Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 I 366



95 I 366

54. Urteil vom 13. Juni 1969 i.S. von Dach gegen Schütz und Appellationshof
des Kantons Bern Regeste

    Güterzusammenlegung, Gewinnbeteiligung des früheren Eigentümers.

    1.  Bei Güterzusammenlegungen haben die Betroffenen aufgrund der
Eigentumsgarantie Anspruch auf wertgleichen Realersatz (Erw. 4).

    2.  Beteiligung des früheren Eigentümers am Gewinn im Falle der
Veräusserung von Land durch den neuen Eigentümer.

    a)  Das Gewinnbeteiligungsrecht

    - ist eine öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung (Erw. 5)

    - liegt im öffentlichen Interesse (Erw. 6 a).

    b)  Gegen die Eigentumsgarantie und gegen Art. 4 BV verstösst eine
kantonale Ordnung des Gewinnbeteiligungsrechts, welche

    - vorschreibt, dass bei der Berechnung des Gewinns der
"landwirtschaftliche" und nicht der wirkliche Verkehrswert dem
Verkaufserlös gegenüberzustellen ist (Erw. 6 c);

    - unberücksichtigt lässt, dass auch das dem Anspruchsberechtigten
neu zugeteilte Land im Werte gestiegen ist (Erw. 6 d).

Sachverhalt

    A.- Am 26. Mai 1963 wurde im Kanton Bern ein Gesetz über
Bodenverbesserungen und landwirtschaftliche Hochbauten (Meliorationsgesetz,
MelG) erlassen, das die Art. 87-100 EG/ZGB ersetzte, am 13. Juni 1963
vom Bundesrat genehmigt wurde und am 1. Oktober 1963 in Kraft trat. Es
enthält in den Art. 34-45 Vorschriften für Güterzusammenlegungen und
bestimmt in Art. 43 unter dem Randtitel: "Gewinnbringende Veräusserung
nach Neuzuteilung":

    "1 Die Genossenschafter sind verpflichtet, einen durch Verkauf von Land
oder Einräumung von Nutzungsrechten innert 15 Jahren seit Genehmigung
des Neuzuteilungsplanes durch den Regierungsrat erzielten Gewinn
verhältnismässig an die Grundeigentümer im alten Bestand zurückzuzahlen.

    2 Die Rückzahlung umfasst im ersten Jahr den vollen Gewinn und
vermindert sich um 1/15 für jedes folgende Jahr.

    3 Streitigkeiten beurteilt der Zivilrichter nach den Vorschriften
der Zivilprozessordnung.

    4 Im Dekret des Grossen Rates werden nähere Vorschriften über die
Berechnung des Gewinns erlassen."

    Das Dekret des Grossen Rates wurde am 18. Februar 1964 erlassen
und bestimmt im Abschnitt "Gewinnbringende Veräusserung nach erfolgter
Neuzuteilung":

    "§ 13. Geltendmachung des Anspruches.  1 Wird innert 15 Jahren
seit Genehmigung des Neuzuteilungsplanes durch den Regierungsrat Land
im zusammengelegten Gebiet veräussert oder werden Nutzungsrechte an
solchem Land eingeräumt, so gibt das Grundbuchamt allen beteiligten
Grundeigentümern im alten Bestand Mitteilung unter Hinweis auf Artikel
43 des Meliorationsgesetzes und die Dekretsbestimmungen.

    2 Können sich die Parteien über den Gewinnanspruch nicht einigen,
so hat der Ansprecher innert eines Jahres seit der Mitteilung nach Absatz
1 Klage beim Zivilrichter zu erheben.

    § 14. Berechnung des Gewinnes.

    Der Gewinn im Sinne von Artikel 43 Absatz 4 des Meliorationsgesetzes
wird wie folgt berechnet:

    1.  Bei Verkauf:

    Vom Verkaufspreis werden abgezogen:

    a)  der landwirtschaftliche Verkehrswert im Zeitpunkt des ersten
Verkaufs; bei späteren Verkäufen der jeweilige Erwerbspreis;

    b)  die Meliorationskosten;

    c)  allfällige Rückerstattungen von Bundes- und Kantonsbeiträgen
infolge Zweckentfremdungen, sofern sie vom Verkäufer geleistet wurden;

    d)  Handänderungsgebühren, Vermögensgewinnsteuern, Notariats- und
Vermessungskosten;

    e)  allfällige Aufwendungen des Verkäufers in der Zwischenzeit,
die zur Werterhöhung führten.

    Die Abzüge sind zu belegen.

    2.  Bei Einräumung von Nutzungsrechten:

    Der über die land- und forstwirtschaftliche Nutzung hinausgehende
Gewinn."

    B.- In den Gemeinden Kappelen und Worben wurde im Jahre 1954
ein Güterzusammenlegungsverfahren gemäss den Art. 87 ff. EG/ZGB
eingeleitet. Der Neuzuteilungsplan wurde vom Regierungsrat am 13. Juni 1958
genehmigt. In diese Güterzusammenlegung wurden auch die in der Gemeinde
Worben gelegenen landwirtschaftlichen Heimwesen der heutigen Parteien
einbezogen. Das Hausgrundstück der Beschwerdeführerin Witwe E. von Dach
grenzt an die Strasse Worben-Studen, dasjenige des Beschwerdegegners F.
Schütz liegt unweit davon an einer Nebenstrasse. Beide waren Eigentümer je
zweier langgestreckter Parzellen, die in unmittelbarer Nähe des Hofes lagen
und mit den Schmalseiten an die genannte Strasse grenzten; ferner besassen
beide weiteres Land in der Nähe dieser Strasse. Bei der Neuzuteilung
erhielt die Beschwerdeführerin u.a. die gegenüber ihrem Hof liegende,
an die Strasse Worben-Studen grenzende, annähernd rechteckige und 98
a haltende Parzelle Nr. 163, der Beschwerdegegner u.a. die ebenfalls
annähernd rechteckige und 58 a haltende Parzelle Nr. 300, die - von
der Strasse Worben-Studen aus gesehen - hinter der Parzelle Nr. 163 der
Beschwerdeführerin und gegenüber seinem Hof an der Nebenstrasse liegt,
ferner die an das Hausgrundstück grenzende, noch weiter von der Strasse
entfernte und 135 a haltende Parzelle Nr. 301. Die Parzellen Nr. 163 und
300 umfassen früheren Besitz beider Parteien.

    C.- Mit Vertrag vom 30. September 1963 verkaufte die Beschwerdeführerin
die Parzelle Nr. 163 im Halt von ca. 9800 m2 zum Preis von Fr. 20.-
je m2 an Hans Hofstetter. Von dieser Parzelle gehörten vor der
Güterzusammenlegung zwei Streifen von zusammen 1400 m2 zu den Parzellen
Nr. 189 und 192 des Beschwerdegegners Schütz. Dieser verlangte gestützt
auf Art. 43 MelG einen Anteil an dem von der Beschwerdeführerin erzielten
Gewinn und belangte sie durch Klage auf Bezahlung von Fr. 10'920.--
nebst 5% Verzugszins. Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage.

    Der Gerichtspräsident von Nidau holte ein Gutachten über den
"landwirtschaftlichen Verkehrswert" des verkauften Landes im Zeitpunkt
des Verkaufs ein und hiess dann die Klage mit Urteil vom 25. Juni 1968
gut aufgrund folgender, einen noch höheren Gewinnanspruch ergebenden
Berechnung:

    Verkaufspreis pro m2          Fr.   20.-

    Abzüge gemäss § 14 Ziff. 1 des Meliorationsdekrets:

    - Landwirtschaftlicher Verkehrswert   Fr. 4.-

    - Meliorationskosten, Subventionsrücker stattungen,
Handänderungsabgaben usw. Fr. 3.- Fr. 7.-

    Gewinn pro m2         Fr.   13.-

    Gewinn auf 1400 m2            Fr. 18'200.--

    Anteil des Klägers 11/15              Fr. 13'346.65

    Der Appellationshof des Kantons Bern, an den die Beklagte appellierte,
bestätigte das Urteil des Gerichtspräsidenten am 5. November 1968.

    D.- Gegen das Urteil des Appellationshofes führt Witwe Elise von Dach
staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, es sei aufzuheben. Sie macht
Verletzung der Eigentumsgarantie und des Art. 4 BV geltend. Die Begründung
dieser Rügen ergibt sich, soweit notwendig, aus den nachstehenden
Erwägungen.

    E.- Der Appellationshof des Kantons Bern und Fritz Schütz beantragen
Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Prozessuales).

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin rügt als Verletzung der Eigentumsgarantie,
dass gewisse ihrer Grundstücke in die Güterzusammenlegung einbezogen
worden seien, obwohl es sich nicht um "eigentlich landwirtschaftliche
Grundstücke", sondern um "potentielles Bauland" gehandelt habe. Diese
Rüge ist verspätet. Die Beschwerdeführerin hätte sich der 1954 erfolgten
Einbeziehung jenes Landes in die Güterzusammenlegung durch Anrufung des
Regierungsstatthalters gemäss Art. 87 Abs. 4 EG/ZGB oder durch eine vom
Regierungsrat zu beurteilende Einsprache im Sinne von Art. 92 EG/ZGB
widersetzen können (ZOLLINGER, Die Güterzusammenlegung im Kanton Bern,
Diss. Bern 1946 S. 41). Nachdem das nicht geschehen ist, wurde die
Einbeziehung rechtskräftig; sie konnte daher im weiteren Verfahren und
kann erst recht nach dessen Abschluss nicht mehr in Frage gestellt werden.

    Auch die Neuzuteilung an die Beschwerdeführerin konnte, nachdem der
Regierungsrat den Neuzuteilungsplan am 13. Juni 1958 genehmigt hatte und
dieser Entscheid unangefochten geblieben war, nicht mehr beanstandet
werden. Die Beschwerdeführerin ficht sie denn auch nicht an, sondern
erklärt vielmehr, sie habe "an sich" Realersatz erhalten, womit sie
anerkennt, dass die Neuzuteilung dem Art. 95 EG/ZGB entsprach, wonach
"jeder Eigentümer soweit tunlich für den Wert der abgetretenen Grundstücke
den Ersatz in Grundstücken in möglichst gleicher Lage und von annähernd
gleicher Bodengüte und Ertragsfähigkeit erhalten" soll. Als Verletzung
der Eigentumsgarantie und des Art. 4 BV rügt sie dagegen, dass sie nach
Verkauf der ihr neu zugeteilten Parzelle Nr. 163 aufgrund des Art. 43 MelG
und der §§ 13 und 14 des Dekretes verpflichtet wird, dem Beschwerdegegner
als dem früheren Eigentümer eines Teils des verkauften Landes Fr. 10'920.--
als Anteil am Gewinn zu bezahlen.

Erwägung 3

    3.- Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, der Appellationshof
habe diese Bestimmungen willkürlich, d.h. in einer mit ihrem klaren
Wortlaut und Sinne unvereinbaren Weise ausgelegt oder angewendet und damit
Art. 4 BV verletzt. Davon kann auch nicht die Rede sein, denn die dem
angefochtenen Entscheid zugrunde liegende Gewinnberechnung entspricht dem §
13 des Dekretes und insofern auch dem Art. 43 MelG. Die in der Beschwerde
erhobenen Rügen richten sich gegen die in jenen Bestimmungen enthaltene
Ordnung des Gewinnbeteiligungsrechts selber. Die Beschwerdeführerin will -
so sind ihre in dieser Beziehung nicht ganz klaren Ausführungen offenbar
zu verstehen - geltend machen, diese Ordnung verstosse jedenfalls insoweit
gegen die Eigentumsgarantie und den Grundsatz der Rechtsgleichheit, als
sie auch gelte gegenüber Grundeigentümern, die bei der Güterzusammenlegung
Land eingeworfen und neu zugeteilt erhalten haben, das den Charakter und
den Wert von Bauland habe.

    Diese Rüge ist zulässig. Der Umstand, dass die Frist zur Anfechtung des
MelG und des Dekretes abgelaufen ist, hindert die Beschwerdeführerin nicht,
die Verfassungswidrigkeit einzelner Bestimmungen noch im Anschluss an eine
gestützt darauf ergangene Anwendungsverfügung geltend zu machen (BGE 95
I 4 E. 2 mit Hinweisen auf frühere Urteile). Dem steht auch der weitere
Umstand nicht entgegen, dass der Bundesrat das MelG am 13. Juni 1963
genehmigt hat; denn diese Genehmigung schliesst, wie das Bundesgericht in
ständiger Rechtsprechung entschieden hat, die staatsrechtliche Beschwerde
wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte weder gegen den Erlass selbst
noch gegen eine Anwendungsverfügung aus (BGE 71 I 251 ff. mit Hinweisen
auf frühere Urteile).

Erwägung 4

    4.- Bei den Landumlegungen (landwirtschaftliche Güterzusammenlegung,
Baulandumlegung usw.) werden den Eigentümern von Land im
Zusammenlegungsgebiet anstelle ihrer zerstreuten, kleinen und ungünstig
geformten Grundstücke im Interesse einer rationellern Bodennutzung
arrondierte grössere und besser geformte Grundstücke zugewiesen. Die
Landumlegung ist in der schweizerischen Rechtsprechung und Lehre als
expropriationsähnlicher Tatbestand bezeichnet worden (BGE 52 I 150; HAAB N.
54 und 58 zu Art. 656 ZGB; vgl. HANS HUBER, Staat und Privateigentum
in der Schweiz, in "Staat und Privateigentum", 1960 S. 94/5). Sie
unterscheidet sich aber wesentlich von der Enteignung, und zwar vor allem
dadurch, dass dem Eigentümer sein Land nicht zugunsten des Gemeinwesens
entzogen wird und dass er grundsätzlich Anspruch auf vollen Realersatz,
d.h. auf Zuteilung gleichwertigen Landes hat (vgl. MEIER-HAYOZ, Komm. zum
Sachenrecht, Systemat. Teil N. 232 c).

    Die kantonalrechtlichen Bestimmungen über Landumlegungen stellen
öffentlich-rechtliche Eigentumsbeschränkungen dar. Die Eingriffe in die
Eigentumsverhältnisse, welche die Landumlegungen nach sich ziehen, sind
daher mit der Eigentumsgarantie nur vereinbar, wenn und soweit sie auf
gesetzlicher Grundlage beruhen und im öffentlichen Interesse liegen;
die Entschädigung, die für den Entzug des Eigentums zu leisten ist,
besteht im wertgleichen Realersatz, auf den der Eigentümer grundsätzlich
Anspruch hat. Sieht das kantonale Recht, wie dies regelmässig der Fall
ist, einen solchen Anspruch auf wertgleichen Realersatz ausdrücklich vor,
so prüft das Bundesgericht die Frage, ob eine bestimmte Neuzuteilung
im einzelnen Falle einen wertgleichen Realersatz darstelle, nur unter
dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür (vgl. BGE 85 I 89, 90 I 231
E. 4 und 289 E. 6; unbestimmt BGE 94 I 610 E. 4b). Der Anspruch des
Grundeigentümers, bei Landumlegungen wertgleichen Realersatz zu erhalten,
folgt indessen unmittelbar aus der bundesrechtlich gewährleisteten
Eigentumsgarantie. Diese gebietet es, in den Erlassen über Landumlegungen
dem Eigentümer des eingeworfenen Landes einen Anspruch auf wertgleichen
Realersatz (nach Vornahme des Abzugs für gemeinsame Anlagen) einzuräumen
und in den Fällen, wo Realersatz aus besonderen Gründen (vgl. z.B. Art. 38
lit. b MelG) nicht möglich ist, einen Anspruch auf Entschädigung in
Geld, und zwar, da der Eingriff in das Eigentum dann einer Enteignung
gleichkommt, für den vollen Verkehrswert. Ob das kantonale Recht in
dieser Beziehung den Anforderungen der Eigentumsgarantie genüge, hat das
Bundesgericht frei zu prüfen.

Erwägung 5

    5.- Das in Art. 43 MelG vorgesehene, degressive Gewinnbeteiligungsrecht
steht in engem Zusammenhang mit der Güterzusammenlegung. Wie der
dieser eigentümliche Zwang zum Abtausch von Land, stellt auch das
Gewinnbeteiligungsrecht eine öffentlichrechtliche Eigentumsbeschränkung
dar. Diese besteht darin, dass der Eigentümerwährend einer bestimmten
Zeit den Wert des ihm neu zugeteilten Landes durch Veräusserung
(oder Einräumung von Nutzungsrechten) nicht voll realisieren kann,
sondern den "erzielten Gewinn" oder einen Teil desselben dem früheren
Eigentümer auszubezahlen hat. Ein derartiges Gewinnbeteiligungsrecht
kennen auch andere Kantone, sei es, dass sie es wie Bern selber regeln
(§ 89 der aarg. Bodenverbesserungsverordnung vom 21. Juni 1957), sei
es, dass sie die Meliorationsgenossenschaften ermächtigen, es in ihren
Statuten vorzusehen (Art. 95 des zürch. Landwirtschaftsgesetzes vom
22. September 1963, § Bobis der solothurn. Bodenverbesserungsverordnung
vom 27. Dezember 1960/9. Juli 1963). Mit diesen andern Ordnungen hat sich
das Bundesgericht hier nicht zu befassen. Zu prüfen ist lediglich, ob das
Gewinnbeteiligungsrecht, wie es in Art. 43 des bern. MelG und in den §§
13 und 14 des Dekretes geregelt ist, mit der Eigentumsgarantie und dem
Grundsatz der Rechtsgleichheit vereinbar ist. Gegen die Eigentumsgarantie
verstösst das Gewinnbeteiligungsrecht nach dem in Erw. 4 Gesagten, wenn es
nicht auf gesetzlicher Grundlage beruht, nicht im öffentlichen Interesse
liegt oder den Anspruch des Eigentümers auf wertgleichen Realersatz
verletzt. Art. 4 BV ist verletzt, wenn die Regelung die Betroffenen
rechtsungleich behandelt, sei es, dass sie Unterscheidungen trifft, für die
kein vernünftiger Grund besteht, sei es, dass sie Unterscheidungen nicht
macht, die sie nach dem Grundsatz, dass Ungleiches nach Massgabe seiner
Ungleichheit ungleich zu behandeln ist (BGE 90 I 162 E. 2), machen sollte.

Erwägung 6

    6.- Das streitige Gewinnbeteiligungsrecht beruht unbestritten
auf einer gesetzlichen Grundlage, da es in Art. 43 MelG vorgesehen
ist, die §§ 13 und 14 des Dekretes ihre Grundlage in Art. 43 Abs. 4
MelG haben und die vom Appellationshof vertretene Auslegung dieser
Bestimmungen von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet wird. Dass das
Gewinnbeteiligungsrecht im öffentlichen Interesse liegt, wird von der
Beschwerdeführerin mit Recht nicht bestritten. Da die Güterzusammenlegung
im öffentlichen Interesse liegt (MEIER-HAYOZ aaO N. 223 d und dort zitierte
Urteile des Bundesgerichts; vgl. auch BGE 94 I 608), gilt dies auch für
das Gewinnbeteiligungsrecht; denn es ist geeignet, die Durchführung der
Güterzusammenlegung zu erleichtern, werden doch zahlreiche Grundeigentümer,
die - zu Recht oder Unrecht - glauben, ihr Altbesitz oder ein Teil
desselben sei wegen der zu erwartenden baulichen Entwicklung mehr wert als
das ihnen neu zugeteilte Land, sich mit der Neuzuteilung eher abfinden,
wenn ihnen eine Beteiligung an dem bei der späteren Veräusserung ihres
Altbesitzes erzielten Gewinn in Aussicht steht. Einer näheren Prüfung
bedarf dagegen die Frage, ob das Gewinnbeteiligungsrecht, wie es im
Kanton Bern geordnet ist, nicht den Grundsatz der Rechtsgleichheit oder
den aus der Eigentumsgarantie folgenden Anspruch des Grundeigentümers
auf wertgleichen Realersatz verletzt.

    a) Die Beschwerdeführerin erklärt mit Recht, dass sie das Institut
der Gewinnbeteiligung an sich nicht beanstande. Für dieses lassen sich
in der Tat gute Gründe anführen. Durch die Güterzusammenlegung wird
der vorher zerstreute Grundbesitz des einzelnen Grundeigentümers in
eine einzige oder einige wenige Parzellen zusammengefasst. Nun kann es
vorkommen, dass ein Teil des Zusammenlegungsgebietes infolge rechtlicher
Massnahmen, wie z.B. den Erlass eines Zonenplans, oder einfach infolge
der baulichen Entwicklung der Gemeinde bald nach der Beendigung des
Zusammenlegungsverfahrens zu wertvollem Bauland wird, während für das
übrige Gebiet auf lange Zeit nur die landwirtschaftliche Nutzung in Frage
kommt. Es wäre stossend, wenn diejenigen Grundeigentümer, deren Grundbesitz
im nunmehrigen Baugebiet zusammengefasst worden ist, durch Veräusserung
ihres Landes grosse Gewinne erzielen könnten, während andere, die vor
der Zuteilung im gleichen Gebiet Land besassen, leer ausgingen. Durch die
Beteiligung der früheren Grundeigentümer am Gewinn soll dieses stossende
Ergebnis gemildert und ein billiger Ausgleich geschaffen werden.

    b) Das Gewinnbeteiligungsrecht bezieht sich auf das gesamte neu
zugeteilte Land, so dass jeder Grundeigentümer die gleiche Chance und das
gleiche Risiko hat. Insofern verletzt es den Grundsatz der Rechtsgleichheit
zweifellos nicht. Aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nicht
unbedenklich erscheint es dagegen, dass nur derjenige einen Teil
des Gewinns abzugeben hat, der neu zugeteiltes Land innert 15 Jahren
veräussert und dazu vielleicht aus irgendeinem Grunde genötigt ist, während
derjenige, der diese Zeit verstreichen lässt und erst später veräussert,
den ganzen Gewinn für sich behalten kann. Hierin liegt indessen entgegen
der Auffassung der Beschwerdeführerin noch keine Verletzung des Art. 4
BV. Ein zeitlich unbefristetes Gewinnbeteiligungsrecht ist nicht wohl
denkbar; eine Befristung drängt sich, gleich wie beim Anteil der Miterben
am Gewinn im bäuerlichen Erbrecht (Art. 619 ff. ZGB), der Natur der Sache
nach auf. Auch die Grundstückgewinnsteuer knüpft in der Regel (vgl. BGE
95 I 135) an die Veräusserung an und trifft, sofern der Steuersatz mit
der Besitzesdauer sinkt, den Eigentümer, der früher veräussert, stärker
als denjenigen, der zuwartet.

    c) Als mit Art. 4 BV und mit der Eigentumsgarantie unvereinbar
erscheint es dagegen, dass nach § 14 Ziff. 1 lit. a erster Halbsatz
des Dekretes bei der Berechnung des Gewinnes ausnahmslos vom
"landwirtschaftlichen Verkehrswert im Zeitpunkt des ersten Verkaufes"
auszugehen ist.

    Unter Gewinn versteht man gemeinhin die Differenz zwischen
dem Verkaufserlös und den Gestehungskosten (vgl. BGE 95 I 135). Bei
unentgeltlichem Erwerb, z.B. durch Erbgang oder Schenkung, mag anstelle
der Gestehungskosten des Rechtsvorgängers auch der Verkehrswert zur
Zeit des Erwerbes in Frage kommen. Bei der Güterzusammenlegung, wo das
neuzugeteilte Land den wertgleichen Realersatz für den abgetretenen
Altbesitz darstellt, liegt es am nächsten, den Gewinn aufgrund der
Differenz zwischen dem Verkaufserlös und dem Verkehrswert zur Zeit des
Eigentumsübergangs zu berechnen. Keinesfalls darf, sofern der wirkliche
Verkehrswert den "landwirtschaftlichen Verkehrswert" weit übersteigt,
ohne weiteres und in allen Fällen von letzterem ausgegangen werden,
da dies zu unhaltbaren Ergebnissen führt.

    Bauland und Bauerwartungsland sind bei der Neuzuteilung, nach dem
Gebot des wertgleichen Realersatzes, grundsätzlich denjenigen und nur
denjenigen Eigentümern zuzuweisen, die solches Land eingeworfen haben
(vgl. BGE 90 I 290/91). Der Wert dieses Landes aber ist in der Regel
beträchtlich höher als sein "landwirtschaftlicher Verkehrswert". Geht man
bei der Gewinnberechnung gemäss § 14 des Dekretes vom letzteren aus, so
hat dies zur Folge, dass der Veräusserer dem früheren Eigentümer nicht
nur die seit der Neuzuteilung eingetretene Wertsteigerung, die sich
als "Gewinn" betrachten lässt, zu vergüten hat, sondern einen Teil des
Wertes, den sein früheres wie auch das ihm neu zugeteilte Land schon
zur Zeit der Neuzuteilung hatte. Damit wird dem Begriff "Gewinn" in
Art. 43 MelG ein Sinn beigelegt, den er vernünftigerweise nicht haben
kann. Ob man so weit gehen kann, § 14 Ziff. 1 lit. a erster Halbsatz
des Dekretes als mit dem klaren Wortlaut und Sinn des Art. 43 MelG
unvereinbar und deshalb gegen Art. 4 BV verstossend zu betrachten,
erscheint immerhin als fraglich, da sowohl Art. 43 MelG als auch § 14
des Dekretes ihre Fassung vom Grossen Rate erhalten haben. Die Frage
kann offen bleiben, da § 14 Ziff. 1 lit. a erster Halbsatz des Dekretes
jedenfalls gegen das für Güterzusammenlegungen geltende, unmittelbar
aus der Eigentumsgarantie folgende Gebot des wertgleichen Realersatzes
verstösst. Wer vor der Neuzuteilung Bauland oder Bauerwartungsland besass,
konnte bis zum Inkrafttreten der Neuzuteilung den vollen Wert dieses
Landes durch Veräusserung realisieren. Wird ihm bei der Neuzuteilung
wiederum solches Land im gleichen Werte zugewiesen, so erhält er keinen
wertgleichen Realersatz, wenn das Land mit einem Gewinnbeteiligungsrecht
belastet ist, aufgrund dessen er bei der Veräusserung nicht mehr den
vollen Verkehrswert, den das Land zur Zeit der Neuzuteilung hatte,
für sich behalten kann, sondern einen Teil desselben, der aufgrund der
Differenz zwischen dem Erlös und dem "landwirtschaftlichen Verkehrswert"
berechnet wird, dem früheren Eigentümer herauszugeben hat. Dadurch wird
das Ergebnis der unter Beachtung des Gebots des wertgleichen Realersatzes
durchgeführten Güterzusammenlegung nachträglich zuungunsten eines einzelnen
Grundeigentümers abgeändert und dieser ohne Entschädigung enteignet.

    Die Beschwerdeführerin macht geltend, das von ihr für Fr. 20.-
pro m2 verkaufte Land sei schon mehrere Jahre vor Einleitung des
Güterzusammenlegungsverfahrens Fr. 12-15 pro m2 wert gewesen. Wenn bei der
Gewinnberechnung demgegenüber von einem "landwirtschaftlichen Verkehrswert"
von Fr. 4.- ausgegangen wird, so wird nicht nur die seit der Neuzuteilung
eingetretene Wertsteigerung, sondern darüber hinaus ein Teil des früheren
Wertes des Landes als "Gewinn" behandelt, womit der Beschwerdeführerin
ein Teil des Vermögens, das sie schon vor der Neuzuteilung besass,
entschädigungslos entzogen wird. Darin liegt, wie sie mit Recht geltend
macht, eine Verletzung der Eigentumsgarantie.

    d) Die in Art. 43 MelG und § 14 des Dekretes enthaltene Regelung
des Gewinnbeteiligungsrechts ist aber noch aus einem weiteren Grunde
verfassungswidrig.

    Wer neu zugeteiltes Land veräussert, hat den dabei erzielten "Gewinn"
ganz oder teilweise an den früheren Eigentümer herauszugeben ohne
Rücksicht darauf, ob und inwieweit auch das diesem neu zugeteilte Land
an der Wertsteigerung teilgenommen hat, ob also der Gewinn auf Kosten
des früheren Eigentümers gemacht wurde und dieser, im Verhältnis zum
Veräusserer, infolge der Neuzuteilung eine Vermögenseinbusse erlitten
hat. Das führt wiederum zu äusserst stossenden Ergebnissen, die mit dem
Grundsatz der Rechtsgleichheit und der Eigentumsgarantie unvereinbar
sind. Handelt es sich bei dem Land, das dem nunmehrigen Veräusserer
neu zugeteilt worden ist, um Bauland oder Bauerwartungsland, so wird,
nach dem Gebot des wertgleichen Realersatzes, in der Regel auch dem
früheren Eigentümer dieses Landes bei der Neuzuteilung wieder Bauland
oder Bauerwartungsland zugeteilt worden sein, dessen Wert im gleichen
oder ähnlichen Masse steigt wie der Wert seines früheren Landes.
Wird diese Wertsteigerung bei der Berechnung des vom früheren Eigentümer
beanspruchten Gewinnanteils ausser Betracht gelassen, so macht er, wenn
sein früheres Land kurz nach der Neuzuteilung verkauft wird, während
er das ihm neu zugeteilte Land erst nach Ablauf der 15-jährigen Frist
veräussert, einen doppelten Gewinn; er erhält den Gewinn, der auf dem
Verkauf seines früheren Landes erzielt wird, ganz oder teilweise, und
kann überdies die Wertsteigerung des ihm selber neu zugeteilten Landes
voll realisieren, während der Veräusserer seines früheren Landes nicht nur
die seit der Neuzuteilung eingetretene Wertsteigerung, sondern, wie unter
lit. c hievor dargelegt, auch noch einen Teil seines früheren Vermögens
verliert. Das ist so stossend, dass es als eine den Art. 4 BV verletzende
rechtsungleiche Behandlung bezeichnet werden muss. Ferner liegt darin
wiederum ein Verstoss gegen das Gebot des wertgleichen Realersatzes
und damit gegen die Eigentumsgarantie. In diesem Punkte besteht auch
ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Gewinnbeteiligungsrecht bei
der Güterzusammenlegung und dem Gewinnanteilsrecht der Miterben nach
Art. 619 ff. ZGB, auf das der Appellationshofim angefochtenen Entscheid
zur Rechtfertigung der bernischen Ordnung hinweist. Denn beim bäuerlichen
Erbrecht wird einer von mehreren Miterben durch Zuweisung des Heimwesens
unter dem Verkehrswert gegenüber den andern Miterben begünstigt, während
bei der Güterzusammenlegung alle Grundeigentümer grundsätzlich wertgleichen
Realersatz erhalten.

    Dass die Ordnung des Gewinnbeteiligungsrechts im vorliegenden Falle
auch wegen der Nichtberücksichtigung der beim Anspruchsberechtigten
eingetretenen Wertsteigerung des neu zugeteilten Landes unhaltbar ist,
ergibt sich ohne weiteres aus einem Vergleich des Alt- und Neubesitzes
der beiden Parteien. Je ein Teil ihres Altbesitzes grenzte an die Strasse
Worben-Studen oder lag unweit derselben und hatte deshalb als Bauland oder
Bauerwartungsland zu gelten. Die der Beschwerdeführerin neu zugeteilte
und dann im Jahre 1963 veräusserte Parzelle Nr. 163, die ca. 1400 m2
früheres Land des Beschwerdegegners umfasst, grenzt wiederum an die Strasse
Worben-Studen. Die dem Beschwerdegegner zugeteilte Parzelle Nr. 300 grenzt
zwar nicht an diese Strasse, jedoch unweit derselben an eine Nebenstrasse,
und auch die ihm weiter zugeteilte grosse und arrondierte Parzelle Nr. 301
befindet sich in diesem Gebiete. Das ihm in der Nähe seines Hofs neu
zugeteilte Land dürfte daher ebenfalls Bauland oder Bauerwartungsland sein
und deshalb heute (wie übrigens schon im Zeitpunkt der Zuteilung) gleich
wie die von der Beschwerdeführerin veräusserte Parzelle Nr. 163 einen weit
höheren Wert als den auf Fr. 4.- pro m2 geschätzten "landwirtschaftlichen
Verkehrswert" haben. Ist aber beiden Parteien bei der Neuzuteilung Bauland
oder Bauerwartungsland zugeteilt worden, so verstösst es gegen Art. 4 BV
und gegen die Eigentumsgarantie, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet
wird, dem Beschwerdegegner einen Gewinnanteil auszubezahlen ohne Rücksicht
darauf, dass das diesem zugewiesene Land in gleichem oder ähnlichem Masse
an Wert zugenommen hat wie das der Beschwerdeführerin zugeteilte Land.

Erwägung 7

    7.- Da sich die dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegende
Regelung des Gewinnbeteiligungsrechts als verfassungswidrig erweist,
ist dieser Entscheid aufzuheben, ohne dass der weitere Einwand der
Beschwerdeführerin zu prüfen ist, der Appellationshof habe Art. 4 BV auch
dadurch verletzt, dass er das am 1. Oktober 1963 in Kraft getretene MelG
rückwirkend auf einen Kaufvertrag vom 30. September 1963 angewandt hat. Der
Appellationshof wird nochmals über die Berufung der Beschwerdeführerin
zu entscheiden haben. Dass er dabei zu einem andern Ergebnis als zur
Abweisung der Klage des Beschwerdegegners gelangen könnte, erscheint
als ausgeschlossen, da nicht nur eine Vorschrift des Dekretes, auf das
Art. 43 Abs. 4 MelG für die Gewinnberechnung verweist, verfassungswidrig
ist, sondern die gesetzliche Ordnung noch den weiteren Mangel aufweist,
dass sie die Wertsteigerung des dem Ansprecher zugeteilten Landes ausser
Betracht lässt. Es wird daher Sache des Gesetzgebers sein, zu prüfen,
ob am Gewinnbeteiligungsrecht festzuhalten und wie es auszugestalten
sei. Bei der Beratung des Art. 43 MelG im Grossen Rate ist mit Recht
gesagt worden, es sei "ausserordentlich schwierig, die Gewinnbeteiligung
gerecht zu lösen" (Tagblatt des Grossen Rates, Jahrgang 1962 Heft IV
S. 537). Es kann nicht Aufgabe des Bundesgerichts sein, sich hier zur
Frage zu äussern, wie das Gewinnbeteiligungsrecht auszugestalten sei,
um vor Art. 4 BV und der Eigentumsgarantie standzuhalten. Bemerkt sei
einzig, dass Fachleute auf dem Gebiete der Güterzusammenlegung die
Anwendung des Gewinnbeteiligungsrechts auf Baugebiete als fragwürdig
betrachten. So erklärte ERNST TANNER, Professor an der ETH, die "mehr
als zehnjährige Erfahrung zeigt, dass die Teilungspflicht innerhalb
des Baugebietes wegen ihrer überwiegend negativen Auswirkung (Hortung
von Bauland, Verwertung nicht abgetauschter, oft unförmiger Teilstücke
usw.) besser nicht angewendet wird" (Güterzusammenlegung und Planung
in der Schweiz, in Heft 38 der Schriftenreihe für Flurbereinigung,
Stuttgart 1964 S. 50). Und im gleichen Sinne hat sich ULRICH FLURY,
Dipl. Kulturing. ETH, in einer 1967 abgeschlossenen Arbeit über den
"Beizug von Bauland in Gesamtmeliorationen" mit näherer Begründung und
unter Hinweis auf Beispiele aus der Praxis geäussert (S. 43, 73, 112,
148/50, 180).

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Appellationshofes
des Kantons Bern vom 5. November 1968 aufgehoben.