Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 95 II 547



95 II 547

74. Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. November 1969 i.S. Klara Gurtner
gegen Lony und Lisbeth Gurtner. Regeste

    Kollektiv- bzw. Kommanditgesellschaft.

    Kollektivgesellschaftsvertrag, wonach beim Tod eines von zwei
Gesellschaftern die Gesellschaft mit dessen Erben als Kollektiv- oder
Kommanditgesellschaft fortgesetzt werden soll.

    Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 1).

    Umwandlung der Kollektiv- in eine Kommanditgesellschaft, Zulässigkeit,
Form (Erw. 2).

    Wirksamkeit der Bestimmung betreffend die Fortsetzung der Gesellschaft
auch nach dem Tod des zweiten Gründers? (Erw. 3).

    Vorliegen eines "übereinstimmenden besonderen Parteiwillens"?

    (Erw. 4a).

    Hinfall des Vertrags wegen Unmöglichkeit? (Erw. 4b).

    Verletzung der Beweisvorschriften von Art. 8 ZGB? (Erw. 4c).

Sachverhalt

    A.- Die Brüder Fritz Gurtner-Flückiger, Drogist, und Dr.
Hans Gurtner-Witschi, Apotheker, schlossen am 20. Oktober 1954 einen
Gesellschaftsvertrag, wonach sie gemeinsam als Kollektivgesellschafter
die bis dahin von ihrem Vater geführte Apotheke und Drogerie in Bümpliz
auf unbestimmte Zeit weiterzuführen erklärten.

    Unter dem Titel "Auflösung, Ausscheiden und Liquidation" wurde in
Art. 20 des Vertrages bestimmt:

    "Kein Auflösungsgrund ist der Tod eines Gesellschafters. In diesem
Falle wird die Gesellschaft mit den Erben des verstorbenen Gesellschafters
als Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft fortgesetzt, wenn sie nicht durch
die Erben des verstorbenen Gesellschafters oder den andern Gesellschafter
gekündigt wird.

    Der überlebende Gesellschafter verzichtet aber ausdrücklich auf sein
Kündigungsrecht gegenüber der Ehefrau des verstorbenen Gesellschafters
bis zum Zeitpunkt ihrer Wiederverheiratung. Dieser Verzicht gilt im Falle
des Ablebens eines Gesellschafters und seiner Ehefrau auch gegenüber deren
Kinder bis zu dem Zeitpunkt, wo sie selbsterwerbend sind. Der überlebende
Gesellschafter verpflichtet sich ausserdem, das sich für das Geschäft
interessierende Kind des verstorbenen Gesellschafters als mitarbeitenden
Gesellschafter, sei es als Drogist oder Apotheker, aufzunehmen..."

    Am 23. Juni 1956 starb Fritz Gurtner. An seine Stelle trat, wie
in Art. 20 des Vertrags von 1954 vorgesehen, seine Witwe Frau Klara
Gurtner-Flückiger als unbeschränkt haftende Gesellschafterin; gleichzeitig
wurde die Ehefrau des Gesellschafters Dr. Hans Gurtner, Frau Lony
Gurtner-Witschi, als Kommanditärin in die Gesellschaft aufgenommen. Ein
besonderer Gesellschaftsvertrag wurde nicht abgeschlossen. Dagegen wurde,
jedoch erst am 20. März 1958, im Handelsregister eingetragen, Fritz
Gurtner-Flückiger sei infolge Todes aus der Gesellschaft ausgeschieden;
diese habe sich am 1. Juli 1956 in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt
mit Dr. Hans Gurtner-Witschi und Frau Klara Gurtner-Flückiger als
unbeschränkt haftenden Gesellschaftern und Frau Lony Gurtner-Witschi als
Kommanditärin mit einer Barkommandite von Fr. 15'000.--. Die Firma laute
jetzt: "Bümpliz-Apotheke und Drogerie, Dr. H. und K. Gurtner & Co.".

    Am 5. April 1963 starb auch Dr. Hans Gurtner-Witschi. Seine Erben sind
seine Ehefrau Lony Gurtner-Witschi und deren Tochter Lisbeth, geb. 1949.

    Die Frauen Klara und Lony Gurtner verhandelten bis im Herbst 1965
darüber, ob und in welcher Form sie das Unternehmen gemeinsam weiterführen
wollten oder wer es übernehmen solle. Sie konnten sich jedoch nicht
einigen. Inzwischen wurde das Geschäft vorläufig auf der bisherigen
Grundlage weitergeführt.

    B.- Im November 1965 klagte Frau Klara Gurtner-Flückiger gegen
Frau Lony Gurtner-Witschi und deren Tochter Lisbeth. Ihre endgültigen
Rechtsbegehren lauteten:

    "1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass die im Handelsregister
von Bern am 20.3.1958 unter der Firma Bümpliz-Apotheke und Drogerie
Dr. H. und K. Gurtner & Co. eingetragene Kommanditgesellschaft seit
5. April 1963 aufgelöst ist.

    2. Es sei die Liquidation der Gesellschaft gerichtlich anzuordnen."

    Die Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen.

    C.- Der Appellationshof des Kantons Bern wies die Klage am 10. Dezember
1968 ab.

    D.- Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das
Bundesgericht erklärt, mit der sie an ihren im kantonalen Verfahren
gestellten Begehren festhält; eventuell beantragt sie, die Sache zu neuer
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Die Beklagten beantragen, die Berufung abzuweisen und das angefochtene
Urteil zu bestätigen.

Auszug aus den Erwägungen:

              Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Vorinstanz hat die Klage mit der Begründung abgewiesen,
Art. 20 des Kollektivgesellschaftsvertrages von 1954 habe auch für das
nachfolgende Kommanditgesellschaftsverhältnis gegolten; nach der erwähnten
Bestimmung sei daher nach dem Tode des Gesellschafters Dr. Hans Gurtner
dessen Ehefrau unbeschränkt haftende Gesellschafterin geworden, so dass
die Gesellschaft auch heute noch bestehe.

    Diese Auffassung beruht, wie auch die Klägerin anerkennt, auf
der blossen Auslegung des Vertragswortlautes, d.h. auf der Ermittlung
des Sinnes, der den von den Parteien im Vertragstext niedergelegten
Willensäusserungen unter den gegebenen Umständen nach der allgemeinen
Lebenserfahrung und nach den Grundsätzen von Treu und Glauben beigelegt
werden muss. Eine auf diesem Wege gewonnene Vertragsauslegung kann als
Rechtsfrage vom Bundesgericht frei überprüft werden (BGE 90 II 455,
89 II 130, 87 II 237, 83 II 307 sowie insbesondere BGE 69 II 322).

Erwägung 2

    2.- Die Kollektiv- und die Kommanditgesellschaft sind
Personengesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit. Sie beruhen
auf einem Vertrag, der nicht der Schriftform bedarf, ja sogar
stillschweigend, durch schlüssiges Verhalten abgeschlossen werden
kann (HARTMANN, OR Art. 552 N. 9, Art. 594 N. 24). Beim Fehlen eines
schriftlichen Gesellschaftsvertrages unterstehen die Beziehungen der
Gesellschafter zueinander der gesetzlichen Regelung. Dabei gelten für
die Kommanditgesellschaft gemäss Art. 598 Abs. 2 OR im wesentlichen die
Bestimmungen über die Kollektivgesellschaft, für die ihrerseits Art. 557
Abs. 2 OR auf die Vorschriften über die einfache Gesellschaft verweist.

    Auch die Umwandlung einer Kollektivgesellschaft in eine
Kommanditgesellschaft kann formlos erfolgen, ohne dass die bisherige
Gesellschaft in aller Form aufgelöst und eine neue Gesellschaft
gegründet werden muss. Tritt in eine Kollektivgesellschaft ein
nur beschränkt haftender Gesellschafter ein, so wird sie damit zur
Kommanditgesellschaft. Das ist aus Art. 612 OR ersichtlich, der die
Haftungsverhältnisse beim Beitritt eines Kommanditärs zu einer bestehenden
Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft regelt, die Zulässigkeit einer
solchen Umwandlung also stillschweigend voraussetzt. Auch der Austritt
eines Kollektiv- oder Kommanditgesellschafters ist auf den Bestand der
Gesellschaft ohne Einfluss. Tritt ein Kollektivgesellschafter aus, so
bleibt die Kollektivgesellschaft bestehen, wenn noch mindestens zwei
unbeschränkt haftende Gesellschafter vorhanden sind. Tritt bei einer
mindestens aus zwei Komplementären und einem Kommanditär bestehenden
Kommanditgesellschaft der Kommanditär aus, so besteht die Gesellschaft
als Kollektivgesellschaft weiter. Solche Umwandlungen können schon im
ursprünglichen Gesellschaftsvertrag vorgesehen werden, sind aber auch
ohne ausdrückliche vertragliche Bestimmung hierüber zulässig (vgl. hiezu
HARTMANN, Art. 594 OR N. 11; SIEGWART, Art. 598 OR N. 7; GUHL, SJK
Nr. 761 I).

    Im vorliegenden Falle wurde die im Jahre 1954 gegründete
Gesellschaft nach dem Tode des Gesellschafters Fritz Gurtner in der
Form einer Kommanditgesellschaft weitergeführt, und zwar, wie in der
Eintragung vom 20. März 1958 im Handelsregister festgehalten wurde,
mit Wirkung ab 1. Juli 1956. An Stelle des verstorbenen Fritz Gurtner
trat dessen Ehefrau als unbeschränkt haftende Gesellschafterin ein, und
als Kommanditärin wurde die Ehefrau des Gesellschafters Dr. Hans Gurtner
aufgenommen. Andere als diese aus dem Handelsregistereintrag vom 20.
März 1958 ersichtlichen Änderungen wurden gemäss verbindlicher Feststellung
der Vorinstanz nicht vereinbart. Es fehlt somit jeder Anhaltspunkt für
die Behauptung der Klägerin, der Gesellschaftsvertrag von 1954 sei in
wesentlichen Teilen schon mit der Umwandlung der Kollektivgesellschaft in
eine Kommanditgesellschaft ausser Kraft gesetzt worden, so dass auf die
Kommanditgesellschaft die subsidiären gesetzlichen Vorschriften anzuwenden
seien. Art. 20 Abs. 1 des ursprünglichen Vertrages sah im Gegenteil
bereits vor, dass beim Tod eines Gesellschafters die Gesellschaft mit
dessen Erben als Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft fortgesetzt werden
solle. Es steht somit ausser Zweifel, dass der Gesellschaftsvertrag von
1954 als solcher auch nach der Umwandlung der Kollektivgesellschaft in
eine Kommanditgesellschaft in Kraft blieb.

Erwägung 3

    3.- Als Personengesellschaft wird die Kommanditgesellschaft gleich
wie die einfache Gesellschaft und die Kollektivgesellschaft durch den Tod
eines Gesellschafters aufgelöst. Es kann jedoch vereinbart werden, dass sie
mit den Erben fortgesetzt werden soll. Zur Fortsetzung können die Erben je
nach den Umständen verpflichtet oder bloss berechtigt sein (vgl. hierüber
SIEGWART, Art. 545/47 OR N. 5; HARTMANN, Art. 574 OR N. 12 ff.).

    Von der Möglichkeit, die Erben eines Kollektivgesellschafters in
die Gesellschaft eintreten zu lassen, wurde im vorliegenden Fall durch
Art. 20 des Gesellschaftsvertrages Gebrauch gemacht.

    Die Klägerin macht geltend, diese Bestimmung regle nur die
Beziehungen zwischen der Witwe des zuerst gestorbenen und dem überlebenden
Gesellschafter. Dieser Fall sei mit dem Tode des Gesellschafters Fritz
Gurtner im Jahre 1956 eingetreten und habe zum Eintritt der Klägerin in die
Gesellschaft als unbeschränkt haftende Teilhaberin und zur Umwandlung in
eine Kommanditgesellschaft geführt. Damit sei Art. 20 des ursprünglichen
Gesellschaftsvertrages gegenstandlos geworden. Auf das Rechtsverhältnis
der beiden Witwen nach dem Tod auch des zweiten Gesellschaftsgründers
sei die Bestimmung nicht anwendbar, sondern es greife die gesetzliche
Regelung Platz, wonach die Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters
aufgelöst werde.

    Diese Auffassung hält nicht stand.

    Art. 20 des Vertrages spricht zwar vom Tod eines Gesellschafters
und den daraus sich ergebenden Pflichten des überlebenden
Gesellschafters. Dieser Wortlaut schliesst jedoch nicht aus, dass
die Bestimmung auch bei einem Wechsel in der Zusammensetzung der
Gesellschaft weiter gelten solle. Vor allem aber ist bei der Ermittlung
der Tragweite der Bestimmung zu berücksichtigen, dass die Gesellschaft der
Brüder Gurtner, wie der Vertrag von 1954 als Ganzes deutlich zeigt, ein
Familienunternehmen war, das bei der Übertragung des Geschäftes von Vater
Gurtner auf seine Söhne gegründet wurde. Dabei waren die Vertragsparteien
in erster Linie darauf bedacht, den Ehefrauen und den Nachkommen beider
Gesellschafter durch die Möglichkeit der Beteiligung am Familienunternehmen
eine Lebensgrundlage zu sichern. Wäre Art. 20 des Gesellschaftsvertrages
in dem Sinne zu verstehen, den ihm die Klägerin beilegen will, so hätte
dies zur Folge, dass die angestrebte Existenzsicherung nur der Familie
des zuerst versterbenden Teilhabers zuteil würde. Nur dessen Witwe könnte
verlangen, dass die Gesellschaft fortgesetzt und sie in irgendeiner Form
als Teilhaberin in diese aufgenommen werde, während die Witwe des später
verstorbenen zweiten Teilhabers keinen solchen Anspruch mehr geltend
machen könnte. Es leuchtet jedoch ein, dass für sie auch in diesem Falle
das Bedürfnis nach der angestrebten Existenzsicherung in gleicher Weise
besteht, wie wenn ihr Ehemann vor seinem Bruder gestorben wäre.

    Dasselbe gilt für die Bestimmung, wonach beim Tod der Witwe
des vorverstorbenen Teilhabers ihre Nachkommen Anspruch darauf haben
sollten, als Teilhaber in das Geschäft eintreten zu können, wenn sie die
erforderlichen persönlichen Voraussetzungen (Ausbildung als Apotheker
oder Drogist) erfüllten. Auch diese Sicherung käme nur den Nachkommen
des zuerst versterbenden Teilhabers zugute, während diejenigen des
später versterbenden Teilhabers dies nach der Auslegung der Klägerin
nicht beanspruchen könnten. Die Folge davon wäre im vorliegenden Falle,
dass die Tochter des zweitverstorbenen Gesellschafters, die Beklagte
Lisbeth Gurtner, die vor dem Abschluss der Ausbildung als Drogistin steht,
nicht verlangen könnte, als Gesellschafterin in das Familienunternehmen
aufgenommen zu werden, wie ihr dies durch Art. 20 des Vertrages ermöglicht
werden sollte.

    Da ungewiss war, welcher der beiden Teilhaber zuerst sterben werde,
wäre es dem Zufall überlassen gewesen, welche der beiden Familien in
den Genuss der Existenzsicherung gelangen werde, die doch für beide in
gleicher Weise gedacht war. Es ist unvorstellbar, dass die ursprünglichen
Gesellschafter eine Regelung treffen wollten, die notwendigerweise zu
einer derart schwerwiegenden ungleichen Behandlung der beiden Familien
führen musste und zur Folge hätte, dass die Ehefrau und die Nachkommen
des zweitverstorbenen Gesellschafters alle Sicherungen verlören, die
ihnen zugekommen wären, wenn ihr Gatte bzw. Vater vor seinem Bruder
gestorben wäre.

    Die Unhaltbarkeit der von der Klägerin verfochtenen Auslegung ergibt
sich schliesslich auch noch auf Grund folgender Überlegung: Wären beide
Gesellschaftsgründer z.B. bei einem Verkehrsunfall gleichzeitig tödlich
verunglückt, so hätte dies nach der Vertragsauslegung der Klägerin
die Auflösung der Gesellschaft nach sich gezogen, während doch der
angestrebte Fürsorgezweck gerade in diesem Falle die Weiterführung des
Familienunternehmens durch die Erben erheischen würde.

    Es ist daher der Vorinstanz beizupflichten, dass Art. 20
des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages auch für die spätere
Kommanditgesellschaft galt und dass daher nach dem Tod des zweiten
Gesellschaftsgründers dessen Erben sich in gleicher Weise auf die
Bestimmung berufen können wie seinerzeit die Klägerin beim Tod ihres
Ehemannes.

Erwägung 4

    4.- Was die Klägerin in der Berufung vorbringt, vermag das dargelegte
Ergebnis nicht zu erschüttern.

    a) Die Klägerin wirft der Vorinstanz vor, sie habe Art.  18 OR
dadurch verletzt, dass sie es unterlassen habe, nach dem übereinstimmenden
wirklichen Willen der vertragschliessenden Parteien zu forschen.

    Ergibt sich auf Grund besonderer Umstände, dass beide Vertragsparteien
übereinstimmend dem Wortlaut ihrer Vereinbarung einen Sinn beigelegt haben,
der von dem durch die allgemeine Lebenserfahrung eingegebenen abweicht,
so kommt allerdings diesem übereinstimmenden wirklichen Willen der Vorrang
zu, und die Feststellung des Sachrichters, dass die Parteien tatsächlich
einen Willen dieses Inhalts hatten, ist, weil tatsächlicher Natur, für das
Bundesgericht verbindlich (BGE 69 II 322 f., 76 II 144, 84 II 584 Erw. 3,
88 II 34 f., 78 f., 90 II 498 Erw. 5).

    Im vorliegenden Falle liess sich jedoch, da die ursprünglichen
Vertragsparteien und ihr beim Vertragsabschluss mitwirkender
Vater inzwischen verstorben sind, nach der eigenen Darstellung der
Klägerin der seinerzeitige Parteiwille nur noch auf dem Wege der
generellen Vertragsauslegung, d.h. nach der allgemeinen Lebenserfahrung
ermitteln. Bei dieser Sachlage kann der Vorinstanz kein Vorwurf daraus
gemacht werden, dass sie bei der Ermittlung des Sinnes von Art. 20
des Gesellschaftsvertrages auf die in Erw. 2 dargelegten Grundsätze
abstellte und damit zum Ausdruck brachte, dass sich eine übereinstimmende
Willensmeinung des von der Klägerin behaupteten Inhalts nicht feststellen
lasse. Der Versuch der Klägerin, unter Hinweis auf gewisse Umstände
(seit jeher bestehende Unverträglichkeit der beiden Schwägerinnen)
eine besondere übereinstimmende Willensmeinung der Vertragsparteien
zu "rekonstruieren", läuft auf eine unzulässige Ergänzung des von der
Vorinstanz festgestellten Sachverhalts hinaus und ist daher nicht zu hören
(Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).

    b) Die Klägerin macht weiter geltend, der Gesellschaftsvertrag sei
spätestens mit dem Tod des Dr. Hans Gurtner infolge Unmöglichkeit seiner
Anwendung gemäss Art. 20 OR nichtig geworden.

    Dieser Einwand scheitert jedoch schon daran, dass die Unmöglichkeit im
Sinne von Art. 20 OR von Anfang an bestanden haben muss; die versprochene
Leistung muss aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen überhaupt nicht
erbringbar sein (OSER/SCHÖNENBERGER, Art. 20 OR N. 3; VON TUHR/SIEGWART,
OR I S. 244 f.). Davon kann hier nicht die Rede sein. Die in Art. 20 des
Vertrages vorgesehene Pflicht zur Fortsetzung der Gesellschaft mit den
Erben eines verstorbenen Gesellschafters hatte einen möglichen Inhalt,
und zwar sowohl beim Tod des ersten wie des zweiten Gründers. Dass die
Bestimmung das unentziehbare Recht der Gesellschafter auf Kündigung
des Verhältnisses in übermässiger Weise beschränke, wie die Vorinstanz
beiläufig bemerkt hat, macht die Klägerin nicht geltend. Ob die von der
Vorinstanz hierüber geäusserte Meinung zutreffe und daher der Ausschluss
der Kündigungsmöglichkeit gemäss Art. 20 Abs. 2 OR auf das zulässige Mass
beschränkt werden müsste, kann offen gelassen werden. Denn dieser Punkt
ist ohne Bedeutung für die heute allein zu entscheidende Frage, ob Art. 20
des Gesellschaftsvertrages auch beim Tod des zweiten Gesellschaftsgründers
anwendbar sei.

    c) Unbegründet ist endlich auch die Rüge der Klägerin, die Vorinstanz
habe Art. 8 ZGB verletzt, weil sie den Beklagten nicht den Beweis für
die von ihnen behauptete Tragweite der streitigen Vertragsbestimmung
auferlegt habe.

    Art. 8 ZGB verpflichtet jede Partei, die Tatsachen zu beweisen,
aus denen sie Rechte ableitet. Behauptete Tatsache ist im vorliegenden
Fall der Wortlaut des Gesellschaftsvertrages, der übrigens unbestritten
ist. Wie die streitige Vertragsbestimmung auszulegen sei, ist dagegen
Rechtsfrage, die des Beweises nicht bedarf, sondern vom Richter von Amtes
wegen zu entscheiden ist.

Entscheid:

Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationshofes
des Kantons Bern, II. Zivilkammer, vom 10. Dezember 1968 bestätigt.