Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 96 III 107



96 III 107

19. Entscheid vom 22. Dezember 1970 i.S. Schweizerische Bankgesellschaft.
Regeste

    Arrestvollzug.

    1.  Beschwerdelegitimation Dritter (Erw. 1).

    2.  Zulässigkeit, Arrest auf Sachen und Guthaben zu legen, die dem
Schuldner gehören, dem Namen nach aber Dritten zustehen (Erw. 2 und 3).

    3.  Anforderungen an die Spezifikation der Gegenstände im Arrestbefehl
(Art. 274 Ziffer 4 SchKG) und in der Arrestnotifikation. Pflichten der
Drittschuldnerin (Bank) (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Karl Baisch erwirkte am 7. April 1970 beim Einzelrichter des
Bezirkes Zürich gegen die Medway Finance Ltd., Nassau/Bahamas, für eine
Forderung von Fr. 1'656,200.-- einen Arrest auf folgenden Gegenständen:

    "Guthaben der Arrestschuldnerin bei der Schweizerischen
Bankgesellschaft, Bahnhofstrasse, Zürich, im eigenen oder fremden
Namen, insbesondere Forderungen und Barschaft, Kontokorrentguthaben,
Wertschriften, Namen-, Nummern- und Decknamenkonti, Safe- und
Schliessfachinhalte unter eigenem oder fremden Namen, alles soweit
verarrestierbar, bis zur Deckung der Arrestforderung nebst Zinsen und
Kosten".

    Der Arrest wurde am 8. April 1970 durch das Betreibungsamt Zürich 1
vollzogen. Die Schweizerische Bankgesellschaft verweigerte jede Auskunft.

    B.- Am 10. April 1970 erhob die Bank bei der untern kantonalen
Aufsichtsbehörde Beschwerde und stellte die Anträge, die Arrestnotifikation
sei aufzuheben, eventuell sei sie zu beschränken auf "1. Guthaben der
Arrestschuldnerin, insbesondere Forderungen, Kontokorrentguthaben,
Namen-, Nummern- und Decknamenkonti, 2. Barschaft, 3. Wertschriften und
4. Safeinhalte unter eigenem oder Decknamen". Zur Begründung brachte
die Beschwerdeführerin vor, der Arrest sei ungültig, da der Arrestbefehl
Guthaben und Safe-Inhalte der Arrestschuldnerin unter fremdem Namen nenne.

    Sowohl die untere als auch die obere kantonale Aufsichtsbehörde,
an die die Bank rekurrierte, wiesen die Beschwerde ab.

    C.- Mit vorliegendem Rekurs an das Bundesgericht hält die
Schweizerische Bankgesellschaft an ihren Rechtsbegehren fest.

Auszug aus den Erwägungen:

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, bildet nicht der
Arrestbefehl Gegenstand der Beschwerde, sondern dessen Vollzug, indem
nämlich die Rekurrentin verlangt, es sei die Arrestnotifikation als
Vollzugshandlung aufzuheben, allenfalls einzuschränken.

    Während nun gegen den Arrestbefehl selber keine Beschwerde möglich
ist (Art. 279 Abs. 1 SchKG), haben Lehre und Rechtsprechung eine
solche gegen den Arrestvollzug anerkannt (BGE 64 III 129, 75 III 26,
82 III 69, 88 III 141/142; JAEGER N 1 zu Art. 275 SchKG, FRITZSCHE,
Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II 2. A. S. 220). Fraglich ist bloss,
ob das Beschwerderecht ausser den Parteien (dem Arrestgläubiger und dem
Arrestschuldner) auch Dritten zustehen könne. Das Bundesgericht hat dies
in einem Falle (BGE 80 III 124 f.) zugunsten einer Bank, die Schuldnerin
des Arrestschuldners war, bejaht, weil der Vollzug des Arrestes stark in
ihren Geschäftsbetrieb eingriff. - In einer ähnlichen Lage befindet sich
im vorliegenden Falle die Rekurrentin: Auch wenn sie bei Befolgung der
Arrestnotifikation keineswegs gezwungen wäre, im Extremfalle sämtliche
bei ihr bestehenden Konti, Depots, Tresorfächer usw. zu sperren, wie sie
behauptet, so ist doch die Art des Arrestvollzuges geeignet, wesentliche
Eingriffe in ihre Interessen zu bringen. Die kantonalen Aufsichtsbehörden
haben ihr deshalb zu Recht die Beschwerdelegitimation zuerkannt.

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 271 Abs. 1 SchKG sind nur Vermögensstücke des
Schuldners mit Arrest zu belegen. Gegenstände, die einem Dritten gehören,
dürfen nicht verarrestiert werden. Hingegen ist es zulässig, Arrest auf
Sachen und Guthaben zu legen, die dem Schuldner gehören, dem Namen nach
aber einem Dritten zustehen (BGE 82 III 70 und 151; 93 III 92). Wenn in
einem solchen Falle der Schuldner behauptet, Eigentümer oder Gläubiger
der Sachen und Forderungen sei ein Dritter, oder wenn der Dritte selber
diese Rechte beansprucht, so ist das noch kein Grund, den Arrestvollzug
einzustellen oder aufzuheben; es gibt dies lediglich Anlass zur Einleitung
eines Widerspruchsverfahrens (Art. 106-109 SchKG), welches zur Abklärung
der angeblichen Rechte des Dritten dient (vgl. die zit. Entscheide). Diese
Grundsätze, die unbestritten sind, haben die Vorinstanzen nicht verkannt,
und es besteht kein Grund, heute davon abzuweichen.

Erwägung 3

    3.- Die Rekurrentin macht indessen geltend, es sei im vorliegenden
Falle gar nicht behauptet worden, die Arrestschuldnerin sei Gläubigerin
von unter fremdem Namen gehaltenen Guthaben. Die im Arrestbefehl verwendete
Formulierung "Guthaben der Arrestschuldnerin ... in fremden Namen" sei in
sich widersprüchlich und unverständlich, jedenfalls nicht genügend klar,
um den Schluss aufeine solche Behauptung zuzulassen. Auch fehle es an der
namentlichen Bezeichnung der Drittpersonen, deren Guthaben verarrestiert
werden sollten, so dass sich diese Guthaben überhaupt nicht spezifizieren
liessen; Arrestbefehl und -notifikation seien deshalb unvollständig und
unvollziehbar.

    Nun kann aber der vorliegende Arrestbefehl sinnvoll nur so ausgelegt
werden, dass der Gläubiger Arrest auf Guthaben legen will, die der
Schuldnerin gehören, dem Namen nachjedoch Dritten zustehen. Wenn nämlich
der Arrestbefehl von Guthaben der Arrestschuldnerin spricht, welche auf
fremde Namen lauteten, so liegt darin die Behauptung, diese Guthaben
gehörten nicht Drittpersonen, sondern der Arrestschuldnerin. Damit sind
die Rechte Dritter bestritten, und nur ein Widerspruchsverfahren vermag
deren allfällige Gläubigereigenschaft abzuklären (vgl. BGE 82 III 70,
93 III 92). Strengere Anforderungen an die Spezifikation der Gegenstände
im Arrestbefehl (Art. 274 Ziff. 4 SchKG) und in der Arrestnotifikation
stellen hiesse die Möglichkeit von Arrestnahmen, insbesondere der
Gattungsarreste (die die Rekurrentin selber als zulässig bezeichnet),
erheblich einschränken; denn es ist - wenigstens für die Grosszahl
der Fälle - nicht ersichtlich, auf welche Weise der Arrestgläubiger
die Rechtsverhältnisse näher umschreiben könnte, denen zufolge der
Arrestschuldner, und nicht der Dritte, als Eigentümer oder Gläubiger zu
gelten hätte.

    Schliesslich übertreibt die Rekurrentin stark, wenn sie von den
Nachteilen und Risiken spricht, die die Arrestnahme bzw. Freigabe von
Vermögenswerten ungenannter Drittpersonen mit sich bringe. Von ihr wird
lediglich verlangt, dass sie jene Guthaben angebe bzw. sperre, von denen
sie weiss oder wissen muss, dass sie dem Arrestschuldner gehören, auch
wenn sie auf den Namen eines Dritten lauten. Insoweit ist der Arrestbefehl
weder unbestimmt noch unvollständig, somit auch nicht unvollziehbar. Der
Rekurs ist deshalb abzuweisen.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.