Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 II 257



96 II 257

37. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Juli 1970 i.S. Cataphote
Corporation gegen Jenaer Glaswerk Schott & Gen. Regeste

    Markenrecht.

    Art. 9 Abs. 1 MSchG. Die Frage der Beweislast über den Gebrauch einer
angefochtenen Marke ist gegenstandslos, wenn der Richter den Sachverhalt
ermittelt hat (Erw. 1).

    Art. 6 Abs. 3 MSchG. Wann liegt gänzliche Verschiedenheit der mit
ähnlichen Marken gekennzeichneten Erzeugnisse vor? (Erw. 2).

    Unterlassungsgebot in Verbindung mit einer Ungehorsamsstrafe nach
kantonalem Prozessrecht und nach Art. 292 StGB (Erw. 3b).

Sachverhalt

    A.- Das Jenaer Glaswerk Schott & Gen., Mainz (DBR) ist eine
altbekannte, seit der letzten Jahrhundertwende bestehende Glasfabrik.
Sie führte in ihrer Firma stets den Familiennamen ihres Gründers
Schott. Sie ist Inhaberin verschiedener Marken, die den Namen Schott
enthalten, u.a. der internationalen Marke Nr. 168 943 Schottglas,
welche seit dem 4. April 1927 mit Wirkung für die Schweiz eingetragen
ist für "verre optique, outils de verre, instruments de verre, tubes,
tiges, plaques et vases, lampes en verre, verres de lampes, lampes
électriques, appareils, instruments et outils électro-techniques", sowie
der internationalen Marke Nr. 168 952 Schott, welche seit dem 30. April
1953 mit Wirkung für die Schweiz eingetragen ist für "verre, tubes,
tiges et plaques en verre ou quartz, articles en verre ou en quartz,
appareils, instruments et ustensiles de chimie, de physique, optique,
pharmaceutiques et électrotechniques, appareils et ustensiles d'éclairage
et outils pour chirurgiens, médecins et dentistes".

    Die Firma Micro Beads Inc. Toledo (USA) hat am 13. November 1962 im
schweizerischen Markenregister unter Nr. 197 576 die Wortmarke GLAS-SHOT
mit dem Warenverzeichnis "Glaskugeln für abrasive Zwecke" eintragen lassen.

    Am 25. September 1963 hat sie die Marke auf die Firma Cataphote
Corporation, Toledo (Ohio/USA) übertragen.

    B.- Am 3. September 1968 reichte das Jenaer Glaswerk Schott & Gen. beim
Handelsgericht des Kantons Bern gegen die Cataphote Corporation Klage
ein. Sie beantragte, die Nichtigkeit der schweizerischen Marke Nr. 197
576 GLAS-SHOT festzustellen (Rechtsbegehren 1) und der Beklagten - unter
Androhung der gerichtlichen Bestrafung ihrer Organe im Widerhandlungsfalle
gemäss Art. 292 StGB - zu verbieten, die Bezeichnung GLAS-SHOT in ihrem
geschäftlichen Verkehr in der Schweiz in irgendwelchem Zusammenhang zu
verwenden (Rechtsbegehren 2).

    Das Handelsgericht hiess am 8. Oktober 1969 die Klage gut, indem es
die Marke der Beklagten als nichtig erklärte (Urteilsspruch 1) und der
Beklagten unter Androhung der Straffolgen des Art. 403 ZPO (Busse bis
zu Fr. 5000.--, womit Haft oder in schweren Fällen Gefängnis bis zu 1
Jahr verbunden werden kann) und des Art. 292 StGB im Widerhandlungsfall
untersagte, die Bezeichnung GLAS-SHOT in ihrem geschäftlichen Verkehr in
der Schweiz zu verwenden (Urteilsspruch 2).

    C.- Die Beklagte beantragt mit der Berufung, die Klage ganz, eventuell
Urteilsspruch 2 abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene
Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beklagte ist mit dem Handelsgericht der Auffassung, sie habe
nach Art. 9 Abs. 1 MSchG grundsätzlich den Nichtgebrauch der Marken der
Klägerin nachzuweisen. Da aber eine negative Tatsache in Frage stehe, die
der Natur der Sache nach nicht schlüssig bewiesen werden könne, habe auch
die Klägerin den behaupteten Gebrauch ihrer Marke darzutun. Die Klägerin
habe aber diesen Beweis nicht erbracht, weshalb die Klage ohne weiteres
abzuweisen sei.

    Die Vorinstanz stellt fest, dass die Beklagte nach ihrer eigenen
Darstellung in drei verschiedenen Geschäften für Haushaltungsartikel
Erzeugnisse mit der Bezeichnung "Schott" in Verbindung mit "JENAer GLAS"
festgestellt habe und dass aus den von der Klägerin vorgelegten Prospekten
der Gebrauch der Marke "Schott" mit den Bezeichnungen Mainz und "JENAer
GLAS" eindeutig hervorgehe. Sie zieht daraus den Schluss, dass die Marken
"Schott" und "Schottglas" in der Schweiz gebraucht werden. Diese auf Grund
der Akten getroffene Feststellung wird durch Beilage 10 der Klagebegründung
erhärtet, woraus sich ergibt, dass die Klägerin ihre Erzeugnisse auf dem
schweizerischen Markt durch einen Generalvertreter absetzt. Steht somit
positiv fest, dass die Klägerin ihre Marken in der Schweiz gebraucht, so
ist die Frage der Beweislast gegenstandslos (vgl. BGE 95 II 342 und die
dort erwähnte Rechtsprechung und Lehre). Unter diesen Umständen kann offen
bleiben, ob die Klägerin ihre Marken in Deutschland gebraucht, was ihr
gegebenenfalls nach Art. 5 des Übereinkommens betreffend den gegenseitigen
Patent-Muster- und Markenschutz vom 13. April 1892/26. Mai 1902 zwischen
der Schweiz und Deutschland anzurechnen wäre und daher auch gestattete,
den Untergang ihres Markenrechts für das Gebiet der Schweiz zu verhindern.

Erwägung 2

    2.- Die Beklagte ficht im Berufungsverfahren die Auffassung des
Handelsgerichts über die Verwechselbarkeit der zu vergleichenden Zeichen
nicht an. Sie macht aber unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 und 3 MSchG
geltend, ihre Marke müsse sich nicht durch wesentliche Merkmale von
den früher hinterlegten Marken der Klägerin unterscheiden, weil sie für
Erzeugnisse und Waren bestimmt sei, die ihrer Natur nach von den mit den
Marken der Klägerin versehenen gänzlich abweichen.

    Nach der Rechtsprechung weichen Erzeugnisse im Sinne von Art. 6
Abs. 3 MSchG nicht schon dann gänzlich voneinander ab, wenn sie auf
Grund ihrer Beschaffenheit nicht miteinander verwechselt werden können,
sondern nur dann, wenn die letzten Abnehmer nicht auf den Gedanken kommen
können, der Inhaber der früher hinterlegten Marke habe auch die mit der
übereinstimmenden oder ähnlichen Marke versehenen Erzeugnisse des andern
hergestellt oder auf den Markt gebracht (vgl. BGE 87 II 109 Erw. 1 und
dort erwähnte Entscheide).

    Die Vorinstanz stellt fest, dass die Klägerin Glaswaren aller Art
herstellt, insbesondere solche für den gesamten technischen Bedarf der
modernen Industrie, sowie Glasperlen. Die Beklagte fabriziert Glasperlen,
die als Schleifmittel verwendet werden.

    Gänzliche Warenverschiedenheit liegt entgegen der Auffassung der
Beklagten nicht schon dann vor, wenn die Glasperlen der Beklagten
für andere Bedürfnisse alsjene der Klägerin bestimmt sind (BGE 47 II
237). Auch ist unwesentlich, dass die in Frage stehenden Erzeugnisse der
Parteien nicht in den gleichen Warenklassen aufgeführt sind (vgl. MATTER,
Kommentar zum Markenschutzgesetz S. 119). Vielmehr ist nach der angeführten
Rechtsprechung für die Anwendung der Ausnahmebestimmung des Art. 6 Abs. 3
MSchG entscheidend, dass die Klägerin ein umfassendes Angebot an Glaswaren
auf den Markt bringt und sich damit gleich wie die Beklagte auch an
Fachkreise wendet. Auch wenn Fachleute in der Regel um die Herkunft einer
Ware wissen (vgl. BGE 92 II 276 Erw. 3), kann im vorliegenden Fall nicht
mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden, dass sie zur Annahme verleitet
werden könnten, die fraglichen Erzeugnisse stammten aus dem gleichen
Geschäftsbetrieb. Die Klägerin hat aber ein schützenswertes Interesse
daran, dass der Käufer die Erzeugnisse der Beklagten nicht mit den ihren
verwechsle und dass sie nicht als Herstellerin von Waren angesehen werde,
die sie selber nicht anbietet; denn sonst könnte ihr Ruf durch den Ruf
der Erzeugnisse der Beklagten beeinträchtigt werden (BGE 87 II 109 Erw. 1).

Erwägung 3

    3.- Die Beklagte macht für den Fall, dass das Bundesgericht
ihren grundsätzlichen Standpunkt nicht teilt, geltend, Glas-Shot sei
eine gemeinfreie Sachbezeichnung, die sie ohne jede Beschränkung
im Geschäftsverkehr verwenden dürfe. Sie beantragt daher, das
Unterlassungsbegehren der Klägerin abzuweisen.

    a) Bei dieser erstmals im Berufungsverfahren vorgebrachten Auffassung
handelt es sich nicht um unzulässige neue Vorbringen oder Einreden im
Sinne des Art. 55 Abs. 1 lit. c OG, sondern um einen neuen rechtlichen
Gesichtspunkt, dessen Begründetheit im Rahmen des durch die Vorinstanz
verbindlich festgestellten Sachverhaltes frei zu würdigen ist (Art. 43
Abs. 3 und 63 Abs. 3 OG; BGE 90 II 40 Erw. 6 b und dort erwähnte
Entscheide).

    Nach der Rechtsprechung (BGE 94 II 46) wird ein Zeichen dann als
Gemeingut angesehen, wenn es alle an der Herstellung, dem Vertrieb und
dem Kauf der Ware beteiligten Kreise nicht mehr als Hinweis auf einen
bestimmten Geschäftsbetrieb, sondern als Warenname betrachten. Sodann ist
ein nicht mehr als Marke geschütztes Zeichen schon dann ein Warenname,
wenn nur ein bestimmter Kreis, z.B. nur die Fachleute, es allgemein
zur Bezeichnung einer bestimmten Warennart verwenden. Ob die Bezeichnung
"Glas-Shot" in den einschlägigen Handels- und Industriekreisen als Hinweis
auf ein ganz bestimmtes Verfahren, d.h. auf die Oberflächenbehandlung
mit Glasperlen als Strahlgut verstanden wird, wie die Beklagte behauptet,
ist eine Tatfrage (vgl. BGE 94 II 47 Erw. 6 a.E.). Die Beklagte hat diese
Behauptung erstmals im Berufungsverfahren vorgebracht und ist damit nach
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG nicht zu hören. Das angefochtene Urteil enthält
denn auch keine dahingehende Feststellung, die den neuen Rechtsstandpunk
der Beklagten zu überprüfen ermöglichte. Unter diesen Umständen braucht
zum Einwand der Klägerin nicht Stellung genommen zu werden, die Beklagte
nehme gleichzeitig zwei unvereinbare Standpunkte ein, indem sie das
Zeichen "GLAS-SHOT" grundsätzlich als Marke und subsidiär als gemeinfreie
Sachbezeichnung betrachte.

    b) Da das Eventualbegehren der Beklagten abzuweisen ist, das Wort
"GLAS-SHOT" somit nicht als gemeinfreie Sachbezeichnung zu gelten hat,
besteht der Unterlassungsanspruch der Klägerin zu Recht. Das anerkennt
denn auch die Beklagte, nimmt sie doch mit der Rechtsprechung (BGE 94
II 48 Erw. 8) an, dass sie durch die weitere Verwendung des Zeichens
"GLAS-SHOT" im Geschäftsverkehr nur dann keine Markenrechtsverletzung
und grundsätzlich keinen unlauteren Wettbewerb begehen würde, wenn es
eine gemeinfreie Sachbezeichnung wäre.

    Die Vorinstanz hat durch die Verbindung einer Ungehorsamsstrafe
nach Art. 403 der bernischen ZPO und Art. 292 StGB Bundesrecht nicht
verletzt. Die zivilprozessuale Androhung wird durch die in Art. 335
Ziff. 1 Abs. 2 StGB den Kantonen vorbehaltene Gesetzgebungshoheit auf dem
Gebiete des Verwaltungs- und Prozessrechts gedeckt, steht folglich mit
der bundesrechtlichen Strafbestimmung in Idealkonkurrenz (vgl. BGE 79 II
420 Erw. 4; LEUCH, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 3. Aufl.,
N. 2 zu Art. 403). Immerhin ist Urteilsspruch 2 dahin zu berichtigen,
dass die Strafandrohung nicht die Beklagte als juristische Person, sondern
ihre Organe betrifft. Diese Änderung ist, obwohl ein entsprechender Antrag
der Klägerin nicht vorliegt, von Amtes wegen anzuordnen (vgl. BGE 87 II
112 Erw. 5).

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichtes des
Kantons Bern vom 8. Oktober 1969 bestätigt, mit folgender Verdeutlichung
von Ziffer 2 des Dispositivs:

    "Der Beklagten wird unter Androhung der Bestrafung ihrer Organe gemäss
Art. 403 der bernischen ZPO (Busse bis zu Fr. 5'000.-- womit Haft oder
in schweren Fällen Gefängnis bis zu 1 Jahr verbunden werden kann) und
Art. 292 StGB im Widerhandlungsfall untersagt, die Bezeichnung GLAS-SHOT
in ihrem geschäftlichen Verkehr in der Schweiz zu verwenden".