Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 II 325



96 II 325

44. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. September 1970
i.S. Hofstetter gegen Böbner und Mitbeteilligte. Regeste

    Bäuerliches Erbrecht. Gesamteigentum infolge Erbengemeinschaft oder
einfacher Gesellschaft? Grundbuch. Vertragsauslegung.

    1.  Es ist zulässig, dass einzelne Erben nach Abfindung der andern
die Erbengemeinschaft fortsetzen. Befugnis eines in der Erbengemeinschaft
verbliebenen Erben oder eines Erben eines solchen, die Teilung des noch
unverteilten Nachlasses zu verlangen (Art. 604 Abs. 1 ZGB) und beim
Zutreffen der Voraussetzungen des Art. 620 ZGB diese Bestimmung anzurufen
(Erw. 6 a).

    2.  Beweiskraft der Angaben des Grundbuchs über das zwischen
Gesamteigentümern bestehende Gemeinschaftsverhältnis (Art. 33 Abs. 3 GBV,
Art. 9 Abs. 1 und 937 Abs. 1 ZGB; Erw. 6 b).

    3.  Beweis der Unrichtigkeit der im Grundbuch enthaltenen
Angabe. Fortbestand des Gesamteigentums auf Grund eines andern als des
im Grundbuch angegebenen Verhältnisses. Formelle Voraussetzungen der
Umwandlung von Gesamteigentum in Miteigentum (Erw. 6 c).

    4.  Auslegung eines Vertrags, wonach zwei ledige Brüder
unter Abfindung ihrer Geschwister das vom Vater hinterlassene
Heimwesen übernehmen. Vollständige Erbteilung oder Fortbestand der
Erbengemeinschaftunter den Übernehmern? Anzeichen für die vollständige
Teilung und die Begründung einer einfachen Gesellschaft (Art. 530
OR). Abweisung des nach dem Tod eines der Übernehmer von einem Erben
desselben gestellten Zuweisungsbegehrens wegen vollständiger Teilung der
Erbschaft, zu der das streitige Heimwesen gehört hatte (Erw. 6 b).

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- Der im Jahre 1924 gestorbene Josef Böbner-Koch war Eigentümer
eines landwirtschaftlichen Heimwesens im Ausmass von insgesamt rund 12
ha. Seine gesetzlichen Erben, die überlebende Ehefrau und sieben Kinder,
schlossen am 1. Oktober 1927 vor der Teilungsbehörde Entlebuch eine von
allen unterzeichnete Vereinbarung folgenden Inhalts:

    " 1. Erblasser war Besitzer der Liegenschaft Unter Bühl in Entlebuch.

    2. Über die Liegenschaft wird ein Auskauf getroffen. Die Söhne Josef &
Alfred Böbner übernehmen die Liegenschaft mit allem liegenden & fahrenden
Guthaben & bezahlen dagegen die liegenden & fahrenden Schulden. Die
Mutter Witwe Böbner macht auf 1/4 Eigentum als gesetzliches Erbrecht
geltend. Dieser Anteil wird festgesetzt auf Fr. 5'000.-- zahlbar mit
Errichtung eines Schuldbriefes auf Unter Bühl vom 1. Oktober 1927. Den
ausgekauften Geschwistern wird jedem Fr. 2'000.-- auf 1. Oktober 1927
bezahlt & zwar: den verheirateten 2 Töchtern jeder an bar & den ledigen
Schwestern mit Ausstellung von Schuldtiteln von je Fr. 2'000.-- verzinslich
seit 1. Oktober 1927 & zahlbar nach Übereinkunft.

    3. Auf den rückständigen Zins seit dem Todestage des Vaters bis
1. Oktober 1927 wird verzichtet.

    4. Der Mutter wird das lebenslängliche Wohnungsrecht im Hause auf
Unter Bühl eingeräumt.

    In diesem Sinne wird über die ganze Erbschaft ein Auskauf getroffen,
womit die Erbschaft erledigt ist".

    In der Folge bewirtschafteten die ledigen Brüder Josef und
Alfred Böbner das Heimwesen gemeinsam. Den Haushalt besorgte ihre
Schwester Christina. Am 22. März 1959 verpachteten sie das Heimwesen
an Franz Hofstetter, einen (ledigen) Sohn ihrer Schwester Karolina
Hofstetter-Böbner.

    B.- Am 7. August 1961 starb Alfred Böbner. Einziges Aktivum seines
Nachlasses war sein Anteil am Heimwesen Unter Bühl. Das Besiegelungsverbal
der Teilungsbehörde Entlebuch vom 12. März 1965 bezeichnete diesen
Anteil als "Miteigentumsanteil" und stellte fest, der Verstorbene sei
am Heimwesen als "Miteigentümer zur Hälfte" beteiligt gewesen. In einem
Auszug aus den "Bereinigungsheften" betreffend die vier zum Heimwesen
gehörenden Grundstücke, den das Grundbuch-Bereinigungsamt Entlebuch am
7. Mai 1965 ausstellte, ist angegeben: " Eigentümer sind:

    a) Josef Böbner, 1887, Ldw. Unter Bühl,

    b) Alfred Böbner, 1895, nun dessen Erben.

    Fortgesetzte Erbengemeinschaft.

    Erwerbung: Erbgang und Auskauf It. Zuschrb. v. 16. Nov. 1927 HP. Bd.
26/457 ".

    Eine Bescheinigung des Grundbuchamtes Entlebuch vom 2. Mai 1967 lautet:

    " Eigentümer der obgenannten Grundstücke sind laut Grundbucheintrag:
Die Gebrüder

    1. Josef Böbner, geb. 1887, ...

    2. Alfred Böbner, geb. 1895, ...

    Gesamteigentümer als Erbengemeinschaft (Erben des Vaters Josef Böbner
selig, laut Erbgang & Auskauf vom 16. Nov. 1927).

    (Gerichtl. Hyp.-Prot. Entlebuch, Bd. 26 fol. 457) ".

    Erben des Alfred Böbner waren dessen sechs Geschwister, die alle
den Erbgang erlebten. In der Folge starben die Schwestern Karolina
Hofstetter-Böbner und Marie Lustenberger-Böbner. An deren Stelle traten
deren Nachkommen.

    C.- Als einer der vier Erben der am 31. März 1965 gestorbenen Erbin
Karolina Hofstetter-Böbner verlangte Franz Hofstetter, der Pächter des
Heimwesens Unter Bühl, am 20. Mai 1965 dessen Zuweisung an ihn nach
bäuerlichem Erbrecht. Die Kommission für bäuerliches Erbrecht des Amtes
Entlebuch und die luzernischen Gerichte wiesen dieses - von drei Miterben
bestrittene - Begehren ab.

    Das Bundesgericht bestätigt das Urteil des luzernischen Obergerichts.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägingen:

Erwägung 5

    5.- (Ausführungen darüber, dass Art. 620 ZGB bei der Teilung des
Nachlasses von Alfred Böbner nicht anwendbar ist, weil das streitige
Heimwesen nicht im Alleineigentum Alfred Böbners stand, sondern diesem
und seinem Bruder Josef gemeinsam gehörte: BGE 45 II 632 f. E. 2, 76 II
22 ff. E. 2, 83 II 515 E. 4).

Erwägung 6

    6.- Der Kläger macht geltend, als ein Erbe Alfred Böbners sei er
Erbeserbe seines Grossvaters Josef Böbner-Koch, der Alleineigentümer des
streitigen Heimwesens gewesen war; der Nachlass seines Grossvaters sei mit
Bezug auf dieses Heimwesen zwischen den Brüdern Josef und Alfred Böbner
nicht geteilt worden, sondern diese hätten die Erbengemeinschaft unter sich
fortgesetzt; in diese fortgesetzte Erbengemeinschaft sei der Kläger als
Erbe Alfred Böbners eingetreten; als Mitglied dieser Erbengemeinschaft sei
er berechtigt, die Zuweisung des Heimwesens nach Art. 620 ZGB zu verlangen.

    a) Es ist an sich zulässig, dass einzelne Erben nach Abfindung der
andern die infolge des Erbgangs entstandene Gemeinschaft aller Rechte
und Pflichten der Erbschaft (Art. 602 Abs. 1 ZGB) mit Bezug auf den für
die Abfindung der andern nicht benötigten Teil der Erbschaft unter sich
beibehalten (BGE 60 I 147 f.). Sofern die betreffenden Erben nicht für eine
gewisse Zeit vertraglich auf die Teilung verzichtet haben (vgl. hiezu BGE
61 II 167 ff., wonach eine vertragliche Verpflichtung zur Fortsetzung
der Erbengemeinschaft zulässig ist, und BGE 96 III 17 mit Hinweisen,
wonach umstritten ist, für wie lange die Erben die Teilung vertraglich
ausschliessen können), kann jeder von ihnen grundsätzlich zu beliebiger
Zeit (Art. 604 Abs. 1 ZGB) die Teilung des noch unverteilten Nachlasses
verlangen und beim Zutreffen der Voraussetzungen des Art. 620 ZGB diese
Bestimmung anrufen (BGE 75 II 111 E. 2; TUOR/PICENONI, N. 8 am Ende der
Vorbem. zu Art. 620 ff. ZGB; F. STEIGER, Zur Frage des Anwendungsbereiches
und der Geltungskraft des bäuerlichen Erbrechts..., Berner Diss. 1966,
S. 18 lit. b). Das gleiche Recht hat nach dem Tode eines in der
Erbengemeinschaft verbliebenen Erben auch jeder Erbe desselben (BGE 75
II 201/202; ESCHER, 3. Aufl., N. 6, TUOR/PICENONI, N. 7 zu Art. 542 ZGB;
JOST, ZSR 1950 S. 62 ff. und Der Erbteilungsprozess im schweiz. Recht,
1960, S. 150 f.; STEIGER aaO S. 100 ff.). Hätte die mit dem Tode des
Josef Böbner-Koch unter dessen Erben entstandene Erbengemeinschaft
zwischen den Brüdern Josef und Alfred Böbner nach der Abfindung der
übrigen Erben fortbestanden, so wäre der Kläger als Erbe des Alfred
Böbner beim Fehlen einer ihn bindenden Vereinbarung auf Fortsetzung des
Gemeinschaftsverhältnisses folglich befugt, sich um die Zuweisung des
grossväterlichen Heimwesens nach Art. 620 ZGB zu bewerben.

    b) Nach der Auffassung des Klägers erbringt das Grundbuch, wonach die
Brüder Josef und Alfred Böbner "als Erbengemeinschaft" Gesamteigentümer
des Heimwesens Unter Bühl waren, gemäss Art. 9 Abs. 1 ZGB den vollen Beweis
für das Bestehen der von ihm behaupteten Erbengemeinschaft, solange nicht
die Unrichtigkeit der vorhandenen Grundbucheintragung nachgewiesen ist.

    Die Eintragung des Eigentums im Grundbuch besteht nach Art. 31
Abs. 1 GBV in der Angabe des Eigentümers, des Eintragungsdatums und
des Erwerbsgrundes auf dem Hauptbuchblatt. Bei Miteigentum muss nach
Art. 33 Abs. 1 GBV der Bruchteil durch entsprechenden Zusatz zum Namen
jedes Miteigentümers angegeben werden; bei Gesamteigentum muss nach
Art. 33 Abs. 3 GBV "das die Gemeinschaft begründende Rechtsverhältnis
(Gütergemeinschaft, Miterben, Gemeinderschaft usw.) den nach Art. 31
erforderlichen Angaben beigefügt werden". Die im Grundbuch anzugebenden
Miteigentumsquoten müssen sich aus dem Ausweis über den Erwerbsgrund oder
aus einer schriftlichen Erklärung aller Beteiligten ergeben; ebenso muss im
Falle des Gesamteigentums das die Gemeinschaft begründende Rechtsverhältnis
dem Grundbuchverwalter nachgewiesen werden (MEIER-HAYOZ, 4. Aufl.,
N. 20 zu Art. 646, N. 27 zu Art. 652 ZGB; J.-M. GROSSEN, Propriété
commune et registre foncier, ZBGR 1959 S. 1 ff., S. 7 Mitte; F. JENNY,
Gesamteigentum und Grundbuch, ebenda S. 193 ff., S. 199 Ziff. IV). Bei
Miteigentum gehören also die Bruchteile, bei Gesamteigentum das die
Gemeinschaft begründende Rechtsverhältnis zu den durch das Grundbuch zu
bezeugenden (Rechts-)Tatsachen. Den betreffenden Angaben des Grundbuchs
kommt daher die in Art. 9 Abs. 1 ZGB angeordnete verstärkte Beweiskraft zu,
d.h. diese Angaben haben die Vermutung der Richtigkeit für sich (KUMMER, N.
38 zu Art. 9 ZGB; vgl. auch N. 42, 43, 47 und 48 ebenda). Das gleiche
ergibt sich aus Art. 937 ZGB, wonach hinsichtlich der in das Grundbuch
aufgenommenen Grundstücke für den Eingetragenen eine "Vermutung des
Rechtes", d.h. die Vermutung besteht, dass ihm das eingetragene Recht
mit dem durch den Eintrag bezeichneten Inhalt wirklich zusteht (BGE 42
II 507 E. 2, 58 II 334, 72 III 46 lit. a; OSTERTAG, 2. Aufl., N. 1-8,
und HOMBERGER, N. 4-6 zu Art. 937 ZGB).

    Dem Kläger steht also in der Tat die von ihm angerufene Vermutung
zur Seite, so dass die Beklagten die Unrichtigkeit der erwähnten
Grundbucheintragung zu beweisen haben.

    c) Dieser Nachweis ist nach Art. 9 Abs. 2 ZGB an keine besondere Form
gebunden. Das Bundesrecht lässt ihn vielmehr ohne Beschränkung zu (KUMMER,
N. 67 zu Art. 9; HOMBERGER, N. 4 zu Art. 937 ZGB). Die Unrichtigkeit der
im Grundbuch enthaltenen Angabe über das zwischen den Gesamteigentümern
bestehende Gemeinschaftsverhältnis kann sich daraus ergeben, dass der
Vertrag, auf den diese Angabe sich stützt, einen andern als den ihm vom
Grundbuchverwalter beigelegten Sinn hat oder das die Gesamteigentümer
das zwischen ihnen bestehende Gesamthandverhältnis nachträglich durch
eine anderes Verhältnis dieser Art ersetzt haben. Ein solcher Wechsel
bedeutet keine Eigentumsübertragung, die nach Art. 656 Abs. 1 ZBG nur
durch Eintragung im Grundbuch bewirkt werden könnte, und für den auf
einen solchen Wechsel gerichteten Vertrag gilt das in Art. 657 Abs. 1
ZGB aufgestellte Erfordernis der öffentlichen Beurkundung nicht (BGE 94
II 99 ff. lit. b; GROSSEN aaO S. 11 ff. Ziff. 4; MEIER-HAYOZ, 4. Aufl.,
N. 46/47 zu Art. 652, und 3. Aufl., N. 31 zu Art. 656, N. 67 zu Art. 657
ZGB). Das eingetragene Gesamteigentum kann auf Grund eines andern als
des im Grundbuch angegebenen Gemeinschaftsverhältnisses bestehen. Die
Eintragung des wirklich bestehenden Verhältnisses anstelle des im
Grundbuch angegebenen ist nur der Ordnung halber geboten (vgl. MEIER-HAYOZ,
4. Aufl., N. 47 a.E. zu Art. 652 ZGB); es handelt sich dabei um eine blosse
Berichtigung des Grundbuchs (BGE 94 II 96 ff.; GROSSEN aaO S. 12 oben). In
der Umwandlung von Gesamteigentum in Miteigentum wurde dagegen bisher ein
Eigentumswechsel erblickt, der nur durch Eintragung im Grundbuch bewirkt
und grundsätzlich nur in einem öffentlich beurkundeten Vertrag vereinbart
werden konnte (MEIER-HAYOZ, 3. Aufl., N. 51 zu Art. 652, N. 19 zu Art. 656,
N. 31 zu Art. 657 ZGB, mit Hinweisen). In der 4. Auflage des Berner
Kommentars (N. 51 zu Art. 652 ZGB) vertritt der eben genannte Autor in
Abweichung von der bisher herrschenden Lehre die Auffassung, der Übergang
von Gesamteigentum zu Miteigentum in dem Sinne, dass sämtliche Gesamthänder
als Miteigentümer an der bisherigen Gesamtsache berechtigt bleiben,
stelle keinen Eigentumswechsel dar. Aus Gründen der Rechtssicherheit
hält er aber an der Notwendigkeit der öffentlichen Beurkundung und der
Eintragung im Grundbuch fest. Entbehrlich ist die öffentliche Beurkundung
(nicht aber die Eintragung im Grundbuch) im Falle, dass auf dem Wege der
Erbteilung Gesamteigentum in Miteigentum umgewandelt wird (MEIER-HAYOZ
an der eben angeführten Stelle; ESCHER, N. 23 zu Art. 602 ZGB).

    Von der Frage, ob ein Vertrag auf die Übertragung von Grundeigentum
gerichtet sei und daher nach Art. 657 Abs. 1 ZGB der öffentlichen
Beurkundung bedürfe, ist die Frage zu unterscheiden, ob ein Vertrag
auf Begründung eines bestimmten Gemeinschaftsverhältnisses als solcher
dieser Form bedürfe. Der Vertrag auf Begründung einer Gemeinderschaft
unterliegt nach Art. 337 ZGB dieser Form. Eine einfache Gesellschaft,
wie sie ebenfalls eine Gemeinschaft im Sinne von Art. 652 ZGB darstellen
kann (Art. 544 Abs. 1 OR; MEIER-HAYOZ, 4. Aufl., N. 16 zu Art. 652 ZGB,
mit Hinweisen), kann dagegen formlos begründet werden (Art. 11 Abs. 1 OR;
SIEGWART, N. 61 zu Art. 530 OR).

    Dass zwischen den Brüdern Josef und Alfred Böbner bei der Übernahme
des Heimwesens durch sie oder später hälftiges Miteigentum begründet
worden sei, wie es im Besiegelungsverbal vom 12. März 1965 (oben B)
erwähnt wird, kann nach den dargelegten Grundsätzen schon mangels
eines entsprechenden Grundbucheintrags nicht angenommen werden. Eine
Gemeinderschaft ist zwischen ihnen nicht entstanden, weil es an einem
öffentlich beurkundeten Vertrag dieses Inhalts fehlt. Das Bestehen einer
Erbengemeinschaft zwischen Josef und Alfred Böbner lässt sich unter diesen
Umständen nur dann verneinen, wenn sich ergibt, dass zwischen ihnen eine
einfache Gesellschaft bestand. Ein anderes Gesamthandverhältnis als die
Erbengemeinschaft oder die einfache Gesellschaft fällt im vorliegenden
Falle, da die Gemeinderschaft aus dem eben genannten Grunde ausscheidet,
von vornherein nicht in Betracht.

    d) Die Vorinstanz hat nicht auf Grund von Partei- oder Zeugenaussagen
oder von Indizien für den wirklichen Willen der Beteiligten in für das
Bundesgericht verbindlicher Weise festgestellt, dass die Vereinbarung
vom 1. Oktober 1927 von den Beteiligten zur Zeit ihres Abschlusses
übereinstimmend in einem bestimmten Sinne aufgefasst worden sei oder
dass Josef und Alfred Böbner, die in der Folge den Hof gemeinsam
bewirtschafteten, ohne darüber.ausdrücklich einen weitern Vertrag zu
schliessen, ihr späteres Verhalten übereinstimmend als Kundgabe eines
bestimmten Vertragswillens verstanden hätten, und die Parteien haben auch
keine bezüglichen Behauptungen aufgestellt. Ist ein übereinstimmender
wirklicher Wille nicht feststellbar, so ist massgebend, wie die Beteiligten
die Vereinbarung im erwähnten Zeitpunkt angesichts der ihnen bekannten
oder für sie erkennbaren Umstände im Lichte der Lebenserfahrung nach
Treu und Glauben verstehen durften und mussten und wie gegebenenfalls ihr
späteres Verhalten nach Treu und Glauben aufzufassen war. Die Ermittlung
der Bedeutung, die den Willensäusserungen der Beteiligten beim Abschluss
eines Vertrags nach Treu und Glauben zukommt, ist eine Rechtsfrage, die im
Berufungsverfahren der freien Prüfung durch das Bundes.. gericht unterliegt
(vgl. zu alledem BGE 87 II 237 mit Hinweisen, 88 II 34 E. 4, 78/79 und
336, 89 II 130, 90 II 454 E. 3, 92 II 347 f. lit. c, 93 II 482 lit. a,
94 II 104, 95 II 328 E. 3, 436 E. 2; MERZ, N. 121 ff. zu Art. 2 ZGB).

    Wenn zwei Kinder unter Auskauf ihrer Geschwister die als Hauptaktivum
ein landwirtschaftliches Gewerbe in sich schliessende Erbschaft des Vaters
übernehmen, so geschieht das in der Regel nicht, um die Erbschaft bis
auf weiteres konservierend zu verwalten und früher oder später (sobald
einer der Übernehmer es wünscht) zu deren Teilung unter den Übernehmern
zu schreiten, sondern eine solche Übernahme erfolgt normalerweise zum
Zwecke des gemeinsamen Betriebs des landwirtschaftlichen Gewerbes während
längerer Zeit. Nach dem Tode des Josef Böbner-Koch lag es nahe, dass
die beiden ledigen Söhne Josef und Alfred, die einzigen männlichen Erben,
den väterlichen Hof übernahmen, um ihn künftig gemeinsam zu bewirtschaften
und sich damit eine bleibende Existenz zu sichern. Sie hätten, wenn ihre
Geschwister ihnen den Hof nicht aus freien Stücken überlassen hätten, wohl
sogar nach Art. 620 ZGB die behördliche Zuweisung an sie beide verlangen
können (vgl. BGE 43 II 578; BOREL/NEUKOMM, Das bäuerliche Erbrecht des
schweiz. ZGB, 4. Aufl. 1954, S. 48; TUOR/PICENONI, N. 15 zu Art. 620
ZGB; ablehnend ESCHER, N. 33 zu Art. 620 ZGB; unentschieden STEIGER,
S. 110 oben). Unter diesen Umständen durften und mussten die Beteiligten
der in der Vereinbarung vom 1. Oktober 1927 enthaltenen Bestimmung,
dass Josef und Alfred Böbner "die Liegenschaft mit allem liegenden und
fahrenden Guthaben" (d.h. die gesamten Aktiven der Erbschaft) übernehmen
und "die liegenden und fahrenden Schulden" (d.h. alle Erbschaftsschulden)
bezahlen, nach Treu und Glauben entnehmen, dass Josef und Alfred Böbner
zum dauernden gemeinsamen Betrieb des väterlichen Hofs entschlossen waren.

    Finden zwei von mehrern Erben die andern für ihre Erbansprüche ab,
um das vom Erblasser hinterlassene landwirtschaftliche oder sonstige
Gewerbe zu übernehmen und auf die Dauer gemeinsam zu betreiben, so ist
das ein starker Grund zur Annahme, die Erbteilung sei damit vollständig
durchgeführt und die Erbengemeinschaft unter allen Beteiligten aufgehoben;
zwischen den Übernehmern bestehe (wenn nicht blosses Miteigentum
vereinbart oder eine Gemeinderschaft eingegangen wurde) fortan ein
Gesellschaftsverhältnis (vgl. BOREL/NEUKOMM, S. 49 f., wo ausgeführt
wird, es komme häufig vor, dass bei der Erbteilung zwei oder mehrere
Geschwister den elterlichen Hof gemeinsam übernehmen; "sie werden in
diesem Falle Miteigentümer... oder stehen gelegentlich, wenn sie im Sinne
des OR eine'einfache Gesellschaft'bilden, in dem etwas engern Verhältnis
von Gesamteigentümern"; bei Lösung des so entstandenen Verhältnisses könne
sich keiner der Übernehmer auf das bäuerliche Erbrecht berufen; SIEGWART,
N. 48 der Vorbem. zu Art. 530-551 OR, wonach für die Beurteilung der Frage,
ob eine Erbengemeinschaft in eine Gesellschaft umgewandelt worden sei,
entscheidend ist, "ob die Erben die Absicht hatten, aus dem Provisorium
und der Passivität der Erbengemeinschaft in eine dauerndere und aktivere
Zweckverfolgung hinüberzutreten", ohne dass dabei die - nach N. 42 ebenda
für die Gemeinderschaft charakteristische - Pflege des Familiensinns
das letzte und ausschlaggebende Ziel war; ESCHER, N. 7 zu Art. 604 ZGB,
wonach eine Vereinbarung über das Verbleiben in Gemeinschaft nicht dahin
auszulegen ist, dass die Parteien "sich durch Erbengemeinschaft binden
wollen zu einem Zweck, der ebensogut oder besser auf dem Wege einer andern
Gemeinschaft (Gesellschaft oder Gemeinderschaft...) verwirklicht werden
kann"; TUOR/PICENONI, N. 8 der Vorbem. zu Art. 620 ff. und N. 15 zu
Art. 620 ZGB, wo für den Fall der gemeinsamen Übernahme eines Gewerbes nach
Art. 620 ZGB festgestellt wird, bei der Teilung unter den Übernehmern seien
die Art. 620 ff. ZGB nicht anwendbar). Schon der mit der Übernahme des
väterlichen Gewerbes unzweifelhaft verfolgte Zweck des Zusammenschlusses
zu dauernder gemeinsamer Bewirtschaftung dieses Bauernhofes spricht also
dafür, dass durch die Vereinbarung vom 1. Oktober 1927 die Erbschaft
auch im Verhältnis unter Josef und Alfred Böbner vollständig geteilt und
zwischen ihnen anstelle der Erbengemeinschaft ein Gesellschaftsverhältnis
begründet werden sollte. Dazu kommt, dass der letzte Satz der Verembarung
vom 1. Oktober 1927 ausdrücklich sagt: "In diesem Sinne wird über die ganze
Erbschaft ein Auskauf getroffen, womit die Erbschaft erledigt ist". Diese
Bestimmung konnte angesichts ihres Wortlauts und des Zusammenhangs, in
dem sie steht, nach Treu und Glauben nur in dem Sinne verstanden werden,
dass mit der Abfindung der Miterben von Josef und Alfred Böbner und der
damit verbundenen Übernahme der Erbschaftsaktiven und -passiven durch diese
beiden Brüder die Erbschaft unter allen Erben vollständig geteilt sei.

    Ergäben sich die Beendigung der Erbengemeinschaft und die Begründung
eines Gesellschaftsverhältnisses zwischen Josef und Alfred Böbner nicht
schon aus der Vereinbarung von 1927 und den damaligen Umständen, so
wären sie nach Treu und Glauben daraus zu erschliessen, dass die beiden
Brüder den Hof von 1927 an jahrzehntelang gemeinsam bewirtschafteten
(vgl. SIEGWART, N. 48 der Vorbem. zu Art. 530-551). Mit diesem Verhalten
gaben sie einander den Willen kund, sich im Sinne von Art. 530 OR zur
Erreichung eines gemeinsamen Zwecks (d.h. zum Betrieb des ihnen gemeinsam
gehörenden Hofes) mit gemeinsamen Kräften und Mitteln (insbesondere
mit ihrer vereinten Arbeitskraft) zu verbinden. Die Regeln über die
Erbengemeinschaft, die ihrem Wesen nach ein auf die Liquidation angelegtes
Übergangsgebilde ist (vgl. TUOR/PICENONI, N. 14 vor Art. 602 ZGB; MERZ,
Zur Auslegung einiger erbrechtlicher Teilungsregeln, in Festschrift
zum 70. Geburtstag von Prof. P. Tuor, S. 85), und über die Auflösung
dieser Gemeinschaft werden den Beziehungen unter zwei Erben, die während
Jahrzehnten miteinander ein landwirtschaftliches oder ein sonstiges Gewerbe
betreiben, nicht gerecht. Zwischen Josef und Alfred Böbner bestand also auf
jeden Fall zur Zeit des Todes von Alfred nicht mehr eine Erbengemeinschaft
(auch nicht eine sog. fortgesetzte Erbengemeinschaft, für welche übrigens
die Vorschriften über die gesetzliche Erbengemeinschaft nicht ohne
weiteres gelten; vgl. MEIER-HAYOZ, 4. Aufl., N. 21 zu Art. 652 ZGB),
sondern das im Grundbuch eingetragene Gesamteigentum der Brüder Böbner
beruhte auf einer einfachen Gesellschaft.

    Hiebei bliebe es selbst dann, wenn das Verhältnis zwischen Josef und
Alfred Böbner schon im Hypothekarprotokoll, das offenbar erst nach dem Tode
Alfred Böbners durch das Grundbuch ersetzt wurde, als Erbengemeinschaft
oder fortgesetzte Erbengemeinschaft bezeichnet worden wäre und die
beiden Brüder das gewusst hätten, was nicht festgestellt ist. Für die
rechtliche Einordnung des zwischen ihnen bestehenden Verhältnisses ist
nicht massgebend, wie ein Registerführer es mit ihrem Wissen bezeichnete;
dies umsoweniger, als den Brüdern Böbner die genaue juristische Bedeutung
der in Frage stehenden Bezeichnung zweifellos nicht bekannt war. Es kommt
vielmehr einzig darauf an, welche rechtliche Bedeutung den Abmachungen
über die gemeinsame Bewirtschaftung des von ihnen übernommenen Hofes,
die sie ausdrücklich oder stillschweigend (durch schlüssiges Verhalten)
trafen, der Sache nach zukommt.

    War der Nachlass von Josef Böbner-Koch beim Tode Alfred Böbners
bereits vollständig geteilt, so kann der Kläger sein Zuweisungsbegehren
nicht darauf stützen, er sei als Erbe Alfred Böbners Mitglied einer noch
bestehenden Gemeinschaft zwischen Erben seines Grossvaters geworden; in
dieser Eigenschaft könne er Art. 620 ZGB anrufen. Dass diese Bestimmung
bei der Teilung des Nachlasses von Alfred Böbner nicht anwendbar ist,
wurde bereits dargetan (Erw. 5 hievor). Daher ist das Zuweisungsbegehren
abzuweisen.