Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 II 62



96 II 62

13. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Januar 1970 i.S. Chardan SA
gegen Goldschmidt AG. Regeste

    Art. 43 Abs. 1 und 55 Abs. 1 lit. c OG. Berufung.

    Wird in einer vom kantonalen Recht beherrschten Frage Bundesrecht
angewendet, so ist die Berufung nur zulässig, wenn der kantonale
Gesetzgeber bei der Regelung der Frage verpflichtet war, auf Bundesrecht
Rücksicht zu nehmen.

Sachverhalt

    A.- In der Patentstreitigkeit Goldschmidt AG (Klägerin) gegen Chardan
SA (Beklagte) erkannte das Obergericht des Kantons Luzern am 26. Juni
1969, dass vom Verzicht der Klägerin auf Schadenersatz (Klagebegehren
Ziff. 3) Vormerk genommen werde, die Klagebegehren 1, 2 und 4 als
gegenstandslos abzuschreiben seien und die Beklagte die Prozesskosten
von rund Fr. 30'000.-- zu tragen habe.

    Die Klagebegehren 1, 2 und 4 wurden gegenstandslos, weil während
des Prozesses, der nahezu fünf Jahre dauerte, die Schutzfrist für das
Patent ablief, und auf Schadenersatz verzichtete die Klägerin vor allem
mit Rücksicht auf die Schwierigkeit, den Schaden nach so langer Dauer
des Verfahrens festzustellen.

    Um über die Prozesskosten zu entscheiden, prüfte das Obergericht
vorfrageweise, ob bei Prozessbeginn eine Verletzung des Patentes
vorlag. Das Obergericht bejahte das gestützt auf ein Gutachten, weshalb
die Beklagte sämtliche Prozesskosten tragen müsse.

    B.- Mit der Berufung beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, das
Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung
an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie macht insbesondere geltend, die
Kostenverteilung des Obergerichts beruhe auf einer unrichtigen Anwendung
von Bundesrecht.

    C.- Die Klägerin beantragt Nichteintreten, eventuell Abweisung der
Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Welche Partei die Kosten des kantonalen Verfahrens zu tragen hat,
beurteilt sich nach dem kantonalen Prozessrecht, dessen Anwendung das
Bundesgericht auf Berufung hin nicht überprüfen darf (Art. 43 Abs. 1 und
55 Abs. 1 lit. c OG).

    Die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 76 II 250 Erw. 2 und
dort angeführte Urteile) liess die Berufung freilich auch zu, wenn in den
Erwägungen eines Urteils über eine vom kantonalen Recht beherrschte Frage
Bundesrecht angewendet wurde. Diese Rechtsprechung ist in BGE 80 II 183
jedoch dahin verdeutlicht worden, dass die Berufung in solchen Fällen nur
zulässig ist, wenn der kantonale Gesetzgeber in der in Frage stehenden
Beziehung zur Berücksichtigung des Bundesrechts verpflichtet war. Im
gleichen Sinn ist in BGE 84 II 133 und 85 II 364 entschieden worden.

    Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Der luzernische Gesetzgeber
war nicht verpflichtet, bei der Regelung der Frage, welche Partei
die Kosten des kantonalen Verfahrens zu tragen hat, auf Bundesrecht
Rücksicht zu nehmen. Er durfte diese Frage vielmehr allgemein, also
auch für Patentstreitigkeiten, unabhängig vom Bundesrecht regeln. Dass
die Vorinstanz vorfrageweise Bundesrecht anwandte, um über die Kosten
nach kantonalem Recht zu entscheiden, macht ihren Entscheid daher nicht
berufungsfähig.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Berufung wird nicht eingetreten.