Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 I 155



95 I 155

22. Auszug aus dem Urteil vom 14. Mai 1969 i.S. Schiesser gegen Gemeinde
Schwanden und Regierungsrat des Kantons Glarus. Regeste

    Elektrische Hausinstallationen; Art. 4 BV.

    Abklärung des Sachverhalts bei der Prüfung der Frage, ob das Monopol
zum Ausführen elektrischer Hausinstallationen zulässig sei.

Sachverhalt

                       Aus dem Tatbestand:

    A.- Das Elektrizitätswerk Schwanden (EWS) ist eine Anstalt der Gemeinde
Schwanden/GL. Am 3. August 1960 erliess der Gemeinderat ein Reglement
über die Abgabe von elektrischer Energie durch das EWS. Art. 36 dieses
Reglements lautet:

    Ausführung von Hausinstallationen: Hausinstallationen werden durch
das EWS erstellt, unterhalten, verändert oder erweitert. Das EWS kann
ausserdem in Berücksichtigung des Bedarfs Bewilligungen zur Ausführung
von Hausinstallationen erteilen.

    B.- Die Firma F. Schiesser & Co., Elektrische Installationen,
Ennenda, ersuchte am 1. März 1967 das EWS um die Bewilligung zur
Ausführung von Hausinstallationen. Die Verwaltungskommission des EWS wies
dieses Gesuch am 30. März 1967 ab. Die Firma Schiesser beschwerte sich
dagegen beim Regierungsrat des Kantons Glarus. Dieser wies den Rekurs
ab. Zur Begründung führte er u.a. aus, das Bundesgericht habe bisher
das Installationsmonopol der Gemeinde-Elektrizitätswerke als zulässig
anerkannt. Übrigens räumten auch die Gegner des Installationsmonopols
ein, dieses sei in kleineren Verhältnissen denkbar, insbesondere in
Berggegenden, wo wegen der erhöhten Gefahr von Versorgungsunterbrüchen
durch Naturereignisse mit einem verhältnismässig grossen Bestand an
Pikettleuten zu rechnen sei. Das Monopol rechtfertige sich dann, wenn
ohne es das Werk nicht in der Lage wäre, seinen Betrieb in technisch
und wirtschaftlich verantwortbarer Weise zu organisieren. Nun habe das
EWS über 100 km Freileitung instandzuhalten. Es versorge die Gemeinden
Schwanden, Hätzingen, Leuggelbach, Nidfurn, Haslen, Schwändi, Sool, Engi,
Matt und Elm; diese Leitungen reichten vom Talboden (500 m über Meer) bis
auf 1600 m Höhe hinauf. Abgesehen von den Anlagen, die sich im Talgrund
befinden, liege das ganze Netz in einem durch steile Berghänge begrenzten,
niederschlagsreichen voralpinen bis alpinen Gelände. Überschwemmungen,
Runsen- und Lawinenniedergänge, Schneeverwehungen, Verkehrsunterbrüche,
Föhnstürme u. dgl. bewirkten viele Störungen. In den acht Jahren
vom Februar 1959 bis Februar 1967 sei an insgesamt 17 Tagen die ganze
Freileitungs- und Installationsequipe des EWS zur Störungsbehebung im
Einsatz gewesen. Insbesondere die nach Warth und ins Sernftal führenden
Leitungen würden regelmässig von Lawinen heimgesucht, wobei jeweilen
auch der Strassen- und Bahnverkehr unterbrochen werde. Das EWS nehme
unter den Elektrizitätswerken des Kantons eine Sonderstellung ein. In
Schwanden sei die Bautätigkeit gering und damit die Beschäftigung der
Installationsabteilung des EWS nicht ohne weiteres gesichert. Um die
Schaffung einer privilegierten Unternehmerschaft zu vermeiden, müssten
bei Zulassung der Konkurrenz alle privaten Bewerber in gleicher Weise
berücksichtigt werden.

    C.- Gegen den Entscheid des Regierungsrates führte die Firma
F. Schiesser & Co. staatsrechtliche Beschwerde. Sie beantragt die Aufhebung
des angefochtenen Beschlusses und verlangt, "der Regierungsrat des Kantons
Glarus bzw. der Gemeinderat Schwanden und das Elektrizitätswerk Schwanden"
seien anzuweisen, ihr "die Bewilligung (Konzession) im Versorgungsgebiet
des Elektrizitätswerkes Schwanden zum Erstellen, Ändern und Ausbessern
elektrischer Hausinstallationen zu erteilen."

    Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Annahme des Regierungsrates,
dass die Verhältnisse beim EWS anders seien als bei allen andern
Elektrizitätswerken im Kanton, sei willkürlich. Der Regierungsrat habe
Rentabilitätsberechnungen allgemeiner Natur angestellt, es aber entgegen
dem Antrag der Beschwerdeführerin unterlassen, die Jahresrechnungen
der Installationsabteilung und die Gemeinderechnungen beizuziehen. Mit
fiskalischen Interessen könne das Installationsmonopol nicht begründet
werden, weil damit Art. 31 BV verletzt würde. Die Behauptung, wegen der
Bergverhältnisse sei das Installationsmonopol unumgänglich, entbehre der
zwingenden Begründung. Der Umstand, dass die Installationsabteilung während
acht Jahren nur an 17 Tagen zur Behebung von Störungen beigezogen wurde,
spreche gegen die Annahme des Regierungsrates. Dass sie unhaltbar sei,
ergebe sich übrigens schon daraus, dass das Reglement des EWS selber die
Erteilung von Konzessionen an Dritte vorsehe. Die Installationsabteilung
des EWS sei auch ohne Monopol noch privilegiert, weil sie keine Steuern
zu entrichten habe. Bezüglich der Mitwirkung bei der Netzkontrolle und
beim Störungsdienst könnten den privaten Installateuren entsprechende
Auflagen gemacht werden.

    D.- Der Regierungsrat des Kantons Glarus und das EWS beantragen die
Abweisung der Beschwerde.

    Das EWS führt aus, das Reglement verpflichte es nicht zur Erteilung
von Konzessionen. Eine solche könnte erst in Betracht fallen, "wenn sich
das Arbeitsvolumen für elektrische Hausinstallationen im Versorgungsgebiet
derart vergrössern sollte, dass die Hausinstallationsabteilung personell
stärker dotiert werden müsste, als dies im Hinblick auf den minimalen
Personalbestand für einen einwandfrei funktionierenden Leitungs-
und Störungsdienst erforderlich" wäre. Gegenüber Näfels sei lediglich
das Rekursverfahren, nicht aber der Sachverhalt ähnlich. Der Umstand,
dass während acht Jahren an 17 Tagen das gesamte Personal des EWS zur
Störungsbehebung im Einsatz war, zeige, dass im Jahresdurchschnitt
zwei grosse Störungen zu beheben seien. Das Berggebiet dürfe nicht
zweitrangig bedient werden. Auch in Engi und Elm gebe es noch Industrien,
für die Stromunterbrüche unliebsame und kostspielige Folgen hätten. Die
Verwendung von werkfremdem Personal bei der Störungsbehebung sei
undurchführbar. Solche Leute seien mit dem Leitungsnetz nicht vertraut,
auch verfügten sie nicht über die Ortskenntnis, um in weglosem und
verschneitem Gelände die Störungen zu finden und zu beheben; es sei auch
nicht damit zu rechnen, dass sie die mit solcher Arbeit verbundenen
Strapazen auf sich nehmen würden. Mindestens im Berggebiet sollte die
bisherige Praxis des Bundesgerichts beibehalten werden.

Auszug aus den Erwägungen:

                       Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- (Eintretensfragen.)

Erwägung 2

    2.- (Darstellung der in BGE 95 I 149 ff. wiedergegebenen neuen Praxis
hinsichtlich der Zulässigkeit des Monopols zum Ausführen elektrischer
Hausinstallationen: Das Monopol lässt sich weder aus fiskalischen noch
aus sicherheitspolizeilichen Gründen mit Art. 31 BV vereinbaren. Hingegen
kann es sich nach wie vor aus anderen Gründen des öffentlichen Wohles
rechtfertigen. Einen solchen Grund bildet u.a. das öffentliche Interesse
an rascher Behebung von Störungen am Freileitungsnetz und anderen
Werksanlagen. Dieses Interesse lässt sich u.U. auch dadurch wahren, dass
den zugelassenen privaten Installationsfirmen geeignete Bedingungen und
Auflagen gemacht werden.)

Erwägung 3

    3.- Der Regierungsrat des Kantons Glarus führt aus, dass beim EWS -
im Unterschied zu anderen Elektrizitätswerken glarnerischer Gemeinden
- besondere Verhältnisse vorlägen, die die Aufrechterhaltung des
Installationsmonopols rechtfertigten, ja erheischten.

    a) Die erste Überlegung der kantonalen Instanz bezieht sich auf
die Ausdehnung des Absatzgebietes (zehn Gemeinden), auf die besonderen
geographischen und klimatischen Verhältnisse in diesem Gebiet sowie auf
Zahl und Umfang der Anlagen, die das EWS in Stand zu halten hat: Über
100 km Freileitungen, 30 eigene und 25 andere Transformatorenstationen,
alles in einem Gelände mit 1100 m Höhendifferenz.

    Es ist glaubhaft, dass hier die Instandhaltung der Anlagen, und
erst recht die Behebung von Schäden, die durch Naturereignisse im
Winter angerichtet werden, die Überwindung grösserer Hindernisse und
mehr Arbeitsaufwand erheischen als die Behebung gleichartiger Schäden im
Hügel- oder Flachland. Damit ist aber die Frage noch nicht beantwortet,
ob dafür eine Installationsabteilung mit Monopolbetrieb nötig sei.

    Wie sich aus einer Aufstellung über den Personalbestand des EWS ergibt,
sind dort drei Arbeitsgruppen mit verschiedenen Aufgaben beschäftigt. Eine
erste befasst sich mit der Leitung und Verwaltung des ganzen Unternehmens,
eine zweite mit dem Bau, Betrieb und Unterhalt der Freileitungen und
Transformatorenstationen und eine dritte mit den Installationen in den
Häusern. Nur um diese letztgenannte Gruppe geht es hier. Sie installiert
alles, was zur Verwendung des elektrischen Stroms im Innern der Gebäude
erforderlich ist. Sie besorgt auch alle Änderungen und Reparaturen an
diesen Einrichtungen. Die Zahl der hier beschäftigten Leute entspricht
dem Arbeitsanfall. Ausnahmsweise, d.h. bei katastrophenartigen Störungen,
wenn die Bau- und Betriebsgruppe wegen des Zusammenfalls von Störungen an
verschiedenen Orten die angefallene Arbeit nicht oder nicht rasch genug
zu bewältigen vermag, wird auch die Installationsgruppe zur Reparatur
von Freileitungen und Transformatorenstationen beigezogen. Sie ist
also nebenbei Reservemannschaft für solche Störungsfälle. Die Erfüllung
dieser zweiten Aufgabe rechtfertigt nach Ansicht des Regierungsrates die
Beibehaltung des Installationsmonopols. Die kantonale Instanz nimmt an,
die in Katastrophenfällen einsetzbaren Hilfskräfte würden vermindert,
wenn beim Dahinfallen des Monopols der Bestand der Installationsequipe
herabgesetzt werden müsste. Indessen ist nicht sicher, dass ein Abbau des
Installationspersonalbestandes drohe. In sämtlichen Jahresberichten des
EWS wird dessen Beschäftigung "namentlich infolge der regen Bautätigkeit"
als gut hervorgehoben.

    b) Der Regierungsrat hat bei seinem Entscheid auf ein Gutachten
abgestellt, das dem EWS erstattet worden war. In diesem Gutachten wird
erklärt, dass es falsch wäre, "zu sagen, dass bei einer Reduktion der
Installationsabteilung ein Beheben der Störungen unmöglich sei". Es
frage sich lediglich, "ob dabei die Unterbruchszeiten nicht soweit
verlängert werden, dass der Schaden, der dadurch bei den Abonnenten
eintritt, eine Grösse erreicht, die für diese Abonnenten als untragbar
gilt". Die technische Frage, wie gross die Verzögerungen bei einem Abbau
der Installationsgruppe um einen, zwei oder drei Mann würden, wirft der
Experte zwar auf, beantwortet sie aber nicht. Dafür stellt er im Anschluss
an das oben Ausgeführte fest, es liege "wohl im öffentlichen Interesse",
dass das EWS seine "recht bescheidene Installationsabteilung voll aufrecht
erhalten" könne. Diesen Entscheid des Experten über eine Rechtsfrage
hat der Regierungsrat in seinem Beschluss übernommen, obschon nach dem
Gesagten die technischen Angaben zur Beurteilung dieser Frage unvollständig
waren. Die kantonale Instanz hat damit den Art. 4 BV verletzt. Ob auch
Art. 31 BV verletzt sei, lässt sich nicht beurteilen, bevor die technischen
Angaben im Sinne der vorstehenden Ausführungen ergänzt sind.

    c) Nach den Feststellungen des Experten musste das gesamte Personal
der Installationsgruppe in einem Zeitraum von etwas über 2900 Tagen 17
Mal zur Mithilfe bei der Behebung von Freileitungsschäden aufgeboten
werden. Der Regierungsrat hat daraus abgeleitet, das Monopol der
Installationsabteilung des EWS sei beizubehalten. Indessen wurde die
Frage nicht erörtert, ob die Inanspruchnahme der Installationsabteilung in
weniger als 6é aller Betriebstage proportional sei zum Zweck der Verkürzung
von Stromunterbrüchen von vielleicht einigen Stunden. Der Regierungsrat
hätte dazu umso mehr Anlass gehabt, als die Beschwerdeführerin schon in
ihrer Eingabe an das EWS vom 1. März 1967 Mitwirkung bei der Behebung
von Störungen zu Konkurrenzpreisen angeboten und in ihrem Rekurs an den
Regierungsrat eine "neutrale Expertise" darüber verlangt hatte, ob das
EWS nur zur Aufrechterhaltung einer genügenden Bereitschaftsequipe für
Störungsfälle des Installationsmonopols bedürfe. Der Regierungsrat ist über
diesen Fragenkreis hinweggegangen, obwohl ihm unmöglich entgangen sein
konnte, dass der Bericht, den der Experte dem EWS auf dessen Anforderung
erstattet hatte, ein Parteigutachten darstellt. Die kantonale Instanz
hat damit ebenfalls Art. 4 BV verletzt.

    d) Ob sich die Verwendung von werkfremdem Personal beim Störungsdienst
an Freileitungen wirklich nicht durchführenlasse, wie das EWS in
seiner Vernehmlassung zur staatsrechtlichen Beschwerde behauptet, hat
der Regierungsrat zu prüfen. Wie aus BGE 95 I 154 erhellt, haben die
Freileitungsmonteure keine bessere berufliche Ausbildung genossen als
die Elektromonteure, deren Ausbildung durch ein Reglement des EVD vom
6. Juni 1967 (BBl 1967 II 181) geordnet ist. Jedenfalls versteht sich
nach dem Gesagten nicht von selbst, dass sich die Elektromonteure
der Beschwerdeführerin die für die Reparaturen an Freileitungen
nötigen Kenntnisse nicht in gleicher Weise aneignen können wie die
Elektromonteure des EWS. Es versteht sich erst recht nicht von selbst,
dass nur werkeigene Leute ortskundig, berggewandt und zur Übernahme von
Strapazen in Notfällen bereit seien. Das Angebot der Beschwerdeführerin
muss daher ernsthaft geprüft werden. Erst wenn das geschehen sein wird,
kann beurteilt werden, ob überhaupt und - wenn ja - ob eine erhebliche
Schwächung der Pikettmannschaft bei Preisgabe des Installationsmonopols
zu befürchten wäre, und ob ein vernünftiges Verhältnis besteht zwischen
dem durch das Monopol angeblich zu wahrenden öffentlichen Interesse und
dem Eingriff in die Handels- und Gewerbefreiheit, den die Verweigerung
der Bewilligung der Beschwerdeführerin gegenüber darstellt.

Erwägung 4

    4.- Der angefochtene Beschluss des Regierungsrates ist daher
anfzuheben. Der Regierungsrat wird sich nochmals mit der Sache befassen
und vorerst den Sachverhalt weiter abklären müssen. Unter diesen
Umständen kann dahingestellt bleiben, ob der Regierungsrat - wie die
Beschwerdeführerin behauptet - Art. 4 BV schon dadurch verletzt habe,
dass er es unterliess, die Rechnungen des EWS beizuziehen.

Entscheid:

               Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, im Sinne der
Erwägungen gutgeheissen und der angefochtene Entscheid des Regierungsrates
des Kantons Glarus vom 30. September 1968 aufgehoben.