Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 IV 17



95 IV 17

5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. Januar 1969
i.S. Hallauer gegen Scherer und Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau.
Regeste

    Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. Verhältnis dieser Bestimmung zu Art. 303
Ziff. 1 Abs. 2 StGB.

Sachverhalt

    A.- Zusammen mit andern hatte Ernst Hallauer das Jagdrevier
Obersiggenthal/AG gepachtet. Er war Präsident, Aktuar und Kassier der
Jagdgesellschaft. Jagdaufseher war Karl Scherer. Dieser machte am 20.
Dezember 1965 bei der Gemeindekasse eine Forderung von Fr. 1'405.35
geltend. Die kantonale Finanzdirektion prüfte die Rechnung, fand
sie angemessen und verfügte die Auszahlung des Betrages zu Lasten der
Jagdpächter.

    Am 25. Juli 1966 schrieb Hallauer dem Bezirksamt Baden als der für
das Jagdwesen des Bezirkes zuständigen Behörde einen Brief, mit welchem er
die Abrechnung des Jagdaufsehers beanstandete. Insbesondere rügte er das
Fehlen von Rapporten über den in Rechnung gestellten Zeitaufwand, ferner
das Nichtaufführen von teils vermutlichem, teils sicherem Wildbreterlös
und von neun Rehtrophäen. Wegen "Veruntreuung und Unterschlagung dieser
Einnahmen" verlangte er den Entzug der an Scherer ausgestellten Jagdkarte,
Rückzahlung des geleisteten Rechnungsbetrages und Ablieferung aller
widerrechtlich angeeigneten Einnahmen und Trophäen.

    Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen Hallauer wegen falscher
Anschuldigung, begangen dadurch, dass er im Schreiben vom 25. Juli 1966
den Jagdaufseher Scherer wider besseres Wissen der Veruntreuung und
Unterschlagung von Einnahmen in der Höhe von Fr. 1'405.-- bezichtigt habe.

    B.- Am 10. Januar 1968 sprach das Bezirksgericht Baden den Angeklagten
der falschen Anschuldigung im Sinne von Art. 303 Ziff. 1 StGB schuldig,
verurteilte ihn zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 14
Tagen, setzte die Probezeit auf zwei Jahre fest und verpflichtete ihn,
dem Zivilkläger Scherer eine Genugtuungssumme von Fr. 150.-- zu bezahlen.

    Mit Urteil vom 5. Juli 1968 wies das Obergericht des Kantons Aargau
die Berufung des Angeklagten ab.

    C.- Hallauer führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf
Rückweisung der Strafsache an die Vorinstanz zur Freisprechung.

Auszug aus den Erwägungen:

Aus den Erwägungen:

    Das Obergericht erklärt im angefochtenen Urteil, beim Brief des
Beschwerdeführers vom 25. Juli 1966 handle es sich nicht um eine
eigentliche Strafanzeige im Sinne von Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB,
sondern um eine arglistige Veranstaltung nach Ziff. 1 Abs. 2, die
der Beschwerdeführer getroffen habe, um eine Strafverfolgung gegen
Scherer herbeizuführen; denn nach BGE 85 IV 81 sei die bewusst unwahre
Anschuldigung eines Nichtschuldigen bereits arglistig.

    Die Vorinstanz scheint demnach zwischen eigentlichen Strafanzeigen
nach Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 StGB und sogenannten andern Veranstaltungen
nach Abs. 2 unterscheiden und aus der genannten Rechtsprechung ableiten
zu wollen, auch "andere Veranstaltungen" seien bereits arglistig im
Sinne von Abs. 2, wenn es sich um die bewusst unwahre Anschuldigung
eines Nichtschuldigen handle. Nur so erklärt sich, warum sie im
vorliegenden Falle die Frage der Arglist nicht weiter prüft, sondern
dieses Tatbestandsmerkmal ohne weiteres damit für gegeben hält, dass der
Beschwerdeführer bewusst unwahr einen Nichtschuldigen beschuldigte. Das
entspricht jedoch den in BGE 85 IV 81 gemachten Ausführungen nicht. Dass
die Arglist nicht noch als besonderes Merkmal hinzutreten müsse, wurde
ausdrücklich nur für den in Abs. 1 umschriebenen Hauptfall gesagt. Die
Ausdehnung auf Tatbestände nach Abs. 2 wäre mit dem Wortlaut dieser
Bestimmung schlechthin unvereinbar.

    Entgegen der Auffassung der Vorinstanz besteht der Unterschied zwischen
Abs. 1 und Abs. 2 nicht darin, dass Abs. 1 die eigentlichen Strafanzeigen
und Abs. 2 alle andern arglistigen Veranstaltungen umfasst. Unter
Abs. 1 fällt jede unmittelbare Beschuldigung eines Nichtschuldigen zum
Zwecke der Strafverfolgung, sei es bei der für die Verfolgung zuständigen
Behörde oder bei einer andern Amtsstelle, von der erwartet wird, dass sie
die Beschuldigung an die in Frage kommende Behörde weiterleite. Andere
Veranstaltungen im Sinne von Abs. 2 dagegen sind solche, bei denen nicht
durch ausdrückliche Beschuldigung, sondern mittelbar, z.B. durch Schaffung
falscher Indizien, darauf ausgegangen wird, eine Strafverfolgung gegen
einen Nichtschuldigen herbeizuführen (THORMANN-OVERBECK, N. 4 und LOGOZ,
Nr. 3 und 4 zu Art. 303 StGB; HAFTER, Bes. Teil, S. 792).