Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 IV 67



95 IV 67

18. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. Februar 1969
i.S. R. und Kons. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz Regeste

    Art. 220 StGB. Entziehen von Unmündigen.

    Täter kann auch der Elternteil sein, der im ungeschmälerten Besitz
der elterlichen Gewalt steht.

Sachverhalt

    A.- Elisabeth R.-H. war früher mit Alfred M.  verheiratet; der Ehe
waren fünf Kinder entsprossen: Irene (geb. 1955). Silvia (1957), Lucia
(1958), Alfred (1961) und Brigitte (1963). Am 27. September 1966 verliess
sie die eheliche Wohnung in R. ohne Wissen ihres Gatten und nahm die drei
Kinder Silvia, Alfred und Brigitte mit; die anderen zwei Kinder liess sie
beim Ehemann zurück. Sie schloss sich samt den Kindern ihrem Bekannten
Albert R. an und flog mit ihm am gleichen Tag nach Montreal. Die Reise
und den Unterhalt in Kanada zahlte R. Am 23. Oktober 1966 verliessen R.
und Frau M. mit den Kindern Kanada und trafen am 2. Dezember 1966 in
G. ein, wo Frau M. mit den Kindern bei ihren Eltern Unterkunft fand.

    Alfred M. erstattete noch am Fluchttag Anzeige bei der Polizei;
tags darauf, als er erfuhr, dass R. für sich, Frau M. und die Kinder
Flugkarten nach Montreal gelöst hatte, reichte er förmlich Strafklage
gegen seine Ehefrau ein.

    Am 24. Januar 1968 wurde die Ehe M.-H. geschieden und eine
Scheidungskonvention genehmigt, wonach die Kinder Silvia, Alfred und
Brigitte der Frau, Irene und Lucia dem Manne zugeteilt wurden. Hierauf
heirateten Elisabeth H. und Albert R.

    B.- Am 18. April 1967 verurteilte das Bezirksgericht der March Frau
M. wegen Vorenthaltens von Unmündigen und Albert R. wegen Gehilfenschaft
dazu zu je 1 Monat Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug.

    Das Kantonsgericht des Kantons Schwyz bestätigte dieses Urteil am
20. Juni 1967.

    C.- Gegen das kantonsgerichtliche Urteil führen beide Verurteilten
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freispruch eventuell Herabsetzung
der Strafen.

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz beantragt Abweisung der
Beschwerden.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

    Nach Art. 220 StGB wird, auf Antrag, mit Gefängnis oder Busse
bestraft, wer eine unmündige Person dem Inhaber der elterlichen oder
vormundschaftlichen Gewalt entzieht oder vorenthält.

    In BGE 91 IV 136 und 228 hat der Kassationshof entschieden, dass
sich nach Art. 220 auch der Ehegatte schuldig machen kann, dem die Kinder
während der richterlich bewilligten Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes
bzw. während des Scheidungsverfahrens nicht zugeteilt sind.

    Nicht anders verhält es sich, wenn wie hier der Elternteil, der dem
andern Kinder entzieht oder vorenthält, im ungeschmälerten Besitz der
elterlichen Gewalt steht. Während der Ehe haben Vater und Mutter die
elterlichen Rechte in gemeinsamen Einvernehmen auszuüben, jedenfalls
in bezug auf die wichtigeren Angelegenheiten. Jedes Elternteil hat
das Recht, bei diesen mitzuwirken; die elterliche Gewalt darf nicht von
einem Elternteil für sich allein beansprucht werden (Art. 274 Abs. 1 ZBG,
EGGER N 3, HEGNAUER N 7).

    Frau R. hat nicht nur eigenmächtig ohne Anhörung ihres Mannes
einen Entscheid von grosser Tragweite getroffen. Sie hat, indem sie
die drei Kinder nach Kanada verbrachte, ihrem Mann verunmöglicht, seine
elterlichen Rechte auszuüben (vgl. BGE 80 IV 70, 92 IV 2). Da sie dies,
wie die Vorinstanz verbindlich feststellt (Art. 273 Abs. 1 lit. b, 277 bis
Abs. 1 BStP), mit Wissen und Willen getan hat, hat sie sich des Entziehens
von Unmündigen schuldig gemacht.