Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 I 439



95 I 439

64. Auszug aus dem Urteil vom 1. Oktober 1969 i.S. N. gegen Vereinigte
Staaten von Amerika, Bezirksanwaltschaft Zürich und Staatsanwaltschaft
des Kantons Zürich. Regeste

    Staatsrechtliche Beschwerde. Die in Art. 87 OG enthaltene Beschränkung
gilt nicht für Beschwerden, mit denen neben der Verletzung des Art. 4 BV
noch andere Rügen erhoben werden (Erw. 1).

    Bankgeheimnis und kantonales Strafprozessrecht. Derogatorische Kraft
des Bundesrechts.

    Verhältnis des kantonalen Strafprozessrechts zum Bankgeheimnis

    -  inbezug auf die Zeugenpflicht und die Pflicht zur Herausgabe von
Akten (Erw. 2 b Abs. 1).

    - inbezug auf das Akteneinsichtsrecht des Geschädigten. Abwägung
der sich einander entgegenstehenden Interessen. Bedeutung des Umstands,
dass der Geschädigte ein ausländischer Staat ist. Tragweite von Art. 321
Ziff. 3 und Art. 273 Abs. 2 StGB (Erw. 2 b-d).

Sachverhalt

    A.- Die Bezirksanwaltschaft Zürich führt auf eine Anzeige des
Justizdepartements der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) vom
15. August 1968 hin zwei Strafuntersuchungen gegen X., leitenden
Angestellten der Bank Y. in Zürich, gegen N., Rechtsanwalt und
Geschäftsmann in Washington, und gegen die verantwortlichen Personen
einer angeblich existierenden und von N. beherrschten ausländischen
Firma. Den Beschuldigten werden Urkundenfälschungen, Gehilfenschaft
zu Betrug, Anstiftung zu Urkundenfälschungen und Hehlerei zur Last
gelegt. Es wird ihnen zur Hauptsache vorgeworfen, in Zürich fiktive
Warenrechnungen über US $ 3 170 000 erstellt, nach Washington geleitet
und dort für Betrügereien gegenüber Bundesregierungsstellen verwendet zu
haben. Durch diese gefälschten Belege und weitere Machenschaften soll
es N. und seinen Mitbeteiligten in den USA zudem möglich gewesen sein,
die von Regierungsstellen ertrogenen Geldbeträge von mehreren Millionen
Dollars ausser Landes zu schaffen, und zwar so, dass die vorgetäuschten
Warenlieferungen mit Barchecks an die Bank Y. in Zürich zum Schein bezahlt,
die Werte der Checks von X. gemäss den Anweisungen von N. auf einem von
diesem bei der Bank beherrschten Konto angelegt und in der Folge von ihm
wieder abgezogen worden sein sollen. Weiter wird X. und N. vorgeworfen,
in der Schweiz mehrere rückdatierte und unwahre Zahlungsaufträge erstellt
zu haben, um für das in Amerika gegen N. und weitere Beteiligte hängige
Strafverfahren über die Verwendung der der Bank Y. überwiesenen Gelder
Belege zu schaffen. Ausserdem sollen durch weitere Vorkehren fingierte
Zahlungen an verschiedene Firmen in der Schweiz und im Ausland vorgetäuscht
worden sein, wobei X. hiefür an N. mehrere inhaltlich unzutreffende
Bestätigungen über erfolgte Zahlungen ausgestellt haben soll.

    Die bei der Bezirksanwaltschaft Zürich geführten Strafuntersuchungen
stehen in engem Zusammenhang mit einem umfangreichen Betrugsstrafverfahren,
welches die amerikanischen Justizbehörden gegen verschiedene in den
USA domizilierte Personen führen, darunter gegen den bereits genannten
Rechtsanwalt N. In der amerikanischen Untersuchung wurde, wie sich aus
einer Verfügung der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 24. Januar 1969 ergibt,
festgestellt, dass durch betrügerische Manipulationen mit fingierten
Warenrechnungen die amerikanische Regierung um mehrere Millionen Dollars
betrogen wurde oder noch hätte betrogen werden sollen.

    B.- Der die Strafuntersuchung führende zürcherische Bezirksanwalt
ordnete an, dass im Büro des X. in den Räumen der Bank Y. verschiedene
Dokumente durchsucht und zu den Untersuchungsakten genommen wurden. Die
USA stellten das Gesuch, es sei ihnen Einsicht in die Strafakten zu
gewähren. Nachdem das amerikanische Justizdepartement die Erklärung
abgegeben hatte, dass der zur Kenntnis zu nehmende Akteninhalt nicht zu
fiskalischen Zwecken verwendet werde, erliess der Bezirksanwalt am 10. Juli
1969 eine Verfügung, mit der er dem Rechtsvertreter der USA alle Rechte
einer geschädigten Partei, insbesondere das Akteneinsichtsrecht zugestand.
Gleichzeitig verfügte er, dass die im Büro des X. sichergestellten Akten
zu den Strafakten erhoben würden. N., X. und die Bank Y. erhoben je
für sich gegen diese Verfügungen Rekurs bei der Staatsanwaltschaft des
Kantons Zürich.

    C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich vereinigte die
drei Rekurse und wies sie mit Entscheid vom 31. Juli 1969 ab. Zur
Begründung führte sie u.a. aus: Einem Staat, der im rechtsgeschäftlichen
Verkehr betrogen und demzufolge geschädigt worden sei, komme im
schweizerischen Strafverfahren die Stellung eines Geschädigten mit
allen damit verbundenen Rechten ebenso zu wie einer Privatperson. Die
für den Entscheid wesentlichen Akten müssten den Parteien zur Einsicht
offen stehen. Dieser Grundsatz sei in Art. 6 der Kantonsverfassung (KV)
und in § 10 der Strafprozessordnung (StPO) verankert. Beide Vorschriften
schlössen nicht aus, dass die Einsicht in Untersuchungsakten an gewisse
Bedingungen geknüpft werde. Nachdem die amerikanischen Behörden die
Erklärung abgegeben hätten, dass die Kenntnis des Akteninhalts nicht zu
fiskalischen Zwecken benützt werde, habe der Untersuchungsrichter die
Öffnung der Akten an den Vertreter der Vereinigten Staaten zu Recht
verfügt. Der Einwand, das Strafverfahren sei von den amerikanischen
Behörden nur vom Zaun gerissen worden, um an Bankdokumente heranzukommen,
die sonst nicht eingesehen werden könnten, sei haltlos. Es ergebe sich
aus den Eingeständnissen des X., die weitgehend urkundlich belegt seien,
hinreichend, dass in der Schweiz Straftaten begangen worden seien. Unter
dem Gesichtspunkt des Art. 273 StGB (wirtschaftlicher Nachrichtendienst)
bestünden keine Bedenken gegen die Aktenöffnung an die USA, nachdem deren
Regierung die erwähnte Erklärung abgegeben habe. Was das Bankgeheimnis
angehe, hätten die Vorschriften des Strafprozessrechts den Vorrang vor den
Regeln über das Bankgeheimnis. Zur nähern Abklärung und zum Nachweis der
strafbaren Tätigkeit von X. und N. sei es unumgänglich gewesen, in das
Bankgeheimnis einzudringen. Dass durch die Akteneinsicht den USA Namen
und Geschäftsvorgänge von Drittpersonen bekannt würden, die nicht oder
noch nicht ins Recht gefasst worden seien, lasse sich nicht vermeiden. Die
Aktenkenntnis dürfe jedoch von den USA auch Drittpersonen gegenüber nicht
zu Fiskalzwecken ausgewertet werden. Eine weitere Absicherung sei nicht
zu treffen.

    D.- Gegen den Entscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
vom 31. Juli 1969 hat N. gestützt auf Art. 4 BV und Art. 2 Ueb. Best. zur
BV staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich,
soweit erforderlich, aus den nachfolgenden Erwägungen. - Das Bundesgericht
weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der angefochtene Entscheid wurde im Laufe eines Strafverfahrens
getroffen und schliesst dieses nicht ab. Er ist somit ein Zwischenentscheid
im Sinne des Art. 87 OG. Ob er für den Beschwerdeführer einen nicht
wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat, was nach der genannten
Gesetzesvorschrift Voraussetzung ist, damit auf eine Beschwerde eingetreten
werden kann, die sich auf Art. 4 BV stützt, kann offen bleiben. Nach
ständiger Rechtsprechung tritt das Bundesgericht allgemein auf Beschwerden
ein, mit denen eine Verletzung des Art. 4 BV gerügt wird und die sich gegen
einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid richten, sofern daneben noch
andere Rügen erhoben werden, auf welche einzutreten ist (BGE 76 I 393 E. 3;
nicht veröffentlichtes Urteil vom 10. Dezember 1968 i.S. Alpgenossenschaft
Kerns). Der Beschwerdeführer behauptet nicht nur eine Verletzung des Art. 4
BV, sondern auch eine solche des Art. 2 Ueb. Best. zur BV. Soweit die
letztgenannte Rüge in Frage ist, kann sie gegen jeden letztinstanzlichen
kantonalen Entscheid erhoben werden (Art. 86 OG). Erweist sich der
angefochtene Entscheid als letztinstanzliche kantonale Verfügung, ist
nach der erwähnten Rechtsprechung auf die Beschwerde auch einzutreten,
soweit damit ein Verstoss gegen Art. 4 BV gerügt wird, ohne dass geprüft
werden müsste, ob aus dem Zwischenentscheid für den Beschwerdeführer ein
nicht wiedergutzumachender Nachteil resultierte. Ein solcher Nachteil wäre
übrigens gegeben, wie sich aus dem heutigen Urteil des Bundesgerichts in
der Beschwerdesache X. und Bank Y. ergibt.

Erwägung 2

    2.- a) § 10 Abs. 3 der zürcherischen StPO lautet:

    "Dem Geschädigten ist Gelegenheit zu geben, Einsicht in die Akten zu
nehmen und den Einvernahmen des Angeschuldigten beizuwohnen, soweit dies
ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks. geschehen kann."

    Dass die StPO nicht nur mit dieser Vorschrift, sondern auch im übrigen
dem Geschädigten im Strafverfahren weitgehende Parteirechte einräumt, steht
im Einklang mit der KV, die in Art. 6 ausser den Verteidigungsrechten des
Beschuldigten auch bestimmte Parteirechte des Geschädigten gewährleistet.
Während in der heute vom Bundesgericht beurteilten Beschwerdesache X. und
Bank Y. die Beschwerdeführer geltend machten, den USA komme nicht die
Stellung eines Geschädigten zu, wird dieser Einwand hier - mit Recht -
nicht erhoben. Dagegen stellt sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt,
der Geltungsbereich des § 10 StPO sei durch die bundesrechtlichen
Vorschriften des Art. 47 des BG über Banken und Sparkassen, Art. 273 StGB
und Art. 27 ZGB in der Weise eingeschränkt, dass im konkreten Fall das
an sich durch § 10 Abs. 3 StPO gewährleistete Akteneinsichtsrecht des
Geschädigten ausgeschlossen werde. Ob ein kantonaler Rechtssatz oder
die ihm gegebene Auslegung mit dem Bundesrecht vereinbar ist, prüft
das Bundesgericht, wie der Beschwerdeführer richtigerweise ausführt,
nicht unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür, sondern frei
(BGE 91 I 28 mit Hinweis auf frühere Entscheide).

    b) Soweit sich der Beschwerdeführer auf das Bankgeheimnis beruft,
macht er mit Recht nicht geltend, der Bezirksanwalt hätte die Bankbelege
nicht zu den Akten erheben dürfen. Falls eine Strafprozessordnung für
Personen, welche das Bankgeheimnis zu wahren haben, keine besonderen
Regeln schafft, haben sie als Zeugen auch über solche Tatsachen Aussagen
zu machen, die unter das Bankgeheimnis fallen und können entsprechende
Bankdokumente mit Beschlag belegt werden. Das Bankgeheimnis entbindet
demnach in solchen Fällen nicht von der Aussagepflicht, noch steht es
prozessualen Zwangsmassnahmen entgegen (PERRIN, SJZ 45/1949, 145 ff.,
insbes. 146/47; JANN, Umfang und Grenzen des Bankgeheimnisses nach
schweizerischem Recht, 55 ff.; DELACHAUX, Le Secret professionnel
du banquier en droit suisse, 44; GRANER, SJK 876, S. 4; SCHAEFER,
SJZ 49/1953, 337 mit besonderem Hinweis auf die zürcherische StPO;
Entscheid des Bundesrates vom 24. Januar 1968, in: ZBl 70, 1969, 345 ff;
a.M. CAPITAINE, SJK 69, S. 2). Da die zürcherische StPO mit Bezug auf
Zeugenpflicht und Zwangsmassnahmen den Personen, die das Bankgeheimnis
zu wahren haben, keine Sonderstellung einräumt, können sie demnach nicht
unter Berufung auf ihre Geheimhaltepflicht Aussage und Herausgabe von
Dokumenten verweigern. Umso weniger verstösst es gegen die Verfassung,
wenn der Untersuchungsrichter Bankdokumente im Einverständnis mit den
Leitern der Bank zu den Strafakten nimmt.

    Das ist indessen hier, wie ausgeführt, gar nicht streitig. Der
Beschwerdeführer rügt nur, dass den USA Einblick in die Bankbelege gegeben
wird. Es stellt sich deshalb einzig die Frage, ob es mit Rücksicht auf
das Bankgeheimnis zulässig ist, die Behörden der USA in die Bankdokumente
Einsicht nehmen zu lassen, die unangefochtenermassen Bestandteil der
Gerichtsakten sind. Die Regelung des Akteneinsichtsrechts im Strafverfahren
gehört in den weitern Rahmen der Ordnung des gerichtlichen Verfahrens,
die nach Art. 64bis BV den Kantonen vorbehalten ist. Sowenig Regeln des
kantonalen Strafprozessrechts über Aussagepflicht und Zwangsmassnahmen
mit der bundesrechtlichen Vorschrift über das Bankgeheimnis in
Widerspruch sind, sowenig hindert diese Norm des Bundesrechts (Art. 47
des Bankengesetzes) die Kantone, das Akteneinsichtsrecht selbständig
zu ordnen (vgl. SCHAEFER, aaO S. 337, GRANER, SJK 876, S. 3). Art. 47
des Bankengesetzes, der das Bankgeheimnis nicht erst schuf, sondern
bloss dessen Verletzung unter Strafe stellt, ist nicht darauf angelegt,
die Kantone in der Ordnung ihres Strafverfahrensrechts einzuschränken
(vgl. PERRIN, aaO S. 147, GRANER, aaO). Art. 2 der Ueb. Best. zur
Bundesverfassung ist deshalb, soweit das Verhältnis zwischen Art. 47
des Bankengesetzes und § 10 StPO in Frage ist, nicht verletzt. Nach
den allgemeinen Grundsätzen, wie sie das Bundesgericht entwickelt hat,
kann indessen, wie zu zeigen ist, ein bestimmtes Geheimhalteinteresse,
das sich z.B. auf das Bankgeheimnis gründen kann, zu einer Einschränkung
des Akteneinsichtsrechts führen.

    Nach § 10 Abs. 3 StPO ist dem Geschädigten Gelegenheit zu geben, in
die Akten Einsicht zu nehmen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist das
Akteneinsichtsrecht unbeschränkt. Sowenig es sich in der Regel mit der
Wahrung der Verteidigungsrechte eines Beschuldigten vertrüge, wenn vor ihm
ein Teil der Akten geheim gehalten würde, sowenig wäre es grundsätzlich
mit den von der StPO gewährleisteten Parteirechten eines Geschädigten
vereinbar, wenn ihm ein Teil der Akten verschlossen bliebe. Immerhin ist
es nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen geboten, das Akteneinsichtsrecht
zu beschränken, wenn ein besonderes Interesse an der Geheimhaltung
von Tatsachen besteht, die sich aus den Akten ergeben (BGE 92 I 263,
95 I 107 E. 2; TINNER, Das rechtliche Gehör, ZSR 83 II, 1964, S. 382
ff.). Das Geheimhalteinteresse, das den Vorrang vor dem Einsichtsrecht
verdient, kann verschiedener Art sein, so z.B. das Interesse eines
Informanten, anonym zu bleiben, Rücksicht auf die Gesundheit einer
Partei (vgl. Art. 374 Abs. 2 ZGB) oder das staatliche Interesse an
der Geheimhaltung von Dokumenten, welche die Landesverteidigung
betreffen (BGE 92 I 263 mit Hinweis auf frühere Entscheide). Der
Meinung der Vereinigten Staaten, dass überhaupt nur ein staatliches
Geheimhalteinteresse zu einer Beschränkung des Akteneinsichtsrechts
führen könne, ist nach dieser Rechtsprechung nicht zu folgen. So kann
beispielsweise auch das Interesse an der Wahrung des Bankgeheimnisses für
die Behörde Anlass sein, einem Prozessbeteiligten, dem grundsätzlich das
Akteneinsichtsrecht zusteht, den Einblick in bestimmte Aktenbestandteile
vorzuenthalten. Die Behörde, die über das Akteneinsichtsrecht zu befinden
hat, muss im konkreten Fall die entgegenstehenden Interessen abwägen. Das
muss nach pflichtgemässem Ermessen geschehen. Das Bundesgericht hat nicht
frei darüber zu entscheiden, ob das Ermessen richtig betätigt wurde. Es
hat nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der kantonalen
Instanzen zu setzen, sondern nur zu prüfen, ob die kantonalen Behörden das
Ermessen missbraucht und die widerstreitenden Interessen in offensichtlich
unhaltbarer Weise gegeneinander abgewogen haben.

    Das Interesse des Beschwerdeführers, dass den USA die Bankdokumente
nicht zugänglich gemacht werden, durfte die Staatsanwaltschaft mit gutem
Grund als nicht derart schwerwiegend betrachten, dass es das Einsichtsrecht
des Geschädigten auszuschliessen vermöchte. Dass die USA den Dokumenten
etwas entnehmen können, was sich im Strafverfahren für den Beschwerdeführer
belastend auswirken kann, vermag das Einsichtsrecht keineswegs
auszuschliessen. Wäre es anders, so würde das Akteneinsichtsrecht des
Geschädigten im Strafprozess weitgehend illusorisch. Das Recht steht dem
Geschädigten auch und gerade zu dem Zweck zu, dass er aus den Akten von
den Tatsachen Kenntnis nehmen kann, die zu Lasten des Beschuldigten
sprechen, welcher ihm Schaden zufügte. Es handelt sich zudem hier
nicht um einen geringfügigen Straffall, in welchem der Nachteil, der dem
Betroffenen entstünde, in keinem vernünftigen Verhältnis zum Interesse des
Geschädigten an der Akteneinsicht stünde. Nachdem das Justizdepartement
der USA die förmliche Erklärung abgegeben hat, dass es die aus den Akten zu
gewinnenden Kenntnisse nicht zu fiskalischen Zwecken verwenden werde, ist
es gerechtfertigt, wenn die kantonale Behörde bei Abwägung der Interessen
den USA die Einsicht in die Bankbelege gewährte. Es handelte sich freilich
nicht darum, das öffentliche Interesse an der Abklärung der Straftat gegen
das private Interesse des Beschwerdeführers abzuwägen. Es standen sich
vielmehr, wie der Beschwerdeführer zutreffend vorbringt, die privaten
Interessen der beiden Prozessbeteiligten gegenüber, doch war es auch bei
dieser Sachlage gerechtfertigt, dass die Staatsanwaltschaft das Interesse
der USA höher wertete, die einen wohlbegründeten Anspruch darauf haben,
die Hintergründe der angeblich ihnen gegenüber begangenen Betrügereien
zu kennen. Das Akteneinsichtsrecht wurde im übrigen den Behörden der USA
nicht im Interesse der "Aufklärung von im Ausland begangenen strafbaren
Handlungen" gewährt, wie der Beschwerdeführer anzunehmen scheint, sondern
damit sie im schweizerischen Strafprozess die Parteirechte ausüben können,
welche ihnen die zürcherische StPO einräumt. Dieses in § 10 Abs. 3 StPO
in klarer Form gewährleistete Recht dürfte nur beschnitten werden, wenn
besonders gewichtige Interessen eines Beschuldigten die Beschränkung
zu rechtfertigen vermöchten. Dass die USA die Kenntnis der Tatsachen,
von denen sie in der Schweiz erfahren, allenfalls auch im amerikanischen
Strafprozess verwenden können, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Das
ist bloss eine Reflexwirkung des Rechts, das ihnen um ihrer Parteistellung
willen eingeräumt wird, die sie im schweizerischen Strafverfahren haben.

    Soweit der Beschwerdeführer behauptet, die bundesrechtliche Regel
des Art. 27 ZGB gehe der Vorschrift des § 10 StPO vor, ist die Rüge
deshalb unbegründet, weil der Persönlichkeitsschutz allein mit Rücksicht
auf die Wahrung der Geheimsphäre beansprucht wird, deren Schutz das
Bankgeheimnis dient, wie denn überhaupt das Bankgeheimnis als Ausfluss
der zivilrechtlichen Regeln über den Persönlichkeitsschutz aufgefasst
werden kann (ZBl 70, 1969, S. 346 mit Literaturhinweisen). Steht das
Bankgeheimnis der Gewährung des Akteneinsichtsrechts nicht entgegen, so
ist nicht zu ersehen, inwiefern unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses
zwischen Art. 27 ZGB und § 10 StPO der Grundsatz der derogatorischen
Kraft des Bundesrechts verletzt sein soll.

    c) Der Beschwerdeführer begründet seine Ansicht, dass § 10 StPO durch
die bundesrechtliche Regel über das Bankgeheimnis eingeschränkt werde,
unter anderem mit dem Hinweis auf Art. 321 Ziff. 3 StGB, welche Vorschrift
er für analog anwendbar hält. Nach Art. 321 StGB können bestimmte Personen,
die ein Berufsgeheimnis zu wahren haben, bestraft werden, wenn sie das
Geheimnis offenbaren. Ziff. 3 behält die eidgenössischen und kantonalen
Bestimmungen über die Zeugnis- und Aussagepflicht gegenüber einer Behörde
vor. Zu dem Kreis von Personen, auf welche Art. 321 StGB anwendbar ist,
zählen jene nicht, die das Bankgeheimnis zu wahren haben. Die Aufzählung
der in Betracht fallenden Berufe ist abschliessend (BGE 83 IV 197). Es
geht nicht an, auf dem Wege der Analogie aus Art. 321 Ziff. 3 ableiten zu
wollen, dass das Akteneinsichtsrecht von Bundesrechts wegen ausgeschlossen
wäre. Die Vorschrift wurde gerade deshalb in das StGB aufgenommen, um
Klarheit darüber zu schaffen, dass die Personen, die ein Berufsgeheimnis
zu wahren haben, sich der durch das Prozessrecht statuierten Zeugen- und
Auskunftspflicht nicht unter Berufung auf ihre Geheimhaltepflicht entziehen
können, wobei vor allem klar gestellt werden wollte, dass das Bankgeheimnis
nicht von diesen prozessualen Pflichten entbindet (vgl. PERRIN, aaO
S. 147 mit Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des Art. 321 Ziff. 3
StGB). Nichts lässt darauf schliessen, dass Art. 321 Ziff. 3 StGB zwar
wohl bestimmt, dass die Personen, welche ein Berufsgeheimnis zu wahren
haben, nicht von der Pflicht befreit seien, gemäss dem Prozessrecht
Aussagen zu machen, die Regel aber anderseits ihrem Sinne nach auch
besagen würde, dass die Aussagen nur den Strafgerichtsbehörden bekannt
werden dürften, nicht aber andern Prozessbeteiligten, vor allem nicht
dem Geschädigten. Hätte der Bundesgesetzgeber solchermassen in das den
Kantonen vorbehaltene Verfahrensrecht eingreifen wollen, so hätte er das
nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen klar vorschreiben müssen. Art. 321
Ziff. 3 StGB bestimmt bloss, dass Auskunft gegeben werden muss, wenn ein
kantonales Prozessrecht die Auskunftspflicht statuiert, regelt aber die
Frage weder ausdrücklich noch dem Sinne nach, wer von Aussagen Kenntnis
nehmen darf, wenn sie einmal in einem Prozessverfahren gemacht wurden. Es
verhält sich nicht anders mit Tatsachen, die sich aus Dokumenten ergeben,
welche zu den Strafakten genommen wurden. Aus Art. 321 Ziff. 3 kann nicht
abgeleitet werden, dass das Akteneinsichtsrecht in Fällen wie dem hier
zu beurteilenden beschränkt wäre.

    d) Nach Art. 273 Abs. 2 StGB kann bestraft werden, wer ein
Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis einer fremden amtlichen Stelle oder
einer ausländischen Organisation oder privaten Unternehmung oder ihren
Agenten zugänglich macht. Der Beschwerdeführer räumt ein, dass unter dem
Gesichtspunkt dieser Vorschrift nur schutzwürdige Interessen "gedeckt"
sind, mit andern Worten zum Ausschluss des Akteneinsichtsrechts führen
können. Nach der tatsächlichen Feststellung der Staatsanwaltschaft,
die der Beschwerdeführer nicht als unhaltbar beanstandet, ist das
einzige schutzwürdige Interesse, das dieser geltend machen kann,
ein fiskalisches. Es fällt nicht mehr ins Gewicht, nachdem das
Justizdepartement der USA zugesichert hat, dass die zu erlangenden
Kenntnisse nicht zu steuerlichen Zwecken ausgewertet werden. Auch unter
dem Gesichtspunkt des Art. 273 StGB ist die Rüge der Verletzung des Art. 2
Ueb. Best. BV unbegründet. Der Beschwerdeführer geht in diesem Zusammenhang
wiederum zu Unrecht davon aus, die USA würden das Einsichtsrecht geltend
machen, um die auf ihrem Staatsgebiet begangenen strafbaren Handlungen
aufzuklären, wobei er sich auf den Standpunkt stellt, entsprechende
Auskünfte wären auf dem Rechtshilfeweg einzuholen. Er übersieht, dass
es sich hier um den Sonderfall handelt, in dem ein fremder Staat, wie
behauptet wird, durch eine dem gemeinen Strafrecht unterstehende Tat
unmittelbar geschädigt wurde. Akteneinsicht erhält der fremde Staat
in einem solchen Ausnahmefall nicht als Inhaber öffentlicher Gewalt,
sondern als Körperschaft, die im privaten Rechtsverkehr geschädigt wurde
und welcher die Rechte nicht vorzuenthalten sind, die einer Privatperson
zustehen. In den Fällen, in welchen durch eine Straftat Privatpersonen
einen unmittelbaren Schaden erlitten haben, ist es - vorbehältlich der
Rechtshilfe - nach der StPO einer ausländischen Behörde nach wie vor
versagt, in Dokumente Einblick zu nehmen, die Bestandteil der Strafakten
bilden. Es kann auch nicht von einer Umgehung der Rechtshilfevorschriften
gesprochen werden. Das wäre nur dann der Fall, wenn die USA missbräuchlich
Strafanzeige eingereicht hätten, um zu dem Ziel zu gelangen, das sie
mangels eines entsprechenden Staatsvertrages auf dem Rechtshilfeweg nicht
erreichen können. Die Staatsanwaltschaft hat im angefochtenen Entscheid in
diesem Zusammenhang mit Grund ausgeführt, der von X. erhobene Einwand, das
Strafverfahren sei von den amerikanischen Behörden nur vom Zaun gerissen
worden, um an Bankdokumente heranzukommen, die sonst nicht eingesehen
werden könnten, sei nachgerade leichtfertig. Es gilt nichts anderes
für das gegen N. eingeleitete Verfahren. Er hat denn auch den Einwand
seinerseits nicht oder wenigstens nicht ausdrücklich erhoben. Er scheint
indessen geltend zu machen, die Akteneinsicht wäre den USA auf jeden
Fall erst im Zeitpunkt seiner allfälligen rechtskräftigen Verurteilung zu
gewähren, da erst dann die Aktenkenntnis nötig sei, um den Nachweis für
den Bestand möglicher Zivilforderungen zu leisten. Die Parteistellung
des Geschädigten ist aber durch die StPO nicht so ausgestaltet, dass
dieser erst nach allfälliger Verurteilung des Beschuldigten im Prozess
mitwirken und seine Zivilforderung geltend machen könnte. Er hat vielmehr
nach § 10 StPO Gelegenheit, den Einvernahmen des Beschuldigten, der
Zeugen und Sachverständigen beizuwohnen, an sie Fragen zu stellen und
dem Untersuchungsbeamten die zur Feststellung des Schadens geeigneten
Anträge zu stellen. Selbst wenn er nicht als Privatkläger auftritt,
kann der Geschädigte demnach bereits während des Strafverfahrens, nicht
erst nach dessen Abschluss Parteirechte ausüben, und sein Interesse an
der Akteneinsicht besteht in gleichem Mass während der ganzen Dauer des
Verfahrens. Für den Geschädigten kann es im übrigen gerade im Stadium vor
dem Entscheid über Einstellung oder Anklageerhebung wichtig sein, sich
über das Beweismaterial orientieren zu können, um seine Rechte wirksam
zur Geltung zu bringen. Wenn der Beschwerdeführer schliesslich vorbringt,
auch bei Verweigerung der Akteneinsicht bleibe dem Vertreter der USA das
Teilnahmerecht an der Untersuchung gewahrt, ist demgegenüber zu erwägen,
dass im allgemeinen und besonders in Fällen wie dem zu beurteilenden das
Akteneinsichtsrecht zu den wichtigsten Parteirechten des Geschädigten
gehört, da dieser sich nur in Kenntnis der Akten ein richtiges Bild über
den Sachverhalt machen und so seine Interessen im Strafverfahren wirksam
wahren kann. Auch von daher gesehen kann mit Fug das Aufklärungsinteresse
desjenigen, der nach vorläufig bestehender Vermutung Opfer einer gegen ihn
gerichteten Straftat war, dem Geheimhalteinteresse desjenigen vorangestellt
werden, der die angebliche Straftat ausführte.