Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 I 89



95 I 89

13. Urteil vom 3. April 1969 i.S. Wettstein gegen Regierungsrat des
Kantons Solothurn. Regeste

    Verordnung des Bundesrates über die Arbeits- und Ruhezeit der
berufsmässigen Motorfahrzeugführer vom 18. Januar 1966.

    1.  Zuständigkeit des Bundesgerichts. Legitimation zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1).

    2.  Begriff des berufsmässigen Motorfahrzeugführers (Erw. 2).

    3.  Monteure, die für den Arbeitgeber mit einem schweren Lastwagen
Material zum Bau von Leitungen für elektrischen Strom auf die Baustellen
führen, unterstehen der Verordnung (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- Der Beschwerdeführer, Ingenieur Hans Wettstein, befasst sich in
seinem Betrieb in Balsthal mit "elektrischen Unternehmungen". Er ist
Eigentümer eines im Jahre 1952 hergestellten schweren Motorwagens "Morris"
mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen. Das Fahrzeug wird
zum Transport schweren Materials, insbesondere von Leitungsstangen und
Kabeln, auf die Bauplätze und dort zum Ziehen der Kabel verwendet. Es
ist für diese Zwecke mit besonderen Einrichtungen versehen; auf der
Ladebrücke sind auch Sitzbänke für Mitfahrer angebracht. Der Wagen wird
von Monteuren geführt, die im Betriebe des Beschwerdeführers beschäftigt
sind und den erforderlichen Führerausweis besitzen. Für den Transport
leichteren Materials benützt der Beschwerdeführer zwei "VW"-Lieferwagen.

    B.- Mit Verfügung vom 1. März 1968 hat die Motorfahrzeugkontrolle des
Kantons Solothurn die Materialtransporte des Beschwerdeführers mit dem
Motorwagen "Morris" der Verordnung des Bundesrates vom 18. Januar 1966
über die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer
(Chauffeurverordnung, ARV, in AS 1966 S. 39) unterstellt; sie hat daher
den Beschwerdeführer verpflichtet, das Fahrzeug bis zum 1. Mai 1968 mit
einem typengeprüften Fahrtschreiber auszurüsten und jedem Führer des
Wagens ein Arbeitsbuch abzugeben.

    Diese Verfügung hat der Beschwerdeführer zunächst an das
Polizei-Departement und sodann an den Regierungsrat des Kantons Solothurn
weitergezogen. Der Rekurs ist von beiden Instanzen abgewiesen worden.

    C.- Gegen den Rekursentscheid des Regierungsrates vom 24. September
1968 erhebt Hans Wettstein Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er beantragt, es
sei festzustellen, dass die in seinem Betrieb arbeitenden Monteure, welche
Transporte mit dem Motorwagen "Morris" ausführen, und dieses Fahrzeug
der Chauffeurverordnung nicht unterstellt seien; falls das Bundesgericht
hinsichtlich der Verpflichtung zum Einbau eines Fahrtschreibers und zur
Führung von Arbeitsbüchern nicht zuständig wäre, sei die Sache zur neuen
Entscheidung hierüber an den Regierungsrat zurückweisen.

    Es wird geltend gemacht, die in Frage stehenden Monteure seien nicht
berufsmässige Motorfahrzeugführer im Sinne des Strassenverkehrsgesetzes
und der darauf beruhenden Chauffeurverordnung. Entgegen der Auffassung
des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) sei die
Berufsmässigkeit nicht schon deshalb gegeben, weil die Monteure Transporte
ausführen, die unter Art. 1 Abs. 2 lit. a ARV fallen. Ausserdem wäre nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtes (BGE 91 I 67) erforderlich, dass
die Fahrzeugführer die Transporte mit einer gewissen Regelmässigkeit und
in enger Verbindung mit dem Unternehmen besorgen. Hier sei zumindest
fragwürdig, ob eine solche Verbindung bestehe; sicher fehle die
Regelmässigkeit. Der Motorwagen "Morris" werde "ganz unregelmässig
nach Bedarf" verwendet; Aufträge, die seinen Einsatz erfordern, seien
"eher selten". Er werde jährlich nur 4 - 5000 km während etwa 100 Stunden
gefahren, und zwar je nach den vorhandenen Arbeitskräften von einem, zwei
oder sogar drei Monteuren. Der Einbau eines Fahrtschreibers in das alte
Fahrzeug wäre sehr kostspielig, weil gewisse Teile von Hand angefertigt
werden müssten.

    D.- Der Regierungsrat des Kantons Solothurn und das BIGA beantragen
die Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 24 ARV unterliegen Entscheide der letzten kantonalen
Instanz über die Anwendbarkeit der Verordnung auf einzelne Fahrzeugführer
oder Arbeitgeber der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Durch den angefochtenen
Entscheid hat der Regierungsrat als letzte kantonale Instanz die von
der Motorfahrzeugkontrolle getroffene Verfügung bestätigt, welche die
im Betriebe des Beschwerdeführers mit dem schweren Motorwagen "Morris"
ausgeführten Transporte der ARV unterstellt und demgemäss die Ausrüstung
des Fahrzeugs mit einem Fahrtschreiber und die Führung von Arbeitsbüchern
verlangt. Diese Anordnungen schliessen die Feststellung in sich, dass die
Führer des Motorwagens und ihr Arbeitgeber, der Beschwerdeführer, der ARV
unterstehen. Da es sich somit um einen Entscheid über die Anwendbarkeit der
Verordnung auf einzelne Fahrzeugführer und einen Arbeitgeber handelt,
ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig. Die Auflagen, dass
ein Fahrtschreiber einzubauen und Arbeitsbücher zu führen sind, stellen
lediglich Folgerungen aus der Unterstellung dar und unterliegen ebenfalls
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (vgl. BGE 91 I 64).

    Hans Wettstein ist nach Art. 103 OG zur Erhebung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt (vgl. BGE 91 I 65 Erw. 2). Auf
seine Beschwerde ist einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Es ist eine Erfahrungstatsache, dass die Sicherheit des
Strassenverkehrs durch Übermüdung der Motorfahrzeugführer gefährdet
wird. Deshalb ist der Bundesrat schon durch Art. 17 des BG über den
Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr vom 15. März 1932 angewiesen worden,
den berufsmässigen Motorfahrzeugführern eine angemessene Ruhezeit zu
sichern. Gestützt darauf hat er die Verordnung über die Arbeits- und
Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer vom 4. Dezember 1933
erlassen (BS 8 S. 197). Er hat ihr gemäss Abs. 1 ihres Art. 1 grundsätzlich
die Personen unterstellt, "denen als Beruf die Führung eines Motorfahrzeugs
obliegt", und in Abs. 2 beigefügt: "Wer ein Motorfahrzeug gegen Entgelt nur
ausnahmsweise führt, ist nicht berufsmässiger Motorfahrzeugführer". Das
Bundesgericht hat entschieden, diese Verordnung sei auch auf Personen
anwendbar, welche Motorfahrzeuge zwar nur im Nebenberuf führen, aber
doch nach Bedarf mit einer gewissen Regelmässigkeit und im Rahmen eines
Unternehmens, mit dem sie in enger Beziehung stehen (BGE 67 I 59 f.).

    Auch Art. 56 des BG über den Strassenverkehr vom 19. Dezember 1958
beauftragt den Bundesrat, den berufsmässigen Motorfahrzeugführern eine
ausreichende Ruhezeit zu sichern. Hierauf stützen sich die Verordnung
über die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer vom
5. Oktober 1962 (AS 1962 S. 1167) und die geltende gleichnamige Verordnung
vom 18. Januar 1966. Die Verordnung von 1962 war nach ihrem Art. 1 Abs. 1
grundsätzlich "auf die unselbständigerwerbenden Motorfahrzeugführer
(Arbeitnehmer) und deren Arbeitgeber sowie auf die selbständigerwerbenden
Motorfahrzeugführer anwendbar, die folgende Transporte ausführen:

    a)  Personen- und Sachentransporte mit schweren Motorwagen,
Sattelmotorfahrzeugen und gewerblichen Traktoren;

    b)  gewerbsmässige Personentransporte mit leichten Motorwagen;

    c)  gewerbsmässige Sachentransporte mit leichten Motorwagen von
mehr als 1000 kg Nutzlast, inbegriffen die Nutzlast eines allfälligen
Anhängers."

    Das Bundesgericht hat auch diese Umschreibung in dem Sinne
verstanden, dass danach berufsmässiger Motorfahrzeugführer nur sei, wer
ein Motorfahrzeug nicht bloss ausnahmsweise, sondern regelmässig und in
enger Verbindung mit einem Unternehmen führe (BGE 91 I 67).

    Das BIGA weist darauf hin, dass dieser Entscheid den Bundesrat
veranlasst habe, bei der Revision der Verordnung von 1962 den Begriff
der Berufsmässigkeit zu präzisieren. Art. 1 der neuen Verordnung vom 1966
erklärt diese in Abs. 1 auf berufsmässige Motorfahrzeugführer und deren
Arbeitgeber anwendbar und bestimmt in Abs. 2:

    "Als berufsmässig gelten unselbständigerwerbende und
selbständigerwerbende Motorfahrzeugführer, die folgende Transporte
besorgen:

    a)  Personen- und Sachentransporte mit Motorwagen, deren zulässiges
Gesamtgewicht gemäss Fahrzeugausweis 3,5 Tonnen übersteigt (schwere
Motorwagen);

    b)  Personen- und Sachentransporte mit Sattelmotorfahrzeugen und
gewerblichen Traktoren, deren zulässiges Zuggewicht (Gewicht des ganzen
Zuges) gemäss Fahrzeugausweis 3,5 Tonnen übersteigt;

    c)  gewerbsmässige Personentransporte mit leichten Motorwagen
(zulässiges Gesamtgewicht bis 3,5 Tonnen)."

    Nach Art. 2 ist die neue Verordnung in den dort genannten Fällen nicht
anwendbar, auch wenn an sich die in Art. 1 umschriebenen Voraussetzungen
gegeben wären.

    Das BIGA und - ihm folgend - der Regierungsrat nehmen an, der neue
Verordnungstext stelle nicht auf die in den erwähnten Urteilen des
Bundesgerichts aufgestellten Kriterien - Regelmässigkeit der Fahrten und
Verbindung mit einem Unternehmen - ab. Der geltenden Verordnung seien
grundsätzlich alle Motorfahrzeugführer unterstellt, welche die dort
in Art. 1 Abs. 2 genannten Transporte besorgen, gleichgültig, ob dies
regelmässig oder nur ausnahmsweise geschehe. Diese Bestimmung erfasse nur
solche Fahrzeugkategorien, die im Rahmen einer berufsmässigen Tätigkeit
verwendet würden und für "Privatfahrten" praktisch ausser Betracht fielen:
schwere Lastwagen, Cars, Sattelmotorfahrzeuge, gewerbliche Traktoren, für
gewerbsmässige Personentransporte benützte leichte Motorwagen (Kleinbusse,
Taxifahrzeuge).

    In der Tat sind die Transporte, die unter Art. 1 Abs. 2 der
neuen Verordnung fallen, in dieser Bestimmung so umschrieben, dass
die Motorfahrzeugführer, die sie besorgen, als berufsmässig angesehen
werden müssen. Hinsichtlich der in lit. c genannten "gewerbsmässigen"
Personentransporte mit leichten Motorwagen bedarf dies keiner näheren
Begründung. In lit. a und b, wo die Personen- und Sachentransporte mit
schweren Motorwagen, mit Sattelmotorfahrzeugen und mit gewerblichen
Traktoren erwähnt sind, fehlt zwar das Wort "gewerbsmässig". Es brauchte
aber hier gar nicht beigefügt zu werden, weil die schweren Motorwagen,
die Sattelmotorfahrzeuge und die gewerblichen Traktoren praktisch stets für
gewerbsmässige Personen- oder Sachentransporte verwendet werden. Sie sind
für diese Zwecke bestimmt und werden dafür angeschafft. Der Halter, der ein
solches Fahrzeug im Rahmen seines eigenen Betriebes selbst steuert, ist ein
berufsmässiger Motorfahrzeugführer. Er beschafft sich den erforderlichen
besonderen Führerausweis deshalb, weil er ihn für gewerbliche Zwecke
benötigt. Auch unselbständig erwerbende Personen erwerben einen solchen
Ausweis für eine berufliche Tätigkeit. Sie sind ebenfalls berufsmässige
Motorfahrzeugführer, wenn sie Transporte mit schweren Motorwagen oder
mit Sattelmotorfahrzeugen oder mit gewerblichen Traktoren besorgen. Wohl
wird es gelegentlich vorkommen, dass ein selbständig oder unselbständig
erwerbender Besitzer eines entsprechenden Führerausweises ein solches
Fahrzeug für persönliche, private Zwecke verwendet, doch wird er praktisch
immer auch gewerbliche Transporte besorgen, d.h. eben Transporte, die im
Sinne der erwähnten Rechtsprechung mit einer gewissen Regelmässigkeit
und in enger Verbindung mit einem Unternehmen ausgeführt werden. Wer
Transporte der in Art. 1 Abs 2 lit. a - c der neuen ARV genannten Arten
besorgt, hat daher als berufsmässiger Motorfahrzeugführer zu gelten,
wie dies dort bestimmt ist. Nach dieser Ordnung braucht im einzelnen
Fall nicht noch besonders geprüft zu werden, ob die Transporte mit
einer gewissen Regelmässigkeit und in Verbindung mit einem Unternehmen
ausgeführt werden. Mit der Umschreibung des Begriffs der Berufsmässigkeit
in Art. 1 der Verordnung von 1966 hat der Bundesrat die ihm in Art. 56
des Strassenverkehrsgesetzes eingeräumte Befugnis, den "berufsmässigen"
Motorfahrzeugführern eine ausreichende Ruhezeit zu sichern, nicht
überschritten.

Erwägung 3

    3.- Der dem Beschwerdeführer gehörende Lastwagen "Morris" ist
ein schwerer Motorwagen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. a ARV. Der
Beschwerdeführer lässt damit durch Monteure, die in seinem Dienst stehen
und einen entsprechenden Führerausweis besitzen, auf jeden Fall Sachen -
wenn nicht auch Personen - zu den Arbeitsplätzen transportieren. Diese
Arbeitnehmer gelten daher nach jener Bestimmung ohne weiteres als
berufsmässige Motorfahrzeugführer. Übrigens wären sie als solche auch dann
zu betrachten, wenn noch besonders zu prüfen wäre, ob die in BGE 91 I 67
geforderten Voraussetzungen der Berufsmässigkeit - Regelmässigkeit der
Fahrten und Verbindung mit einem Unternehmen - erfüllt seien; denn die
in Frage stehenden Monteure verwenden den Lastwagen "Morris" im Dienste
des Beschwerdeführers, also in enger Verbindung mit einem gewerblichen
Unternehmen, und zwar nach Bedarf mit einer gewissen Regelmässigkeit,
wie sich aus der eigenen Darstellung des Beschwerdeführers ergibt, wonach
die durchschnittliche jährliche Fahrleistung des in Balsthal und Umgebung
eingesetzten Wagens immerhin 4 - 5000 km beträgt.

    Es liegt keiner der Fälle vor, in denen die Chauffeurverordnung nach
ihrem Art. 2 nicht anwendbar ist. Die Monteure, welche den Lastwagen
"Morris" führen, und ihr Arbeitgeber, der Beschwerdeführer, unterstehen
somit der Verordnung (Art. 1 Abs. 1). Daraus folgt, dass das Fahrzeug
mit einem Fahrtschreiber auszurüsten ist und Arbeitsbücher zu führen sind
(Art. 11 ff. ARV). Der Beschwerdeführer muss die Kosten des Einbaus eines
Fahrtschreibers auch dann auf sich nehmen, wenn sie deshalb besonders
hoch sind, weil es sich um ein altes Fahrzeugmodell handelt.

Erwägung 4

    4.- Dem Beschwerdeführer ist für die Ausrüstung des Motorwagens
"Morris" mit einem Fahrtschreiber eine neue Frist anzusetzen, nachdem
der Beschwerde aufschiebende Wirkung verliehen worden ist.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.