Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 II 369



96 II 369

48. Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. September 1970 i.S. X. gegen
Vormundschaftsbehörde Y. Regeste

    Vormundschaftliche Massnahmen für einen Geisteskranken, dessen
Krankheit schubweise verläuft. Entmündigung nach Art. 369 ZGB oder
Errichtung einer Beiratschaft nach Art. 395 ZGB? Persönliche Fürsorge kann
nicht nur dem Vormund (Art. 406 ZGB), sondern auch dem Beirat obliegen
(Änderung der Rechtsprechung). Von der Entmündigung ist abzusehen,
wenn die Errichtung einer Beiratschaft der in Frage stehenden Person
genügenden Schutz bietet. Gründe für die Annahme, dass diese letzte
Massnahme notwendig ist und ausreicht.

    Gerichts- und Parteikosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 156
Abs. 2 und 159 OG).

Sachverhalt

                      Gekürzter Tatbestand:

    A.- Frau X. leidet seit mehr als 20 Jahren an einer
paranoidhalluzinatorischen Schizophrenie, die schubweise verläuft. Sie war
deswegen seit 1958 sechsmal in psychiatrischen Kliniken untergebracht. Die
einzelnen Schübe führten verhältnismässig rasch zu einem Zustand,
in welchem sich Frau X. sowohl persönlich als auch wirtschaftlich
stark gefährdete. So beging sie im August 1958 einen ernsthaften
Selbstmordversuch. Im September 1966 flog sie unter dem Einfluss von
"Stimmen" nach New York, verlor dort ihr Gepäck mit wertvollem Schmuck
und wurde dann polizeilich in die Schweiz zurückgebracht. Am 25. Oktober
1968 begab sie sich, nachdem sie von ihrem Bruder ohne Erfolg eine
grössere Geldsumme verlangt hatte, auf Grund von Wahnvorstellungen in
ein Luxushotel, um dort einen Freund - oder einen japanischen Prinzen -
zu erwarten. Wegen dieses letzten Schubes musste sie sich gut zwei Monate
lang (bis anfangs Januar 1969) in der psychiatrischen Klinik S. aufhalten,
wo sie schon früher (z.B. nach ihrer Rückkehr aus New York) wiederholt
geweilt hatte. Den einzelnen Schüben, die unter geeigneter Behandlung
ziemlich rasch abklangen, folgten Zeiten der Remission, in welchen Frau
X. für medizinische Laien unauffällig wirkte, angepasst erschien und dem
Verdienst nachgehen konnte. Zur Zeit arbeitet sie in einem Büro. Seit Ende
Januar 1969 steht sie beim Nervenarzte Dr. Z. in regelmässiger Behandlung.
Seit Herbst 1969 wohnt sie allein in einer Vierzimmerwohnung.

    B.- Frau X. lebte früher im elterlichen Hause und wurde zu Lebzeiten
der Eltern von diesen, später von ihrem Bruder betreut. Dieser verwaltete
auch den grössten Teil ihres Vermögens, das sich seit 1964 (u.a.
wegen der Kosten der Klinikaufenthalte) von Fr. 50'000.-- auf etwa Fr.
27'000.-- verminderte. Im Hinblick auf die Fürsorge der Angehörigen sah die
Vormundschaftsbehörde bis Ende 1968 von der Anordnung vormundschaftlicher
Massnahmen ab, obwohl die Ärzte des Krankenhauses S. in ihrem Gutachten vom
7. Oktober 1966 die Bestellung eines Vormundes als notwendig bezeichnet
hatten. Da diese Ärzte in einem Ergänzungsbericht vom 19. Dezember
1968 unter Hinweis auf eine Lockerung der Familienbeziehungen, die
Frau X. bisher einen Halt geboten hatten, von neuem vormundschaftliche
Massnahmen befürworteten, leitete die Vormundschaftsbehörde gegen Frau
X. am 10. Januar 1969 das Verfahren auf Entmündigung wegen Geisteskrankheit
ein. Die kantonalen Gerichte schützten das Entmündigungsbegehren in
Anwendung von Art. 369 ZGB.

    D.- Gegen das Urteil des obern kantonalen Gerichts hat die Beklagte
die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie verlangt damit die Aufhebung
des angefochtenen Urteils und - dem Sinne nach - die Abweisung der Klage,
eventuell die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Ergänzung des
Verfahrens und zur Neubeurteilung.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung in dem Sinne teilweise gut, dass
es die Vormundschaft durch eine Mitwirkungs- und Verwaltungsbeiratschaft
im Sinne von Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB ersetzt.

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 369 ZGB gehört unter Vormundschaft jede mündige Person,
die infolge von Geisteskrankheit oder Geistesschwäche ihre Angelegenheiten
nicht zu besorgen vermag, zu ihrem Schutze dauernd des Beistandes und
der Fürsorge bedarf oder die Sicherheit anderer gefährdet.

    a) Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die sich
auf die von der Vormundschaftsbehörde gemäss Art. 374 Abs. 2 ZGB
eingeholten Gutachten stützen und gemäss Art. 63 Abs. 2 OG für das
Bundesgericht verbindlich sind, leidet die Beklagte seit langem an
einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie. Dabei handelt es sich
unzweifelhaft um eine Geisteskrankheit im Sinne von Art. 369 ZGB. Die
Tatsache, dass sich die Beklagte seit Januar 1969 in einem Zustand
weitgehender Remission befindet, erlaubt es nach den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz nicht, die Geisteskrankheit als behoben zu
betrachten. Dass der Krankheitszustand latent fortbesteht, wird dadurch
bestätigt, dass Dr. Z., der sie gegenwärtig behandelt, eine periodische
Kontrolle und die regelmässige Verabreichung von Medikamenten als
angezeigt erachtet. Wenn Dr. Z. in seinem Privatgutachten vom 18. Mai
1969 der Entmündigung der Beklagten entgegentrat, so im wesentlichen nur
deshalb, weil er verneinte, dass die bestehende Geisteskrankheit die
Wirkungen habe, die Art. 369 ZGB als Voraussetzungen der Entmündigung
wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche nennt.

    b) Während eines Krankheitsschubes ist die Beklagte zweifellos
ausserstande, ihre Angelegenheiten zu besorgen. Sie neigt dann zu
Handlungen, die ihre Person und ihr Vermögen ernstlich in Gefahr
bringen, und bedarf deshalb in solchen Perioden zu ihrem Schutze des
Beistandes und der Fürsorge. Zwischen den einzelnen Schüben ist sie
dagegen - wie man in solchen Fällen zu sagen pflegt - sozial geheilt. Sie
vermag dann ihre Angelegenheiten sehr wohl zu besorgen und zeigt keine
Krankheitserscheinungen, derentwegen sie im Sinne von Art. 369 ZGB des
Beistandes und der Fürsorge bedürfte. Die Vorinstanz nimmt das ebenfalls
an, findet aber, die Beklagte bedürfe im Sinne dieser Bestimmung gleichwohl
dauernd, auch in Zeiten der Remission, einer fürsorglichen Betreuung, damit
bei den ersten Anzeichen eines neuen Schubes, z.B. bei einem Abbruch der
ärztlichen Behandlung durch sie oder beim Auftreten von Schwierigkeiten
am Arbeitsplatz oder wegen der Wohnung, eingegriffen werden könne; diese
Betreuung könne ihr, nachdem sie sich von ihrer Familie gelöst habe,
nur ein Vormund angedeihen lassen; die Anordnung einer Mitwirkungs-
und Verwaltungsbeiratschaft genüge nicht, weil die persönliche Seite der
vormundschaftlichen Fürsorge im Vordergrund stehe. Die Beklagte bestreitet
dagegen ihre dauernde Schutzbedürftigkeit, weil sie heute in psychischer
und sozialer Hinsicht weitgehend stabilisiert und normalisiert sei und
die Gefahr einer künftigen Schädigung (durch einen neuen Schub) nicht
mit Bestimmtheit festgestellt werden könne.

    c) Dass die Vorinstanz ernstlich mit neuen Krankheitsschüben und mit
einer daherigen Gefährdung der Beklagten rechnet, ist angesichts ihrer
Feststellungen über die Natur und den bisherigen Verlauf der bestehenden
Geisteskrankheit sowie über das Verhalten der Beklagten bei frühern
Krankheitsanfällen nicht zu beanstanden. Der Vorinstanz ist auch darin
beizustimmen, dass die ernsthafte Möglichkeit neuer Krankheitsschübe
jedenfalls seit dem Wegfall der Betreuung der Beklagten durch Angehörige
schon in Zeiten der Remission vormundschaftliche Massnahmen fordert, m.a.W.
dass die Beklagte in einem gewissen Masse dauernd eines vormundschaftlichen
Schutzes bedarf, weil ein neuer Schub bei ihr erfahrungsgemäss so
unvermittelt auftreten kann, dass Schutzmassnahmen, die erst auf Grund
von Anzeichen für einen solchen Schub angeordnet würden, zu spät kämen.
Massnahmen zum Schutze des Vermögens genügen dabei nicht, sondern
die Beklagte bedarf schon in Zeiten der Remission auch einer gewissen
persönlichen Betreuung, damit ihr Zustand und ihr Verhalten verfolgt
werden können und beim Auftreten von Störungen jemand da ist, der die in
diesem Falle nötigen Massnahmen zum Schutz ihrer Person veranlassen kann.

    d) Persönliche Fürsorge zu gewähren, ist nach der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesgerichts unter den vormundschaftlichen Organen
einzig der Vormund berufen (BGE 85 II 235). Dass auch der Beirat mit
solcher Fürsorge betraut werden könne, wurde vom Bundesgericht bis anhin
stets verneint (BGE 65 II 142, 66 II 14 f., 78 II 336). Das wurde im
wesentlichen daraus abgeleitet, dass eine Beiratschaft nach Art. 395 ZGB
nur anzuordnen ist, wenn sich zum Schutz der in Frage stehenden Person
eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit im Sinne dieser Bestimmung
als notwendig erweist, und dass die Verbeiratung die Handlungsfähigkeit
des Verbeirateten nach Art. 395 ZGB nur in wirtschaftlicher Beziehung
- hinsichtlich der in Absatz 1 aufgezählten, die Vermögenslage des
Verbeirateten beeinflussenden Geschäfte und/oder hinsichtlich der
Verwaltung des Vermögens - beschränkt.

    In der Tat ist klar, dass die Beiratschaft in erster Linie den Schutz
der wirtschaftlichen Interessen des Verbeirateten bezweckt. Das ergibt sich
nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte
des Art. 395 ZGB, der auf den bei der parlamentarischen Beratung von
Nationalrat Thélin gestellten Antrag zurückgeht, die im französischen
Code civil vorgesehene und von mehrern Kantonen der romanischen Schweiz
übernommene, gewissen deutschschweizerischen Formen der Beistandschaft
gleichende Einrichtung des "conseil juridique" in das ZGB einzuführen
(vgl. hiezu Sten.Bull. 1905 S. 1251, 1259, 1262 f., 1417 ff.; 1906
S. 54 f., 56/57, 72, 74; 1907, NR, S. 284 ff.; EGGER, 2. Aufl., N. 2-4
zu Art. 395 ZGB). Die Einrichtung der Beiratschaft soll es ermöglichen,
der schutzbedürftigen Person die Handlungsfähigkeit ausserhalb des
in Art. 395 ZGB umschriebenen Bereiches zu belassen, wenn sich eine
Beschränkung derselben nur in diesem Bereich als notwendig erweist. Die
Verbeiratung schränkt also die Handlungsfähigkeit des Verbeirateten in
persönlicher Beziehung nicht ein, sondern dieser kann sein persönliches
Leben frei gestalten. Der Beirat ist unter Vorbehalt der Geschäfte
der Vermögensverwaltung, die er im Falle der Verwaltungsbeiratschaft
anstelle des Verbeirateten zu besorgen hat (BGE 80 II 17/18), nicht
dessen gesetzlicher Vertreter und kann dem Verbeirateten keine Weisungen
erteilen und auf ihn keinerlei Zwang ausüben. Er ist im Unterscheid zum
Vormund (Art. 406 ZGB) insbesondere nicht befugt, den Schutzbefohlenen mit
Zustimmung der Vormundschaftsbehörde (Art. 421 Ziff. 13 ZGB) nötigenfalls
in eine Anstalt unterzubringen oder die Fortsetzung einer notwendigen
ambulanten Behandlung anzuordnen.

    Hieraus folgt aber entgegen der vom Bundesgericht bisher vertretenen
Auffassung nicht, dass die Beiratschaft überhaupt keine persönliche
Fürsorge gewähren könne. Solche Fürsorge ist auch gegenüber Personen
möglich, die im persönlichen Bereich in ihrer Handlungsfähigkeit nicht
eingeschränkt sind. Auch ein vormundschaftliches Organ, dem keine
Zwangsmittel zu Gebote stehen, kann den Schutzbefohlenen wenigstens dann,
wenn dieser sich nicht von vornherein ablehnend verhält, in einem gewissen
Masse persönlich betreuen, indem es sich um sein Wohlergehen kümmert,
ihn nötigenfalls berät oder ermahnt und auf allfällige Anzeichen einer
ungünstigen Entwicklung achtet, die weitere Massnahmen nötig machen
könnten. Auf die Möglichkeit einer solchen Betreuung hat schon GUHL
(ZBJV 1940 S. 523) bei Besprechung des die Verbeiratung eines Trinkers
aufhebenden Entscheides BGE 65 II 141 ff. hingewiesen, indem er der
- von ihm als "etwas zu theoretisch" bezeichneten - Auffassung des
Bundesgerichts, die Beiratschaft vermöge persönliche Fürsorge nicht zu
verschaffen, mit der Bemerkung entgegentrat, nach der Lebenserfahrung
könne doch auch ein Beirat, wenn er das Herz auf dem rechten Fleck
habe und eine Persönlichkeit sei, auf den unter Beiratschaft stehenden
Trinker einen heilsamen Einfluss ausüben. EGGER (N. 20 zu Art. 395
ZGB) bemerkt darüber hinaus zutreffend, eine umsichtige Wahrung der
vermögensrechtlichen Interessen sei oft gar nicht möglich, ohne dass der
Beirat sich auch um die persönliche Lebensführung und das persönliche
Wohlergehen seines Schützlings kümmert. Damit der Beirat zum Beispiel
entscheiden kann, ob er bei einer unter Art. 395 Abs. 1 ZGB fallenden
Rechtshandlung mitwirken oder sie verhindern soll, muss er auch die
Anliegen des Verbeirateten kennen, die unter Umständen für den Entscheid
massgebend sein können. Aber auch die Vermögensverwaltung im Sinne von
Art. 395 Abs. 2 ZGB kann häufig nicht losgelöst von den persönlichen
Verhältnissen des Schützlings erfolgen, sondern ist wie der Entscheid über
die Mitwirkung im Sinne von Art. 395 Abs. 1 auf diese Verhältnisse, die
davon beeinflusst werden können, abzustimmen. Der tiefere Grund dafür,
dass mit der dem Beirat obliegenden Sorge für das Vermögen auch eine
gewisse Betreuung der Person des Schutzbefohlenen einhergehen muss, liegt
darin, dass das Bedürfnis nach einem Schutz auf wirtschaftlichem Gebiet,
das eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit auf diesem Gebiet fordert,
letztlich in der Person des Schützlings wurzelt (vgl. B. SCHNYDER, Die
Stufenfolge der vormundschaftlichen Massnahmen und die Verhältnismässigkeit
des Eingriffes, ZBJV 1969 S. 268 ff., 279).

    e) Ist eine persönliche Fürsorge des Beirates für den Verbeirateten
in vielen Fällen nicht bloss möglich und sinnvoll, sondern mit der
wirtschaftlichen Fürsorge notwendig verbunden, so ist zuzulassen,
dass dem Beirat auf dem Gebiete der persönlichen Fürsorge auch Aufgaben
übertragen werden, die mit der Mitwirkung und mit der Vermögensverwaltung
im Sinne von Art. 395 ZGB nicht unmittelbar zusammenhängen, sofern er diese
Aufgaben erfüllen kann, obwohl ihm in diesem Bereich keine Zwangsmittel zur
Verfügung stehen. Diese Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Beiratschaft,
die erst in einem späten Stadium der gesetzgeberischen Arbeit in das ZGB
aufgenommen und dabei mangelhaft geregelt wurde (vgl. lit. d hievor und
BGE 82 II 211/12), wird durch den Gesetzeswortlaut nicht ausgeschlossen,
sondern durch die allgemein gehaltene Funktionsbezeichnung "Beirat",
"conseil légal", "assistente" gedeckt. Sie erlaubt es, in Fällen, wo
die persönliche Betreuung über das mit der wirtschaftlichen Fürsorge im
Sinne von Art. 395 ZGB notwendigerweise verbundene Mass hinausgehen muss,
eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit im persönlichen Bereiche aber
nicht notwendig ist, vom schweren Eingriff der Entmündigung abzusehen und
so vermehrt dem Grundsatze Rechnung zu tragen, dass die Entmündigung nur
dann am Platze ist, wenn nicht leichtere Massnahmen zum Ziele führen (BGE
69 II 19 E. 3; EGGER N. 26 zu Art. 369 ZGB; SCHNYDER aaO; vgl. auch BGE
96 II 78 lit. d mit Hinweisen, wonach die elterliche Gewalt nur entzogen
werden darf, wenn mildere Massnahmen nicht ausreichen).

    f) Die Handlungsfähigkeit der Beklagten aufwirtschaftlichem Gebiet
im Sinne von Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB zu beschränken, ist notwendig,
obwohl die Beklagte in Zeiten der Remission die in Frage stehenden
Angelegenheiten selbst besorgen könnte. Anders lässt sich nicht verhüten,
dass ihr Vermögen beim unverhofften Eintritt einer neuen Störung durch
unsinnige Verfügungen, wie sie dann erfahrungsgemäss zu befürchten
sind, gefährdet wird. Ihre Handlungsfähigkeit in einem weitern als
dem in Art. 395 ZGB vorgesehenen Masse zu beschränken, ist dagegen
nicht geboten. Bei einem neuen Krankheitsschub kann sich zwar wie bei
frühern Schüben die Unterbringung in eine Heilanstalt, die ein Beirat
nicht anordnen kann, als nötig erweisen. Auch ein Vormund würde aber
diese Massnahme kaum von sich aus treffen. Abgesehen davon, dass für
die Unterbringung eines Bevormundeten in eine Heilanstalt nach Art. 421
Ziff. 13 ZGB die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde erforderlich ist,
um die der Vormund womöglich zum voraus, bei Dringlichkeit der Massnahme
sofort nach der Einweisung nachzusuchen hat (EGGER N. 18 zu Art. 406 ZGB),
wird in solchen Fällen gewöhnlich ein Arzt beigezogen, der die Einweisung
selbständig verfügen kann ... Dieser Weg steht einem Beirat so gut wie
einem Vormund offen. Ein Beirat ist auch ebensogut wie ein Vormund in
der Lage, auf Anzeichen einer beginnenden Störung zu achten, wenn ihm
aufgetragen wird, sich nicht bloss im Zusammenhang mit der ihm nach
Art. 395 ZGB auf wirtschaftlichem Gebiet obliegenden Tätigkeit (die sich
bei der Beklagten angesichts ihres bescheidenen Vermögens voraussichtlich
in einem engen Rahmen halten wird), sondern in ähnlichem Umfange wie ein
Vormund um das persönliche Wohl des Schützlings zu kümmern. Der Beirat
einer latent geisteskranken Person, die der ärztlichen Kontrolle und
Behandlung bedarf, kann und soll sich namentlich auch mit dem behandelnden
Arzte in Verbindung setzen, damit dieser ihn benachrichtige, falls die
betreffende Person Anzeichen eines neuen Schubes zeigen oder die Behandlung
grundlos abbrechen sollte. Alle diese Vorkehren kann der Beirat treffen,
obwohl er nicht über Zwangsmittel verfügt und unter Vorbehalt von Art. 395
Abs. 2 ZGB nicht gesetzlicher Vertreter des Schützlings ist. Bessere
Gewähr dafür, dass die Beklagte beim Eintritt eines neuen Krankheitsschubes
rechtzeitig interniert und jede Fehlhandlung der Beklagten vermieden wird,
kann auch die Betreuung durch einen Vormund nicht bieten; waren doch sogar
die Familienangehörigen der Beklagten, die täglich um sie waren, nicht
in der Lage, den Selbstmordversuch von Jahre 1958 und die im September
1966 unternommene Reise nach Amerika zu verhindern.

    Für die Anordnung einer Vormundschaft besteht also bei der Beklagten
kein genügender Grund. Diese Massnahme würde sie unnötig hart treffen
und wäre geeignet, ihre berufliche Stellung am neuen Arbeitsplatz zu
gefährden. Anstelle einer Vormundschaft ist daher eine Mitwirkungs-
und Verwaltungsbeiratschaft zu errichten. Zu der eventuell beantragten
Rückweisung besteht kein Anlass.

Erwägung 2

    2.- Kosten und Entschädigungen sind nicht zu sprechen. Der teilweise
unterlegenen Vormundschaftsbehörde könnten nach Art. 156 Abs. 2 OG ohnehin
keine Gerichtskosten auferlegt werden. Anderseits ist davon abzusehen,
der Beklagten in Anwendung von Art. 159 OG (der in seiner Fassung gemäss
Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 nicht mehr auf Art. 156 Abs. 2 OG
verweist) eine Parteientschädigung zuzusprechen, da sie mit ihrer Berufung
nur teilweise obsiegt hat.