Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 II 115



96 II 115

20. Urteil der I. Zivilabteilung vom 7. Juli 1970 i.S. Müller gegen
Transamet SA Regeste

    Kauf, Verjährung.

    Art. 97, 127 und 197 OR. Die Vereinbarung über eine "komplett
neutrale Verpackung" ist grundsätzlich keine Zusicherung nach Art. 197
OR, sondern eine den Vertrag ergänzende selbständige Nebenabrede über
die Geheimhaltungspflicht des Verkäufers. Ihre Verletzung führt zu einem
Schadenersatzanspruch (Art. 97 OR), der nach Art. 127 OR in 10 Jahren
verjährt (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- J. Müller ist Inhaber einer im Handelsregister eingetragenen
Einzelfirma mit Sitz in Zürich, die sich mit dem Handel von Eisen und
Stahl befasst. Die Transamet SA, ein in Paris niedergelassenes Unternehmen,
betreibt gleichartige Geschäfte. Nach längern Verhandlungen kaufte Müller
im Sommer 1964 von der Transamet SA 3700 Tonnen kaltgewalztes Blech aus
Japan. Mit Schreiben vom 22. Juni 1964 an die Transamet SA nahm Müller
auf seine ursprünglich auf 5000 Tonnen Stahlblech lautende Bestellung
Bezug und bekräftigte eine dort enthaltene Lieferbedingung wie folgt:

    "Wir möchten ausdrücklich betonen, dass die Bleche und die
gesamte Verpackung komplett neutral sein müssen. Dies beinhaltet die
Metallcontainer, Holzkufen, Signode-Bänder oder irgendwelches Material,
das zur Verpackung der Ware dienen könnte."

    Mitte Dezember 1964 traf die Ware auf dem Schiffsweg in Antwerpen
ein. Ein Teil des Blechs musste, weil es auf dem Transport beschädigt
worden war, im Notverkauf abgesetzt werden. Das zur Verpackung verwendete
Papier trug lateinische und japanische Schriftzeichen sowie den Namen
des Papierherstellers. Mit Schreiben vom 21. Dezember 1964 beanstandete
Müller gegenüber der Transamet SA, dass das Stahlblech nicht wie bestellt
und bestätigt "komplett neutral" verpackt und versandt worden sei, und
wies darauf hin, dass die Beschriftung des Papiers die Herkunft der Ware
offensichtlich mache; ferner forderte er die Lieferantin auf, die Ware
bis spätestens 15. Januar 1965 in Antwerpen zu besichtigen, und machte
sie darauf aufmerksam, dass er nach Ablauf dieser Frist die Blechtafeln
in neues wasserdichtes Papier umpacken lassen und ihr dafür Rechnung
stellen werde. Die Transamet SA lehnte es am 29. Dezember 1965 ab,
auf das erwähnte Schreiben einzugehen, weil Müller die von ihm selber
vorgeschlagenen Bedingungen nicht eingehalten habe. Eine von Müller
vorsorglich veranlasste Beweisaufnahme bestätigte die gerügten Mängel.

    B.- Müller belangte am 21. April 1966 die Transamet SA beim
Bezirksgericht Zürich auf Zahlung von belgischen Fr. 483'888.55
nebst 5% Zins seit 18. Januar 1966, eventuell des Gegenwertes in
Schweizerfranken. Der eingeklagte Betrag betrifft die Kosten für die
Umpackung des Stahlblechs von belgischen Fr. 470'878.55 sowie die Gerichts-
und Anwaltskosten für das vorsorgliche Beweisverfahren von belgischen
Fr. 13 010.--.

    Die Beklagte erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit, die
am 27. Februar 1968 vom Bundesgericht in letzter Instanz verworfen wurde.

    Nach Rückweisung und Ergänzung der Akten verwarf das Bezirksgericht
Zürich die Verjährungseinrede der Beklagten und hiess am 20. Juni 1969
die Klage gut.

    Das Obergericht des Kantons Zürich schützte dagegen die
Verjährungseinrede der Beklagten und wies am 23. Januar 1970 die Klage ab.

    C.- Der Kläger beantragt mit der Berufung, das vorinstanzliche
Urteil aufzuheben und die Klage gutzuheissen, eventuell die Sache zu
neuem Entscheid an das Obergericht zurückzuweisen.

    Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene
Urteil zu bestätigen, eventuell die Sache zur materiellen Entscheidung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Prozessuales).

Erwägung 2

    2.- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts unterliegen die aus
Mängeln der Kaufsache abgeleiteten Schadenersatzansprüche den kürzern
Verjährungsfristen des Gewährleistungsrechts, und ist daher auch die
Prüfung und Mängelrüge nach Art. 201 OR erforderlich (vgl. BGE 58 II
212/13, 63 II 405 Erw. 3 a, 77 II 249). Die Vorinstanz betrachtet die
Verpackung als Mangel der Kaufsache selbst, weil sie die japanische
Herkunft des Blechs verrate und für beide Parteien erkennbar dessen
Verkäuflichkeit beeinträchtige. Sie hat daher den streitigen Anspruch nach
den Vorschriften über die Sachmängelgewähr beurteilt und die Klage mit
Rücksicht darauf abgewiesen, dass der Kläger die Lieferung im Dezember
1964 in Empfang genommen habe und erst nach Ablauf der einjährigen
Verjährungsfrist des Art. 210 OR an den Friedensrichter gelangt sei.

    a) Der Kläger macht geltend, diese Auslegung verstosse gegen
Bundesrecht, da Art. 197 OR sich nur auf die Mängel der Kaufsache (vgl.
Randtitel) beziehe, somit die unrichtige Nebenleistung der mangelhaften
Hauptleistung gleichzusetzen verbiete. Selbst wenn man Art. 197 OR den
vom Obergericht befürworteten Geltungsbereich einräumen wollte, ist nach
Ansicht des Klägers die Verwendung von gezeichnetem Packpapier nicht als
Mangel im Sinne des Gewährleistungsrechts, sondern als Lieferung einer
andern Sache zu verstehen. Damit vertritt er sinngemäss die Auffassung,
die Beklagte habe den Vertrag nicht richtig erfüllt (Art. 97 ff. OR) und
der streitige Ersatzanspruch unterliege der zehnjährigen Verjährungsfrist
des Art. 127 OR.

    b) Ob der Kläger Schadenersatz nach den Vorschriften über die
Gewährleistung beim Kauf (Art. 197 ff. OR) oder der unrichtigen Erfüllung
des Vertrages (Art. 97 ff. OR) beanspruchen kann, hängt davon ab, ob die
Verpackung zur Ware selbst zu rechnen ist (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 12
zu Art. 197 OR). Das ist nach der deutschen Lehre und Rechtsprechung
(vgl. RGZ 59 Nr. 36 S. 123 ff.; STAUDINGER, 11. Aufl. 1955 N. 40 zu §
459 BGB; SOERGEL/SIEBERT, Schuldrecht I 10. Aufl. 1967 N. 21 zu § 459 BGB)
dann der Fall, wenn die Verpackung mitverkauft ist oder wenn sie nicht
bloss der Versendung der Ware dient, sondern ein Mittel zu ihrer Erhaltung,
Brauchbarkeit oder Verkäuflichkeit ist. Die Regeln über die Gewährleistung
greifen somit Platz, wenn sich eine körperlich mangelhafte Verpackung auf
den Zustand des Kaufgegenstandes auswirkt. Im vorliegenden Fall führt
indessen der Kläger die mit der Umpackung der Blechtafeln entstandene
Kosten nicht auf eine schadhafte Verpackung, sondern auf die angeblich
abredewidrige Ausstattung des Packpapiers zurück.

    Nach einem Entscheid des Reichsgerichts (RGZ 130 Nr. 79 S. 379
ff.) kann die Vereinbarung über eine neutrale Ausstattung der Verpackung
den Regeln über die Zusicherung einer Eigenschaft unterstellt werden. Das
treffe etwa dann zu, wenn die verkaufte Sache nicht zur Weiterveräusserung
bestimmt sei und der Käufer aus ästhetischen Gründen die Bezeichnung des
Herstellers auf der Ware vertraglich ausgeschlossen habe. Dasselbe gelte,
wenn die verkaufende und die kaufende Gesellschaft unmittelbar vor der
Verschmelzung stünden und die neutrale Ausstattung im Hinblick auf die
neue Firma, deren Wahlnoch Schwierigkeiten bereite, vereinbart worden
sei. Das seien allerdings seltene Ausnahmen. In der Regel verfolge die
Abrede den Zweck, die Herkunft der Ware zu verschleiern (aaO S. 381).

    Die Beklagte hält im Berufungsverfahren daran fest, die Abrede
"komplett neutrale Verpackung" bezwecke nur, den Namen des Herstellers
der Ware geheim zu halten. Das trifft hier nicht zu. Aus dem erwähnten
Schreiben vom 22. Juni 1964 geht unmissverständlich hervor, dass der
Kläger besondern Wert darauf legte, die Herkunft des für den Wiederverkauf
bestimmten Stahlblechs schlechthin geheimzuhalten. Die neutrale Ausstattung
des Verpackungspapiers war somit nicht eine zugesicherte Eigenschaft im
Sinne des Art. 197 OR, sondern eine den Kaufvertrag ergänzende selbständige
Nebenabrede über die Geheimhaltungspflicht der Beklagten. Das ergibt sich
denn auch daraus, dass die dem Gewährleistungsrecht eigenen Rechtsbehelfe
wie Wandelung, Minderung oder Ersatzlieferung ohne weiteres ausscheiden
und nur ein Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung im Sinne der Art. 97
ff. OR in Betracht fällt. Damit stellt sich die Frage nicht, ob der Kläger
die Verletzung der mitvereinbarten Geheimhaltungspflicht nach Art. 201
OR gerügt, sondern ob er den Schadenersatzanspruch fristgemäss geltend
gemacht hat (vgl. RGZ, aaO S. 381/82). Dieser untersteht der zehnjährigen
Verjährungsfrist des Art. 127 OR, weshalb die Verjährungseinrede der
Beklagten zu verwerfen ist. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben
und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie den streitigen
Ersatzanspruch materiell beurteile.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich, II. Zivilkammer, vom 23. Januar 1970 aufgehoben und die Akten zu
neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.