Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 IV 154



95 IV 154

38. Urteil des Kassationshofes vom 8. Dezember 1969 i.S. Kläusli gegen
Stadtrat Winterthur. Regeste

    Art. 18 Abs. 1 und 19 VRV.

    Verbotenes Linksparkieren liegt auch vor, wenn das Parkfeld über das
Trottoir angesteuert und verlassen wird.

Sachverhalt

    A.- Am Nachmittag des 24. Februar 1968 stellte ein Parkplatzkontrolleur
der Stadtpolizei Winterthur fest, dass der Personenwagen des Bruno Kläusli
auf der Merkurstrasse am linken Trottoirrand, in der Wagenrichtung gesehen,
parkiert war.

    B.- Das Polizeiamt verurteilte Kläusli in Anwendung von Art. 18 Abs. 1,
19 Abs. 2 lit. a und 96 VRV zu Fr. 10.- Busse. Der Einzelrichter des
Bezirksgerichts Winterthur wies die Einsprache Kläuslis ab und bestätigte
die Busse von Fr. 10.- wegen verbotenen Linksparkierens.

    Das Obergericht wies am 29. September 1969 die Nichtigkeitsbeschwerde
des Verurteilten ab.

    C.- Kläusli beantragt mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde
Aufhebung der Bussenverfügung und Rückweisung zum Freispruch. Er
beansprucht eine Entschädigung von Fr. 350.--.

Auszug aus den Erwägungen:

              Der Kassationshof zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Art. 18 Abs. 1/19 VRV verbietet das Linksparkieren, ausser wenn
rechts ein Strassenbahngleis verläuft oder ein Parkverbot signalisiert ist
oder auf schmalen Strassen mit schwachem Verkehr. Der Beschwerdeführer
behauptet nicht, dass eine dieser Ausnahmen auf die Merkurstrasse
zutreffe. Das Linksparkieren ist verboten zur Verhinderung von
Verkehrsstörungen und Gefährdungen, wie sie beim Queren des Gegenverkehrs
entstehen. Der Beschwerdeführer leitet daraus ab, das Verbot gelte nicht,
wenn der Gegenverkehr überhaupt nicht gestört werde. Er irrt. Eine solche
Störung ist weder Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes
noch führt sie stets zur Bestrafung (nicht in den vom Gesetz genannten
Ausnahmefällen).

    Wollte man mit dem Beschwerdeführer vom klaren Wortlaut
der Bestimmung absehen und nur auf ihren Zweck abstellen, so dürfte
sich diese Auslegung nicht auf die Beachtung des fahrenden Verkehrs
und überdies nur auf die Phase der Zufahrt beschränken. Art. 18/19 VRV
dienen wie das übrige Verkehrsrecht der Sicherheit des Strassenverkehrs
im weitesten Sinne (vgl. Art. 1 Abs. 2 SVG, BGE 92 IV 11). Das Fahrmanöver
des Beschwerdeführers gefährdete nicht unmittelbar den Gegenverkehr, dafür
in hohem Mass den Fussgängerverkehr auf dem Trottoir und bei der Wegfahrt
den Fahrzeugverkehr durch die Rückwärtseinfahrt über den Trottoirrand
hinunter in die Museumsstrasse. Diese Gefährdung war umso grösser, als
Kläusli beide Male die Zugangswege zum Fussgängerstreifen und teilweise
diesen selbst befuhr, bei der Wegfahrt zudem in Rückwärtsfahrt, also mit
beschränkter Sicht und Beweglichkeit. Ob der Beschwerdeführer in direkter
Vorwärtsfahrt auf das Parkfeld gelangen konnte oder ob er das für kurze
Parklücken übliche Parkierungsmanöver anwandte, ist bedeutungslos.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer meint, das Verbot des Linksparkierens gelte
nicht, wenn das Trottoir befahren werde, um so auf eine Parkfläche am
Trottoirrand zu gelangen. Das Parkfeld sei dann doch wieder rechts vom
Fahrzeug und der Gegenverkehr auf der Strasse werde nicht gekreuzt.

    Für die Führer von Motorfahrzeugen gelten die Verkehrsregeln
(Art. 26-57 SVG in Verbindung mit den entsprechenden
Ausführungsvorschriften der VRV) nur auf den dem öffentlichen
Verkehr dienenden Strassen (Art. 1 Abs. 2 SVG). Strassen sind die
von Motorfahrzeugen, motorlosen Fahrzeugen oder Fussgängern benützten
Verkehrsflächen (Art. 1 Abs. 1 VRV), und öffentlich sind Strassen,
die nicht ausschliesslich privatem Gebrauch dienen (Art. 1 Abs. 2
VRV; BGE 92 IV 11). Die Verkehrsregeln gelten somit grundsätzlich
auf der ganzen öffentlichen Strasse. Durch die Anlage von Trottoirs,
Fahrradstreifen, Verkehrsinseln und dergleichen wird lediglich für
gewisse Verkehrsteilnehmer die Benützung eines Teils der Strassenfläche
eingeschränkt, nicht aber auch das Anwendungsgebiet der generellen
Regeln. Nach der These des Beschwerdeführers könnte jedermann eine
Einbahnstrasse in verbotener Richtung befahren, Höchstgeschwindigkeiten
übertreten oder rechts am Verkehrsstrom vorbeifahren, wenn er hiefür das
Trottoir benützte. Diese Auffassung ist absurd. Sind am Rande der Fahrbahn
Parkflächen angebracht, sei es auf der Strasse, sei es teils oder ganz
auf dem Trottoir, so dürfen diese ausnahmslos nur auf dem normalen Wege
angesteuert werden, während das Linksparkieren auch bei Benützung des
Trottoirs verboten bleibt.

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer hätte ausser wegen verbotenen Linksparkierens
auch wegen unerlaubten Befahrens des Trottoirs verfolgt und bestraft werden
sollen (Art. 41 VRV). Es wäre in diesem Falle am Platz gewesen, ihm eine
erheblich höhere Busse aufzuerlegen, als dies tatsächlich geschehen
ist. Die Abänderung des Urteils zu Ungunsten des Beschwerdeführers
kommt indessen nicht in Frage, weil das Polizeiamt nur wegen verbotenen
Parkierens Anzeige erhoben und das Urteil nicht angefochten hat.

    Die Nichtigkeitsbeschwerde, mit der Freispruch und gar noch die
Zusprache einer Entschädigung verlangt wird, ist mutwillig.

Entscheid:

Demnach erkennt der Kassationshof:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.