaltensweisen können den Schluss rechtfertigen, der Ausländer
sei nicht gewillt oder nicht fähig, sich in die im Gaststaat geltende
Ordnung einzufügen. Ein Gebaren, das nach den in der Schweiz herrschenden
Anschauungen gegen die guten Sitten verstösst, kommt ebenfalls in Betracht,
auch wenn es nicht unter die Aufzählung des Art. 16 Abs. 2 ANAV fällt;
denn unter der im Gaststaat geltenden Ordnung (Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG)
ist nicht nur dessen Rechtsordnung, sondern auch die im Lande allgemein
anerkannte Sittenordnung zu verstehen.

Erwägung 5

    5.- Auch für die politische Einstellung des Ausländers gilt,
dass einzig seine Handlungsweise, nicht auch schon seine Gesinnung,
die Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG rechtfertigen kann. Die
politische Tätigkeit in der Schweiz ist ihm grundsätzlich erlaubt; sie ist
ihm nur verwehrt, soweit sie mit der hier geltenden Ordnung nicht vereinbar
ist (vgl. den Bericht des Bundesrates über seine Geschäftsführung im Jahre
1966, S. 138). Im Rahmen dieser Ordnung darf der Ausländer in politischen
Vereinigungen mitwirken und an politischen Versammlungen teilnehmen,
wobei er, falls er die Niederlassungsbewilligung besitzt, auch als Redner
auftreten kann, ohne der besonderen Bewilligung gemäss BRB betreffend
politische Reden von Ausländern vom 24. Februar 1948 zu bedürfen.

    Art. 70 BV gibt dem Bunde das Recht, Fremde, welche die innere
oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft gefährden, aus dem
schweizerischen Gebiete wegzuweisen. Die dort vorgesehene Ausweisung
bleibt nach Art. 10 Abs. 4 ANAG von diesem Gesetz unberührt. Anderseits
schliesst die Bundesverfassung nicht aus, dass ein Ausländer auch von der
kantonalen Behörde, auf Grund des ANAG, wegen unzulässiger politischer
Betätigung ausgewiesen werden kann. Nach Art. 69ter BV und dem darauf
beruhenden ANAG sind die Kantone ebenfalls zur Ausweisung befugt, und
dazu kann nach Art. 10 Abs. 1 ANAG auch das Verhalten des Ausländers in
politischer Beziehung Anlass geben. Auf jeden Fall kann die kantonale
Behörde einen Ausländer ausweisen, dessen politische Tätigkeit zwar nicht
die innere oder äussere Sicherheit des Landes gefährdet, aber gleichwohl
darauf schliessen lässt, dass er nicht gewillt oder nicht fähig ist, sich
in die hier geltende Ordnung einzufügen. Dieser Schluss kann namentlich
dann gerechtfertigt sein, wenn die politische Aktivität des Ausländers die
öffentliche Ruhe und Ordnung, für deren Aufrechterhaltung die Behörden
zu sorgen haben, stört oder zu stören geeignet ist, oder wenn sie gegen
die im Gastland allgemein anerkannte Sittenordnung verstösst, welche auch
erheischt, dass in der politischen Auseinandersetzung, insbesondere bei
der Kritik der Institutionen und Behörden des Landes, ein gewisser Anstand
gewahrt werde.

Erwägung 6

    6.- Die Vorinstanz misst den politischen Überzeugungen des
Beschwerdeführers nicht eine entscheidende Bedeutung bei, noch stellt
sie auf die -- unbestrittenen - Tatsachen ab, dass er "des öfteren
an Veranstaltungen der kommunistisch orientierten ,Freien Jugend'
sowie solchen der ,Jungen Sektion der PdA' teilnahm, im Jahre 1963 zu
den Initianten für die Gründung des Vereins der ,Fortschrittlichen
Studentenschaft Zürichs' und dann auch zum Vorstand gehörte". Sie
nimmt nicht an, dass er in Vereinigungen, die als rechtswidrig oder
staatsgefährlich im Sinne des Art. 56 BV zu betrachten wären, mitgewirkt
habe und dass sich schon aus diesem Grunde der Schluss rechtfertige, er
sei nicht gewillt oder nicht fähig, sich in die Ordnung des Gaststaates
einzufügen. Der Beschwerdeführer ist nicht wegen Teilnahme an einer
rechtswidrigen Vereinigung gemäss Art. 275ter StGB oder wegen eines anderen
Vergehens oder gar wegen eines Verbrechens gerichtlich bestraft worden,
so dass der in Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG vorgesehene Ausweisungsgrund
ausser Betracht fällt. Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer auch
nicht vor, er habe im Sinne des Art. 70 BV die innere oder äussere
Sicherheit des Landes gefährdet. Sein Einwand, der Regierungsrat habe
in Missachtung dieser Verfassungsvorschrift in die Zuständigkeit des
Bundesrates übergegriffen, geht daher fehl.

    Vorgeworfen wird dem Beschwerdeführer lediglich, er habe an "extremen
politischen Veranstaltungen" teilgenommen, "durch welche die allgemeine
Ordnung zum Teil erheblich gestört wurde" (S. 4 des angefochtenen
Entscheides, S. 4 der Beschwerdeantwort des Regierungsrates). Als
"Beispiele" werden im angefochtenen Entscheid acht Vorkommnisse genannt. Es
ist zu prüfen, ob die erhobenen Vorwürfe den daraus vom Regierungsrat
gezogenen Schluss rechtfertigen, dass die Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1
lit. b ANAG rechtlich begründet wäre. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass die Vorwürfe sich nach der eigenen Darstellung des Beschwerdeführers
auf seine politische Betätigung als Mitglied der "Freien Studentenschaft
Zürich", einer weit links stehenden Gruppe, beziehen (Einvernahmeprotokoll
der Stadtpolizei Zürich vom 15. August 1968, S. 16).

    a) Der Beschwerdeführer behauptet heute, er habe die Demonstration vom
26. August 1967 bei der städtischen Polizeihauptwache in Zürich "am Rande
und nur zeitweise als Zuschauer verfolgt". Bei seiner Einvernahme durch
die Stadtpolizei hat er jedoch zugegeben, darüber orientiert worden zu
sein, dass die Demonstration stattfinden werde, und daran teilgenommen
zu haben. Es besteht kein Grund, an der Richtigkeit dieser früheren
Darstellung zu zweifeln.

    Die Demonstration war gegen die Polizei gerichtet, und sie war denn
auch nicht bewilligt worden. Dem Beschwerdeführer kann nicht entgangen
sein, dass solche Veranstaltungen vor der Polizeihauptwache nicht
gestattet werden, und auch nicht, dass sie ihrer Natur nach geeignet
sind, die öffentliche Ruhe und Ordnung, für deren Aufrechterhaltung die
Polizei zu sorgen hat, zu stören. Wie die Demonstration vom 26. August
1967 überhaupt, so war auch die Teilnahme des Beschwerdeführers daran
rechtswidrig, denn Art. 7 der Allgemeinen Polizeiverordnung der Stadt
Zürich verbietet ausdrücklich jede Störung der polizeilichen Tätigkeit.

    b) Am 1. Juni 1968 veranstaltete die "Fortschrittliche Studentenschaft
Zürich" ein "teach-in", wobei der französische Student Boissier eine
Rede über die Maiereignisse in Frankreich hielt. Die Veranstaltung,
die auf öffentlichem Grund stattfand, war nicht bewilligt worden; die
erforderliche Redeerlaubnis für den ausländischen Studenten lag nicht
vor. Der Beschwerdeführer erklärt, er habe bei diesem Anlass nur als
"offizieller Übersetzer der Fortschrittlichen Studentenschaft Zürich"
mitgewirkt. Das mag zutreffen, ändert aber nichts daran, dass er an einer
rechtswidrigen, gegen die öffentliche Ordnung verstossenden Veranstaltung
teilgenommen hat. Er muss gewusst haben, dass die Demonstration nicht
bewilligt war; er behauptet nicht das Gegenteil.

    c) Die weitere Demonstration vom 15. Juli 1968 war ebenfalls nicht
gestattet worden, was dem Beschwerdeführer nicht entgangen sein kann,
da sie gegen die Polizei gerichtet war. Sie begann auf dem Hirschenplatz
im Niederdorf in Zürich, wo ein Brückenwagen als Podium für die Redner
aufgestellt wurde. Auf einem zweiten Brückenwagen wurde ein Käfig mit einer
Puppe herangeführt, die einen anonymen "Schläger-Polizisten" darstellen
sollte. Diesem Polizisten wurde im zweiten Teil der Demonstration, der
sich vor der Polizeihauptwache abspielte, der Prozess gemacht, welcher
mit einem "Freispruch". endete.

    Auf dem Hirschenplatz hielt der Beschwerdeführer im Auftrage der
"Fortschrittlichen Studentenschaft Zürich" eine Ansprache an mehrere
hundert Zuhörer. Dabei griff er die Polizei heftig an; nach ihrer
Darstellung, die er nicht bestreitet, sprach er von einem "Augiasstall"
und forderte Rücktritte; nach seiner eigenen Aussage schloss er mit
der Aufforderung, "der Solidarität der Polizei eine Solidarität der
Verwalteten entgegenzusetzen". Damit überschritt er offensichtlich die
Grenzen, die nach der in der Schweiz allgemein anerkannten Sittenordnung
in der politischen Auseinandersetzung, namentlich bei der Kritik an den
staatlichen Institutionen und Behörden, einzuhalten sind. Daran würde auch
nichts geändert, wenn er in seiner Rede gewisse Presseberichte verwertet
hätte, wie er behauptet. Sein Vorgehen lässt sich nur mit der Absicht
erklären, das Ansehen und die Autorität der Polizei zu untergraben.
Es störte an sich schon die öffentliche Ruhe und Ordnung und war zudem
geeignet, weitere Störungen herbeizuführen, worüber der Beschwerdeführer
sich Rechenschaft geben musste. Seine Handlungsweise bei der Demonstration
vom 15. Juni 1968 verstiess in schwerwiegender Weise gegen die Rechts-
und Sittenordnung des Gastlandes.

    d) Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe sich während der
"Warndemonstration", die am 26. Juni 1968 zwischen dem Globusgebäude
und dem Sechseläutenplatz in Zürich stattfand, anderswo aufgehalten,
und beruft sich dafür auf eine schriftliche Bestätigung des Architekten
B. Seine Teilnahme an dieser Veranstaltung ist nicht nachgewiesen.

    e) Beim "Globuskrawall" am 29. Juni 1968 abends kam es zu schweren
Zusammenstössen zwischen Demonstranten und Polizeikräften; zahlreiche
Personen wurden verletzt. Der Beschwerdeführer war nach seinen Angaben
jedenfalls am Anfang der Demonstration beteiligt. In der Folge wurde
gegen ihn eine Strafuntersuchung wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden
und Beamte eingeleitet, doch wurde das Verfahren eingestellt. Es steht
fest, dass der Beschwerdeführer im ersten Stadium der Demonstration die
Menschenmenge zu bewegen versuchte, gemäss den Anweisungen der Polizei den
Platz vor dem Globusgebäude zu räumen, und dass er selber am Kopf verletzt
wurde. Den weiteren Ablauf der Ereignisse will er nur als Beobachter
verfolgt haben. Er erklärt, er habe eine friedliche Demonstration
erwartet. Immerhin musste er zum mindesten mit einer Behinderung des
Strassenverkehrs rechnen, die auch nicht ausblieb. Indem er gleichwohl
an der nicht bewilligten Demonstration teilnahm, beteiligte er sich an
einer Störung der öffentlichen Ordnung.

    f) Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, an der Pressekonferenz des
Aktionskomitees für ein "autonomes Jugendzentrum", welche am 30. Juni
1968 in einem Restaurant in Zürich stattfand, teilgenommen zu haben; er
erklärt jedoch, er habe bloss über seine Wahrnehmungen bei der ärztlichen
Behandlung von Personen, die anlässlich des "Globuskrawalls" verletzt
worden waren, Bericht erstattet. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür,
dass er an dieser Pressekonferenz sich ordnungswidrig verhalten hat.

    g) Der Beschwerdeführer gibt zu, seine Wohnung in der Zeit vom 2. bis
zum 13. Juli 1968 dem erwähnten Aktionskomitee für die Verteilung von
Flugblättern zur Verfügung gestellt zu haben. Er bestreitet, dass er dies
schon vor dem "Globuskrawall" vom 29. Juni 1968 getan habe, und macht
geltend, die von seiner Wohnung aus verteilten Flugblätter seien nicht
dazu angetan gewesen, die öffentliche Ruhe und Ordnung zu stören. Diese
Darstellung lässt sich auf Grund der vorliegenden Akten nicht widerlegen.
Während der Zeit, da der Beschwerdeführer seine Wohnung zur Verfügung
stellte, wurde auf jeden Fall ein vierseitiges "Informations-Extrablatt"
verteilt. Die Verbreitung dieses Blattes war indessen nach allem, was
vorangegangen war, durch die Pressefreiheit gedeckt. Auch die schriftlichen
Instruktionen für die Flugblattverteiler enthalten nichts Ungehöriges.

    h) Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer am 13.  Juli 1968
der "Vollversammlung für ein autonomes Jugendzentrum" im Volkshaus Zürich
beiwohnte und sie zeitweilig leitete. Er erklärt, die Veranstaltung sei
von der Behörde bewilligt worden und habe die öffentliche Ruhe und Ordnung
nicht gestört. Diese Darstellung ist nicht widerlegt.

    i) Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Vorwürfe,
die im angefochtenen Entscheid "beispielsweise" gegen den Beschwerdeführer
erhoben werden, zwar nicht durchweg, aber doch in einem wesentlichen
Umfange begründet sind. Es steht fest, dass der Beschwerdeführer
sich wiederholt, durch aktive Teilnahme an mehreren nicht bewilligten
politischen Demonstrationen, Störungen von Ruhe und Ordnung hat zuschulden
kommen lassen. Bezeichnend für seine Haltung ist insbesondere seine gegen
die Polizei gerichtete Rede vom 15. Juni 1968, in der er in krasser
Weise den nach den schweizerischen Anschauungen bei der politischen
Tätigkeit zu wahrenden Anstand verletzt hat. Aus diesen Tatsachen durfte
die Vorinstanz schliessen, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei,
sich in die im Gaststaat geltende Ordnung einzufügen. Der Gerichtshof hat
keinen Grund, die unzulässige Handlungsweise des Beschwerdeführers anders
zu würdigen. Der Sachverhalt ist genügend abgeklärt. Der angefochtene
Entscheid verstösst nicht gegen Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG.

Erwägung 7

    7.- Durfte die kantonale Behörde somit annehmen, dass die Ausweisung
des Beschwerdeführers nach Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG rechtlich
begründet sei, so war sie auch befugt, ihm diese Massnahme anzudrohen
(Art. 16 Abs. 3 ANAV). Er wendet vergeblich ein, dass die Fremdenpolizei
ihn zunächst hätte verwarnen müssen, nachdem sie ihn während Jahren im
Glauben gelassen habe, sein Verhalten, das ihr seit langem bekannt gewesen
sei, werde toleriert. Gerade durch die Androhung der Ausweisung wird der
Ausländer verwarnt. Dass er schon vor der Androhung verwarnt werden müsse,
ist nirgends vorgeschrieben. Die Behörden können nicht jeden im Lande
weilenden Ausländer ständig beaufsichtigen und ihn zurechtweisen, wenn
sein Verhalten sich der Grenze des Zulässigen nähert; wie die Vorinstanz
bemerkt, würde eine solche Überwachung in der Öffentlichkeit, namentlich
auch von den Ausländern selbst, mit Recht abgelehnt. Wohl ist in dem vom
Beschwerdeführer angeführten Falle K. vor der Androhung der Ausweisung
eine Verwarnung (seitens der Stadtpolizei Zürich) ausgesprochen worden;
doch kann daraus nicht abgeleitet werden, dass auch dem Beschwerdeführer
gegenüber so hätte verfahren werden müssen. Nach den massgebenden
Vorschriften durfte dem Beschwerdeführer ohne weiteres die Ausweisung
angedroht werden, und das ist entscheidend. Seine Rüge, das Gebot der
rechtsgleichen Behandlung sei verletzt worden, ist unbegründet. Es trifft
auch nicht zu, dass die kantonalen Behörden ihn jahrelang im Glauben
gelassen haben, sie tolerierten seine unzulässige Handlungsweise. In Frage
steht sein Verhalten im August 1967 und namentlich im Sommer 1968. Die
kantonale Polizeidirektion ist darauf im Juli 1968 hingewiesen worden;
sie hat sofort Erhebungen vornehmen lassen und gestützt auf deren Ergebnis
am 3. Oktober 1968 die Ausweisung angedroht.

Erwägung 8

    8.- Die Rüge, dass der angefochtene Entscheid entgegen Art. 16 Abs. 3
ANAV nicht klar darlege, was vom Beschwerdeführer erwartet werde, kann
nicht ernst genommen werden.

    Die Ausführungen in der Beschwerdeschrift zeigen, dass der
Beschwerdeführer den Erwägungen der Vorinstanz das Erforderliche hat
entnehmen können.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.