Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 I 472



95 I 472

68. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. Juli 1969 i.S. Bauer
gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum. Regeste

    Markenrecht. Schutzverweigerung gegenüber international hinterlegter
Marke wegen Täuschungsgefahr über die Herkunft der Ware.

    Madrider Übereinkunft (Fassung von London 1934) Art. 5; Pariser
Verbandsübereinkunft (Fassung von London 1934) Art. 6 lit. B Ziff. 3
(Erw. 1 und 2).

    Unzulässigkeit der Marke "Slivowitz" für Branntwein, der aus
österreichischen und jugoslawischen Zwetschgen in Osterreich hergestellt
wird. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG; Art. 15 und 402 Abs. 1 LMV (Erw. 2
und 3).

Sachverhalt

    Franz Bauer, Graz (Österreich) hinterlegte am 4. März 1968
beim internationalen Büro zum Schutz des gewerblichen Eigentums die
internationale Wort/Bild-Marke Nr. 342 766 österreichischen Ursprungs für
"Slivowitz fabriqué de prunes d'origine jougoslave et autrichienne". Die
Marke ist in den Farben rot, blau, weiss und gold gehalten und stellt
eine siegelähnliche Etikette dar, in der von oben nach unten gelesen
die Bezeichnungen: "HERZEGOWINA", "ALT ECHT SLIVOWITZ", "45 Vol.%",
"Grossdestillerie BAUER Graz", "ÖSTERREICHISCHES ERZEUGNIS" enthalten sind.

    Am 11. Februar 1969 verweigerte das Eidgenössische Amt für geistiges
Eigentum dieser Marke den Schutz für das Gebiet der Schweiz, weil sie den
falschen Eindruck erwecke, das Erzeugnis stamme aus Jugoslawien. Daran
ändere die fast unleserliche Angabe "österreichisches Erzeugnis" nichts,
weshalb die Marke täuschend sei und gegen die guten Sitten verstosse.

    Der Markeninhaber führt gegen diesen Entscheid
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er beantragt, die Schutzverweigerung
aufzuheben, die Marke zuzulassen; eventuell unter Einschränkung des
Warenverzeichnisses auf "nach jugoslawischer Art hergestellter Slivowitz
aus jugoslawischen Zwetschgen".

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Für die Beurteilung der Beschwerde sind die Madrider Übereinkunft
betreffend die internationale Eintragung von Fabrik- oder Handelsmarken
(MMA) und die Pariser Verbandsübereinkunft (PVU), beide in der am 6. Juni
1934 revidierten Fassung von London, massgebend. Sie sind von der Schweiz
mit Wirkung ab 24. November 1934 und von Österreich mit Wirkung ab
19. August 1947 ratifiziert worden.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 6 lit. B Ziff. 3 PVU in Verbindung mit Art. 5 MMA dürfen
Marken zurückgewiesen werden, welche gegen die guten Sitten oder gegen
die öffentliche Ordnung verstossen, namentlich solche, die geeignet sind,
das Publikum zu täuschen. Die Pariser Verbandsübereinkunft betrachtet
daher gleich wie die schweizerische Rechtsprechung zu Art. 14 Abs. 1
Ziff. 2 MSchG eine Marke als sittenwidrig, wenn sie geeignet ist, den
Käufer in irgendeiner Hinsicht irrezuführen, insbesondere ihn über die
Beschaffenheit der Ware zu täuschen. Eine Marke ist daher unzulässig,
wenn sie geographische Angaben enthält, die zur Annahme verleiten könnten,
die Ware stamme aus dem Land, auf das die Angabe hinweist, obschon dies
in Wirklichkeit nicht zutrifft. Anders verhält es sich nur, wenn die
geographische Angabe offensichtlich blossen Phantasiecharakter hat und
nicht als Herkunftsbezeichnung aufgefasst werden kann (vgl. BGE 93 I 571
Erw. 3 und dort angeführte Entscheide, 93 I 579 Erw. 2). Ausserdem sind,
da es sich um einen Branntwein handelt, die einschlägigen Bestimmungen
der Verordnung vom 26. Mai 1936 über den Verkehr mit Lebensmitteln und
Gebrauchsgegenständen (LMV) massgebend. So sind nach Art. 15 LMV für
Lebensmittel verwendete Bezeichnungen, Angaben, Abbildungen, Packungen und
Packungsaufschriften sowie Arten der Aufmachung untersagt, die u.a. zur
Täuschung über die Herkunft der Waren geeignet sind. Art. 402 Abs. 1
LMV verlangt sodann, dass Branntweine und Liköre mit einer bestimmten
Ursprungsbezeichnung (z.B. Jamaika-Rum, Fernet-Milano, holländische
Liköre usw.) aus dem angegebenen Ursprungsgebiet eingeführte Erzeugnisse
sein müssen.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, der Durchschnittsschweizer
fasse das Wort "Herzegowina" nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Gebiet,
sondern als Phantasiebezeichnung auf, die unwillkürlich an "Herzog",
"Herzogtum" oder "für das Herzogtum bestimmt" erinnere und damit den
Eindruck eines Erzeugnisses von besonderer Güte erwecke.

    Das trifft nicht zu. Die Herzegowina gehört zu den sechs
sozialistischen Republiken Jugoslawiens und wird heute unter dem
Doppelnamen "Bosnien und Herzegowina" bezeichnet. Sie erstreckt sich über
eine Fläche von 51 129 km2 und hat über drei Millionen Einwohner. Eng mit
ihrem Namen verbunden ist jener der Hauptstadt Sarajewo, wo durch die
Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand der erste
Weltkrieg ausgelöst wurde. Angesichts der Bedeutung dieses historischen
Ereignisses dürfte die Herzegowina einem grossen Teil der Schweizer,
insbesondere der ältern Generation, bekannt sein. Ferner ist zu
berücksichtigen, dass Jugoslawien seit einigen Jahren dem westlichen
Tourismus offen steht. Zahlreiche schweizerische Reisebüros werben für
Ferienaufenthalte in Jugoslawien und organisieren Reisen nach diesem
Land. Eine nicht unbedeutende Anzahl Schweizer dürften daher Jugoslawien
und die Herzegowina aus eigener Erfahrung kennen. Die Bezeichnung
"Herzegowina" ist daher als echte geographische Herkunftsbezeichnung
zu verstehen. Sie erweckt beim Käufer den irrigen Eindruck, der vom
Beschwerdeführer hergestellte Slivowitz stamme aus der Herzegowina oder
zumindest aus Jugoslawien.

    Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers trifft es nicht zu,
dass die Bezeichnung "Herzegowina" in der Marke unauffällig angebracht
sei. Zwar ist das Wort "Slivowitz" wegen der Grösse der Schrift, der
weissen, auftiefblauem Grund angebrachten Buchstaben der auffälligste
Wortbestandteil der Marke. Trotzdem ragt das ebenfalls in Weiss, auf
goldfarbenem Grund angebrachte Wort "Herzegowina" aus dem Gesamtbild
immer noch deutlich hervor, während die mit wesentlich kleinern, roten und
blauen Buchstaben geschriebenen Bezeichnungen "Graz" und "österreichisches
Erzeugnis" kaum in Erscheinung treten.

    Auch die Berufung auf BGE 76 I 172 hilft dem Beschwerdeführer
nicht. Bei der im betreffenden Entscheid zum Vergleich mit der Marke "Big
Ben" herangezogenen Marke "Westminster" handelte es sich - im Gegensatz zum
vorliegenden Fall - nicht um die Zulässigkeit einer neuen, sondern um die
Erneuerung einer in der Schweiz eingeführten Marke. Der Beschwerdeführer
kann daher nichts daraus ableiten, dass das Bundesgericht die Meinung
vertrat, die der Marke "Westminster" beigefügte Angabe "produit suisse"
schliesse die Vermutung über die englische Herkunft des Erzeugnisses und
damit die Täuschungsgefahr aus. Im übrigen wurde die Frage offen gelassen,
ob nach den damals herrschenden Anschauungen die Voraussetzungen für die
erstmalige Eintragung dieser Marke erfüllt waren.

    Zu Unrecht beruft sich sodann der Beschwerdeführer darauf, dass das
Bundesgericht (vgl. BGE 89 I 296 Erw. 6) mit Bezug auf die Zigarettenmarken
"Boston" und "Broadway" die Täuschungsgefahr wegen der ausdrücklichen
Angabe verneinte, sie seien bestimmt für "tabac à fumer, fabriqué en ou
sous application de tabacs américains" bzw. für aus "aus amerikanischen
Tabaken hergestellte Zigaretten". Art. 402 Abs. 1 LMV verlangt, wie
erwähnt, dass Branntweine mit einer bestimmten Ursprungsbezeichnung aus
dem angegebenen Ursprungsgebiet eingeführte Erzeugnisse sein müssen. Denn
ihre Güte hängt nicht nur vom Ursprung des Rohstoffes, sondern auch vom Ort
der Herstellung ab (vgl. TROLLER, Immaterialgüterrecht I, 2. Aufl. 1968,
S. 385).

    Der Beschwerdeführer behauptet, die Bezeichnung "Slivowitz" sei wie
"Cognac" und "Whisky" eine Sachbezeichnung für einen bestimmten Branntwein.
Wie es sich mit diesen zum Vergleich herangezogenen Erzeugnissen verhält,
ist hier nicht zu entscheiden. Jedenfalls trifft die Behauptung für
"Cognac" nicht zu, weil damit nach Art. 393 Abs. 1 lit. c LMV nur
Erzeugnisse französischer Herkunft bezeichnet werden dürfen, denen die
Gesetzgebung des Ursprungslandes das Recht auf diese Herkunftsbezeichnung
zuerkennt.

    Der vom Slawischen "sliva" (Zwetschge) abgeleitete Ausdruck
Slivowitz ist die Bezeichnung für einen ursprünglich in Jugoslawien
hergestellten Pflaumenbranntwein. Dieser wird ausserdem in Polen,
Ungarn und der Tschechoslowakei hergestellt. Trotzdem hat sich der
Ausdruck "Slivowitz" nach einer vom Eidgenössischen Amt für geistiges
Eigentum beim Eidgenössischen Gesundheitsamt und beim Verband des
schweizerischen Spirituosengewerbes eingeholten Auskunft in der Schweiz
nicht zu einer Sachbezeichnung entwickelt, sondern er wird vom Käufer als
Herkunftsbezeichnung für einen vorwiegend in Jugoslawien dest-illierten
Pflaumenbranntwein verstanden. Der Hinweis "alt echt" verstärkt in
Verbindung mit der geographischen Bezeichnung "Herzegowina" den Eindruck,
das Erzeugnis des Beschwerdeführers stamme aus Jugoslawien. Ob die
Täuschungsgefahr durch die Verwendung der Farben der jugoslawischen
Staatsflagge noch erhöht wird, wie das Amt geltend macht, kann unter
diesen Umständen offen bleiben.

Erwägung 4

    4.- (Ausführungen zum Eventualantrag).